Thomas Rosenlöcher
Der stille Grund
Der stille Grund
Von ganz weit oben her, wie abgeschüttet,
jedoch sich lautlos lösend, fiel
rechts links hangab ein kleiner Jubel Glück
als Himmelsvorhang nieder. Kurz, es schneite,
die Luft durchschippernd, bis herab zum Grund.
Daß jedes Astes Ästlein schneebeladen
ein anderes, weiß überfiedert, kreuzte,
und ich in immer tiefre Wirrnis ging.
Längst schlief die Brücke unterm Brückenbogen.
Nur zu sich selbst noch redete der Bach,
bauchrednerisch. Und wenn auch meine Stapfe
mir längs des Wegs treulich im Zickzack folgte,
blieb unbegreiflich, daß jemals mein Fuß
dereinst das Weiß vor mir betreten könnte.
Zumal der Sohle Raster unter sich
die Fußspur jeden Augenblicks begrub.
So lebte ich. Kein Mensch kam mir entgegen.
Nichtmal mein Vater, viel zu lange tot.
Nur noch ein Knochenbündel in der Erde.
Da mir es nun ja doch gelungen war,
ihn zu vergessen, denn ich ging und ging,
nichtahnend, daß ich längst wie er
im Gehn die Arme hinter mir verschränkte.
Und daß vor lauter Frost und Schnee
mir Bart und Haare weiß geworden waren,
als käme er in mir mir selbst entgegen
und keiner stürbe. Irrsinniges Stieben
schräg übern Weg hin. Unter mir im Eis
sehr großer Blasen eiliges Pulsieren.