Norbert Lange
FLÜGELSCHUH
Die Zunge gleitet es herunter und
schlängelt eine Weile dort, um unter
Geräuschen an der Ferse vorbei unter
die Fußsohle zu rutschen, ins Ungewisse,
Dunkle, sonst nur getreten, und
dort Funken zu machen, kriecht sie weiter
in den vorderen Schuh, die Zehen weiter
zu umspielen und zieht zurück
knisternd durch die Zehen in den Fuß,
durch ihn, seine Wurzel, und
Ballen, Sohle und Rist zugleich entlang
wie Strom, zieht aus dem Vorfuß
über die Sesambeine, angemacht, zurück
zum Spann, dort von Neuem zu beginnen,
so geht es mit den Füßen zu, und
manche Schuhe ziehst du an, aus andere,
anschmiegsamere Orte richtet deine Zunge zu,
worauf, nach etwas Warten, zögerlich,
dann sprudelnd Speichelfluss –
gleicht der Schuh einem Mund, und
der leichte Schnalzlaut, den Fuß in
geläufigem Schuh gesprochen,
so folgt dem Denken ein Ton
erst schleppend, bei jedem Schritt
schließlich von Schmatzen begleitet, und
so will der Schuh wohl auch Harmonie, denn
ihn gewogen und wörtlich genommen:
ein Ohr, das bis zur Schuhspitze
dem schlürfenden Gang der Sätze
folgt, ist er wohl auch, und
Füße, die diesen Weg wohl täglich
nehmen, können im Spiegel des Schuhs,
Dank ihm, worin ihr Wesen liegt
erkennen; und hören zugleich
was sie im Gehen sprechen, und
beide so tönend; geht auch jeder Schritt
nahtlos über in den anderen, die von
ihnen getretenen Worte kapierst
du kaum; mit denkenden Füßen in
Einklang steht man nämlich selten, und
hinkst du hinterher auf wie scheppernden
Füßen, statt die Luft mit Flügeln
flirrenden Gesanges, plump
den Boden zu treten, von dem sich
die Schuhe beschwingt entfernen, und
wie die Füße hier ihr Limit spüren