Aus: Der Weststrand
V
Frühstück, „Herr Ober, die Staukarte bitte“
. . .
Sie hocken im Modder wie komische Vögel
Die Krallen abwärtsgerichtet
Plastikbeutel als schwarze
Wehende Kröpfe, Muschelsucher
In La Tranche-sur-Mer. Einsame lüsterne Arbeit
Der Dichter,
für eine rohe Mahlzeit.
Was zählt
Das Ende der Geschichte
In diesem alltäglichen Schlick
Wo oben unten ist und Tod Leben.
. . . Und er benutzte die Zeit, darüber nachzudenken
Wie paradox es ist
Daß uns Stöße Genuß bereiten
„Ein Stochern im Leib. . . dankbar aufgenommen“.
Im Gesicht einer Frau
Liest er, öffnet sich was sich öffnen läßt
Mund und Auge, mehr
Liest er im Gesicht einer Frau.
Siedendes Wasser. Sie schlürfen die Muscheln
Eine Nacht nach der andern
Betäubt mit Zitronen
Und ich hoffte wieder, mich der Dinge
Die mich treffen
Ein Erwählter
Würdig zu zeigen.
VI
Ein Mittag ohne Adresse, windflüchtig, süchtig
Nach Sonne streunst du
Aus dieser Schlucht Politik
(„dem Leben
Wiedergegeben”) in die blühende Steppe. Hättest
Du dir das (und von wem)
Träumen lassen? Eine Watt-
Wandrerin, unabhängig
Deine Seele, von den Zapfsäulen
Spürst du das Schwimmgleichgewicht der Landmassen
Auf dem pulsierenden Erdkern. Themenwechsel
Der Kannibalismus unter Galaxien
Du kannst sagen, du bist dabei. Die Plattentektonik
Der Geschichte („gleichsam ein Auffahrunfall“)
Und der Superkontinent
Pangäa erhebt sich
COCA COLA aus dem Weltmeer.
Jetzt hast du alles (was du nicht brauchst), atme auf
Sechzigmal der Wechsel der Jahreszeiten
Dreimal der Wechsel der Zeitalter
Darunter machst du es nicht;
nimm
Die Dinge, wie sie nicht länger sind
Mit kalter Achtung: kein Passant . . .
en passant.
从: Lustgarten, Preußen. Ausgewählte Gedichte
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1996
ISBN: 3-518-39624-2
录制: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin
From: West Shore
V
Breakfast,'Waiter, the traffic menue, please‘
They crouch on the flats like comical birds
Claws out downwards
Plastic bags like black
Craws, swags, the grubbers for mussels
In La Tranche-sur-Mer. Lonely lascivious work
Of poets,
for a crude meal.
What does
The End of History
Count in this everyday silt
Where above is below and death life.
... And he used the time pondering
The paradox
That we enjoy being hit
'Pokes in the ribs ... gratefully accepted.‘
In a woman´s face
So he reads, opens what can be opened
The mouth, the eyes, he reads
More in a womans´ face.
Boiling water. They slurp the mussels
One night after another
Stunned with lemon
And again I hoped of the things
I encounter
As a chosen one
To show myself worthy.
VI
A midday without an address, fleeing the wind and sick
For sun you stray
Out of this gulf of politics
(´given back
To life´) into the flowering steppes. Would you
(Or anyone for you) ever
Have dreamed it? Like a girl
Your soul, wandering the mudflats, freed
From the petrol pumps
You can sense the equal buoyancy of the land masses
On the pulsing core of the earth. Change of subject.
Cannibalism among the galaxies
You can say you are there. The plate tectonics
Of history (`like a rear-end collision´)
And the supercontinent
Pangaea arises
COCA COLA out of the ocean.
Now you have everything (that you don´t need), relax
The change of the seasons sixty times
Thrice the change of an era
You won´t do it for less;
take
Things as they´re not any longer
With cold respect: not a passer-by...
en passant.