Marc Hermann 
Translator

on Lyrikline: 4 poems translated

from: 中文 to: 德文

Original

Translation

距离的阻滞(组诗选三)

中文 | Wang Pu

一,意识流

午饭后,内陆和海洋死活不结婚。
云雨的司仪被痰卡住了,时间撑坏了,负责补妆的爱神也歇了。
大姑娘们最后一次举起玫瑰色的酒,像拎着时间的卷尺,给北大西洋量腰围。
这等于是三一律在阻挠你我搞对象。远方的你,能答应么?

午饭后有消化的意识流,意识流着母语。

沾满尘土的、干瘪的玫瑰,冒充年鉴的皱褶。但深深的是老欧洲的牙疼。耕耘者耕耘,拾穗者俯身拾穗。 间或有共和与帝制勾兑于小资,在街角青涩着情调,在地铁里题诗、被捕。价格又何妨普世:与其在世界的卷轴中寻找十月的匕首,不如展读一册老连环画,在铅色的河面上,如落叶纷纷。
——但这真成了越文明越忧伤,伤及风、雨、动植物。
俯身拾垃圾者,刚吃完茕茕孑立的一餐。

三,农事诗

田野与薄雾脸贴着脸。
外省的农业安静了。像宇宙做了次深呼吸,像酿造者和不务正业者经过了一夜的长谈,膝仍促着膝。
乡镇游乐场、老风车、稻草人,
孤独。大海在泥土下汹涌。葡萄园里浑浊的浪尖、墓地里退潮时的白沫,
孤独。写诗也没用。薄雾中,我对你浑然不觉,又怎样?
但诗与孤独并不互相酿造。它们只是脸贴着脸。
休耕的地里,牲口们正沿着雾的毛边,反刍着诗与孤独之间的无缝隙但没关系。
雾转浓。我对你浑然不觉:没关系。

四,新民歌

密密麻麻的墓碑擦黑了天空。汉语开始了怯生生的求偶。每逢此时,我就禁不住问:一首诗能检阅多少游荡的死魂灵。
(周周去教堂的所多玛劳动模范/停下手里的填字游戏抬头张望的乞丐/塑料人/酿造者,不务正业者/刚刚下班的天使爱美丽,疾走,皮肤慢慢恢复为黑色/江青同志及芭蕾舞团/工人,农民/四个卖艺的,并排坐在横椅上,累得一动不动,其中两个操手风琴,另一个在为小号调音——他们一定和我一样腰疼/拥立过皇帝的羊奶酪匠人/裹得严严实实的妓女/住在胡志明故居附近的简•方达/独自向隅的爱我者/发脱衣舞广告的语言天才/在左岸喝住我的警察/在右岸让我快点走的警察/买《犹太人问题》的犹太人/人民公社的“吃不饱”/瘦身成功的有产者/时而穿过原野,时而穿过白纸的拾遗者/地铁里更换广告的熟练工,提着胶水)
即:一首诗能检阅多少时代的敌人?一首诗,至少,散文着这似有似无的降雨,宛如痛哭前双眼的长久潮湿。
检阅他们的时候到了。因为天已擦黑。检阅他们的时候到了,和他们打成一片的时候到了。因为在路灯与路灯之间,人民眼前一黑,想起了一张陌生的、只有闪电才能照亮的脸庞。
在拉雪兹神父公墓的墙角里,有探头探脑的身影。他们饿。他们混进了人群,向蒙马特踱去。
(不!天使爱美丽蜕皮之后,露出了长疤的阿尔及尔的左脸!)
蒙马特公墓裂开了深红的阴道。一帮小年轻在枯坐许久之后站起来,开始掸身上的尘土,仿佛是计算着等待的时间。
这一队人穿过街道上流转着的一切秘闻,装作不为所动。其中有一个沉默地落在了大家的后面。当一张平庸的脸随着手机灭去而消隐,大家凑近,耳语,分享了毛里求斯的狐臭。
当发脱衣舞广告的人同时说十几门语言时,一个下班了的广告张贴工人,在自慰器柜台前停了下来。他每天都辗转于各个地铁站,刷子挂在左腿上,右手提一桶胶水;他拼贴最新的广告,漫不经心地检查着不相关的逻辑:时间,地点,兴奋点,价位,日历一般绝对真实。此刻,他漠然地伸手,仿佛重复着工作时的动作,又仿佛在一个标签中错认了忘我的良宵。
那停在半空的手臂,或许是检阅的暗号。或许是一个暗号求偶于时代的闪电。
一位80年代的体育记者翻译道:“布朗基全副武装地离开家,走时同他的姐妹们道别,随后来到他香榭里舍大街上的阅兵点。根据他与格朗杰的议定,这支以布朗基为其神秘总司令的队伍将要通过检阅。他认得那些首领,现在,他渴望看到在那些首领身后迈着正步从他面前走过的人们。布朗基不露任何蛛丝马迹地举行了他的这次检阅。这位老人倚着一棵树,站在与他同样地在观看这一奇特场面的人群中,密切注意着他的那些朋友,他们排成行列向前进,静静地走着,夹杂着一些低语,不断被喊话声打断。”
两队鬼魂,从各个街角默默地涌来,握手于两座公墓之间的圣心大教堂。此时此地,一首诗能检阅多少诗歌的秘密友人?
这取决于事后才开始的漫长的准备。
他们在阶梯的最低处逡巡,因为如果每一级台阶都是一行诗,那并不会通向死者的地下党。同理:他们抬头看了看,认不出井冈山。
他们团结如一人;他们团结如一个忘我的自我。
一位频繁出入人民法院的副教授鼓励我说:“在共鸣的自我中寻找伟大的友谊。”

下次汉语求偶时,别再买给她自慰器。

他们肯定和我不相干。
琳琅满目的“不相干”推搡着我去写真实;我招架不住,只好在价签上署上自己的名字。
真实自写真实,在纸币上,在电话卡上,在收据上,在卫生纸上,在过期信用卡上,在严格按《劳动法》起草的合同上,在美术馆名画的龟裂的油彩上,在浏览器上,在日晒雨淋的一双双手上,也在握紧了钥匙的微微出汗的手心里;在你我的脸上如这似有似无的降雨。真实真是用最通俗的语言号召伟大的友谊。
但那要求你我在相忘于咫尺之间时别再那么熟练。也要求你在爱恨交加时,把琴弓伸入我的心房。
它写的每一行都在招募我。写诗就是给自我过组织生活。但这是远远不够的。

人们稀稀拉拉地停在了环路上。
与此同时,几个派遣工在街对过开始麻利地更换灯箱广告。他们被照得透亮,仿佛夜游的信使;在被挖去了阅读的眼睛之后,他们对着乳沟的日历,培养出了严格的盲目。
旧广告撤去之后,被检阅的人们,在路对面,也披上了这强光。他们观察着,但不思考。仿佛下一则广告印着下一道口令。
必须有无穷无尽的当代事物催促我写诗。

每一首诗都在招募诗人。但这远远不够。

2008-2009年初稿,巴黎-纽约-北京
2011年修改
2012年修改

© Wang Pu
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2015

Die Verhinderung der Distanz (Drei Auszüge aus einem Zyklus)

德文

I. Bewusstseinsstrom
Nach dem Mittagessen verweigern Binnenland und Meer die Vermählung.
Spucke stoppt den Zeremonienmeister des Liebesspiels, die Zeit hat sich überfressen, und auch der fürs Make-up zuständige Amor nimmt sich eine Auszeit.
Ein letztes Mal erheben die jungen Frauen die Gläser mit dem rosenroten Wein, als wollten sie mit dem Meterband der Zeit die Bundweite des Nordatlantiks messen.
Dies läuft auf die Vereitlung unserer Beziehung durch die Einheit von Zeit, Raum und Handlung hinaus. Kannst du mir von fern dein Ja geben?

Nach dem Mittagessen setzt der Bewusstseinsstrom der Verdauung ein und strömt die Muttersprache.

Die verwelkte, staubbedeckte Rose gibt sich als Almanachgerunzel aus. Doch tief im Innern nistet der Zahnschmerz des alten Europa. Der Pflüger pflügt, der Ährenleser liest die Ähren. Ab und an befällt einen Kleinbürger, gemixt aus Republik und Monarchie, an einer Straßenecke eine sentimentale Anwandlung: Er kritzelt ein Gedicht in die U-Bahn und wird verhaftet. Doch was spricht gegen universelle Preise? Statt in der Bildrolle der Welt nach dem Dolch des Oktobers zu suchen, lese man lieber einen alten Comic, der wie ein Blätterregen auf dem bleiernen Fluss niedergeht.
Die gepflegte Schwermut, die man solcherart kultiviert, beschwert Wind und Regen, Flora und Fauna.
Der Müllsammler hat soeben sein einsames Mahl beendet.

III. Gedicht von der Landarbeit
Acker und Nebel schmiegen sich aneinander.
Die auswärtige Landwirtschaft hat sich beruhigt. Als hätte das Universum einen tiefen Atemzug getan, als hätten der Winzer und der Tagelöhner die ganze Nacht mit Reden zugebracht und säßen noch immer beieinander.
Ein kleinstädtischer Vergnügungspark, ein altes Windrad, eine Vogelscheuche.
Einsamkeit. Unter der Erde tost das Meer. Trübe Wellenkämme auf dem Weinberg, Schaum bei Ebbe auf dem Friedhof.
Einsamkeit. Auch das Gedichteschreiben bringt keine Besserung. Im Nebel spüre ich dich nicht. Na und?
Aber Gedicht und Einsamkeit bringen einander nicht zur Gärung. Sie schmiegen sich nur aneinander.
Auf dem Brachland kaut das Vieh entlang dem fransigen Rand des Nebels das bruchlose Nebeneinander von Gedicht und Einsamkeit wieder. Na und wenn schon. Der Dunst wird dichter. Ich spüre dich nicht. Na und wenn schon.

IV. Neues Volkslied
Das Gedränge der Grabsteine fegt den Himmel schwarz. Die chinesische Sprache begibt sich auf zaghafte Balz. Und jedesmal wieder komme ich nicht umhin zu fragen: Wie vielen rastlosen Geistern vermag ein Gedicht die Parade abzunehmen?
(Der allwöchentliche Kirchgang des Modellarbeiters von Sodom / Ein Bettler, der von seinem Kreuzworträtsel aufblickt / Ein Plastikmensch / Ein Winzer und ein Tagelöhner / Die fabelhafte Amélie, die gerade Feierabend gemacht hat und nun dahineilt, während ihre Haut allmählich zu alter Schwärze genest / Madame Mao und ihr Ballettensemble / Die Arbeiter und Bauern / Vier Straßenmusiker, die, reglos vor Müdigkeit, Seite an Seite auf einer Bank sitzen. Zwei von ihnen spielen Akkordeon, ein Dritter stimmt eine Trompete. Sie haben gewiss genauso einen Hexenschuss wie ich / Ein Schafskäsesenner, der den Kaiser gekrönt hat / Eine vermummte Hure / Jane Fonda, die in der Nähe von Ho Chi Minhs altem Domizil wohnt / Meine schmollende Verehrerin / Ein Sprachgenie, das eine Stripteasewerbung annonciert / Ein Polizist, der mich am linken Ufer stehenbleiben heißt / Ein Polizist, der mich am rechten Ufer schneller gehen heißt / Ein Jude, der sich „Die Judenfrage“ kauft / Der Hunger der Kommune / Ein erfolgreich verschlankter Besitzender / Ein unehrlicher Finder, der bald freies Feld, bald weißes Papier überquert / Ein Facharbeiter, zuständig für den Austausch der Reklame in der U-Bahn, in der Hand seinen Kleber)
Das heißt: Wie vielen Feinden der Epoche vermag ein Gedicht die Parade abzunehmen? Wenigstens zerstreut es, durchaus prosaisch, den unmerklichen Regen, der lange in der Luft liegt wie vor einem Heulkrampf die Nässe in den Augen.
Es ist an der Zeit, ihnen die Parade abzunehmen. Denn der Himmel ist schon schwarz gefegt. Es ist an der Zeit, ihnen die Parade abzunehmen, Zeit, mit ihnen eins zu werden. Denn zwischen den Straßenlaternen, in der Finsternis vor den Augen des Volks, wird die Erinnerung wach an ein fremdes Gesicht, das nur ein Blitz erhellen kann.
Lauernde Schemen in einer Mauernische auf dem Friedhof Père Lachaise. Hungrig sind sie. Sie mischen sich unter die Menge und schlendern zum Montmartre.
(Doch nein: Nach ihrer Häutung entblößt die fabelhafte Amélie auf der linken Wange die lange Narbe von Algier.)
Auf dem Friedhof von Montmartre tut sich eine tiefrote Vagina auf. Eine Clique junger Männer erhebt sich nach langem Herumgegammel und klopft sich den Schmutz von den Kleidern, als überschlügen sie die Zeit ihres Wartens.
Beim Überqueren all der Geheimnisse, die auf der Straße kursieren, geben sie sich ungerührt. Wortlos fällt einer von ihnen hinter die anderen zurück. Als ein Allerweltsgesicht mit seinem Handy erlischt, scharen sich alle zusammen und teilen tuschelnd den Duft ihres mauritischen Schweißes.
Während ein Mann, der Stripteasewerbung annonciert, ein Dutzend Sprachen zugleich spricht, bleibt ein Arbeiter, der Reklame anklebt, nach Feierabend vor einer Theke mit Sexspielzeug stehen. Die Bürste am linken Bein, den Eimer mit Kleber in der rechten Hand, so kommt er Tag für Tag durch unzählige U-Bahn-Stationen. Beim Anbringen der neuesten Reklame mustert er flüchtig die diffuse Logik: Zeit, Ort, Attraktion und Preis sind so unumschränkt wahr wie ein Kalender. Teilnahmslos streckt er in diesem Moment die Hand aus, als wollte er seine professionellen Bewegungen wiederholen und hätte zugleich irrigerweise von einem Etikett die selbstvergessene Schönheit des Abends abgelesen.
Womöglich gibt sein in der Luft erstarrter Arm das geheime Zeichen zur Abnahme der Parade. Oder womöglich ist er ein Blitz, der das verborgene Signal zur Balz mit der Epoche sendet.
Ein Sportjournalist der achtziger Jahre übersetzt: „In voller Bewaffnung verlässt Blanqui sein Zuhause. Nachdem er Abschied von seinen Schwestern genommen hat, trifft er am Ort der Truppenschau ein, der Avenue des Champs-Élysées. Wie mit Granger vereinbart, werden die Truppen, die unter dem unergründlichen Oberkommando von Blanqui stehen, hier an ihm vorbeiparadieren. Ihre Anführer kennt er; jetzt brennt er darauf, die Männer, die im Stechschritt hinter ihnen marschieren, an sich vorbeischreiten zu sehen. Ohne sich etwas anmerken zu lassen, nimmt Blanqui die Parade ab. An einen Baum gelehnt steht der alte Mann in der Menge, die wie er dieses außergewöhnliche Schauspiel verfolgt. Mit großer Aufmerksamkeit beobachtet er seine Freunde, wie sie, still bis auf ein wenig Geflüster, voranrücken, übertönt vom fortwährenden Jubel.“
Schweigend wogen von den beiden Straßenecken die zwei Truppen der Toten heran und reichen sich die Hände vor der zwischen den beiden Friedhöfen gelegenen Basilika Sacré-Cœur. Wie vielen heimlichen Gedichtliebhabern vermag ein Gedicht hier und jetzt die Parade abzunehmen?
Das hängt von der endlosen Vorbereitung ab, die nachträglich beginnt.
Am Fuß der Treppe zögern sie. Wenn jede Stufe ein Vers ist, führt diese Treppe nicht zur Untergrundpartei der Toten. Entsprechend erkennen sie, als sie aufblicken, auch nicht die Berge von Jinggang.
Sie vereinen sich, als wären sie ein Mann, ein selbstloses Selbst.
Ein außerordentlicher Professor, der am Volksgericht ein- und ausgeht, ermuntert mich, „tiefe Freundschaft zu suchen im resonierenden Selbst“.

Wenn die chinesische Sprache sich das nächste Mal auf Balz begibt, kauf ihr nicht wieder ein Sexspielzeug.

Gewiss haben sie nichts mit mir zu tun.
All dies prachtvolle „Nichts-miteinander-zu-tun-Haben“ drängt mich, die Wahrheit zu schreiben; wehrlos signiere ich das Preisschild.
Die Wahrheit schreibt sich selbst – auf Geldscheinen und Telefonkarten, auf Quittungen und Klopapierrollen, auf abgelaufenen Kreditkarten und streng nach Arbeitsrecht entworfenen Verträgen, in den rissigen Ölfarben der Gemälde in den Galerien, in Browsern, auf allerlei wettergegerbten Händen und auch in der Handfläche, die sacht schwitzend einen Schlüssel umklammert; in unser beider Gesichter, die dem unmerklichen Regen gleichen. Mit den gewöhnlichsten Worten ruft die Wahrheit zu tiefer Freundschaft auf.
Doch das erfordert, dass wir alle Routine fallenlassen, wenn wir einander in nächster Nähe vergessen. Und es erfordert, dass du, wenn Liebe und Hass dich erfüllen, den Bogen in die Kammer meines Herzens führst.
Jeder ihrer Verse will mich rekrutieren. Gedichte schreiben heißt: sein Leben ordnen. Doch das ist bei Weitem nicht genug.

Vereinzelt bleiben Leute auf der Ringstraße stehen.
Auf der Straßenseite gegenüber wechseln unterdessen ein paar Leiharbeiter flink die Tafeln mit der Neonreklame. In hellem Licht erstrahlen sie wie nächtliche Boten; seitdem man ihnen die lesenden Augen ausgegraben hat, haben sie gegenüber Kalendern, die mit Dekolletés prangen, eine strikte Blindheit kultiviert.
Als die alte Reklame entfernt ist, werden auch die Leute, die auf der anderen Straßenseite vorüberparadieren, in grelles Licht getaucht. Gedankenlos betrachten sie die Werbung. Als brächte ihnen jede neue Reklame eine neue Losung.
Um ein Gedicht zu schreiben, muss ich bedrängt sein von der unendlichen Gegenwart der Dinge.

Jedes Gedicht rekrutiert seinen Dichter. Doch das ist bei Weitem nicht genug.


Erste Fassung 2008/09, Paris, New York und Peking
2011 und 2012 überarbeitet

© Übersetzung: Marc Hermann

社会的性质

中文 | Wang Pu

     木窗被吹开了。
布帘浮动,好像被牧师撩起的围裙。
看不见的手
怯生生地抚摸你的肩膀。
在阶级的醋意中,
你的肉绽放出一片租界,
你的皮肤透明如水仙。
晚霞在银行业的针毡上
慢慢地凝成最初的夜气:
冰冷时如锁链,
而到了春天它就是人民的脾。

2011

© Wang Pu
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2015

Das Wesen der Gesellschaft

德文

Das Fenster öffnet sich im Wind.
Der Vorhang flattert auf wie eine Schürze, die der Pfarrer lüpft.
Zaghaft streichelt
eine unsichtbare Hand deine Schulter.
Die Eifersucht der Klassen
treibt aus deinem Leib ein Pachtgebiet hervor.
Deine Haut schimmert durchlässig wie eine Narzisse.
Auf den glühenden Kohlen der Banken gefriert die Abendröte
sacht zur Luft der anbrechenden Nacht:
Einer Kette gleich bei Frost,
verwandelt sie sich im Frühling in die hitzigen Eingeweide des Volks.


2011

© Übersetzung: Marc Hermann

怀远

中文 | Wang Pu

为新生命而作

人民坐着火车缓缓地靠站。
月台却留在了另一省,
目送者的眸子里曾有火苗一样的手帕。
“时间再慢也不过如此吧,出差途中阅读亚当·斯密。”
新生命的心跳却如红军
在丛山峻岭中。就这样
亚当和夏娃开始了自助游:
那可是一生一世。
七年之痒,没办法,
干脆进一步到一摩擦就疼痛:
那是他们在建设无神论的自治区吗?
专列慢悠悠地,压实朝霞中的地平线,
为了“呜——呜”的惜别。

2009年8-9月

© Wang Pu
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2015

Fernweh

德文

Für ein neues Leben

Gemächlich steuert das Volk im Zug den nächsten Bahnhof an.
Der Bahnsteig bleibt zurück in einer anderen Provinz.
In den Augen derer, die dem Zug mit ihren Blicken folgen,
flackern Taschentücher, Flammen.
„Auf Dienstreisen vertreibt man die Langeweile mit der Lektüre von Adam Smith.“
Der Herzschlag des neuen Lebens hat wie die Rote Armee seinen Sitz
inmitten wilder Berge. So
brachen die Rucksacktouristen Adam und Eva auf.
Ihre Reise, wohlgemerkt, war lebenslang.
Das verflixte siebte Jahr, es juckt, und man kann nichts dagegen machen,
drum stracks gerieben, dass es schmerzt:
Ist das die atheistisch-autonome Zone, die sie schaffen?
Gemessen fährt der Sonderzug durch die verdichtete Morgenröte des Horizonts
um eines getuteten Abschieds willen.


                                                                          August/September 2009

© Übersetzung: Marc Hermann

七·祭(节选)

中文 | Wang Pu

1,晚点
是火车拒绝驶离十二月。是十二月拒绝作为掠过的风景。是继承人拒绝被惩罚,也拒绝赦免。
是慢车的硬座车厢。是临时停车:连铁轨也不闪烁,让人分不清前途和歧途。
几双生皴的手,紧抓着装了铺盖的化肥口袋。那行李静静地肿胀在常识之中。它再轻也是重的,像你刚刚长出的瘤子。你冷漠地转向车窗;那上面脏兮兮地映出小而坚固的恶因和恶果。

2,进村
雪总有密集而刺骨的寓意。亡者的隐讳,被徐徐揭开:那是被烧毁的家谱,那是遗照的底本。哭声四起,塞满那些临时的漏洞,像光天化日下的一阵黑暗,刺骨而密集。

3,夜
黑暗中一切都是黑暗的。像煤一样黑,比煤的燃烧更暗。人们填完肚子后伸手向火,寥寥闲谈中有大而广的怨恨。
黑暗中一切都是黑暗的。田野渐成深奥的煤。回到村庄的,在黑暗中被误认为外人。他来到蓝色的火苗前,照见自己的心是灼烧的邮包,在远海上。

4,又一夜
停电结束了:村委会也不得不表达一点畏惧。开着灯,亡者安心了。开着灯,生者也可以做梦。——
丈夫离家出走;姐夫顺势走进内室。小鬼子往寺院外拉村姑,男人们一边听着,一边缩着不动。修水库时有社员想火线入党,未成。大队会计抱着算盘拼命逃跑,一步跃入深云。矿山后边的矿山后边的矿山。县城师专里写情书,写揭发信。本科女同学叉开双腿。城市户口。——
灯开着;然后有人惊醒流泪,安慰自己:噩梦岂会是真相。


6,破土
那是一种老练尖刻的绿:冬小麦从积雪和泥泞中伸出稀稀拉拉的牙。后面几棵褐色的树,紧咬着自己的痛苦。它们深知风的流转,山的下沉,河流的消失,矿藏的亏空,和土地爷的伪善。阴阳先生三心二意地摆弄着新购的罗盘。在怀疑中,亡者的居所和后人的命运就确定了下去,漫如星象的“凶”和细如炊烟的“吉”也在此间依次落座。长子破土;汉子们用烈酒清理一下喉咙,干不洁净的活。不多时,土地就张开了一个大大的血口——要吃下什么?一小把尾巴明亮的鸟忽而惊飞,从顺治年间的田埂窜上未完工的高压电缆,缄默了,并没有义务传递任何征兆。

2006年初
2007修改

© Wang Pu
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2015

Sieben. Gedenken (Auszüge)

德文

1. Verspätung
Der Zug weigert sich, den Dezember zu verlassen. Der Dezember weigert sich, die vorbeihuschende Landschaft zu spielen. Der Erbe weigert sich, die Strafe auf sich zu nehmen – und auch, sie zu erlassen.
Ein Zweite-Klasse-Abteil in einem Bummelzug. Ein kurzer Halt: Nicht mal die Schienen schimmern, und niemand weiß zu sagen, wo Zukunft und wo Irrweg ist. Ein paar runzlige Hände umklammern Düngersäcke, gefüllt mit Bettzeug. Lautlos schwillt das Gepäck inmitten des gesunden Menschenverstandes. Egal, wie leicht es ist, es wiegt schwer – wie die Geschwulst, die dir soeben gewachsen ist. Apathisch drehst du dich zum Fenster: Klein und hart spiegeln sich auf der schmutzigen Scheibe böse Ursachen und Folgen.

2. Ins Dorf
Schnee hat stets die tiefere Bedeutung des Dichten und Durchdringenden. Die Geheimnisse der Toten kommen nach und nach ans Licht: verbrannte Ahnentafeln, die Vorlagen von Ahnenbildern. Ringsum stopft ein Schluchzen die flüchtigen Löcher, wie eine Finsternis am helllichten Tag, durchdringend und dicht.

4. Und wieder eine Nacht
Der Stromausfall ist vorüber: Auch der Gemeinderat kommt nicht umhin, ein wenig Angst zu äußern. Das Licht geht an, die Toten sind beruhigt. Das Licht geht an, und auch die Lebenden können wieder träumen.
Der Ehemann verlässt sein Heim; prompt betritt der Schwager das Schlafzimmer. Die Frechdachse zerren die Dorfmädchen aus dem Tempel, die Männer lauschen reglos zusammengekauert. Angesichts des Stauseebaus will ein Genosse der Partei beitreten, doch erfolglos. Den Abakus im Arm, rennt der Buchhalter der Truppe um sein Leben und springt mit einem Satz ins dichte Gewölk. Das Bergwerk hinterm Bergwerk hinterm Bergwerk. An der Pädagogischen Hochschule der Kreisstadt schreibt man Liebes- und Enthüllungsbriefe. Eine Bachelor-Studentin spreizt die Beine. Gemeldeter Wohnsitz in der Stadt.
Das Licht geht an – und unter Tränen schreckt jemand aus dem Schlaf auf. Und tröstet sich: Seit wann sind Albträume wahr?

6. Frühjahrsarbeit
Abgeklärt und bissig kommt das Grün daher: Durch den Schneematsch schiebt der Winterweizen seine lückenhaften Zahnreihen. Dahinter verbeißen sich ein paar braune Bäume in ihren Schmerz. Sie wissen um die Zirkulation der Winde, den Untergang der Berge, das Verschwinden der Flüsse, die Verschuldung der Bodenschätze und die Heuchelei der Erdgötter. Unschlüssig fummelt der Fengshui-Meister an seinem neu gekauften Kompass. Inmitten von Zweifeln werden die Heimstätten der Toten und die Geschicke der Nachfahren bestimmt, und auch das Unheil, weitläufig wie die Sterne, und das Glück, schmal wie eine Rauchsäule, nehmen ihre Plätze ein. Die Erstgeborenen bestellen den Acker. Die Männer schmieren die Kehlen mit Schnaps, ehe sie mit ihrer schmutzigen Arbeit beginnen. Bald klafft in der Erde ein blutiger Schlund – der was verschlingen will? Ein aufgeschreckter Vogel mit kleinem, hellem Schwanz flattert vom Qing-zeitlichen Ackerrain empor. Auf der unfertigen Hochspannungsleitung sucht er Zuflucht und versinkt, bar jeder Pflicht als Omenüberbringer, in Schweigen.


                                                                 Anfang 2006, überarbeitet 2007

© Übersetzung: Marc Hermann