Wulf Kirsten
SCHWARZER FREITAG
die bräuche der zunft hießen ihn wandern,
unruhe trieb ihn zu fuß bis Paris,
entlaufener tischlergeselle, einen krieg lang
verschollen, wars in Abu Telfan? saß er
in Tumorkieland gefangen? São Paulo hieß
die stadt, wie zu lesen, eine karte aus Chicago,
erdbewohner, weltbefahrner globetrotter,
Deutscher Club Pretoria, hobel, zollstock
und auch wasserwaage hoch in ehren jedes werkzeug,
doch beiseite, von dem holz auf aktien
umgesattelt, abenteurer, der das märchen
hans im glück sich selber vorgespielt, gang
zur börse hieß fortan sein tagewerk, nur
auf gold gesetzt, hoch gepokert, fieberhaft,
glück im spiel, ein vermögen, märchenhaft,
einmal will ich millionär sein, bauernhöfe
kaufen, Steinbachs ganze armutei, goldner boden,
alles lug und trug, schwarzer freitag
in Pretoria, sturz ins bodenlose nichts,
geld und den verstand verloren, lästiges subjekt,
völlig unvermögend, ab nach Deutschland,
rückkehr des verlornen sohnes, gar nicht
märchenhaft: Bremen, Harrassprung, Hochweitzschen,
tief in Sachsen, doch jetzt geistverstört,
wirre reden, nur noch manchmal blitzt es auf
in den tiraden, wenn es ihm die zunge überschlägt,
tief gekränkt, jede woche einen brief an Adolf
Hitler, jedes wort ein vorwurf, petitionen ohne
echo schrieb sich noch die finger wund: ich bin
widerrechtlich eingesperrt, was mich höchst empört,
edle tischmanieren, wie sie gang und gäbe warn
im Deutschen Club, gehn den leuten ab in dieser
anstalt, in Pretoria war ich geachtet, tadellose
kleidung, maßgeschneidert, fast zum krösus
aufgestiegen, als ich mithielt mit den männern,
die um das geheimnis wußten, wie man gold
zu gelde macht, steilstieg tief von unten
aus dem lehm, steilsturz von hoch oben, wo
die börsenjobber thronen, lebensunwert wär
sein leben, deutsche sprache ihm zum hohne,
ab nach Pirna auf den Sonnenstein, letzte
rechnung für die asche, ob er Hitler noch
verfluchte, als man ihn ins gas geschickt?