Ulla Hahn
Für
All die geschundenen Körper zerrissenen Seelen
Gesichter ohne NAMEN ohne Gesicht
Für
die schwatte Hamburger Deern
Mit zwölf große Ferien in Kenia
bei Verwandten auf dem Land
Ach all die schönen Versprechen
von einer Sekunde zur anderen
vom Schreckensmesser verwandelt
in Schrei und Schmerz den
klaffenden Mund das brüllende
Blutloch zwischen den Beinen
Im Blechnapf der Abfall
Kinderschamlippen Mädchenklitoris
Der Beschneiderin Hand mit Nadel
und feinem Faden die blutenden
Lippenränder entlang auf dass
>alles schön glatt< wird. Mit
derberem Garn noch viermal sticht
die nadelnde Hand von einer
Seite zur anderen durch
zerrt die Fetzen zusammen
leckt streicht verklebt die Blutnaht
mit Zucker und Honig. Alsdann
steigt die Verwandtschaft von den
gespreizten Beinen des Ferienkindes
herunter die Arme bleiben von harten
Händen genagelt hinter dem Kopf.
Alt ist das Seil aus dem Stall
das die Älteste nun von der Leiste
bis zu den Zehen um die Kinderbeine
zurrt und nicht wieder lockert
ehe Schorf die Wunde verschließt
Tropft der Harn liegt das Mädchen
in seiner brennenden Nässe
Beißendem Schmerz fächelt die
Großmutter Kühlung zu pustet
Altfrauenatem auf den verstümmelten Leib
summt singt ein Lied wie es ihr
schon die Mutter sang.
Mami wo bist du? Wimmert das Mädchen
nach der Mutter in Hamburg
Hört ihr das?
Sechstausend Mal am Tag
Zwei Millionen Mal im Jahr
seit dreitausend Jahren
Hört ihr das?
Gedämpft durch Zeitungspapier
verschwimmen die Verstümmelungen
im Nebel der Druckerschwärze:
Events weit weg
Und ich?
Noch ein paar triviale Heldentaten
Resolutionen Kongresse Appelle
Gutgemeinte Gedichte?
Hoffen mit Schrift erstickt
von Schreien
Tod und Leiden umzudichten
in unseren unzerstörbaren Traum.
(aus: Wiɘderworte, 2011)