Puppe
Rentier
Vesterbroplatz oder
Amagerbrostraße
qivittoq
ich sehe ein Auge, das schläft
ich wohne in ihm
meine Decke aus Rentier
ist Teil seines guten, festen Pappkartons
ich gehe vorbei
seine Kleidung, die Stoffe, Halstücher, Plastiktüten
ein paar Lebensmittel, vielleicht mammik
nein
ich gucke
aber du siehst mich an mit schlafenden Augen
ich wohne in deinem Blick
qivittoq mammik
Lebensmittel
eine Parkbank
der Rest eines guten Hauses
ein Pappkarton
du weißt, ich bin da
möchte fragen, ob du mattak willst
oder im Ofen gebratenes miteq
oder vielleicht appat-Eintopf
Aber ich traue mich nicht zu fragen
qivittoq
ich bin selbst ein qivittoq
oder nicht?
meine Puppe
zart gebaut aus Federn und Seide, aus Wollgras
die Berge im Sommer
in dem kleinen Bach
immer frisches
rinnendes Wasser
ich sehe meine Puppe
qivittoq
ich wohne in deinen Augen
Qivittoq sind nach der grönländischen Tradition Menschen,
die zur Strafe aus der Gemeinschaft ausgestoßen wurden und
als mythische und bedrohliche Einzelgänger im ewigen Eis
umherwandern.
Vesterbroplatz und Amagerbrostraße sind Orte in Kopenhagen,
die in sozial eher belasteten Gegenden mit relativ vielen
Obdachlosen liegen.
Mammik ist das Gewebe, das sich zwischen der Robbenhaut und
dem darunterliegenden, nahrhaften Speck befindet. Eigentlich ist
dieses Gewebe nicht für den Verzehr geeignet.
Mattak ist Walfett, das man traditionell in Grönland benutzt hat.
Miteq ist ein Daunenvogel, appat ein Tordalkvogel.
Wollgras wurde in Grönland angebaut.
Das »gute Haus« ist eine Anspielung auf ein Gedicht des
grönländischen Schriftstellers Ole Korneliussen, in dem dieser
(mit Blick auf den die traditionelle Lebensweise zerstörenden
Modernisierungsprozess Grönlands) von dem »guten, neuen
Haus« spricht, in dem man jedoch frieren würde.
(Anmerkung des Übersetzers)