David Krause
yesterdays
Für Rolf Dieter Brinkmann
noch immer gibt es baugerüste
auf die der schnee fällt immer noch
einen architekten voller liebe
zum detail vor seinen plänen
freitagabends in new york
anfang des 21. jahrhunderts
im büro so voller schwindel
von dem schnee vorm fenster schnee
der am ground zero niedergeht schnee
von dem die menschen sagen
er sei anders nach dem falling man
eine ins leere gehende geste
er ist im lächeln einer frau
die in madrid am bahnhof wartet
schnee in ihrem schwarzen haar
kurz denkt ein mann an sterne
bis sie im zug verschwindet und mit ihrem gang
lennie tristano zu spielen beginnt
auf mp3 komprimiert
„jazz und schnee: das passt ja“
tristano spielt die flocken forte
gegen ein londoner schaufenster dann
ein leuchtendes legato ins
moll ins dunkel einer
wohnung in der innenstadt aus
offnem fenster schaut der schläfer
ein letztes mal
schnee fällt
an der wall street fällt
an den botschaften schnee überschreitet
ohne pass die grenzen der länder und
ohne uhr die grenzen der stunden
er senkt sich im central park
auf einen veteranen
der solange die spritze hält
bis der schnee sie löst
auch die schüsse und das feuer
„wie still es im schnee ist“ denkt er noch
„und wie weit doch diese nacht!
ein offener band gedichte“
liegt auf der straße nach und nach
zerfließen alle verse
und davor steht der zitternde träumer
barfuß und schaltet
die schwer gewordene kamera aus
er geht heim und all der schnee
bedeutet nichts mehr
nicht die dinge auf die er fällt
oder die menschen in ihm
und es gibt keinen film mehr
keine strömung kein band
das im inneren fließt
es gibt keinen träumer mehr
im gedicht
wenn sich die türe schließt.
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yesterdays: Ein Lied des Cool-Jazz-Pianisten Lennie Tristano.