Derk Wynand 
Translator

on Lyrikline: 11 poems translated

from: nemščina to: angleščina

Original

Translation

[Es ist ein Sterben angebrochen]

nemščina | Dorothea Grünzweig

Es ist ein Sterben angebrochen
der Erdball unter uns ist
klein geworden
kommt es vom Druck der
Menschenschwere von Atemnot
von einer Traurigkeit die zehrt
der Erdball klein
er

hat sich in sich selbst verkrochen
leis weint hinein in sich
er ist nach innen eingezogen als ob
aus einer Not er lehnen wolle

Es ist ein Sterben angebrochen
ein  Schrumpfen unter unseren Sohlen Ziehn
Unruhe die schlaflos macht
der Erdball klein weint weint geworden
wie Bäume vor dem Fällen
wie Sterbende hinein in sich
die nicht ans Sprechen  Klagen glauben
                                       
Es ist ein Sterben in den auch
Träumen angebrochen sahen wir
den Erdball Erdbälle als Köpfe
von ihnen Haare wie in die Luft
gesprengte stürzten Häuser Bäume
stürzten unzählig Tote aus aller armen Welt

Es ist ein grosses Sterben
der kleine Erdball angebrochen
weint es rings weint um und viel
Verlassenheit von guten Geistern

© Wallstein Verlag
from: Glasstimmen Lasinäänet
Göttingen: Wallstein Verlag, 2004
Audio production: 2004, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

[There has been an outbreak of dying]

angleščina

There has been an outbreak of dying
beneath us the globe has grown
so small is it
from the pressure of
human weight of laboured breath
of a sadness that gnaws away
the little globe  
it

has shrunk away into itself
soft into itself weeps
it has turned inward as if
leaning away from some distress

There has been an outbreak of dying
a shrinkage beneath our feet a pull
an unrest that renders sleepless
the little globe weeps weeps become
like trees before they’re felled
like the dying turned inward
no faith in speech or lamentation

A dying in the dreams also has
how outbroken  we saw
the globe saw globes as heads
from them hairs like
blown up houses crashed trees
crashed countless dead from all the wretched earth

A great great dying has broken out  
the little globe outbroken
weeps all around weeping for and 
spirits kind are in great desolation

Translated from the German by Derk Wynand

[Es fällt ein Stein mir zu]

nemščina | Dorothea Grünzweig

Es fällt ein Stein mir zu
Gedicht genannt ich
habe viele Steine
kreisen mich ein und
weiss nicht ob sie
Keile sind die einmal
über Bitten und Verstehen auf
mich mein Schläfenheil
hereinbrechen
weiss nicht so weit ob

Samen sich aus ihrem Leib
befreien in die Erde
dringen keimen und
dort für das im Augenbloss
kaum zu erkennende Schwingen
Springen sorgen von
Füssen bleiern auf
vom Eisgebreit

wie soll ichs wissen

© Wallstein Verlag
from: Vom Eisgebreit
Göttingen: Wallstein Verlag , 2000
Audio production: 2004, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

[A stone falls to me]

angleščina

A STONE FALLS to me
called poem I
have many stones
encircle me and
don’t know if they’re
bolts that someday
beyond pleas or reason will
break in on me
and my skullblessings 
don’t know so far if

seeds will issue from their
body press into
the earth will germinate and
there provide the soaring
leaping barely visible
nakedeyed of
leaden feet up
from the icefield

how should I know

Translated from the German by Derk Wynand

[Die Felsen in ihren Flechten]

nemščina | Dorothea Grünzweig

Die Felsen in ihren Flechten
   atmen ruhig in gemeinsamem Zug wie
das für vielfältig gefältelte Felsen
   nicht zu erwarten ist
sie haben ihren Atem an
   den der Sonne angeglichen
ebenso Birken und Kiefern des Walds
   auch unser Haus ein Waldzögling
   
Abendanbruch auf dem Hügel
   vor uns treibt das Getreidetal in
ein wiegendes Gelb
   drum ist auch in uns dieses Gelb gezogen
Wir haben unser Bett in der von Licht
   durchfächelten Veranda aufgestellt
sitzen noch lange vor dem Haus und
   hören und schauen
sind allen Reiselüsten abgestorben
   So nah ist D denk ich und seine Sprechsprach
wie die Mutter ist sie war bei uns
   ist heimgefahren in mir bleibt
ein verwaister Raum zurück ich halt
   ihn leer damit er Hallraum sein kann

Über das Korntal her dann als
   das Licht in einer Muldendämmerung
unterkriecht kommen
   den Donner dicht bei sich die Blitze
blank grad wie von anderer Welt
   umstellen das Haus

© Wallstein Verlag
from: Glasstimmen Lasinäänet
Göttingen: Wallstein Verlag, 2004
Audio production: 2004, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

[The Cliffs in their folds]

angleščina

The Cliffs in their folds
                breathe calmly all as one
that’s surprising for cliffs
with manifold folds
they have adjusted
their breath to that of the sun
as have the birches and forest pines
even our house a forest pupil

Evening breaks on the hill
before us the valley of grain    
sways along yellow
so we’ve also taken this yellow in
We’ve set our bed out on
the lightstreaked porch
 
sit a long time in front of the house
listen and watch  
all our wanderlusts gone numb
How near Germany is I think and its speakspeeching  
just as mother is she stayed with us
went home again leaving me behind
with an orphaned space inside that I
keep empty as an echospace

Then from over the corndale
when the light crawls into
a dusk’s hollow
the lightning bolts thunder close behind
flash bright straight as if from another world
surround the house

Translated from the German by Derk Wynand

Und gleiten

nemščina | Dorothea Grünzweig

unterm freien Blau
der Meeresatem hebt
das Schwimmhaus hoch
und senkts herab

so dass sich eine Ruhe
breitet schlaftrunken
schlafend wach das
      ruhige Atmen unsres
Meers hineingebettet in
die Küstenberge

Das Atmen ist
      ein Singen auf Deck
hört mans auch tief
in den Kajüten wie
nah doch Atmen
Singen beieinanderliegen

       zu Kinderzeiten schon
wenn Vater im Stubeneng
im Nachtbang auf
den Kissen hinter
der Schmalwand liegend

uns in Klang gewiegt und
gab uns quer durchs Dunkel
       den Geleitsang

© Wallstein Verlag
from: Glasstimmen Lasinäänet
Göttingen: Wallstein Verlag, 2004
Audio production: 2004, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

And gliding

angleščina

under the sky’s clear blue
the sea’s breath lifts
the swimhouse up
and lets it sink

so that a calm spreads
out sleepgroggy
sleepy waking our
sea’s calm breath
embedded in
the coastal range

the breathing is
a singing heard
on deck and far down
in the cabins how
near to breathing
singing lies

even in childhood
when father lying
closequartered in
nightdread on pillows
behind the thin wall

rocked us in sound and
gave us across darkness
the guiding song

Translated from the German by Derk Wynand

Thema in Polar-Dur

nemščina | Dorothea Grünzweig

Mir ist der Winter eingegeben
erst wenn die letzte Schweigezeit
vorüber ist wird sich das ändern

das Frostgestirn und die erstarrten Seen
Bäume gekrallt ins Himmelsfleisch und
Schneegeschneckel stummen Wilds in
weissen Wäldern um die
die Nacht sich schliesst und
was das Festland aufsucht übers Meer
kommts her als brennendkaltes
sturmgetriebnes Eis wer weiss seit
wann ich dieses Winterinland habe

Ich höre nur das Meideglöckchen
läuten wenn ich im Süden meinem
Ursprung bin im Land der Kälte
schweigts weil Innenaussenwinter
sanft aneinanderschlagen am Selben
wie zwei Gezeichnete Gebückte wie
zwei Beglückte tragen

Du mit der Grasnatur du so
verspielt versommert bleib
häng deine Stirn häng
ihren Schein in meine Winterneien
bei dir hör ich
das Glöckchen nicht behüt
auch wenn du mit dem Gegensinn
zu meinem Stand beschenkt wardst

Als Hergeborener dieses
Lands kommst nah mir wie
ich dir bist ja
dem Eis entblüht

© Wallstein Verlag
from: Vom Eisgebreit
Göttingen: Wallstein Verlag, 2000
Audio production: 2004, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Theme in Polar Major

angleščina

Winter has been instilled in me
this will not change until the last
silent age has passed

the frosty stars and crusted lakes
trees clawing into sky-flesh and
mute game’s snow-snuggling in
white woods that
the night encloses and
what visits the mainland it comes
from across the sea as burning cold
storm-driven ice who knows how
long I’ve had this winterinland

I only hear the little stayawaybell
tolling when I’m in the south where
I come from in the land of cold
it’s silent because insideoutsidewinter
softly knock together
bearing the same
as two branded bent figures
two happy ones

You with your grassy nature
you all play all summer stay
hang your head hang
its shine into my
winterdom with you I don’t hear
the little bell ah far from it
even if you’ve been granted
the counter-sense of my position

As a native of this
land you resemble me
as I do you who’ve
blossomed from the ice

Translated from the German by Derk Wynand

O unsere Wörter

nemščina | Dorothea Grünzweig

Das Finnenwort für Mond ist kuu
(sei auch erwähnt das englische moo
bei Wegfall des wackligen n)
zwei Wesen sind miteinander vereint
das heißt Erhöhung der Sichtqualität
wie im Allativ –lle so in Lottelle/zu Lotte
ein heimatliches –le/chen schwebt
wie in hirttää/erhängen ein guter Hirte lebt

Die Kuh wenn sie am Himmel steht
leuchtet dem malmenden Mond in den Wiesen
es sorgt die Gescheckte zu uns herab
wenn Kuunacht ist und wenn ihre Milch
vom Nachtwind gemolken in düsteres
räßes Gewässer fließt und siehe
weiß wird es und süß

Immer schon haben wir Küue geliebt
die wir von Zeitnot zerschlagen sind
tief in uns watet ihre Natur
das eilfreie selige Grasen
hier nun verquickt mit bezaubernden Phasen
so folgen wir der schwindenden wachsenden Kuu
der Sichelkuu (denkbar auch Sichelmadonna)
der Voll- Halb- und Neukuu
verfinsterten Kuu
wenn sie errötet braust unser Blut
(auch hockt ein Mensch ihr im Innern)

Und jedesmal wenn sie widerkäut im
üppig wuchernden Himmel
fällt für uns ab eine feine Zeit Schwermut
die holde sinkt in uns ein wir legen uns
flach und erinnern
und hoffen sehr denn Hoffen tut gut
ihr blüht kein gewaltsamer Tod




Anmerkung: Allativ – einer der 15 Fälle der finnischen Sprache

© Wallstein Verlag
from: Vom Eisgebreit
Göttingen: Wallstein Verlag, 2000
Audio production: 2004, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Oh our words

angleščina

The Finnish word for moon is Kuu(1)
(one could also mention the English moo
when the shaky n falls away)
two beings here begin to unite
which suggests a raising of sights
the way -lle in Lottelle/to Lotte in the allative(2)
contains -le/chen a homey diminutive
and in hirtäa/to hang good herdsmen live

The Kuu when it appears in the sky
illuminates the masticating moon in the meadows
the piebald creature cares for us from above
when it’s Kuu-night and when the milk
the night wind has milked flows
into murky waters and lo and behold
it turns white and sweet

Those of us battered by pressing time
have all along loved Kuus  
their nature wades deep inside us
the unhurried blissful way of grazing
now amalgamated with enchanting phases
and so we follow the waxing waning Kuu
the crescent kuu (conceivably crescent Madonna)
the full half and new kuu
kuu eclipsed
when she reddens our blood boils
(a man also squats in her innards)

And every time she chews her cud
in the lush profusion of the sky
we get out of it a fine melancholic time  
that gently sinks into us we lie flat
on our backs remember hold our breath
and hope hard since hoping does good
that for her will bloom no violent death

(1) sounds like the German, Kuh, or cow
(2) Allative: one of the 15 cases of the Finnish language.

Translated from the German by Derk Wynand

Die Wiederkunft der Orgeln

nemščina | Dorothea Grünzweig

I

Es ist ein Pflock in uns getrieben
auch wenn wir neben und
nicht im Gefängnis leben
ein Pflock aus Tönen
so laufen wir nicht fort

Die Kathedralen sind herangerückt
wir sind gebettet an Kathedralen
auf die wir lauschen weil sie im Innern
 
                     Orgeln schlagen

Wir lauschen
hier sind die Muscheln an unserem Kopf
die wir wie schwere Krüge
stützen müssen
wir gehen in die Orgelhocke
in die Orgelknie
vertraut schon unserem Kindesbein
ein einziges Neigen und
                     Beugen vor der Musik


II

Sonnenorgeln
Schattenorgeln der Kathedralen
wir lauschen im Licht
der Sonnenorgeln lauschen
im Schatten der Schattenorgeln
stemmen die Muscheln
dass sie nicht brechen

werden den Tonpflock nicht
ausziehn und uns an Orgelstatt
an anderes halten
werden nicht
         aufstehn verleugnen gehen
 


III             

Die Schattenorgeln
sind dicht bei den Sonnenorgeln
der Abstand beträgt einen Viertelton
so wie wir
dicht beim Gefängnis
dicht bei den Kathedralen wohnen
mit einem kleinen Dazwischen
das abwehrt die Macht
der Deckungsgleiche

ein Reibungsraum ist vorhanden
wo alles Abgeblühte Öde
zu Sand zermahlen wird damit
wirs nur noch
              wegzublasen brauchen

IV

Das Orgeln ist kein Trostgesang
kein Hirtenaug uns ruhig zu weiden
kein Winterweizen der sich dann
emporlebt wenn
die Eisschicht bricht

es ist ein ungebärdiges Gestehn
 von Wünschen von Verzweiflung

            ein Stampfen  Schlagen  Schreien
                  Lustschluchzen Lobschluchzen aus Brustwerk Hauptwerk
                             gegen den Himmel ein Jagen über Tod- und Auferstehungsgrenzen

ist Löschung unsrer Augen

V

Wir hören sind betört
sind hörig reine Form Spiralen

bald von Orgeln hochgerissen
bald gestaucht
Orgeln die wie’s am Anfang war

in offene Kindsgemüter                                                                        
das Majestätische in Überlebensgrösse
gleich einem Vormund eintreten

                                     Orgeln ihr
 Brausen bei den Fruchtgewässern
vor unserem Anfang schon uns in
das Fleisch gesenkt

                           als ein Organ
                              als das Geschlecht
                                  als unsere Orgelleiblichkeit und jetzt
                                                                   durch Orgeln wiederkünftig

in den herangerückten Kathedralen
werden auch wir
weil wir dafür geschaffen sind
wir werden auch geschlagen
     


VI

Der arme Zungenwurm
wie er
sich krümmt und windet
weil er ins Wortreich will
bei diesem Toben
        
und ist es ihm verwehrt

© Wallstein Verlag
from: Glasstimmen Lasinäänet
Göttingen: Wallstein Verlag, 2004
Audio production: 2004, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

The return of the organs

angleščina

i.

We’ve had a stake driven in
even if we live beside and
not inside the prison
a stake of sounds to stop us
from running away

The cathedrals have drawn closer
we’ve made our beds beside cathedrals
to which we listen because inside them

organs strike up

We listen
here are the shells at our head
which need support  
like heavy jugs
we do the organ squat
we bend on organ knees
wellknown to us since early childhood  
a single bending and
bowing down to music

ii.

Sun organs
shade organs of the cathedrals
we listen in the light
of  sun organs listen
in the shade of shade organs
prop up the shells
to keep them from breaking

will not pull out the sound stake
and won’t in organstead   
stick to other things
will not
get up turn our backs and go

iii.

The shade organs
are close to the sun organs
separated by a quarter tone
just as we
live close to the prison
close to the cathedrals
with a little something between
to thwart the power
of the congruence

there’s a friction here  
where everything wilted wasted
is ground into sand so
all we need do
is blow it away

iv.

The organ play’s no soothing song
no shepherd’s eye to heed us calmly
no winterwheat that
springs to life
when the ice breaks

it’s an unruly confession
of want of despair

a stamping striking shouting
lustsobbing praisesobbing out of breastworks
and greatorgan against the heavens a race
past the bounds of death and resurrection

is the extinction of our eyes

v.

We listen are beguiled
enslaved we are pure form spirals

now swept up by organs
then squashed
organs like at the beginning
entering into children’s open natures             
their majesty more than lifesized
like a gatekeeper mouthwarden 

Organs their
thundering in the amniotic fluids
even before we began  
deeply steeped in our flesh  

as member
as gender
as our organphysicality and now
by way of organs reappearing

in the cathedrals drawing close
we too because
it’s what we’re made for  
we too are struck

vi.

Poor tongueworm
how  he
twists and winds
thrashing to enter
the realm of words 

and if it is denied him

Translated from the German by Derk Wynand

Den Horizont überschreiten

nemščina | H. C. Artmann

DEN HORIZONT
ÜBERSCHREITEN

Ein wald hinter einem wald, der vor einem
wald liegt; wer geht in ihm herum, wer tritt
in ihm auf pilze, beeren?

Obgleich man viele dinge über diesen wald
erzählt, man weiß von ihnen nie, ob sie stim-
men, ob sie erfunden sind.

Wenn der wald hier schweigt, hört man die
glocken, aber der wald liegt sehr einsam,
keine dörfer, keine kirchspiele oder städte
weit und breit; nur ein teich darin, sehr dun-
kelhäutig, sehr unergründlich.

Du weißt nicht, wovon du redest, du bist
allein, du ertappst dich unversehens beim
sprechen: worte fern wie glocken, fern wie
die tiefe des teiches, und ein eichhorn, das dir
jeglichen vokal von den lippen stiehlt; was
bleibt, ist ein dürres gerüst gleich der abge-
nadelten fichte.

Der jagdruf des zobels, der hier nicht haust,
läßt nester erzittern: eine excellente mahlzeit
wäre es, aus weißem zerbrechlichen porzellan
zu speisen.

Man sagt, es sei ein wunderbares vergnügen,
durch die länder zu reisen, die wiesen zu be-
gehen, die wälder zu durchqueren; die wald-
rose zählt zu den schönsten, ist die trösterin
verliebter botaniker, ist eine windrose, die
ihre zarten blättlein in alle richtungen ver-
streut.

Über den wald ziehen verschiedene wolken
in ständig sich ändernden bildern: der delfin,
der jaguar, das geweih des hirsches, der zer-
fallende aschenkrug, die fast menschliche
figur...

Der geschmack des waldes ist an gewissen
stellen wie der geruch der besonnten him-
beere, an anderen stellen wie der schatten
beregneter pilze; du weißt nicht, wovon du
redest, aber du erkennst den geruch, den ge-
schmack und die schatten deiner worte.

Der mörderische strahl, der pfeil, im dichten
wald geht er nur sieben bäume tief, dann
copuliert er mit der rinde des achten – ein
paradiesisches irrsal dem flüchtenden.

Du bist der unreinen lust der jagd nicht ver-
bunden, viele sonnen hast du gesehen, wie
gute pfeile trafen ihre strahlen, drangen ein
mit feiner, wohltuender wärme; auf dem
teich schwimmen auch die weißen blüten, es
nagt sie kein wurm, keine schnecke.

Deine hand wird nicht müd, über laubiges zu
streichen, über den saftigen farn, über moos
und die tauigen blätter der coniferen – eine gol-
dene leiter baut dir die sonne an die brust, ein
geschwister des regenbogens...

© 1974 Residenz Verlag Salzburg
from: Unter der bedeckung eines Hutes. Montagen und Sequenzen
Salzburg/Wien: Residenz Verlag, 1975
Audio production: Österreichischer Rundfunk 1996

Crossing the Horizon

angleščina

A forest behind a forest that lies before
a forest: who wanders about in there?
Who steps on mushrooms there and on berries?

Although many tales are told of this forest,
one never knows if they're true or
invented.

When this forest falls silent, the bells can be heard,
but the forest is very isolated:
not a village, no parish or city near or far;
only a pond within, quite
swarthy, quite bottomless.

You don't know what you're talking about; you are
alone; you catch yourself unawares,
speaking: words remote as bells, remote
as the pond's depth, and a squirrel
that steals each vowel from your lips; what
remains is a barren frame like a
stripped spruce tree.

The hunting cry of the sable, which does not make its home here,
causes nests to tremble: what an excellent repast
it would be to dine from fragile white porcelain.

They say it's a great pleasure
to travel through the countryside, walk over
the meadows, pass through the forests; the wild
rose counts among the most beautiful, is a solace to
love-stricken botanists, is a wind rose that
scatters its delicate petals in every direction.

Various clouds drift over the forest
in constantly changing formations: the dolphin,
the jaguar, the deer's antlers, the
crumbling funeral urn, the almost human
shape . . .

In certain places, the forest's savour
is like the scent of the sun-drenched raspberry;
in other places, like the shadow
of rain-soaked mushrooms; you don't know
what you're talking about, but you recognize the scent,
the savour, and the shadows of your words.

The murderous ray, the arrow: in the dense
forest it misses seven trees only, then
copulates with the bark of the eighth —
a paradisiacal vagary for the fugitive.

You are not involved in the impure hunting passion;
you have seen many suns, their
rays striking like true arrows,
penetrating with a fine, comforting warmth; and on
the pond, the white blossoms are floating, gnawed
on by no worm, no snail.

Your hand does not tire of stroking foliate
things: the sappy fern, the moss
and the conifers' dewy beards —
at your breast, the sun raises a golden ladder,
brother of the rainbow . . .

© Translated by Derk Wynand

aus: H.C. Artmann, Under the Cover of a Hat:
Montages and Sequences and Green-Sealed Message:
90 Dreams
Quartet Books Ltd., London, 1985

Glasstimmen Lasinäänet

nemščina | Dorothea Grünzweig

Glas lasi lasst uns erzählen
es ließ uns der Mai in der Glashütte
leben und war bei der Rückkehr vom

Glashüttenfest das Meer
aus Glas aus Glas

Sprünge dienten als Rinnen für Schiffe           
das Meer bestand sonst aus
Tiefenhöhlen hohlen Höckern
Kämmen Kuppen schwebenden Schellen
Gongen Klingeln Klangglast Glockenschimmer
wenn die Sonne dazu
das Fernwehn des Winds
spielte mit dem wogenden Glas

Es reisten mit uns besondere
       fürs bleibende Kindsein erwählte
     Kinder und klärte sich dass
                 die gläserne See und die tönenden
          singenden Stimmen der Kinder

aus einundemselben Gemenge sind
lasinäänet Glasstimmen rein

nicht gefährdet glaskrank
zu werden wie das bei unseren Stimmen ist die
zu Asche und Sand zerfallen können
Kappen sind oft auch auf unseren Mündern
während der Mund der Kinder
freigesprengt ist

Bei der Heimkehr vom
Glashüttenfest inmitten der
gläsernen Weite des Meers
Glas lasi lasienäänet
                                     

ereignete sich dass das farbige Glas der
                     Kinderstimmen sich schob übers
                                     weiße Glas unserer Stimmen
                                             mannigfaltig in Mustern in Tönen
                                                                  entstand überfangenes Glas

kellojenkieli kilisee helisee
kilkatus kimallus
Glas lasi lasienäänet

© Wallstein Verlag
from: Glasstimmen Lasinäänet
Göttingen: Wallstein Verlag, 2004
Audio production: 2004, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Glass voices Lasinäänet*

angleščina

Glass lasi hear our story
the month of May let us live
in the glassworks and on the way back

from the glassworkfestival the sea
was of glass of glass 

Cracks served as channels for ships
beyond that the ocean consisted of
deep hollows hollow hummocks
ridges summits swinging bells
gongs chimes resounding brilliance shimmer
when the sun moreover
the wind’s wanderlust
played with the heaving glass

Special children chosen
      for permanent childhood travelled
     with us  and it became clear
          that the glassy sea and the chiming
singing children’s voices

are from one and the same mix
lasinäänet glass voices pure
in no danger of  becoming
glasssick like us with our voices that
can crumble to ash and sand
and our mouths often capped
while the mouths of the children  
are always split open

On the way home from
the glassworkfestival amidst
the glassy expanse of the sea
glass lasi lasienäänet


it so happened that the tinted glass
of the children’s voices pushed across
 the clear glass of our own voices
      in manifold patterns and tones
creating a flood of flashed glass

kellojenkieli kilisee helisee
kilkatus kimallus
Glas lasi lasienäänet

*lasinäänet – glass(y) voices;  lasienäänet – voices of glasses

Translated from the German by Derk Wynand

Fluchtwasser

nemščina | Dorothea Grünzweig

Wasser vesi vettä seine Geschichte
als See- Moor-Flussgeschichte
in diesem Land ist eine reiche gewesen
                               sickernd fliessend strömend

Das Volk mit der reichen Wassergeschichte
geht in die Knie
in den Saunas den Küchen in den Ställen bei dem Vieh
in den Bädern vor den Brunnen Wiesenbrunnen Waldbrunnen
         Wasser vesi vettä verlass uns nicht

Der Himmel ist seit dem Sommer aus Stein
aus blauem orangem grauem Stein
aus Wolkenmoränen
Die Brunnen sind offene Krägen
die aus der Erde ragen hechelnd
                                röchelnd ihr Rachenraum glüht

Das Volk mit der reichen Wassergeschichte
fährt zu den Seen mit
Becken Zubern Schöpfern Schläuchen Pumpen
                               geht in die Knie

         Wasser vesi vettä  du besamst sonst die Erde
jetzt lässt du Wurzeln dursten
Wiesenwurzeln Waldwurzeln Gras und Bäume sterben
für uns selber wenigstens
                               holen wir uns dich  
     
Die Seen fallen in sich zusammen
          Wasser vesi vettä  verlass uns nicht
du Fruchtwasser der Fische die in uns keimen
trocknen wir aus wird Fruchtmord geschehen
die Ufer der Seen treten hervor
um sie gelegte Leidenswülste
da tritt mit Macht der Winter ein
                               der sie bedeckt verschliesst

         Wasser vesi vettä erbarm dich vedenarmo
wir wissen von den Fluten die im Süden toben
                               hätten wir nur ein paar Tropfen davon

Das Volk mit der reichen Wassergeschichte hat
keine Riten es dankt nicht auf den Knien
für schon erhaltenes Wasser
es opfert nicht
tätschelt das steinerne Himmelsgesicht
         Wasser vesi vettä verlass uns nicht
                               trommelt schlägt auf es ein

Austritt tatsächlich ein kleiner Regen
nicht stärker als kläglich geweinte Tränen  
der Regen dringt in den Boden
der Frost packt zu                                                                                                       
                               lässt das Wasser zu Eis erstarren

Eis wird es bis zur Aprilschmelze sein

© Wallstein Verlag
from: Glasstimmen Lasinäänet
Göttingen: Wallstein Verlag, 2004
Audio production: 2004, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Runoff water

angleščina

Vesi Wasser water its own story
as lake- moor- riverstory
in this land has been a rich one
oozing flowing streaming

The people with the rich waterstory
fall to their knees
in saunas kitchens in stalls with the livestock
in baths before springs meadowsprings wood-
springs
Vesi Wasser water do not forsake us

Since summer the sky has been of stone
of blue stone orange grey
of cloudy moraines
The springs are open throats
rising from the earth panting
groaning their gullets on fire

The people with the rich  waterstory
head for the lakes with
basins washtubs ladles hoses pumps
fall to their knees

Vesi Wasser water usually you fertilize the earth
now you let the roots go thirsty
meadowroots woodroots grass and trees are dying
for our own sake at least
we have come to get you

The lakes themselves are imploding
Vesi Wasser water do not forsake us
you amniotic fluid for fish that germinate inside us
if we dry up it will be amniotic murder
the lakeshores are beginning to bulge
wreaths of suffering laid around them
when all at once winter sets in full force
covers them seals them up
 
 

Vesi Wasser water have mercy vedenarmo
we know of the floods raging in the south
if only we had a few drops of that

The people with the rich waterstory have
no rituals they do not kneel down thankful
for water already received
they make no offerings
pat the sky’s stony face
Vesi Wasser water do not forsake us
drum it pound it with their fists

A little rain indeed is set free
no more than tears wept bitterly
the rain penetrates the ground
the frost takes hold
lets  water turn to rigid ice

and ice it will be until the thaw in April

Translated from the German by Derk Wynand

Über den Sprachen

nemščina | Dorothea Grünzweig

Vjell hat andere Wörter als ich andere Namen
wenn ich Wald sage gibt er korpi zurück
lumituisku hält er Schneegestöber keväinen
                                        Frühlings
-  entgegen
Beispiele könnte ich nennen wie
Flocken so viele wir spielen gern mit den Worten
gern spielen sie untereinander
Leben mit ihnen ist aber auch Kreisen
                                   um Fragen wie
Verstehen wir sie recht verstehen sie uns
sind sie sich gut gehen sie ein aufeinander
was nicht immer der Fall ist Kümmern um
Kümmernis wegen der Worte
                                   bis wir anstatt
gelassen zu bleiben ganz wirbelig werden
Zeiten gibt es da haben sie Einschluss
                                   in uns keiner
hört sein eigenes Wort
das bringt uns dazu nach
unseren Wörtern wie auch nach denen des anderen
Heimweh zu haben welches
so anschwillt dass wir einander
                                   meiden müssen
                                                       
Oder aber und das ist das Schönste versteht ihr
                   erfahren wir lange ans Brückengeländer
                             gelehnt schultervereint Kopf an Kopf  
                                                 die Wortnot als Freiheit Enthebung
                                                             
schiesst das Wasser unter uns fort sind wir
         ein Boot nordwärts flussab zum schwebenden Meer
                    schweigsam im Rumpf doch jauchzend an den Rändern

© Wallstein Verlag
from: Glasstimmen Lasinäänet
Göttingen: Wallstein Verlag, 2004
Audio production: 2004, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Above languages

angleščina

Vjell has different words from mine different names
when I say woods he responds with korpi
lumituisku he counters for snowdrifts keväinen  
for spring
I could come up with as many examples
as there are snowflakes we love to play with words
they love to play with one another
but living with them also means circling
around questions like
Do we understand them correctly do they understand us
are they fond of one another do they pay attention
which is not always the case worrying
for worry’s sake about words
until instead of
keeping cool we fly off the handle
There are times when they remain sealed up
inside us no one
can hear himself speak
which makes us homesick for
our own words and for those of others
and the homesickness grows  
so much that we need to stay away from each other

Or else and here you see its beauty lies
leaning a long time against the bridge railing
joined at the shoulder head to head we feel   
the wordloss as freedom as relief

when the water shoots away beneath us we’re
a boat heading north downriver to the heaving sea
silent astern silent yet broadside cheering

Translated from the German by Derk Wynand