Uwe Kolbe 
Translator

on Lyrikline: 52 poems translated

from: španščina, maorščina, turščina, litovščina, italijanščina, nizozemščina, angleščina, francoščina, bolgarščina to: nemščina, angleščina

Original

Translation

[Ayer, mientras dormía, tu vestido]

španščina | Luis Osvaldo Tedesco

Ayer, mientras dormía, tu vestido
flameó sobre mí, ávido, escarlata,
en alto sus hilvanes indecisos,
la sisa, el dobladillo, las costuras,
las sendas nacaradas del escote,
así llegaba ayer mientras dormía
entre las duras sábanas la seda
febril de tu apariencia, así con vos
el resplandor de Nadie y su después,
aquella incrustación del vasto pliegue,
aquello tan ceñido, aquel vaivén
sobre lo repulsivo de la nada,
ayer, mientras dormía, tu vestido
se desnudó de vos entre mis piernas.

© L.O.T. und Nuevohacer
from: Aquel corazón descamisado
Buenos Aires : Nuevohacer, 2002
Audio production: 2004, Goethe Institut Buenos Aires

[Gestern, während ich schlief, dein Kleid über mir]

nemščina

Gestern, während ich schlief, dein Kleid über mir,
es flatterte, gierig und scharlachfarben,
oben nur lose zusammengeheftet
das Ärmelloch und der Saum und die Nähte,
perlmuttern waren die Pfade des Ausschnitts,
so kam es gestern hier an, während ich schlief
zwischen den groben Bettüchern die Seide,
fiebrige, deiner Erscheinung, und mit dir
der Schimmer von Niemand und dessen Nachher,
diese Applikation der weiten Falte,
dies Enganliegende, dieses Hin und Her
über dem Schauderhaften des Wiedernichts,
gestern, während ich schlief, dein Kleid über mir
zog sich dich aus zwischen meinen Beinen.

Aus dem Spanischen von Uwe Kolbe

Glenn Colquhoun - In a Ngeri Celebrating the First European Ascent of that Mountain, Ernst Dieffenbach compares the Ritual Consumption of his Heart to a Sunset over Taranaki. [Maori Version]

maorščina | Project: Transit of Venus

E  piki
ki ko atu
i te harakeke.
Ki runga.
Ki runga.

E piki
ki ko atu
i te rimu.
Hei runga.
Hei runga.

E  piki
ki ko atu
i te rātā.
Tū mai rā
Taranaki.

Whakawhitia Mangorake.
Whakawhitia Waiwhakaiho.

Tarawainuku, kei raro iho.
Kei raro iho, e Arakari.

Ko wai iā
i ngā here
o Pouākai?

Ko wai iā,
te tau,
te ipo?

Ko wai iā
i te paepae
a Tama-nui?

E kake ki te tihi.
Te ihi.
Te wehi.

Werohia.
Okaina.
Ripia.
Topea.

Mōu te arero.
E kai e.
E kai e.

Mōu ngā mata.
E kai e.
E kai e.

Mōu te korokoro.
E kai e.
E kai e.

Mura ana te rātā.
Mura ana te rimu.
Mura ana a Mangorake.
Mura ana a Waiwhakaiho.

Kei runga: te ngākau.
E kai e.
E kai e.

Kei raro: te ngākau.
E kai e.
E kai e.

Kei mua: te ngākau.
E kai e.
E kai e.

Kei muri: te ngākau.
E kai e.
E kai e.
E kai e.
E kai e.

E kai e.
E kai e.
E kai e.
E kai e.

© Glenn Colquhoun
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

Der Ngeri feiert die Erstbesteigung des Berges Taranaki durch einen Europäer. Ernst Dieffenbach vergleicht den Sonnenuntergang über dem Berg mit dem rituellen Verzehr seines Herzens.

nemščina

Über dem Flachs.
Steig auf.
Steig auf.

Über dem Rimu.
Höher.
Höher.

Über dem Rata.
Aufwärts.
Aufwärts.

Zu diesem Berg.
Taranaki.

Quere den Fluss: Mangorake.
Quere den Fluss: Waiwhakaiho.

Tarawainuku: tief vergraben.
Arakari: tief vergraben.

Wer steht hier?
Gegen Pouakai.

Wer schmachtet da?
Ungeliebt.
Ungeliebt.

Wer wartet da?
Unter der Sonne.

Nimm den Grat.
Gehämmert. Angeschärft.
Nimm den Gipfel.
Glitzernd. Prangend.
Nimm das Feuer.
Das Brennen. Auflodern.
Endlich! Das Feuer.
Das Brennen. Auflodern.

Hier, meine Zunge.
Nimm sie, iss.
Nimm sie, iss.

Hier, meine Augen.
Höhle sie aus.
Höhle sie aus.

Hier, meine Kehle.
Schlucke sie.
Schlucke sie.

Hier, meine Lunge.
Verzehre.
Verzehre.

Rot der Fluss: Mangorake.
Rot der Fluss: Waiwhakaiho.

Rot der Rata.
In Trieben. In Blüte.
Rot der Rimu.
Auseinandergeborsten.

Nord: das Herz.
Süd: das Herz.
Ost: das Herz.
West: das Herz.

Nimm es, iss.
Nimm es, iss.
Nimm es, iss.
Nimm es, iss.

Nord: das Herz.
Süd: das Herz.
Ost: das Herz.
West: das Herz.

Nimm es, iss.
Nimm es, iss.
Nimm es, iss.
Nimm es, iss.

Übertragung ins Deutsche von Uwe Kolbe während des Übersetzungsworkshop
Venustransit, Verstransit (Literaturwerkstatt Berlin, October 2012)

İdiller Gazeli

turščina | Haydar Ergülen

gözlerin yağmurdan yeni ayrılmış
gibi çocuk, gibi büyük, gibi sımsıcak

sen bir şehir olmalısın ya da nar
belki granada, belki eylül, belki kırmızı

gövden ruhunun yaz gecesi mi ne
çok idil, çok deniz, çok rüzigar

çocukluğun tutmuş ta yine aşık olmuşsun
sanki bana, sanki ah, sanki olur a

aşk bile dolduramaz bazı aşıkların yerini
diye övgü, diye sana, diye haziran

heves uykudaysa ruh çıplak gezer
gazel bundan, keder bundan, sır bundan

gözlerin şehirden yeni ayrılmış
gibi dolu, gibi ürkek, gibi, konuşkan


hadi git yeni şehirler yık kalbimize bu aşktan

© Haydar Ergülen
from: Üzgün Kediler Gazeli
Merkez Kitapçılık ve Yayıncılık, 2007
Audio production: 2008 Literaturwerkstatt Berlin

IDYLLES GHASELE

nemščina

Deine Augen eben losgerissen vom Regen
wie die Kinder-, wie die wärmsten, wie die großen

Stadt wärest oder Granatapfel du
mag sein Granada, mag sein September, mag rot sein

Dein Leib wohl die Mittsommernacht deiner Seele
Idyll sehr, das Meer sehr, der Wind sowieso sehr

Kindlich hätt’s dich erwischt, du verliebtest dich wieder
ach ja in mich, ach nein in ach, und ach wieso nicht

Nicht einmal Liebe füllt manch Liebende ganz aus
sag’s als Juni, sag’s als dein, sage es lobend

Der Schlaf der Sehnsucht läßt die Seele nackt ausgehen
draus Ghasele, draus der Kummer, draus Geheimnis gewoben

Deine Augen eben losgerissen von der Stadt
wie tränenvoll, wie scheu, wie überreich an Worten

Geh los und kipp uns, Liebe, in die Herzen neue Orte

Deutsche Fassung von Uwe Kolbe.
Die Übersetzung entstand im Rahmen des deutsch-türkischen Übersetzungsworkshops in der Literaturwerkstatt 2008

ŠV. ELŽBIETOS LIGONINĖ

litovščina | Kornelijus Platelis

Craigui Czury'ui
Our dynasty came because of a great sensibility
   Ezra Pound, Canto 85

Už Anakostijos upės, medžių paunksmėje
šv. Elžbieta raiko apvalų pyragą
ilgu žvilgančiu peiliu ir maloniai dalina
laukiantiems eilėje poezijos kurso klausytojams.
Jų rankos iki alkūnių pritvatstytos prie liemenų,
jų akys apvalios tarytum pyrago saulė,
jie valgydami juokingai raivos: poezijai
lemta taisyti sąmones ir pasaulius. Staiga
suskamba telefonas, kviečia šv. Elžbietą.
ji duoda man peilį ir prašo raikyti toliau.
Ilgai geležtei keliaujant iš vieno delno į kitą,
saulė atšoka nuo jos ir blyksteli akyse
sukapodama jų apvalumą nelyginant peilis
pyragą, pasaulis sueiži
į miriadą šukelių ir akimirkai dar
sustingsta prieš subyrėdamas. Aš

Dinastija mūsų atėjo
per didelį savo jautrumą.
Po visų mūsų rūmų paviljonų
dabar žvelgiu pro John Howard langą.
Iš belapių medžių ūksmės –
į naujuosius laikus už upės.
Mūsų mintys klajojo kažkur kitur,
kuomet atsivėrė šie vartai.
Mūsų dinastija rėmės griežta hierarchija
mąstydama apie grožį.
Man sienos ištirpo prieš daugelį metų,
klausantis uždraustųjų vietų.
Mūsų dinastija steigė tvarką poezijoje
ir plūdo per formos kraštus.
Vidinis balsas? Kiekvienas mes turime daug
vidinių balsų. Kurį jūs norit išgirsti?
Mūsų dinastija buvo hospitalizuota
per didelį savo tikėjimą.
Mums naujasis pasaulis suleido raminančiųjų,
ir mūsų sąmonės sumedėjo.
Mus šv. Elžbieta priėmė savo globon,
ir meilė ištirpdė valią.
Mus lygiųjų vertybių pasaulio steigėjai
ėmėsi gydyti mūsų pačių poezija.
Nesenkantis pienas šv. Elžbietos ąsoty
paplovė chierarchijų pamatus.

suleidžiu ašmenis į pyragą, sueižėjusi
tikrovė sulimpa, užanka keista viltis,
jau švietusi pro plyšelius. Poezijos
kurso klausytojai romiai nuleidžia akis.
Žodžių balzamas sunkias pro kamerų sienas –
daiktų ir sąmonių pribintuotom rankom klijai,
metalo skonį burnoj pakeičia saldus biskvitas,
grąžinantis mus į santarves, atveriantis
prisiminimų kelius į niekur.

_________________________

Tekste panaudotos dabartinių Šv. Elžbietos ligoninės pacientų kūrinių
citatos iš Craigo Czury'o sudaryto jų eilių montažo.

© Kornelijus Platelis
from: Atoslūgio juosta (Ebbenlinie)
Vilnius: Vaga, 2000
Audio production: 2002 Books from Lithuania

Sankt-Elisabeth-Krankenhaus

nemščina

für Craig Czury

                                    Our dynasty came because of a great senisibility
                                        Ezra Pound, Canto 85

Hinter dem Anacostia River, im Schatten der Bäume,
schneidet die heilige Elisabeth den runden Kuchen in Stücke
mit einem langen, blitzenden Messer, verteilt ihn freundlich
an die Teilnehmer des Poesie-Workshops, die danach Schlange stehen.
Ihre Arme sind mit Verbänden bis zum Ellbogen an den Körpern fixiert,
ihre Augen sind rund wie die Kuchensonne,
und sie verbiegen sich komisch beim Essen: Die Poesie
ist darauf aus, Bewußtsein und Dasein zu ändern. Plötzlich
klingelt das Telefon, die heilige Elisabeth muß an den Apparat.
Sie gibt mir das Messer und bittet mich, weiter den Kuchen zu schneiden.
Wie der lange Stahl von einer Hand in die andere gleitet,
wirft er die Sonne zurück, blitzt in die Augen
und teilt deren Rund wie das Messer
den Kuchen. Die Welt wird zersprengt
zu Milliarden winziger Scherben, hält nur noch einen Augenblick,
bevor sie auseinanderfällt. Ich

Unsere Dynastie entstand
aus großer Empfindsamkeit.
Nach all den Pavillons unserer Paläste
schaue ich nun durch das John-Howard-Fenster
Aus dem Schatten blattloser Bäume
auf die neue Zeit hinterm Fluß.
Irgendwo andernorts irrten unsre Gedanken,
als dieses Tor sich auftat.
Unsere Dynastie stützte sich auf strenge Hierarchie,
als sie über Schönheit meditierte.
Vor vielen Jahren schwanden mir die Wände
als ich verbotene Plätze abhörte.
Unser Dynastie stiftete Ordnung in der Poesie
und ergoß sich über die Ränder der Form.
Innere Stimme? Jeder von uns besitzt viele
innere Stimmen. Welche wollt ihr jetzt hören?
Unsere Dynastie kam ins Krankenhaus
wegen ihres zu großen Glaubens.
Die neue Welt gab uns eine Beruhigungsspritze,
und unser Bewußtsein verholzte.
Die heilige Elisabeth nahm uns in ihre Obhut,
und die Liebe löste den Willen auf.
Die Gründer der Welt gleicher Werte
gingen daran, uns mit der eignen Poesie zu heilen.
Die unerschöpfliche Milch im Krug der heiligen Elisabeth
unterspülte das Fundament unserer Hierarchien.

drücke die Schneide in den Kuchen, die zersprengte
Wirklichkeit fügt sich wieder zusammen, die seltsame Hoffnung,
die schon in den Einschnitten leuchtete, ist perdu. Die Teilnehmer
am Poesie-Workshop senken sachte die Augen zu Boden.
Balsam der Worte sickert durch Zellenwände,
Klebstoff für Sachen und ein Bewußtsein mit fixierten Armen.
Aus Metallgeschmack im Mund wird der von süßem Biskuit,
leitet über zur Versöhnung, eröffnet
Pfade der Erinnerung, die führen nirgendwo hin.

[Anm. Das Gedicht benutzt teilweise Collagen, die Craig Czury aus den Texten
von Patienten des St. Elisabeth Hospital gemacht hat]

Nach einer Interlinearübersetzung von Antanas Gailius

ins Deutsche übertragen von Uwe Kolbe




Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Goethe-Instituts Vilnius



[Tócchi di biacca della]

italijanščina | Donata Berra

Tócchi di biacca della
chora a rocca
balzi spaccati a picco, capre
fitte corna orecchie
dritte d'asini saccenti
Giove stizzito raffiche
di venti, ampie
vele alte sulle scotte
fuori staccate nicchie di chiesette
s'alza di scatto e fugge il cane giallo.

© Donata Berra
from: unveröffentlichtem Manuskript
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

[Tupfen Bleiweiß von der]

nemščina

Tupfen Bleiweiß von der
Chora am Felsen,
steile zerklüftete Klippen, Ziege
an Ziege, Hörner und Ohren,
gespitzte, der lauthalsen Esel,
Zeus ist erzürnt, böige
Winde, geblähte
hohe Segel, gut vertäute,
wie versprengt der fernen Kirchlein Nischen,
da schnellt auf und hetzt davon der gelbe Hund.

Nachdichtung: Uwe Kolbe

© Uwe Kolbe 2001

[statau barikadą]

litovščina | Gintaras Grajauskas

statau barikadą
aplink save

sustumiu spintą, lovą
pargriaunu šaldytuvą

jie atsiunčia derybininką
picų pardavėją

priešintis beprasmiška, sako jis

priešintis beprasmiška, sutinku

jis išeina kaip nugalėtojas
palikęs picą su krabais

ateina paštininkas: štai jums
registruotas laiškas, pasirašykite

pasirašau, abu šypsomės
priešintis beprasmiška, sako laiškas

nesiginčiju, mandagiai sutinku:
nėra nė mažiausios vilties

tada ateina mormonas - ar tu žinai
dieviškąjį planą, klausia mormonas

žinau, priešintis beprasmiška,
sakau aš, mormonas numurma laiptais

tobulinu barikadą: plyšius užkamšau
senais laikraščiais ir kramtomąja guma

skambina vėl į duris, ir vėl

už durų picų pardavėjas
mormonas ir paštininkas

ko gi dar, klausiu aš

buvote teisus, sako jie, priešintis
beprasmiška, ir nėra nė mažiausios vilties

todėl esame vienoj
barikadų pusėje

© Gintaras Grajauskas
from: unveröffentlichtem Manuskript / not published
Audio production: 2002 Books from Lithuania

[ich baue eine Barrikade]

nemščina

ich baue eine Barrikade
um mich

schieb Schrank und Bett zusammen
kippe den Kühlschrank um

sie schicken als Unterhändler
den Pizzaverkäufer

Widerstand zwecklos, sagt er

Widerstand zwecklos, stimme ich zu

er geht wie ein Sieger weg
und läßt eine Pizza mit Krabben zurück

der Briefträger kommt: Einschreiben
für Sie, bitte um Unterschrift

ich unterschreibe, und wir lächeln beide
Widerstand zwecklos, verkündet der Brief

ich streite nicht, höflich stimme ich zu:
es gibt nicht die leiseste Hoffnung

dann kommt ein Mormone – kennst du
den göttlichen Plan, fragt der Mormone

ich kenne ihn, Widerstand zwecklos,
sag ich, und der Mormone murmelt die Treppe hinab

verbessere ich also die Barrikade, stopf Löcher
mit Zeitung und Kaugummi aus

wieder klingelt es an der Tür

da draußen stehn Pizzaverkäufer
Briefträger, Mormone

was noch, frage ich

Sie hatten recht, sagen sie, Widerstand
zwecklos, und es gibt nicht die leiseste Hoffnung

Das heißt, wir stehen gemeinsam
diesseits der Barrikade

Nach einer Interlinearübersetzung von Antanas Gailius

ins Deutsche übertragen von Uwe Kolbe




Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Goethe-Instituts Vilnius



[Stai, e riposa, e non chiarire il sogno]

italijanščina | Donata Berra

Stai, e riposa, e non chiarire il sogno.
Non ti hanno chiesto a moneta l’amore,
ma a condizione. E ti hanno ferita?
Ah disse poi ancora la regina
mandatemi qualcuno che sappia
le parole che non mi hanno insegnato,
e anche il buffone, che pianga.
Il caso è risolto.
Passiamo ad altro.

© Donata Berra
from: unveröffentlichtem Manuskript
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

[Bleib, und ruhe aus, und kläre nicht den Traum]

nemščina

Bleib, und ruhe aus, und kläre nicht den Traum.
Man ist dich nicht um Geld für Liebe angegangen,
nein, zu Bedingungen. Und hat man dich verletzt?
Ah, sagte die Königin dann noch,
man schicke mir einen, der die Worte kennt,
die man mich nicht gelehrt,
und auch den Narren, daß er weine.
Der Fall ist gelöst.
Wenden wir uns anderem zu.

Nachdichtung: Uwe Kolbe

© Uwe Kolbe 2001

[Non ho più richiesto di altre voci]

italijanščina | Donata Berra

Non ho più richiesto di altre voci
gli amici, che i bei suoni soavi
degli amori, e della coppia in crisi.
Non ho gridato, più, che almeno due domande
voglio strappare a questa vita breve
non li ho inchiodati ai ferri corti a dire
a aprire, duri, a luce d’intelletto
quello che suona, a noi mortali, acre.

Sono venuti a cena a parlottare fitto
tra le polpette al sugo e freudiane
letture d’anime d’altri e di ragù:
e ho mandato una vecchina gaia
profumata di cero e senza denti
a chiudere le porte del tempio di Giano.

© Donata Berra
from: unveröffentlichtem Manuskript
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

[Ich habe keine andre Rede mir erbeten]

nemščina

Ich habe keine andre Rede mir erbeten
von den Freunden als das feine Säuseln,
wer wen liebe, welches Paar gerad krisele.
Ich habe nicht geschrien, nicht mehr, nur die zwei Fragen
wolle ich dem kurzen Leben noch entreißen,
ich habe sie nicht hergenommen in die Zange, sagt,
eröffnet, klar, bei nüchternem Verstand
gerad das, was uns, die Sterblichen, versehrt.

Zum Abendessen hier, am Tuscheln dicht bei dicht,
bei Fleischbällchen in Soße und Freudscher Art
zu lesen in den Seelen anderer und im Ragout:
Geschickt hab ich eine fidele Alte,
die riecht nach Wachs, ist zahnlos, sie soll schließen
die Tore des Tempels des Janus.

Nachdichtung: Uwe Kolbe

© Uwe Kolbe 2001

[No llames, no me escribas, tengo miedo]

španščina | Luis Osvaldo Tedesco

No llames, no me escribas, tengo miedo
de tu voz, de tu letra, tengo miedo
de tu aliento en la niebla de mi cara,
tengo miedo, sabés, de que tan cerca
tu rasguño de imagen en los ojos
despierte aquella luz, aquel contorno,
la forma acariciante de tu nada,
tengo miedo del trazo telaraña,
tinta negra y papel estremecidos
por tu letra incrustada en mis palabras,
tengo miedo, sabés, de que al pensarte
golosa te detengas en mi mente,
tan persuasivo sueño fue tu cuerpo
que fui sin vos al despertar espectro.

© L.O.T. und Nuevohacer
from: Aquel corazón descamisado
Buenos Aires: Nuevohacer, 2002
Audio production: 2004, Goethe Institut Buenos Aires

[Rufe nicht, schreibe mir nicht, ich habe Angst]

nemščina

Rufe nicht, schreibe mir nicht, ich habe Angst
vor deiner Stimme, deiner Schrift, habe Angst
vor deinem Atem im Dunst meines Gesichts,
ich habe Angst, weißt du, davor, daß so nah
das Kratzen deines Bildes in den Augen
jenes Licht aufweckte und jenen Umriß,
die schmeichelhaftere, die Form deines Nichts,
ich habe Angst vor dem Spinnennetz-Schriftzug,
schwarze Tinte und Papier, wie sie zittern
vor deiner meinem Wort eingeprägten Schrift,
ich habe Angst, weißt du, beim Denken an dich
hielte in meinem Kopf etwas gierig an: Du,
ein so überzeugender Traum war dein Leib,
ohne dich erwachte ich als ein Gespenst.

Aus dem Spanischen von Uwe Kolbe

[Las tardes de mi barrio en el verano]

španščina | Luis Osvaldo Tedesco

Las tardes de mi barrio en el verano
con su quietud de polvo y frenesí,
y el remolino gris de las paredes
y el bochorno, la dádiva del árbol
que la cercana esquina ceremonia
con toque vertical de basto antiguo,
las tardes de mi barrio en el verano
son la entraña pasiva de mi cuerpo,
la sigilosa turba, el pensamiento,
el púlpito animal donde la ausencia
silba feroz la música paciente,
allí la bisectriz de otra distancia
y el potrero inicial, y misteriosa
la yegua blanca, súbita de dioses.

© L.O.T. und Nuevohacer
from: Aquel corazón descamisado
Buenos Aires: Nuevohacer, 2002
Audio production: 2004, Goethe Institut Buenos Aires

[Die Sommernachmittage meines Viertels]

nemščina

Die Sommernachmittage meines Viertels
mit ihrer Ruhe aus Staub und Raserei,
mit ihrem grauen Gewirbel der Mauern
und mit der Schwüle, der Gabe des Baumes,
die nahe Ecke groß zu zelebrieren,
vertikalen Akzent, Basto antiguo,
die Sommernachmittage meines Viertels
sind Innenleben, passiv, meines Körpers,
geheime Masse, die, wie der Gedanke,
die Brüstung der Tiere, wo Abwesenheit
die wilde Musik pfeift, die voller Geduld,
dort die Tangente des anderen Abstands,
die Brache des Anfangs, und mysteriös
die weiße Stute, jäh von den Göttern.

Aus dem Spanischen von Uwe Kolbe

[Hay palabras, susurros que agonizan, ]

španščina | Luis Osvaldo Tedesco

Hay palabras, susurros que agonizan,
sonidos de las ciénagas del aire,
hay vocales talladas en el habla
que recuerdan la gracia de otra vida,
son voces que sacuden mi cabeza,
que llaman sin decir, que merodean
mecidas en la pulpa lugareña,
vienen con su esplendor desfigurado,
vienen con su rasguido y su aleteo
sobre mi servidumbre asalariada,
son sílabas de lenguas legendarias,
voces del mascarón desesperado
que pasan y murmuran y se alejan
sin oír, amontonadas, como siglos.

© L.O.T. und Nuevohacer
from: Aquel corazón descamisado
Buenos Aires: Nuevohacer, 2002
Audio production: 2004, Goethe Institut Buenos Aires

[Es sind Worte, Wispertöne zum Sterben]

nemščina

Es sind Worte, Wispertöne zum Sterben,
so Klänge, die sind von den Sümpfen der Luft,
sind Vokale, in der Sprache geschliffen,
erinnernd an Anmut anderer Leben,
es sind Stimmen, die meinen Kopf anschlagen,
die rufen sprachlos, die treiben sich herum,
im Mark der Provinz geschaukelt, die kommen
mit ihrer Pracht, ganz aus den Fugen jedoch,
die kommen mit Arpeggio und Herzflattern
über meine bezahlte Leibeigenschaft,
sind Silben von schon legendären Sprachen,
Stimmen der Maske, verzweifelter Maske,
die gehen vorbei und murmeln und schwinden
gehörlos, aufgehäuft wie Jahrhunderte.

Aus dem Spanischen von Uwe Kolbe

[Eccoti scarlatta primavera]

italijanščina | Donata Berra

Eccoti scarlatta primavera
vieni e soccorri prima che ritorni
la tenèbra notte
a riaprire la memoria, a trattenere
l'assenso, fioco, al germogliare

e fosse solo pure
di quiete begonie domestiche.

© Donata Berra
from: unveröffentlichtem Manuskript
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

[Da bist du, scharlachrote Frühlingin]

nemščina

Da bist du, scharlachrote Frühlingin,
komm hilf mir, vor der Wiederkehr
der Finsternis in Nacht,
die die Erinnerung heraufholt, abhält
das Ja, das matte, zum Aufkeimen

und sei es jenes nur
der stillen häuslichen Begonien

Nachdichtung: Uwe Kolbe

© Uwe Kolbe 2001

[pasitrankęs po pasaulį]

litovščina | Gintaras Grajauskas

pasitrankęs po pasaulį, prakutęs
grįžo namo, dovanomis vežinas
naujoj mašinaitėj

tuoj visa plati giminė susėdo už stalo,
ragavo Jack Daniels ta proga, mandagiai
besiraukydami

keliauninkas, perleidęs porą stiklų
pervirš, kalbos pritrūkus, ėmė ir
pasidejavo

vokiečiai tvarkingi, airiai darbštūs,
olandai vaišingi, tik mes vieni, lietuviai,
išvis neturim kuo pasirodyt

tai tėvokas, sugraibęs lazdą, kaip
užsiautė anam per dantis

sakydamas: bet dabar tai ir tu jau
turėsi kuo prieš kitus pasirodyt

© Gintaras Grajauskas
from: Kaulinė dūdelė (Knochenflöte)
Vilnius: Vaga, 1999
Audio production: 2002 Books from Lithuania

[durch die Welt gereist]

nemščina

durch die Welt gereist, kam er nach Hause,
durchweg erleuchtet, im neuen Auto
und mit Geschenk

gleich strömte die ganze Mischpoke zu Tisch,
probierte Jack Daniels aus gegebenem Anlaß,
und man verzog höflich die Mienen

der Weitgereiste nahm ein paar Gläschen
über den Durst und maulte auf einmal,
als das Gespräch ins Stocken geriet

die Deutschen wären ordentlich, die Iren fleißig,
die Holländer gastfreundlich, nur wir Litauer
hätten partout nichts aufzuweisen

da holte das Väterchen seinen Stock hervor,
gab ihm eins damit vor die Zähne

und fügte hinzu: jetzt hast auch du
vor Fremden etwas aufzuweisen

Nach einer Interlinearübersetzung von Antanas Gailius

ins Deutsche übertragen von Uwe Kolbe




Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Goethe-Instituts Vilnius




1 November

nizozemščina | Bernard Dewulf

De doden hebben verzameld vandaag.
Ze kwamen klagen tot in mijn hoofd.
Mijn zoon gaf alles zijn woord,
mijn vrouw lag als een graf te slapen.
Jaarlijks gingen bloemen langs de ramen.
Het leek of ik nooit zo aanwezig was.
Ik zat met iedereen samen,
onvindbaar bij mijn noemende kind,
in een verwarmde kamer vol namen.

© Bernard Dewulf
from: unveröffentlichtem Manuskript
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

1. November

nemščina

Die Toten haben sich versammelt heute.
Sie führten Klage bis in meinen Kopf herein.
Mein Sohn gab allem sein Wort,
und meine Frau lag schlafend wie im Grabe.
Alljährlich, wenn die Blumen vor den Fenstern wandern.
Es schien, daß ich noch nie so diesseits war.
Ich saß mit allen zusammen,
unauffindbar nah bei meinem benennenden Kind,
in einem warmen Zimmer voller Namen.

Nachdichtung: Uwe Kolbe

© Uwe Kolbe 2001

Zoontje slaapt

nizozemščina | Bernard Dewulf

Het is een middag uit een dagelijkse week,
een eeuw wordt buiten afgewerkt.
In de ether van het eerste huis
ruist je slaap in een elektrisch oor.

Ramen staan wijdopen op een zomer
en tot in onze stille kamers dringt
het pidgin door van weer een nieuwe tijd.
Nu kan de toekomst komen.

Hier wonen wij tot later samen.
Tot ik in je pas, een vader in een vader.
Tot dit huis je zal verhuizen.
Tot het is alsof ik er nooit was.

Hier ben ik, na de middag van mijn dag.
Ik weet, het droomt nu in je hoofd,
maar hoor. Er zingt in onze kamers iets
van elke tijd. Adem, adem met mij door.

© Bernard Dewulf
from: unveröffentlichtem Manuskript
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Söhnchen schläft

nemščina

Es ist ein Mittag einer ganz normalen Woche,
da draußen schafft man das Jahrhundert weg.
Im Äther deines ersten Hauses
rauscht dein Schlaf ins stromversorgte Ohr.

Fenster sind weit offen in den Sommer,
und bis in unsere stillen Zimmer dringt
das Pidgin einer wieder neuen Zeit herein.
Jetzt kann die Zukunft kommen.

Hier wohnen wir auf weiteres zusammen.
Bis ich in dich hinein, ein Vater in den Vater, passe.
Bis dieses Haus dich aus sich zieht.
Bis es so wird, als wär ich nie gewesen.

Hier bin ich, nach dem Mittag meines Tages.
Ich weiß, es träumet jetzt in deinem Kopf,
doch höre. In unseren Zimmer singt etwas
von allein Zeitn. Atme, atme mit mir fort.

Nachdichtung: Uwe Kolbe

© Uwe Kolbe 2001

Trabajo

španščina | Luis Osvaldo Tedesco


Todo lo que ves, Musulmán, desde el portón de tu casa, es obra de plebe, cabecitas, sangre plebeya. La zanja, la calle de barro y la otra asfaltada, la vereda, el umbral reluciente de la casa vecina, el árbol de sombra nudosa, los postes, los cables combados en arcos pasivos, eso que ves, Musulmán, te fue dado, la luz de tu pieza, la mesa, el vidrio radiante y las plantas del patio, la sábana yerta sobre la cama sin \Ella, todo es trabajo, brazos partidos en los terrenos del mundo. Es bueno que lo aceptes, tus dominios son obra de sangre sumisa. Cal, arena, cemento, ladrillos, la unción vertical de la plomada, vinieron de lejos, y las simetrías adversas del aire fueron vencidas por multitudes sin nada. No lo dudes: el dolor, el deseo, aquellas alegrías, tienen cobijo en la materia inaudita, que hombres oscuros laboran con rencor extenuado. No dejes tu voz a merced del eterno: allí, sobre la mesa, el poderoso vino, su sabor cosechado, busca en tu mente el temporar que acorrala, el murmullo roedor, el lóbulo de dicción implacable. Si te vieras, si dieras con vos en el cuerpo de otro, el peón de los confines agrarios, sentirías rugir tu indolencia en los sembrados del lucro: frutas, verduras, carnes y especias, el pan ancestral, cualquier alimento, sea con gula o desdén tu masticar necesario, el agua, la ternura del hábito en el café matinal, el tabaco, el humo que tiende arabescos de imagen, todo lo mezcla el trabajo, lo sufre, lo paga, diagrama en tus gestos contornos mellados. El amor no es igual para todos. Así lo justo y lo injusto, la perfección del acontecer y la pena del mundo, los dueños que gozan y el sudor que fabrica, todo gira y se empasta bajo el trillo gigante. Eso que ves, Musulmán, desde el portón de tu casa, la extensión impasible, el orden intenso clavado en las mieses, arados, azadas, rastrillos, la lenta carreta y el temblor de la yegua en las lomas del alba, todo se instala en la espina remota, en el hierro, en el arma, en el hambre que mata y devora, mientras hiede la luz y tus manos esperan la noche, el papel, el desvarío gramatical, el dictado perdido que jadea y estalla.

© L.O.T.
from: Lomas del Mirador [in Vorbereitung]
Audio production: 2004, Goethe Institut Buenos Aires

Die Arbeit

nemščina


Alles, was du siehst, du Muselmann, vom Tor deines Hauses aus, ist Werk des Plebs, der Cabezitas, plebejischen Bluts. Der Graben, die Lehm- und die asphaltierte Straße, der Fußweg, die glänzende Schwelle des Nachbarhauses, der Baum mit knorrigem Schatten, die Masten, die passiven Bögen der durchhängenden Kabel, das, was du siehst, du Muselmann, wurde dir gegeben: das Licht im Zimmer, der Tisch, das durchscheinende Glas und die Pflanzen im Hof, das steife Laken auf dem Bett ohne sie, alles ist Arbeit, Arme, verausgabt auf den Ländereien der Erde. Gut, dass du das akzeptierst, dein Reich als Werk gehorsamen Blutes. Kalk, Sand, Zement, die Ziegelsteine, vertikale Segnung des Lots, sie kamen von fern, und die widrigen Symmetrien der Luft wurden von Massen von Habenichtsen bezwungen. Zweifle nicht daran: der Schmerz, das Begehren, jene Freuden auch werden gefasst von der unerhörten Materie, die Menschen im Dunkel mit ausgelaugtem Groll bearbeiten. Überlasse deine Stimme nicht der Gnade des Ewigen: dort, auf dem Tisch, der kräftige Wein, sein Geschmack von Ernte sucht in deinem Geist das Zeitliche, das er einkreist, das nagende Grummeln, Gehör für nicht zu besänftigende Diktion. Könntest du dich sehen, dich im Körper eines andern finden, dem Knecht des agrarischen Grenzlands, deine Trägheit toben fühlen auf dem Acker der Erträge: Früchte, Gemüse, Fleisch, Gewürze, Brot der Ahnen, Nahrung aller Art, unumgängliches Kauen, ob mit Gefräßigkeit oder Verachtung, das Wasser, als Zärtlichkeit die Gewohnheit des Morgenkaffees, der Tabak, der Rauch, der Bildarabesken ausbreitet, all das gemischt von der Arbeit, die es erleidet, die dafür zahlt, Diagramm deiner Gesten mit schartiger Kontur. Die Liebe ist nicht für alle gleich. Wie auch Gerechtes und Ungerechtes, die Perfektion des Ereignisses und der Schmerz der Welt, Besitzer, die genießen, der Schweiß, der stellt her, und alles dreht und verklebt sich unter dem gigantischen Mähdrescher. Das, was du siehst, du Muselmann, vom Tor deines Hauses aus, das unerschütterliche Ausmaß, die tiefe Ordnung, die an das Ernten geknüpft ist, die Pflüge, die Hacken, die Rechen, der langsame Wagen und das Zittern der Stute in den Hügeln der Seele, all das geht ein in den unwahrscheinlichen Stachel, das Eisen, das Gewehr, in den Hunger, der tötet und verschlingt, während das Licht nicht auszuhalten ist, die Hände die Nacht erwarten, das Papier, den grammatischen Fieberwahn, das verlorene Diktat, das keucht und birst.

Aus dem Spanischen von Uwe Kolbe

The entire History of Architecture

angleščina | Luke Davies

Michael come quick you can see a palace drowning
In the lake. A distant plane’s lights twinkle.
Under the gold tree (furthermore) she spoke of herself as
shark-panda-otter girl. Something about sharks need
to keep moving, pandas need to keep chewing & thank
God therefore for our otter nature (she continued), you
swim because you can and eat shellfish of the table
of your belly. All glorious stuff. Be there a heaven
here on earth it is this it is this it is this. Or:
wake on a wet Sunday morning, rain drumming hard,
and praise the entire history of architecture  –
it has led to the tightness of roofs, after all. And all
this grey beauty: stay in bed, of course.
You’ll see a palace drowning in a lake
if you are lucky. At the touching of your limbs
you too will start the drowning. Ten your breath.
Nine your voice. Eight your eyes. Be there a seven
here on earth it is this it is this it is this. Six
echoes of the afterbreath. Five kisses for your thighs
and climbing. A palace drowning in a lake.
Four-second flicker of a dream of loss, and there
you are again, inside yourself. Three things
to think of: something, everything, and nothing.
The palace lights are burbling underwater.
Two your breath, and suddenly your gills.

© L.D.
from: unpublished
Audio production: M.Mechner, literaturWERKstatt berlin, 2003

Die gesamte Architekturgeschichte

nemščina

Michael komm schnell und schau, wie ein Palast ertrinkt
im See. Die Lichter eines fernen Flugzeugs blinken.
Unter dem Gold-Baum (überdies) sprach sie von sich
als Hai – Panda – Otter – Mädchen. Etwas wie: Haie
brauchen ständig Bewegung, Pandas kauen immer, und Gott
sei Dank also für unsere Otter-Natur (fuhr sie fort), du
schwimmst, weil du es kannst, isst Muscheln von deinem
Bauch-Tisch. Das ganze grandiose Zeug. Ist Himmel hier
auf Erden, ist es das ist es das ist es das. Oder:
Wach auf an einem trüben Sonntagmorgen, Regen prasselt laut,
und lobe die gesamte Architekturgeschichte –
schließlich hat sie zur Dichte von Dächern geführt. Und all
diese trübe Schönheit: Bleib im Bett, was sonst?
Du wirst sehen, wie ein Palast ertrinkt im See,
wenn du Glück hast. Mit dem Berühren deiner Glieder
fängt auch dein Ertrinken an. Zehn dein Atem.
Neun die Stimme. Acht deine Augen. Ist Sieben hier
auf Erden, ist es das ist es das ist es das. Sechs
Echos sind der Atemstoß danach. Fünf Küsse deine Schenkel
steigend. Ein Palast ertrinkt in einem See.
Vier-Sekunden-Flimmer eines Traumes von Verlust, und da
bist wieder du, innen drin in dir. Drei Dinge
dran zu denken: an das, an alles und an nichts.
Die Lichter des Palastes gurgeln unter Wasser.
Zwei dein Atem, und plötzlich deine Kiemen.

aus dem australischen Englisch von Uwe Kolbe




auch in: Hochzeit der Elemente. Zeitgenössische australische Dichtung.

Hg. von Ivor Indyk

Köln: Du Mont 2004

TANRIYA MEKTUP

turščina | Haydar Ergülen

1.
Birazdan göğü dolduracak
bulutları gördüm de Tanrım
senin gizli gizli şiir
yazdığını anladım

2.
Seni düşündüğümde bazen
üzülüyorum Tanrım,
kediler, kuşlar, bulutlar
ağaçlar, kırlar, balıklar,
kızlar, oğlanlar, çocuklar,
yalnızca onların olsaydın da,
şu büyük insanlığın
Tanrısı olmasaydın!

3.
İç savaşta önce
Tanrı öldürülür
sonra içimizdeki
iyi insanlar

4.
Tanrım ne çok
ağacın var burada,
ve ne çok insan
var ‘şu dünyada
bir dikili ağacım
bile yok’ diyen

Bir ağaç daha
yaratırsan, İnsan
Ağacı olsun, lütfen!

5.
Bağişla beni Tanrım
şu sırplanlara baktığımda
bazı insanları senin
yarattığına inanmıyorum

6.
Bana gösterdiğin bulutları
bir ressam da görmüş
Tanrım, ve senin
ressam olduğunu düşünmüş!

7.
Bu dünyada kalacak kadar bilge,
hayatı göze alacak kadar göçebe,
bir incinin peşinde ve derin
kaybolacak kadar kendi içinde,
ve suyla ilgili küçük bir imada
bile akıp gidecek kadar yoğun...

İnsan, ustası değilse nedir
yitirdiği her şeye önceden
veda edebilmenin?

Fakat Tanrım galiba
bize bizden de önce
sen veda ettin!

8.
Bir köy yanınca
sessizliği ölür dünyanın

Fısıltısı ölür öpüşmenin
bir orman yandığında

Yaktıklarında bir oteli
konukluğu ölür şiirin

Ölür çocukluğun kahkahası
yakılınca bir şehir   

Kim ki ateşe verir
hayatı, Tanrı da onların
kalplerine soğukluk verir!

9.
Tanrım ya bu dünyayı yarattığını unut
ya beni bu dünyada fazla unutma!

© Haydar Ergülen
from: Hafıza
Yön Yayıncılık/Şiir dışı, 1999
Audio production: 2008 Literaturwerkstatt Berlin

EIN BRIEF AN DEN HERRN AUS DEM JAHRE 1996

nemščina

1
Die gleich den Himmel ausfüllen, die Wolken,
ich habe sie nämlich gesehen, Herr,
und habe verstanden: heimlich
heimlich dichtest Du auch

2
Denk ich an Dich, manchmal
werde ich traurig, Herr
der Katzen, Vögel, Wolken,
der Bäume, Wiesen, Fische,
der Mädchen, Jungen, Kinder,
wärst Du doch ihrer nur,
und nicht der Herr
der ganzen großen Menschheit!

3
Der Krieg im Innern mordet
erst Gott
und dann die Guten
in uns

4
Herr, wie viele
Bäume hast Du hier,
wie viele Menschen gibt es,
die ‚ich habe nicht einmal
einen Baum gepflanzt
auf Erden’ sagen

Erschaffst Du nur noch einen
Baum, so soll’s ein Menschen-
Baum sein, bitte!

5
Vergib mir, Herr
wenn ich auf die Serbänen schau
und nicht mehr glaube, das seist Du
gewesen, der jeden Menschen schuf

6
Die Wolken, die Du mir gezeigt,
ein Maler sah sie auch,
Herr, und er hat gewußt,
daß Du ein Maler bist!

7
Weise genug, auf Erden zu bleiben,
Nomade genug, das Leben zu wagen,
hinter der Perle her und tief genug
in sich selbst, um verloren zu gehen,
erfüllt genug, um bei der kleinsten Andeutung
von Wasser überzufließen

Was ist der Mensch, wenn nicht
ein Meister im Voraus-Abschied
von allem, das verloren ist?

Doch, Herr, es ist zu fürchten,
Du hast von uns schon längst
Abschied genommen!

8
Wo ein Dorf brennt,
stirbt das Stille der Welt

Das Flüstern der Küsse stirbt
in einem Wald der brennt

Wo sie ein Hotel anzünden,
ist das Gedicht nicht mehr zu Gast

Das Lachen der Kindheit stirbt
ist eine Stadt in Brand gesetzt

Die das Leben in Brand setzen,
der Herr setzt solchen
die Kälte ins Herz!

9
Herr, Du solltest, daß Du diese Welt erschufst, vergessen,
sonst mich auf ihr nicht allzu lange vergessen!

Deutsche Fassung von Uwe Kolbe.
Die Übersetzung entstand im Rahmen des deutsch-türkischen Übersetzungsworkshops in der Literaturwerkstatt 2008

Supple

angleščina | Luke Davies

And the sun is everywhere
And the air is filled with pollen
And all the bees weighed down with light
Are golden where the leaves have fallen.

The sidewalk soft with petals.
The air is wet with blossom;
It was frankly hard to comprehend
How all your youth and grace, so lissome,

So supple, could gather in the one body.
The light comes through your hair
As if your hair were light and nothing but:
You shake it to set fire to the air.

© L.D.
from: Totem
Sydney: Allen and Unwin, 2004
Audio production: M.Mechner, literaturWERKstatt berlin, 2003

Biegsam

nemščina

Und die Sonne überall,
Und die Luft so süß von Nektar,
Bienen schwer mit Licht beladen,
Golden wie gefallne Blätter.

Gehsteig, weich von Blütenblättern.
Luft, von all dem Blühen feucht.
Wirklich schwer war zu begreifen,
Wie sich Jugend, Anmut, und so weich

So biegsam hier in einem Körper fanden.
Scheint durch deine Haare Licht,
Sind sie selbst nur Licht, nichts andres,
Du schütteltest sie, die Luft entzündet sich.

aus dem australischen Englisch von Uwe Kolbe




auch in: Hochzeit der Elemente. Zeitgenössische australische Dichtung.

Hg. von Ivor Indyk

Köln: Du Mont 2004

Spastic at the Beach

angleščina | Luke Davies

Twisted body silhouetted
in a flood of summer light
he seems incongruous down here.

She leads him to the water’s edge
(sister, nurse or doubtless both):
he lurches under her loving grip.

Against the emerald waves his skin
the white that white can be. He tilts
his head to listen, he tenses as

his paper-thin monastic feet
touch the wet sand. The water sprays
his ankles then the surf engulfs

his legs.  The sun beats like a jugular,
the heat of day descends. He cries
a primal howl of fear and joy,

he bellows like some dinosaur a long
foghorn of linkage, disbelief.
Escapes her grip, allows himself

to fall. The small waves throw
his body like a doll. He gasps
and screams again, and those immense

gut vowels reverberate,
cut through the noise of day,
resound along the beach. She takes

his wrist. He balances and sways,
a trail of saliva like a mad silver
pendulum flailing from the pivot

of his mouth. He howls again.
The moon would burst. He is
howling for a cup full of moon

and her love is the moon for his cup.
He turns to her uncertainly, he turns
away and shudders as he laughs.

He cannot stay still and the earth
moves too. His splayed fingers
stab at the air, at the sun,

the ocean continues to throb.
He has dented the day
with the hammer of body and voice.

She leads him away where the salt haze
enfolds them in fading, his frail figure
dims in the warp and mirage of the spray.

All is pulse. In the pulsing of blood
and of light he will stay, the immaculate
hammer of presence embedded in day.

© L.D.
from: Absolute Event Horizon
Sydney : Angus and Robertson / Harper Collins Publisher, 1994
Audio production: M.Mechner, literaturWERKstatt berlin, 2003

Der Spastiker am Strand

nemščina

Die Silhouette des verrenkten Kopfs
in dieser Flut von Sommerlicht.
Er scheint hier unten fehl am Platz.

Sie führt ihn an den Rand des Wassers
(Schwester, Krankenschwester, sicher beides):
Er ruckt voran in liebevollem Griff.

Vor den smaragdnen Wellen seine Haut
ein Weiß wie Weiß nur sein kann. Hingeneigt
den Kopf zum Hören, zuckt er, als

die mönchisch zart papiernen Füße
den nassen Sand berühren. Das Wasser netzt
die Knöchel, dann verschlingt die Brandung

die Beine. Tageshitze bricht herein,
die Sonne pulst arteriengleich. Er heult
ein Urgeheul aus Angst und Lust,

er brüllt ein Saurierbrüllen, lang
das Nebelhorn von Ankunft, von Verblüffung.
Entkommt dem Griff, erlaubt sich selbst

zu fallen. Kleine Wellen werfen
nun seinen Leib herum, die Puppe. Luft
holt er und schreit erneut, enorme

Bauchvokale hallen wider,
durchtrennen all den Tageslärm,
und klingen nach am Strand. Sie nimmt

sein Handgelenk. Er balanciert und schwankt,
ein Spuckefaden, Wahnsinns-Silber-
Pendel schlägt aus dem Drehpunkt aus

an seinem Mund. Er heult noch einmal.
Dass der Mond zerberste. Wie er heult
für eine Tasse voller Mond,

denn ihre Liebe ist der Mond für seine Tasse.
Unsicher wendet er sich zu ihr hin
und wieder weg und zuckt in einem Lachen.

Er kann nicht ruhig stehn, so wie die Erde nicht
still steht. Gespreizte Finger stechen auf
die Luft ein, auf die Sonne.

Der Ozean schlägt weiter an.
Den Tag hat er so eingedellt,
der Hammer von Körper und Stimme.

Sie führt ihn fort, in Salzdunst
gehülltes Verblassen, die zarte Figur
entschwindet im Flirren und Spiegeln der Gischt.

Nur Puls. Und im Pulsierenden des Bluts,
des Lichts bleibt er, der unberührte
Hammer einer Gegenwart im Gefäß des Tages.

aus dem australischen Englisch von Uwe Kolbe




auch in: Hochzeit der Elemente. Zeitgenössische australische Dichtung.

Hg. von Ivor Indyk

Köln: Du Mont 2004

Sestina

angleščina | Sapphire

Last night after school I finally got around
to looking at the formula for a sestina
& thought of Crazy Horse dancing in the desert
& I asked, Is god gonna appear here?
I want god
      a blue light so dark
it stains everything for centuries
radiative hallucinatory rood smelling
like urine & frankincense.
One hip has always been higher
one breast longer
& my thighs & belly at midlife,
like stupid teenagers
are totally out of control
like Billie
& Bessie or diamond black Big Maybelle
bawdy ballad red
dirt
rooster
throat cut in the sign of the cross
sodomized with a black cat bone
full moon
crossed with lye
road sign turned around
early death
gun shot
untreated
TB
HIV
roach wings floating
in the semi circular canal
(a white boy in the workshop, hip downtown grunge, shaves his
prematurely bald head, tattoos [you know, the whole bit], wonders
aloud if roaches get in poor people’s ears when they sleep)
A girl says, Yeah, yeah they do, running like roads
out of nowhere, out of lines, & I fall back twenty-five years
before most of them were born & I whisper to Chris:
It didn’t make any difference which side of the line you were on,
did it? When the wheel hit that dip & the motorcycle flipped
in the air in the light of a cervical vertebra
snapped in infinitum electrons spinning like wheels
around a dying nucleus of light scurrying
under cracks in some linoleum in Queens
& sometimes under the concrete the city is walking on
I see the cotton fields my daddy ran away from;
& his face, the love pulls me like an eclipse
to the worn envelope of poems I found in his drawer
when he died—
lines crossed in gasoline, burning.
& you know those ol’ niggers back then
had about as much a chance of making it
as butterflies at Auschwitz.
Is that why he did it?

Now time is a light dimming as it burns brighter
turning me toward the dark then the light again. I hope.

© 1999 by Sapphire / Ramona Lofton
printed by permission of the author
from: Black Wings & Blind Angels
New York: Alfred A. Knopf, Publisher, 1999
ISBN: 0-679-44630-3
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Sestine

nemščina

Gestern abend nach der Schule bin ich endlich dazu gekommen
mir das Schema der Sestine anzusehen,
ich dachte an Crazy Horse, wie er in der Wüste tanzt
und ich fragte, wird Gott hier erscheinen?
Ich will Gott
ein blaues so dunkles Licht
das alles einfärbt für Jahrhunderte
ein strahlendes, halluzinatorisches Kruzifix, das riecht
wie Urin und Weihrauch.
Eine Hüfte war schon immer höher
eine Brust länger
und meine Schenkel, mein Bauch in der Mitte des Lebens
wie blöde Teenager
völlig außer Kontrolle
wie Billie
und Bessie oder die diamantschwarze Big Maybelle
unflätig balladenrot
der Dreck
der Hahnädie Kehle durchschnitten im Zeichen des Kreuzes
trieb Unzucht mit dem Knochen einer schwarzen Katze
Vollmond
gekreuzt mit Lauge
der Wegweiser verdreht
früher Tod
Pistolenschuß
nicht behandelt
TBC
HIV
Kakerlakenflügel treibend
im Hörkanal
(ein weißer Junge im Workshop, Hip Downtown Grunge, sein ohnehin
kahler Kopf rasiert, Tattoo [eben alles, was so dazugehört], überlegt
laut, ob Kakerlaken armen Leuten in die Ohren kriechen, wenn sie schlafen)
Ein Mädchen sagt, yeah, yeah, das machen die, kommen wie Straßen
aus dem Nirgendwo, ohne Ordnung, und ich falle fünfundzwanzig Jahre zurück
die meisten von ihnen waren da noch nicht geboren, und ich flüstere Chris zu:
Es machte keinen Unterschied, auf welcher Seite du standest,
oder? Als das Vorderrad in das Loch schlug und die Maschine
in die Luft schnellte in das Licht eines Halswirbels
der brach in infinitum Elektronen, die sich drehen wie Räder
um einen sterbenden Kern von Lich verschwinden
in Linoleumrissen irgendwo in Queens
und manchmal läuft die Stadt unter dem Beton weiter
Ich sehe die Baumwollfelder und wie mein Daddy davonlief;
und sein Gesicht, die Liebe zieht mich an wie eine Sonnenfinsternis
zu dem alten Briefumschlag mit Gedichten die ich in seiner Schublade fand
als er starb –
Zeilen gekreuzt von brennendem Benzin
und du weißt die alten Nigger damals
hatten ungefähr soviel Aussicht es zu schaffen
wie Schmetterlinge in Auschwitz.
Hat er es darum getan?

Nun ist die Zeit ein Licht, das schwindet, wenn es heller brennt,
das mich ins Dunkel führt, dann erneut zum Licht. Ich hoffe.

Nachdichtung von Uwe Kolbe


© Uwe Kolbe 2001

SENİN HARFLERİN İÇİN

turščina | Haydar Ergülen

İdil için
 
Mırıldandığın her şeysin, sesinden öpüyorum
sessizliğine de eğiliyorum fakat neresindesin
kapanınca harflerinin kapısı: Adın
şiirim!
Heceler gibi öpüyorum işte iki hecesin
adından başlıyorum öpmeye kırlara çıkmış
harflerinin arasından öpüyorum: Ağzın
cennetim!
Dilin hala çocukluğun suyunda terli
ve haylaz suyundan öpsem küskün
bir çeşmesin harflerin susuz: Dilin
cehennemim!

© Haydar Ergülen
from: Keder Gibi Ödünç
Yasakmeyve, 2005
Audio production: 2008 Literaturwerkstatt Berlin

AUF DEINE BUCHSTABEN

nemščina

für Idil

Was du murmelst, alles das bist du, ich küsse deine Stimme
und neige mich zu deiner Stimmlosigkeit doch wo darin bist du
wenn die Tür der Buchstaben sich schließt: Dein Name
mein Gedicht!
Ich küsse dich, als lautierte ich dich, zwei Silben bist du
ich fang mit deinem Namen an zu küssen, zwischen deinen
Buchstaben, die ins Weite aufgebrochen, küsse ich: Dein Mund
mein Paradies!
Deine Zunge, in Kindheitsgewässern noch immer, schwitzend,
und wenn ich deine ungezogenen Wasser küsse, bist du
ein schmollender Brunnen, die Buchstaben durstig: Deine Zunge
meine Hölle!

Deutsche Fassung von Uwe Kolbe.
Die Übersetzung entstand im Rahmen des deutsch-türkischen Übersetzungsworkshops in der Literaturwerkstatt 2008

Poème liminaire (Un volume)

francoščina | Philippe Beck


Un volume
sans vieillesse
est un groupe de tuyaux
du savoir sonore
comme en amour
un tuyau secondaire sonorise quelquefois
l´orgue silencieux :
tout seul, son tube fondamental se tait.
Le tube doré et silencieux
a besoin
du tuyau secondaire
pour être public.
Il y a un tuyau
du coeur d´un auteur
au coeur d´un public ;
et ce tuyau
est le canal secondaire
d´un orgue
dans le livre.

Noyau secret de conviction :
il y a de la chaux dans la craie
qui maquille la face du clown
vedette.
Un Hercule en habit
peut bien s´armer du tube
de blanc de plomb pour peindre
le soleil,
n´empêche. Le plomb est aussi
dans l´idée du soleil.
Mais le chanteur
n´est pas seulement
comme la femelle du canari :
il doit bien chanter,
et sans hourra spirituel.
Comme dit Stevenson :
je vais publier un livre de – hum – vers.
Bien.

© Éditions MeMo
from: Inciseiv
Nantes : Éditions MeMo, 2000
ISBN: 2-91039-26-4
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

[Ein Insgesamt]

nemščina


Ein Insgesamt,
das nicht alt ist,
ist eine Reihe Röhren
des klängereichen Kennens
wie in der Liebe
bringt manchmal die Nachbarröhre
die stumme Orgel zum Klingen:
Allein bleibt ihr Hauptrohr stumm.
Die goldene, stumme Röhre,
sie braucht die Nachbarröhre,
so macht sie sich publik.
Es gibt eine Röhre
von dem Autorenherzen
zum Herzen des Publikums;
dies Rohr
ist der Seitenkanal
einer Orgel
im Buch.

Geheimer Kern die Gewißheit:
Kalk ist in der Kreide,
die das Gesicht dem Clown fein schminkt,
dem prominenten.
Ein Herkules, hier angezogen.
Kann sich sehr wohl mit der Tube
Bleiweiß versehen und damit
die Sonne malen,
schon klar. Es ist auch Blei
in der Idee der Sonne.
Der Sänger nämlich ist
nicht nur
wie das Kanarienvogelweibchen:
Er hat zu singen
und ohne spirituelles Hurra.
Wie Stevenson sagt:
Ich werde ein Buch herausbringen mit – hm – Versen.
Gut.

Nachdichtung von Uwe Kolbe


© Uwe Kolbe 2001



Pasiphae to Taurus

angleščina | Luke Davies

inky blue sex
       “inky blue sex”
I opened my eyes way up wide &
 still all I could see
was inky blue sex
       all around me

you turned into
       an animal
I was happy not to get involved
 I was focusing my purity
I just lay back & watched you
       become a bull

at first I thought you were
       a horse
or let's be clear about this a horse god
 filled your body for a while
then I realized no
       it was a bull

even if it was
       a horse god
that would be the wrong image
 or a bull god since in any case
you turned into
       the animal itself

your breath so fierce
       through your nostrils
that I might have assumed that if passion
 were pain then you there anguished
as you came apart
       were released of pain

there was enough starlight
       to fill the world
& yet there was only you
 only you gone godly
it was the inkiest of plummets
       & I tremored

in the labyrinth
       of our limbs
all our dreams got tangled &
 the wind beat down vast fields in sleep
flank   quiver   come
       to me come to me

who issues thus from this
       chewing that claggy blood
in the heart of the maze?
 his name is Asterion he has never seen
the sky   at night he smells starlight
       & distant apple groves

© L.D.
from: unpublished
Audio production: M.Mechner, literaturWERKstatt berlin, 2003

Pasiphae zu Taurus

nemščina

Tiefblauer Sex
            „tiefblauer Sex“
ich tat die Augen auf ganz weit &
  doch war, was ich sehen konnte
nur tiefblauer Sex
           um mich herum

Du verwandeltest dich
           in das Tier
ich war froh, nicht daran teilzuhaben
   konzentrierte meine Reinheit
ich lehnte mich nur zurück & schaute zu
           beim Werden des Stiers

Erst dachte ich, du würdest
           ein Pferd
oder, genauer gesagt, ein Pferdegott
   füllte deinen Körper eine Weile
dann begriff ich, nein
           das ist ein Stier

Selbst wenn es doch
           ein Pferdegott war
so wäre das Bild doch falsch
  ein Stiergott auf jeden Fall
du verwandeltest dich
           ganz in das Tier

Dein Atem feurig
           durch die Nüstern
ich hätte angenommen, wäre Leidenschaft
   wie Schmerz, gepeinigt wärest du
im Auseinanderbrechen
           wärst von Schmerz befreit

Sternenlicht gab es genug
           die Welt zu erfüllen
& doch warst da nur du
   nur du, nun Gott geworden
es war der steilste Sturzflug
           & ich zitterte

Im Labyrinth
           aus unseren Gliedern
die Träume ineinander verwoben &
   im Schlaf drückt Wind die Ähren nieder
Flanke   zucke   komm
           zu mir komm zu mir

Was wird uns aus dem entspringen
           kauen das knotige Blut
im Herzen des Labyrinths?
   Sein Name Asterion, der niemals
Himmel sah   bei Nacht riecht er Sternenlicht
           & weit entfernte Apfelhaine

aus dem australischen Englisch von Uwe Kolbe




auch in: Hochzeit der Elemente. Zeitgenössische australische Dichtung.

Hg. von Ivor Indyk

Köln: Du Mont 2004

Nine Hours

angleščina | Luke Davies

In Studio City the hummingbird
Sucks from the stamens.
The kitchen is silent. Outside, the sky
Of L.A. has been baked of its demons.

The tuberose blooms to remind of tomorrow’s
Petals on the surface of the swimming pool.
The pool wall drops stilts to waiting earthquakes.
Everyone’s off making films today. A kestrel

Hovers. We cannot do great things
But only small things with great love.
To travel is to be still. Then sunset
Highlights tenderly all the flight paths above.

© L.D.
from: Totem
Sydney: Allen and Unwin, 2004
Audio production: M.Mechner, literaturWERKstatt berlin, 2003

Neun Stunden

nemščina

In Studio City saugt der Kolibri
Die Blütenkelche aus.
Die Küche still. Der Himmel von L. A.
Ist, ausgebacken, alle Geister los.

Die Tuberose blüht und sagt, die Blütenblätter
Werden morgen auf dem Pool schon treiben.
Die Pool-Wand fährt die Stelzen Richtung Erdbeben aus.
Alle sind sie heut am Filmedrehen. Ein Falke

Kreist. Wir können wohl nichts Großes tun,
Nur mit der großen Liebe Kleines.
Reisen heißt stille sein. Die Sonne sinkt,
All die Kondensstreifen sind fein ausgeleuchtet.

aus dem australischen Englisch von Uwe Kolbe




auch in: Hochzeit der Elemente. Zeitgenössische australische Dichtung.

Hg. von Ivor Indyk

Köln: Du Mont 2004

NADA DE MÍ QUE DIGA:

španščina | Luis Osvaldo Tedesco

soy esto, soy aquello, soy de aquí,
vivo cerca del barrio rumoroso,


cerca, apenas alejado, a un paso
del habla natural de sus dominios,


quiero que me entienda:
soy un poco más que esto que se ve,


alguien contenido, acepto, sin raíz,
sin tallos caudillos la tierra del alma,


quiero decir, nada de mí que diga:
soy fuerte, me distingo, soy alguien
que presencia lo visible de su casa,


nada de mí, ninguno de mí,
desasido de cualquier profundidad,
decididamente dócil a la hora de partir,


quiero decir, desasido
de la profundidad que crece, de eso mismo
que la tijera poda de la tensión cambiante,


nada de mí, ninguno de mí
asomando por la tapia,


súbita coloración de zarzas,
súbito ir y venir de los silbidos,


nada de mí que diga:
soy esto, soy aquello, estoy preparado,
soy alguien del tejido persistente,


soy lo que usted quiere quitar de mí.

© L.O.T. und Nuevohacer
from: En la maleza
Buenos Aires: Nuevohacer, 2000
Audio production: 2004, Goethe Institut Buenos Aires

NICHTS AN MIR DAS SAGT:

nemščina

ich bin dieses, jenes, bin von hier,
lebe nahe dem lärmenden Viertel

nahe, nicht weit, kaum einen Schritt
von der natürlichen Sprache meines Gebiets,

ich möchte, daß man mich versteht:
ich bin ein wenig mehr als das, was man sieht,

jemand scheues, ich akzeptiere, wurzellos,
ohne Spross die Herren des Landes der Seele,

sagen will ich, nichts an mir, das sagt:
stark bin ich, hebe mich ab, ich bin jemand,
der durchlebt, was sichtbar ist an seinem Haus,

nichts an mir, niemand an mir,
losgelöst von jeglicher Tiefe,
ausgesprochen fügsam zur Stunde des Abschieds,

sagen will ich, losgelöst
von der wachsenden Tiefe, von eben dem,
was die Schere stutzt von sich ändernder Spannung,

nichts an mir, niemand an mir
lehnte an der Gartenmauer,

jähe Färbung der Dornenbüsche,
jähes Kommen und Gehen von Pfiffen,

nichts an mir, das sagt:
ich bin dieses, jenes, ich bin vorbereitet,
jemand von dem unvergänglichen Gewebe,

ich bin das, was Sie mir nehmen wollen.

Aus dem Spanischen von Uwe Kolbe

Разпускане на любовните армии

bolgarščina | Georgi Gospodinov

Тя запали цигара по оня начин,
по който разбираш, че всичко
е вече решено, и каза:
Край, усещам се като армия
в мирновременно положение,
маневри по запуснати ниви,
безплодни учения
все по-далеч от оживени места,
листа, съчки, кал, задни дворове;
като пушач сред отказващи пушенето,
като любовник сред отказали любовта.

О, ти го мислиш отдавна, казах,
звучи като стихотворение.
За мен е оставен финалът, ето:
Аз съм леко ранен,
много леко ранен
и неловко кървящ
в мирновременно положение.

© Georgi Gospodinov
Audio production: 2007 Literaturwerkstatt Berlin

Die Auflösung der Armeen der Liebe

nemščina

Sie steckte sich eine Zigarette an auf die Art,
wo du verstehst, alles
ist schon entschieden, und sagte:
Schluß, mir ist wie einer Armee
in Zeiten des Friedens,
Manöver auf Ödland,
fruchtlose Übung,
zu weit entfernt von menschlichen Orten,
Laub und Reisig, Dreck in Hinterhöfen:
Raucherin unter Leuten, die nicht mehr rauchen,
Liebende unter Leuten, die Liebe nicht brauchen.

Oh, das denkst du schon lange, erwiderte ich,
es klingt wie ein Gedicht.
Mir bleibt das Finale, dies:
Leicht bin ich verwundet,
fast gar nicht verwundet,
das Bluten ungeschickt befunden
in Zeiten des Friedens.

Aus dem Bulgarischen: Uwe Kolbe

Малко сутрешно престъпление

bolgarščina | Georgi Gospodinov

Навън е валяло дъжд
прохождаш сънен на сутринта и
(по пътеката към тоалетната)
шруп
охлювът под краката ти

убийство по невнимание
но това не смекчава вината
оглеждаш се
поради ранния час няма свидетели
избутваш трупа под тревите
натежали от капки
и това не отмива греха
убийството е толкова малко
че не можеш да го забравиш
през целия ден

© Georgi Gospodinov
Audio production: 2007 Literaturwerkstatt Berlin

Das kleine morgendliche Verbrechen

nemščina

Draußen hat es geregnet
Du gehst verschlafen am Morgen und
(auf dem Weg zur Außentoilette)
krsch
die Schnecke unter deinem Fuß

Mord aus Fahrlässigkeit
Die Schuld mindert das nicht
Du schaust dich um
zur frühen Stunde gibt es keine Zeugen
Du schiebst die Leiche unter die Halme
die hängen schwer von Tropfen
Die Schuld wäscht das aber nicht ab
Der Mord ist so klein
du kannst ihn nicht vergessen
den ganzen Tag

Aus dem Bulgarischen: Uwe Kolbe

Майка ми чете поезия

bolgarščina | Georgi Gospodinov

2 пакетчета фини точени кори
2 кафени чаши разтопено масло
килограм ябълки
1 чаша натрошени бисквити
1 чаша счукани орехи
2 кафени чаши захар
1 пакетче канела на прах

Ябълките се измиват, обелват
почистват от семките, настъргват
се на едро ренде и се смесват
със захарта, счуканите орехи
и канелата.
Взема се една кора,
намазва се с мазнина
и се покрива с една друга кора.
Разстила се отгоре част от
ябълковата смес и двете
кори се навиват на руло. Така
се навиват и останалите.
Намазват се с мазнина и се пекат
на средно силна фурна, докато
се зачервят отгоре, а отдолу
порозовеят.

Опечеш ли го – става щрудел,
но сега още е стихотворение.

© Georgi Gospodinov
Audio production: 2007 Literaturwerkstatt Berlin

Meine Mutter liest Lyrik

nemščina

2 Päckchen feinen Blätterteig
2 Mokkatassen zerlassene Butter
1 Kilogramm Äpfel
1 Tasse zerstoßene Kekse
1 Tasse gehackte Walnuß
2 Mokkatassen Zucker
1 Päckchen gemahlener Zimt

Die Äpfel waschen und schälen,
das Kerngehäuse entfernen, mit einer groben
Reibe reiben, mit dem Zucker,
den gehackten Nüssen und dem Zimt
vermischen.
Nun nimmt man ein Teigblatt,
fettet es ein und
bedeckt es mit einem weiteren Blatt.
Oben darauf verteilt man einen Teil
der Apfelmischung und rollt
das ganze zusammen. So macht man es
auch mit den übrigen.
Schließlich mit Fett einreiben und
bei mittlerer Hitze backen, bis
sie oben goldbraun und unten
goldgelb sind.


Bäckst du es, wird es ein Strudel,
bis dahin ist es ein Gedicht.

Aus dem Bulgarischen: Uwe Kolbe

Враните на Виена

bolgarščina | Georgi Gospodinov

Тук през ноември
е черно от врани
невъзмутими са чакат
нищо не искат
не се оплакват
оплакват ни
реят се
бавно и тежко на кръстове
да се прекръстим
преди да са ни прекръстили
прекалено са лъскави
оперение оперетно
и в скръбта има кич
реквизит
или друга естетика

Все повече идат и всеки ноември
врани с фракове
врани с фаготи
врани за реквиеми
като изпуснати ноти
атонални понякога
поограбили Шонберг
врани като авари
сред орлите на тази империя

Идат гробни и строги
и суетни и черни
(всяка империя
има своя ноември)

Все по-мъничко Моцарт
все по-мъничко Моцарт
все повече Салиери

© Georgi Gospodinov
Audio production: 2007 Literaturwerkstatt Berlin

Die Krähen von Wien

nemščina

Hier im November
schwarz ist’s von Krähen
träg wie sie warten
keinerlei Absicht
kein sich Beklagen
uns nur beklagen
gehn in die Lüfte
kreuzweise langsam schwer
mach rasch ein Kreuz
vor sie eins über dir schlagen
verblasenes Glänzen
Ornat aus der Operette
Trauer als Kitsch
Requisit
oder diese andre Ästhetik

Mehr sind es jeden November
Krähen mit Fräcken
und mit Fagotten
Requiemskrähen
ausgelassene Noten
atonal manchmal
Schönberg bestohlen
Krähen wie Barbarien
mischen das Adlerimperium auf

Kommen sie wie das Grab
so eitel so schwarz so strenge
(jedem Imperium
seinen November)

Immer schwindenderer Mozart
immer schwindenderer Mozart
immer mehr Salieri

Aus dem Bulgarischen: Uwe Kolbe

DU KELIAI

litovščina | Kornelijus Platelis

Yra išminčiaus ir kario kelias. Pirmasis
Veda klampiais ir klaidžiais
Tiesos pažinimo  liūnais,
Be perstojo bylinėjantis su dievais.
Kuomet nusprendžiama veikti,
Neaišku, kas renkasi būdą -
Išminčius ar prekijas.
Kartais aiškiai renkas prekijas
Vardan ar vardu išminčiaus.
Kur veda šis kelias,
Aš nežinau.

Kario kelias driekias skaistybės sodais,
Vienintelės tiesos ašmenim.
Tai valios, o ne pažinimo kelias.
Jame nesusitepa siela,
Netenka rinktis.
Kur veda šis kelias,
Aš nežinau taip pat.
Abu jie dingsta už kapinių kalnelio.

Yra dar prekijo kelias,
Kuriuo mes einame.

© Kornelijus Platelis
from: Prakalbos upei (Ansprachen an den Fluss)
Vilnius: Vaga, 1995
Audio production: 2002 Books from Lithuania

Die zwei Wege

nemščina

Du hast den Weg des Weisen und des Kriegers. Der erste
Führt in die Irre beinahe wegloser
Sümpfe, die Wahrheit verheißen,
Bedeutet auch ständiges Hadern mit Göttern.
Gehst du die Sache an,
Ist es nicht klar, wer die Art wählt:
Der Weise, ein Händler?
Manchmal trifft nur zu deutlich der Händler
Im Namen oder an Stelle des Weisen die Wahl.
Wohin dieser Weg führt,
Ich weiß es nicht.

Der Weg des Kriegers liegt in den Gärten der Keuschheit,
Den Grat der Gewißheit entlang.
Er ist der Weg des Willens, nicht der Erkenntnis.
Hier beschmutzt sich die Seele nicht,
Die Wahl trifft nicht sie.
Wohin dieser Weg führt,
Auch das weiß ich nicht.
Sie beide verschwinden jenseits des Friedhofs.

Was bleibt, ist immer der Weg des Händlers,
Der, den wir gehen.

Nach einer Interlinearübersetzung von Antanas Gailius

ins Deutsche übertragen von Uwe Kolbe




Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Goethe-Instituts Vilnius



ΠΕΡΙ ΤΡΑΥΜΑΤΩΝ

grščina | Kostas Koutsourelis

Γράψιμο πάει να πει πληγή,
είθισται να ομολογούν
εξ επαγγέλματος
οι ποιητές προ πάντων

Βαλβίδα ασφαλείας, θα 'λεγα εγώ,
σχεδόν αυτόματη, ώστε
να διαφεύγει ο ατμός,
η πίεση να πέφτει

Προτού ο βρασμός διαρρήξει
ανεπανόρθωτα τον λέβητα
και βρουν θάνατο οικτρό
ένοχοι τε και αθώοι

© KOSTAS KOUTSOURELIS
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

ÜBER TRAUMATA

nemščina

Schreiben rührt von einer Wunde,
so gestehen gewöhnlich
und aus beruflichen Gründen
vor allem die Dichter.

Ein Sicherheitsventil, sagte ich,
ein fast automatisches, so daß
der Dampf entweicht,
der Druck abfällt,

bevor das kochende Wasser
endgültig den Kessel sprengt
und ein elendiger Tod ereilt
Schuldige wie Unschuldige.

Nachdichtung von Uwe Kolbe



© 2001 Uwe Kolbe



ΠΑΡΑΒΟΛΗ

grščina | Kostas Koutsourelis

Υπήρχαν κάποτε -ποιος δεν το ξέρει;-
τόσοι άγγελοι ψηλά στον ουρανό
που άλλο πετούμενο εκεί πάνω να σταθεί
ήταν αδύνατο σχεδόν να καταφέρει

Γι` αυτό και κάποιοι ιθύνοντες
-κατόπιν ικανών συλλογισμών-
το χάος είπαν να ρυθμίσουν
και τάξη να επιβάλουν - τι αμνήμονες!

Μια κι όλως διόλου λησμονήσαν ασφαλώς
πως δεν σηκώνει τέτοιες διευθετήσεις
ο κόσμος των πνευμάτων,
ο κόσμων των ουράνιων ταγμάτων γενικώς

Έκτοτε οι άγγελοι εξέλιπαν οριστικώς
κι απόμεινε σε μας ο άδειος ουρανός

© KOSTAS KOUTSOURELIS
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

PARABEL

nemščina

Es gab – wer weiß das nicht? – vor Zeiten
so viele Engel hoch droben im Himmel,
daß all den andern geflügelten Wesen
es fast unmöglich war mitzuhalten.

So daß ein paar Verantwortliche drauf brannten
- nach reiflicher Überlegung –
das Chaos zu sortieren,
und Ordnung zu schaffen –  die Ignoranten!

Wohl war ihnen ganz entfallen,
daß solcherlei Eingriff nicht duldet
die Welt der Geister,
die Welt der himmlischen Scharen vor allem.

Seitdem sind die Engel ganz ausgestorben,
und uns ist der Himmel so leer geworden.


Nachdichtung von Uwe Kolbe



© 2001 Uwe Kolbe




Dievo dažnis yra 50 Hz

litovščina | Gintaras Grajauskas

sėdėjo kirpykloj išmuilinta žiauna
klausėsi radijo FM 91,4 MHz

o mašinėlėn pakliuvo vandens
tai kaip trenkė per ausis 220 V
net seilės sučirškė

paskui dievagojosi, kad girdėjo
aiškių aiškiausiai, nelyg Vatikano
diktorius būtų ištaręs:

“klausėtės Viešpaties balso”.

© Gintaras Grajauskas
from: Kaulinė dūdelė (Knochenflöte)
Vilnius: Vaga, 1999
Audio production: 2002 Books from Lithuania

Gottes Frequenz ist 50 Hz

nemščina

Er saß mit eingeseiften Kiemen beim Friseur
und hörte Radio UKW 91,4 MHz

Leider geriet Wasser in den Rasierapparat
und er bekam 220 V so auf die Backen
daß ihm der Speichel aufkochte

Später beteuerte er, ganz deutlich
gehört zu haben, wie der Sprecher
vom Radio Vatikan sagte:

„Sie hörten die Stimme des Herrn“.

Nach einer Interlinearübersetzung von Antanas Gailius

ins Deutsche übertragen von Uwe Kolbe




Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Goethe-Instituts Vilnius



Dido's klacht

nizozemščina | Bernard Dewulf

De tijd is met ons klaar.
Vannacht nog rijdt hij mij de dageraad in
van een ander land. De nieuwe ochtend zal mij wekken
aan een onbegrijpelijk raam.

Niemand is voor iemand ooit gemaakt. Soms
raken wij verstrikt in het lamento van een tegenziel.
En is niet, zei je, elk moment op elk moment
bereid tot iedereens oneindigheid?

De oneindigheid is nu gedaan. Ik wil mijn tijd
en mijn geluk. Het kan ons tijdelijk hart bewegen
als het twintig mooie regels lang mislukt.
Maar in de spiegel valt het lelijk tegen.

Ik ga nu, man van mij van nooit. Ik ben van deze kant.
Ik ben van vrouw gemaakt.
Ik heb je lief.
Ik heb je lief alleen, zo ademen wij.

Mijn nieuwe land zal mij in stromend water wassen,
mij wiegen in zijn nette bedden, bedenken in zijn taal.
Ik zal er duizend foto¹s van je maken
en kijkend zal ik op je leegte uitgekeken raken.

© Bernard Dewulf
from: unveröffentlichtem Manuskript
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Didos Klage

nemščina

Die Zeit ist mit uns fertig.
Heut nacht noch fährt er mich in einen Tagesanbruch
eines anderen Landes. Der neue Morgen wird mich wecken
an einem unbegreiflichen Fenster.

Niemand wurde je für jemanden geschaffen. Manchmal
verstricken wir uns im Lamento einer Gegenseele.
Und ist nicht, wie du sagst, jeder Nu in jedem Nu
bereit zu jedermanns Unendlichkeit?

Die Unendlichkeit ist nun vorbei. Ich will meine Zeit
und auch mein Glück. Es kann die Weile unser Herz bewegen,
wenn es zwanzig schöne Zeilen lang mißlingt.
Doch im Spiegel kommt dir was ganz anderes entgegen.

Ich geh jetzt, du warst nie mein Mann. Ich bin aus diesem Land.
Ich bin aus Frau gemacht.
Ich hab dich lieb.
Ich hab dich lieb allein, so atmen wir.

Mein neues Land wird mich mit fließend Wasser waschen,
mich wiegen in adretten Betten, mich umdenken in sein Idiom.
Ich werd dort tausend Fotos von dir machen
und im Schauen mich an deiner Leere sattgesehen haben.

Nachdichtung: Uwe Kolbe

© Uwe Kolbe 2001

KRAUJO STEBUKLAS

litovščina | Kornelijus Platelis

Kaimo kapinės krūpteli, lietui prasidedant,
Pakvimpa beržai ir liepos,
Slepiuosi po skiedriniu stogeliu, atremiu nugarą
Į vėsias koplyčios lentas,
Papilkėjusias nuo lietaus ir saulės.
Čia naktį vėlės susirenka pamaldoms,
Jų šventikas
Nematomą vyną mūsotoje taurėje
Paverčia krauju, panašiu į ilgo lietaus vandenį,
Ir duoda nugerti savo avelėms.
Tai sunkus, raminantis gėrimas,
Kaustantis judesius, traukiantis
Kuo greičiau sugrįžti į savo lovas,
Palikti šią žemę gyviesiems,
Kurie susirenka rytą
Su kastuvėliais, kibirais, gėlių daigais
Tvarkyti  baldakimų...

Tąsyk tiktai lietus ošė medžiuose.
Mirusieji kietai miegojo. Iš gretimo kaimo
Atėjo gal penkios mergaitės, beveik dar paauglės,
Atsinešė po butelį pigaus spirituoto vyno,
Susėdo koplyčioje
Kas kur ir pradėjo leisti stiklinę
Ratu, kaip teka saulė. Ilgas lietus šnarėjo
Aplinkui, ir vynas iš lėto
Ėmė virsti krauju: jų balsai stiprėjo,
Jos plūdosi žodžiais, kurių kalboje nebuvo,
Svarstė kaimynų reikalus,
Skundėsi kaime nebesant nė vieno
Rimtesnio berno, nes nuo degtinės
Visiems mašnose sugižo sėkla,
Todėl baisu leistis tokiems daryti vaikus...
Kalbėjo lyg pagyvenusios moterys,
Kurių jausmus jau spėjo nualinti
Dienų ir naktų nykuma...

Tuo metu kažkoks Dievas sutręšusioj sienoj,
Kur kadaise būta altoriaus, klausėsi
Ir laimino jų nekaltas sielas,
Ir priėmė jų auką, ir suteikė
Joms komuniją
Per obuolių vyną, kuris tada kainavo
Rublį septyniolika.
Ir kai jos išsiskirstė palikusios
Ant grindų išmėtytus butelius,
Vėlės netrukus pradėjo rinktis į vakarines pamaldas,
Šventiškai, pakiliai nusiteikusios,
Sveikino mane, draugiškai
Plekšnodamos per petį,
Ko anksčiau nedarydavo.

© Kornelijus Platelis
from: Prakalbos upei (Ansprachen an den Fluss)
Vilnius: Vaga, 1995
Audio production: 2002 Books from Lithuania

Das Blutwunder

nemščina

Der Dorffriedhof zuckt zusammen, wenn es zu regnen beginnt
Auf duftende Birken und Linden.
Ich stelle mich unter das kleine Blechdach, lehne den Rücken
Ans kühle Holz der Kapelle,
Das grau ist von Regen und Sonne.
Nachts versammeln sich hier die Seelen zum Gottesdienst.
Ihr Priester
Verwandelt den Wein im schimmligen Kelch
In Blut, das an Wasser von längeren Regen erinnert,
Und gibt seinen Schafen zu trinken.
Schwer ist dieses Getränk, es beruhigt und legt
Allen Bewegungen Fesseln an, weckt nur den Wunsch,
In die Ruhstatt zurückzukehren,
Die Erde denen zu lassen, die leben,
Die morgens hierher
Mit Spaten, Eimern und Blumensetzlingen kommen,
Die Grabbaldachine ordentlich pflegen...

Diesmal rauschte der Regen allein in den Bäumen.
Die Toten schliefen fest. Aus dem Nachbardorf
Kamen fünf Mädchen, halbwüchsig beinahe noch.
Alle hatten sie Flaschen verschnittenen Weines dabei.
Sie setzten sich in die Kapelle
Und ließen das Glas die Runde drehen
Mit dem Lauf der Sonne. Es rauschte ringsum
Der endlose Regen, und endlich begann der Wein,
Sich in Blut zu verwandeln. Kräftiger wurden die Stimmen,
Fluchten in Worten, die es in ihrer Sprache nicht gab.
Sie gingen das Leben der Nachbarn durch
Und klagten, es gebe im Dorf nicht einen
Ernst zu nehmenden Kerl mehr, der Samen
Sei bei allen im Sack schon
Vom Wodka sauer geworden.
Man sollte sich hüten,
Von solchen Kerlen sich Kinder machen zu lassen...
Sie sprachen wie reifere Frauen,
Deren Gefühle durch öde
Tage und Nächte abgestumpft sind...

Irgendein Gott in der morschen Wand,
Dort, wo zuvor der Altar stand, lauschte
Und segnete die jungfräulichen Seelen
Und nahm ihr Opfer an und feierte mit ihnen
Die Kommunion, die war Apfelwein, der damals
Einen Rubel und siebzehn Kopeken kostete.
Und als sie sich entfernten und ließen
Die Flaschen leer auf dem Boden liegen,
Begannen die Seelen, sich zum Nachtgottesdienst zu versammeln.
Feierlich, in gehobener Stimmung
Grüßten sie mich und klopften
Freundlich mir auf die Schulter.
Das hatten sie noch nie getan.

Nach einer Interlinearübersetzung von Antanas Gailius

ins Deutsche übertragen von Uwe Kolbe




Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Goethe-Instituts Vilnius



Kiralık

turščina | Haydar Ergülen

Bu sabah şu denizi kirala, mavi
mavi hatırlayalım birbirimizi,
bu öğlen güneşi kirala da, bir
daha soğukluk girmesin aramıza,
bu ikindi tembelliği kirala, belki
gölgesinde kedin olurum senin,
bu akşam bahçeyi kirala, elimizde
büyüsün gül, menekşe, yasemin,
bu gece uykuyu kiralarsan, rüyama
yalnız senin gözlerini konuk ederim,
bu bahar bu gövdeyi kirala, vücut
kitabında tozlandı kelimelerim,
bu ders coğrafyayı kirala, hadi
teneffüse çıkalım toprağıyla, suyuyla,
bu teneffüs bir yolculuk kirala, hiç
mola vermeden yürüyelim arkadaşlığa,
bu sefer bir yelkenli kirala, rüzgar
nereye götürürse yürek oraya,
bu yaz bu sokağı kirala, kapıları
aç, yalnızlığı yalnız bırak odalarda

Kiralama bu şiiri, şairin olurum yoksa !

© Haydar Ergülen
from: Kırk Şiir ve Bir
Varlik, 1997
Audio production: 2008 Literaturwerkstatt Berlin

ZU VERMIETEN

nemščina

Diesen Morgen miete du das Meer, laß uns
blauest aneinander uns erinnern,
diesen Mittag miete du die Sonne, daß
nicht wieder Kälte herrsche zwischen uns,
diesen Nachmittag die Faulheit miete, möglich,
daß ich deine Katze werd in ihrem Schatten,
diesen Abend miete du den Garten, uns in Händen
sollen Rosen wachsen, Veilchen und Jasmin,
diese Nacht, du mietetest den Schlaf, hege
ich in meinem Traum nur deine Augen,
dieses Frühjahr miete diesen Leib, im Körper
Buch sind meine Worte eingestaubt,
diese Stunde miete die Geographie, komm und laß
uns in die Pause gehn mit ihrer Erde, ihrem Wasser,
dieser Pause miete eine Reise ohne alle
Rast, laß uns hinlaufen zur Freundschaft,
diesmal miete uns ein Segelboot, der Wind,
wohin er treibt, dahin das Herz,
diesen Sommer miete diese Straße, mach die Türen
auf, die Einsamkeit laß einsam in den Zimmern

Dies Gedicht nur miete nicht, dein Dichter würde ich sonst!

Deutsche Fassung von Uwe Kolbe.
Die Übersetzung entstand im Rahmen des deutsch-türkischen Übersetzungsworkshops in der Literaturwerkstatt 2008

KAYIP KARDEŞ

turščina | Haydar Ergülen

Şahin Şencan'a
 
Tanrım, evsahibim, izin ver bana
biraz daha oturayım evinde
içimde taşıdığım kardeşim yalnız
onu doğurduktan sonra durmam burada
 
Kardeşim, sokağım, izin ver bana
biraz  daha taşıyayım seni içimde
sen de hayata atılır atılmaz
yapayalnız kalacağım dünyada
 
Ömrüm, küçük odam, izin ver bana
biraz daha arayayım yolu şiirde
ruh tesadüf eder de bulurum belki
kaç kayıp kardeşim varsa bu yolda

© Haydar Ergülen
from: Keder Gibi Ödünç
Yasakmeyve, 2005
Audio production: 2008 Literaturwerkstatt Berlin

DER VERLORENE BRUDER

nemščina

an Şahin Şencan

O Herr, mein Herr im Haus, gestatte
daß ich eine Weile noch in deinem Hause wohne
mein Bruder, den ich in mir trage, er ist einsam
hab ich ihn geboren, ist hier meines Bleibens nimmer

O Bruder, meine Straße du, gestatte
dich noch eine Zeit in mir zu tragen
nachdem auch du hineingeworfen in dies Leben
bin ich mutterseelenallein auf der Welt

O Leben, mein kleines Zimmer, gestatte
daß ich im Gedicht den Weg noch eine Weile suche
zufällig träfen sie auf meine Seele und ich fände,
wie viele verlorene Brüder es sind, auf diesem Wege heraus

Deutsche Fassung von Uwe Kolbe.
Die Übersetzung entstand im Rahmen des deutsch-türkischen Übersetzungsworkshops in der Literaturwerkstatt 2008

Karnavalas

litovščina | Gintaras Grajauskas

Robinzonas su Papūga ant Peties
Kalnų Šaulys su Šauninku ant Peties
Paminklas su Variniu Vaiku ant Peties
Kaimietis su Grėbliu ant Peties
Nabokovas su Vovere ant Peties
Jėzus su Alyvos Šakele ant Peties
                                        o taip pat ir:

Jėzus su Papūga ant Peties
Nabokovas su Variniu Vaiku ant Peties
Kaimietis su Šauninku ant Peties
Paminklas su Vovere ant Peties
Kalnų Šaulys su Alyvos Šakele ant Peties
Robinzonas su Grėbliu ant Peties

o Viską Stebi Trys Kretinai
Kretinas Tėvas, Kretinas Sūnus
Ir Kretinas Šventoji Dvasia

su Galvomis ant Peties
prisimerkę, iššiepę Dantis
įsilinksminę.

© Gintaras Grajauskas
from: unveröffentlichtem Manuskript / not published
Audio production: 2002 Books from Lithuania

Maskenball

nemščina

Robinson mit Papagei auf Schulter
Bergschütze mit Flinte auf Schulter
Denkmal mit Bronzekind auf Schulter
Bauer mit Harke auf Schulter
Nabokow mit Eichhörnchen auf Schulter
Jesus mit Ölzweig auf Schulter
und außerdem

Jesus mit Papagei auf Schulter
Nabokow mit Bronzekind auf Schulter
Bauer mit Flinte auf Schulter
Denkmal mit Eichhörnchen auf Schulter
Bergschütze mit Ölzweig auf Schulter
Robinson mit Harke auf Schulter

dies Alles beobachten die Drei Kretins
der Kretin-Vater, der Kretin-Sohn
und der Kretin-Heilige Geist

die Köpfe auf Schultern,
Augen fest zu, Zähne gefletscht,
lustig sowieso.

Nach einer Interlinearübersetzung von Antanas Gailius

ins Deutsche übertragen von Uwe Kolbe




Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Goethe-Instituts Vilnius




Kaip nugalėti berserką

litovščina | Gintaras Grajauskas

iš pradžių jį reikia visaip
siutinti, keikti ir tyčiotis,
kol pasirodys putos

tada įduoti į rankas skydą,
pažiūrėt, ar jau kandžioja
kraštą iš pasiutimo

jeigu jau, tai paduoti ir kardą,
tik atsargiai, ir akimoju
pradangint visus priešus

tai berserkas vis kandžios tą skydą,
pradžioj iš pasiutimo, paskui
susimąstęs

tada jau galima jį pasodinti
saulėkaitoj, duoti duonos plutelę,
tegu sau maumoja

bet nemanykit, kad dabar žinot,
kaip nugalėti berserką

kaip tik tokio berserko nugalėti
niekas negali
joks berserkas

© Gintaras Grajauskas
from: Kaulinė dūdelė (Knochenflöte)
Vilnius: Vaga, 1999
Audio production: 2002 Books from Lithuania

Wie ein Berserker zu besiegen ist

angleščina

zunächst versuche man, ihn auf jede mögliche Weise
zu ärgern, man schimpfe und spotte,
bis Schaum vor den Mund tritt

dann gebe man ihm in die Hand einen Schild
und schaue, ob er schon in den Rand
zu beißen versucht aus Tollwut

falls das der Fall ist, gebe man ihm auch das Schwert,
vorsichtig bitte, und lasse
blitzschnell alle Feinde verschwinden

so beißt der Berserker nur immer in seinen Schild,
zunächst aus Tollwut, später
schon ganz in Gedanken

dann kann man ihn in die Sonne setzen
und ihm eine Brotrinde geben,
die mag er dann weiter zernagen

man glaube nur nicht, man wisse nun,
wie ein Berserker zu besiegen ist

gerad einen solchen Berserker
kann niemand, auch kein Berserker,
besiegen

Nach einer Interlinearübersetzung von Antanas Gailius

ins Deutsche übertragen von Uwe Kolbe




Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Goethe-Instituts Vilnius




ΕΚΚΑΘΑΡΙΣΗ ΛΟΓΑΡΙΑΣΜΩΝ

grščina | Kostas Koutsourelis

Το ξέρω αγάπη μου γλυκιά
πως το 'χω ειλικρινά παραξηλώσει
μ' όσα σου γράφω και σου τραγουδώ
δυο χρόνια τώρα ερήμην σου,
χωρίς να το ζητάς,
χωρίς και να ενοχλείσαι.

Αφού εσύ είσαι τώρα αλλού
και μ' άλλον, ναι, το ξέρω.
Τι θέλει και με πιάνει αλήθεια
η νεκραναστημένη ετούτη νοσταλγία
για όλ' αυτά που από καιρό έχω χάσει
(της όψης σου της δοτικής τις απαλές παρειές,
το πόδι σου το ανέγγιχτο
μες στ' αχανή σεντόνια).

Ώστε και συ από μέρους σου
άριστα και σωστά με συμβουλεύεις
ότι ήρθε πια το πλήρωμα του χρόνου,
ήγγικεν ο καιρός
από τις θάλασσές σου ν' αποπλεύσω,
σε χάρτες άλλους ν' ανοιχτώ,
άφιλες μνήμες να σκοτώσω.

Κι εσένα ν' απαλλάξω
και από σένα εγώ
μια και καλή ν' απαλλαγώ.

© KOSTAS KOUTSOURELIS
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

BEGLEICHUNG EINER ALTEN RECHNUNG

nemščina

Ich weiß, mein süßer Schatz,
ich bin tatsächlich zu weit gegangen
mit dem, was ich dir schreib und singe,
zwei Jahre fern von dir,
ohne daß du es verlangst,
und ohne, daß es dich stört.

Schon tust du dich anderswo um
und, ja, mit einem anderen, ich weiß.
Wieso nur packt mich dennoch diese
wie von den Toten auferstandne Nostalgie
nach dem, was längst verloren ist
(nach zarten Wangen in dem zugewandten Antlitz
und deinem unberührbaren Fuß
in den unendlichen Laken).

Es gibst auch du mir deinerseits
den guten und korrekten Rat,
die Zeit sei reif,
der Augenblick gekommen,
von meinen Meeren aufzubrechen,
auf andere Küstenlinien zuzuhalten,
die unerquickliche Erinnerung zu tilgen.

Du wirst meiner entledigt sein
ein für allemal und ich
werd deiner entledigt sein.


Nachdichtung von Uwe Kolbe



© 2001 Uwe Kolbe




ΑΝΤΙΝΟΜΙΕΣ

grščina | Kostas Koutsourelis

Τα χείλη του μεσημεριού
πάνω στο χιόνι

Της θάλασσας το βλέμμα
που στεγνώνει

Πόλεις βαθύρριζες
που παρασύρει ο αέρας

Το σάλιο της νύχτας
στο λαιμό της μέρας

Ρολόγια ευκίνητα,
ανάπηρα χρόνια

Ενός χαμόγελου αρραγούς               
η ερειπωμένη εικόνα

Το δώρο που σου δόθηκε
και δεν σου ανήκει

Η ήττα που
εξαγόρασε τη νίκη

Η ξηρασία της σκέψης μου
και του κορμιού σου οι βάλτοι

Το αιφνίδιο ρίγος
του παλιού εφιάλτη

© KOSTAS KOUTSOURELIS
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

GEGENSÄTZE

nemščina

Die Lippen des Mittags
auf dem Schnee

Der Blick des Meeres,
trocken geweht

Fortgerissen vom Wind
die tief gegründete Stadt

Am Halse des Tages
der Speichel der Nacht

Bewegliche Uhren,
behinderte Jahre

Eines unverdorbenen Lächelns
ruinierte Wiedergabe

Das Geschenk, das du bekommen hast
und das dir nicht gehört

Die Niederlage dessen,
der den Sieg erklärt

Die Dürre meines Denkens
und deines Körpers dunkler See

Des alten Nachtmahrs
Schauder jäh.

Nachdichtung von Uwe Kolbe



© 2001 Uwe Kolbe



Glenn Colquhoun - On a Journey to Aotearoa, the Crew
of the Tory sing in Honour of the
German Naturalist, Ernst Dieffenbach.

angleščina | Project: Transit of Venus

Dieffenbach, Dieffenbach, What sort’a Leakin’ Ark?
What sort’a Leakin’ Ark, Cutter or Cutty Sark?
Dieffenbach, Dieffenbach, Shivers your Creakin’ Arse?
Heave Away, Haul Away, Heave Away, Ho.

Dieffenbach, Dieffenbach, What sort’a Heathen Art?
What sort’a Heathen Art, Measures the Tūī Fart?
Dieffenbach, Dieffenbach, Here’s to the Inky Lark!
Heave Away, Haul Away, Heave Away, Ho.

Dieffenbach, Dieffenbach, King a’ the Buttercup.
‘Naki, Tabaccy, Greywacke and Fuck.
Dieffenbach, Dieffenbach, Jesus! The Clutter-Up!
Heave Away, Haul Away, Heave Away, Ho.

Dieffenbach, Dieffenbach, What sort a’ Pākehā?
What sort a’ Pākehā, Jack Tar or Bleedin’ Heart?
Dieffenbach, Dieffenbach, Heigh-ho, the Patriarch!
Heave Away, Haul Away, Heave Away, Ho.
Heave Away, Haul Away, Heave Away, Ho.

© Glenn Colquhoun
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

Auf der Reise nach Aotearoa, gesungen von
der Mannschaft der „Tory“ zu Ehren des Deutschen
Naturforschers Ernst Dieffenbach

nemščina

Dieffenbach, Dieffenbach, hat diese Arche ´n Leck?
Hat diese Arche ´n Leck,  Cutty Sark ohne Heck?
Dieffenbach, Dieffenbach, geht dir dein Arsch im Dreck?
Hiev dich was, ziehe ab, hiev dich was, ho!

Dieffenbach, Dieffenbach, bist was ´n Heidenschnurz!
Bist was ´n Heidenschnurz, misst noch dem Tui sein Furz!
Dieffenbach, Dieffenbach, der´s mit der Tinte tut!
Hiev dich was, ziehe ab, hiev dich was, ho!

Dieffenbach, Dieffenbach, Butterblumen abgerissen!
´Naki und Knaster, Grauwacke, beschissen.
Dieffenbach, Dieffenbach, Jesus! Alles verschmissen!
Hiev dich was, ziehe ab, hiev dich was, ho!

Dieffenbach, Dieffenbach, bist was ´n Pakeha?
Bist was ´n Pakeha, ´n Jack Tar oder ´n Opapa?
Dieffenbach, Dieffenbach, Hey ho, großer Star!
Heave Away, Haul Away, Heave Away, Ho.
Hiev dich was, ziehe ab, hiev dich was, ho!

Übertragung ins Deutsche von Uwe Kolbe während des Übersetzungsworkshop
Venustransit, Verstransit (Literaturwerkstatt Berlin, October 2012)

Glenn Colquhoun - Following his Early Death
from Typhus, Ernst Dieffenbach
Considers the Extinction of
a Small Bird Carrying
His Name in the London
Museum of Natural History.

angleščina | Transit of Venus

My friend, sometimes it frightens,
I hear the darkness call.
Songs and dreams and fragments,
I fear that this is all.

Your feathers, brown and yellow,
My cloak and shirt of wool,
The daytime and the nighttime,
Across each coat must pull.

Can you hear the owl laugh?
The robin in her tree?
I listen for the huia.
Perhaps she’ll sing for me.

My friend, sometimes it frightens,
I fear the darkness too.
Songs and dreams and fragments
Are all I have for you.

Songs and dreams and fragments
This one I’ll sing for you.

© Glenn Colquhoun
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

Nach seinem frühen Typhustod
bedenkt Ernst Dieffenbach das
Aussterben des kleinen Vogels
im London Museum of Natural
History der seinen Namen trägt

nemščina

Mein Freund, manchmal erschreckt es,
Ruft mich die Finsternis.
Lied und Traum, Fragmente,
Ich fürchte, alles ist‘s.

Dein Federkleid, braun, gelbe,
Mein Umhang, wollenes Hemd,
Bei Tage und zur Nachtzeit
Ein Rock noch drüber hängt.

Hörst du, wie der Kauz lacht?
Rotkehlchen im Geäst?
Ich lausche auf die Huia,
ob sie sich hören lässt.

Mein Freund, manchmal erschreckt es,
Auch ich fürcht Finsternis.
Lied und Traum, Fragmente
Mehr hab ich nicht für dich.

Lied und Traum, Fragmente,
Dies hier sing ich für dich.

Übertragung ins Deutsche von Uwe Kolbe während des Übersetzungsworkshop
Venustransit, Verstransit (Literaturwerkstatt Berlin, October 2012)

ESA INDETERMINACIÓN,

španščina | Luis Osvaldo Tedesco

esa falta de empeño
de la siembra nacional,


hebras de vegetal enflaquecido,
sin orden, sin temor al escarmiento,


sin amalgama ni fe,
sin hipérbole radiante
el color que adelanta lo nutricio,


sin agua de riego sus raíces,
esa indeterminación,
ese corazoncito fatigado
en los infinitivos de la lucha,


el arabesco empírico del alma,


las banderas de alguna lontananza,
el saquito borroso de Muraña,


y eso que cae cavidad,
eso de más que se abalanza,
pantanoso latido del origen,


eso que muerde, que acorralan,
lo vagabundo de la carne pobre,

allá está, lejos, inexplicable,
el aluvión inútil, peronista,
aquel dulzor de tangos y guarañas
de la criolla lentitud vencida,


maleza bochinchera sudorosa,
maleza de encorvados cabecitas,


allá están, allá se fueron
el humo azul, las parvas, el jinete,


el nomos del habla impenetrable,


aquel rasguido, aquella entonación
de cercanías familiares,

detrás, detrás, todos detrás,
todos a la zaga en la región vacía,


allá están, entre la escoria blanca
de inmigrantes penumbras perdedoras,
sin un rincón donde caerse muertos,


minuanes, ranqueles, taros, charrúas,
la herencia mestiza sublevada,


sangre sobrante, sangre innecesaria,
sangre nociva para el bien común,


demasiado gorda,
demasiado voraz,
demasiado cariñosa,
allá va, allá se pierde
la planicie de pampas pajareras,


detrás, detrás, donde no se ve,
donde lo oscuro roe su roer oscuro,


la entonación felina del silencio,


el calor arborescente de los Nadie.

© L.O.T. und Nuevohacer
from: En la maleza
Buenos Aires: Nuevohacer, 2000
Audio production: 2004, Goethe Institut Buenos Aires

DIESE UNBESTIMMTHEIT

nemščina

dieser Mangel an Eifer
der Saat der Nation,

geschwächte Pflanzenfasern,
ungeordnet, ohne Furcht vor Strafe,

ohne Amalgam oder Glauben,
ohne Übertreibung, die erleuchtet,
Farbe, die das Nähren beschleunigt,

ohne Wasser zum Gießen der Wurzeln,
diese Unbestimmtheit,
dieses Herzchen, ermüdet
in den Infinitiven des Kampfes,

empirische Arabeske der Seele,

Fahnen irgendeiner weiten Ferne,
das trübe Jäckchen von Muraña,

und das, was fällt, das Ausgehöhlte,
was sich hinabstürzt auch,
sumpfiges Pulsieren der Herkunft,

was beißt, was man einpfercht,
Vagabund des elenden Fleisches,

dort ist es, fern, nicht zu erklären,
unnütze Überschwemmung, peronistisch,
ach Süße der Tangos und Guarañas
besiegter Langsamkeit des Eingewanderten,

Buschwerk, knisternd, schwitzend,
Buschwerk niedergelegter Cabezitas,

dort sind sie, dorthin gegangen
der blaue Dunst, die Massen, der Reiter,
der Nomos undurchdringlicher Sprache,

jenes Arpeggio, jene Intonation
eng vertrauter Kreise

dort hinten, hinten, alle hinten,
alle jenseits in leeren Regionen,

dort sind sie, mitten im weißen Abschaum
des Halbdunkels verlorener Immigranten,
nicht mal Platz, tot umzufallen,

Minuanes, Ranqueles, Taros, Charrúas,
rebellierendes Mestizenerbe,

Blut, das übrigbleibt, Blut, nicht notwendig,
Blut, das dem Gemeinwohl schadet,

zu dick,
zu laut,
zu zärtlich,
dort geht sie, dort verliert sie sich
die Ebene papageienbunter Pampas

dort hinten, hinten, wo keiner sieht,
wo das Dunkle an dem dunklen Nagen nagt,

Raubkatzenintonation des Schweigens,

Baumhitze der Niemande.

Aus dem Spanischen von Uwe Kolbe

Errancia

španščina | Luis Osvaldo Tedesco


Yo soy el hablado, el interpretado, yomanada, yosaciante, yonadie del incesto arcaico, yo, esa sílaba, esa rutina, tan pronto adaptada, tan a gusto en la metáfora romántica, yosujeto de la incisión gramatical, eseyó, desde la tierna infancia, previamente demarcado, tañido mimético de alguna completud, yo también, de cuando en cuando, soy desmesura, regurgitación paródica, risa rota del purgante metafísico, he sido tantas veces yo, tantas veces fui empaquetado en el transcurso sibilante, yo, ese fragmento de disolución eterna, yo fui diezmado, restaurado, expandido, soy el ahogo, el constructor flemático, el yo asesino y el yo asesinado, hubo siempre un traidor en mí, un yo traicionado, estoy apestado por los siglos, agujereado por la culpa, desfigurado por el deseo, estoy harto de ser yo, de errar entre las patas mugrientas de la historia, de ser ese que quiero pensar de mí, el mismo que quiero quitar de mí.

© L.O.T.
from: Lomas del Mirador [in Vorbereitung]
Audio production: 2004, Goethe Institut Buenos Aires

Das Umherstreunen

nemščina


Ich bin der Besprochene, der Interpretierte, Ich-Herde, Ich-Sättigendes, Ich-Niemand des archaischen Inzests, Ich, diese Silbe, diese Routine, so rasch angeeignet, so behaglich in der romantischen Metapher, Ich-Subjekt grammatischen Zuschnitts, Dasda-Ich seit zarter Kindheit, vorher eingegrenzt, mimetischer Klang irgendeiner Vollständigkeit, von Zeit zu Zeit, bin übermäßig, parodistisches Wiederkäuen, das Lachen kaputt vom metaphysischen Brechmittel, bin so viele Male Ich gewesen, so viele Male eingepackt in den zischenden Fortgang, ich, dieses Fragment ewiger Auflösung, ich wurde dezimiert, restauriert, erweitert, ich bin die Atemnot, phlegmatischer Konstrukteur, das Ich der Mörder und das Ich der Ermordeten, es gab immer einen Verräter in mir wie ein verratenes Ich, bin verpestet in Jahrhunderten, durchlöchert von Schuld, verunstaltet vom Wünschen, ich bin es leid, ich zu sein, umherzustreunen zwischen den dreckigen Pfoten der Geschichte, das zu sein, was ich von mir denken will, eben das, was ich entfernen will aus mir.

Aus dem Spanischen von Uwe Kolbe

Ceniza

španščina | Luis Osvaldo Tedesco


Mi barrio fue polvo y neblina hasta que al potrero lo hicimos basural. Entonces fue llamas y humo, y la ceniza se convirtió en altura. Así crecimos, con el cuello entornado hacia su sombra, los pies magullados por la piedra y los abrojos. Obsérveme, obsérvese: nuestra inclinación no cesa, somos torsos movedizos en el lluviar del desperdicio. Somos pululantes, pero la senda, el ensueño de las tardes, el aire inmediato, el que amalgama aliento y cercanía, el aire tibio de la pronunciación, todo lo penetra la correntada de ceniza. Así crecimos, nuestra intensidad perdura, no tenemos redención. Obsérveme, obsérvese: semierguidos, semiespesos, semihablantes, somos de aquí, somos la longitud terrestre, pedazos cejijuntos de desolación culpable.

© L.O.T.
from: Lomas del Mirador [in Vorbereitung]
Audio production: 2004, Goethe Institut Buenos Aires

Die Asche

nemščina


Mein Viertel war Staub und Dunst, bis wir aus der Brache die Abfallgrube machten. Dann war es Flammen und Rauch, und die Asche verwandelte sich in etwas Hohes. So wuchsen wir auf, den Hals zum eigenen Schatten hingedreht, die Füße eingequetscht vom Stein und von den Sterndisteln. Beobachten Sie mich, beobachten Sie sich: unsere Verbeugung hört nie auf, wir sind bewegliche Torsos im Regnen des Abfalls. Wir sind Wimmelnde, nur der Pfad, der Traum der Nachmittage, die unmittelbare Luft, in der Atem und Nähe verschmelzen, laue Luft des Ausgesprochenen, all das durchdringt die mächtige Strömung der Asche. So wuchsen wir auf, bleibt unsere Intensität bestehen, gibt es keine Erlösung für uns. Beobachten Sie mich, beobachten Sie sich: halbaufgerichtet, halbgepresst, halbsprechend, wir sind von hier, wir sind der irdische Längengrad, finster blickende Brocken schuldhafter Trostlosigkeit.

Aus dem Spanischen von Uwe Kolbe

CAMPO DEI FIORI

litovščina | Kornelijus Platelis

A Bruno
    IL SECOLO DA LVI DIVINATO
        QVI DOVE IL ROGO ARSE

Ankstyvą rugsėjo popietę
pažvelgiau pro langą į Campo dei Fiori –
prekybos įkarštis blėso, gėlės pavargo šypsotis,
po vaisių švelniom odelėm plėtėsi tamsios dėmės,
šiltas vėjelis nešiojo plono plastiko skiautes
it plėnis, aikštės vidury pakylėtas nuo žemės
stovėjo pajuodęs bronzinis vyras ilgu apsiaustu
su gobtuvu. Tai buvo Giordano Bruno, jo akyse
tamsavo į varį sustingusios laužo liepsnos,
prarijusios jį čia lygiai prieš keturis šimtmečius
vardan teisingo žinojimo.

Kurį, kaip rodo mūsų stebėjimų duomenys,
atminties išnešiotą atgimdo sielos matrica
ir droviai parodo Dievo atspindžiui savo gelmėj,
ir suvokimas pliūpteli griaudamas proto pertvaras
kaip liepsnos upė, tekanti į abi puses.
Ir sustoja judėjimas, susigniaužia siela
it apvaisintos įsčios, ir… Mes dėkojame viešpačiui,
kad nesam tokie akli
, neteigiame ir neteisiame,
ir žinokit – ugnis mūsų širdžių kaitresnė
už visas šio pasaulio liepsnas. Tylūs gėlių laukai
vilnija mums po kojom, piestelės laukia kuokelių,
jų suvokimai maži, bet kvapnūs ir tvarūs,
juos bitės nešioja ir vėjai it plėnis. Sukepusios gervuogės,
vystančios turgaus gėlės, vylingi mirties atodūsiai
klaidžiuos pažinimo keliuos.

© Kornelijus Platelis
from: Poetinio Druskininkų rudens 2001 almanachas
(„Almanach des Poetischen Herbstes in Druskininkai 2001“)
Vilnius: Vaga, 2001
Audio production: 2002 Books from Lithuania

Campo dei Fiori

nemščina

a Bruno
                                       IL SECOLO DA LVI DIVINATO
                                       QUI DOVE IL ROGO ARSE

An einem frühen Nachmittag septembers
schaute ich aus dem Fenster hinab auf den Campo dei Fiori.
Das hitzige Markttreiben erlahmte, müde des Lächelns die Blumen.
Dunkle Flecken machten sich breit unter der sanften Haut der Früchte.
Warmer Wind trug Plastikfetzen
wie Asche umher. Und in der Mitte des Platzes, etwas erhöht,
stand ein eingeschwärzter Mann im langen Mantel
mit Kapuze. Es war Giordano Bruno, in dessen Augen,
dunkles Erz geworden, jene Lohen glühten,
die ihn genau hier vor vierhundert Jahren verschlangen
im Namen der reinen Lehre.

All das aber wird, wie unsere Beobachtung zeigt,
ausgetragen von Erinnerungen und wieder gebären die Matrix der Seele,
dem Wiederschein Gottes schüchtern vorweisen aus ihrer Tiefe.
Später durchbricht den Damm von Vernunft das Erkennen, und strömt
als ein Feuerfluß hin und zurück.
Und die Bewegung hält inne, die Seele zieht sich zusammen
wie der befruchtete Schoß, und... Wir danken dem Herrn,
daß wir nicht so blind sind, nicht behaupten, nicht richten.
Und wisset: Das Feuer unserer Herzen ist heißer
als alle Lohen der Welt. Stille Felder von Blumen
wogen zu unseren Füßen, Narben erwarten den Pollen,
bescheidne Erkenntnis, doch duftig und stetig,
wie Asche, von Bienen und Wind getragen, Brombeeren überreif,
Marktblumen am Welken, letzte Seufzer, die verführen
auf diesen Irrweg Erkenntnis.

Nach einer Interlinearübersetzung von Antanas Gailius

ins Deutsche übertragen von Uwe Kolbe




Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Goethe-Instituts Vilnius



Beyond the Fingertips

angleščina | Luke Davies

That would be the answer to the things there are
To push against: to go into that private place,
where the wind rests between the connecting rods
and the willows. The attempt to lie down
and simply breathe fraught with the very
recentness of the plain, whose elements are:
bare sun, the howling gusts, dust scouring the eyeballs,
the shrieking of birds somewhere not at all distant,
many tensions to push against, many coiled-up things. That
would be the answer: to give it all away, to empty
the mind until there’s nothing there. Strange how
it would take a Swedish girl, half-mad, half-drunk,
to tell you this, incoherent though language is,
at a loud party, on a night that drips like honey, where music
makes all but the music impossible. Then to succumb
to the flailing of the dance is to assume that suddenly
we would wear our eloquence like a cloak.
And did we ever.
                    Now she is gone and the city
will not yield her. And still it is endlessly right
to trust in fate, or if that’s too rich, in the way
things will unfold. Into what solution plunge your eyes?
When the ocean rails against the headland and the boulders crack
until even the seagulls shine with fear, that private place
remains; in the lake’s balm the mind rests; the sun
splits neither sky nor stones; the clammy frailty
of autumn brings relief, sinks deep into the shoulder blades.
What loss, what risk, right then, to give it all away,
to dream deeply in the time of dreams, to let it go
out beyond the fingertips. Lie down and simply breathe.
The speed of light is constant. It is time distorts.
Dusk weeps into consciousness in the green hinterland.
Live then through all these imagined velocities. Clearly
love is a great expanse, apple blossoms as far
as the wind-scoured eyes can see, and the sudden silence
of a freshly-gone storm. Here bend and build your cairn.

© L.D.
from: unpublished
Audio production: M.Mechner, literaturWERKstatt berlin, 2003

Über die Fingerspitzen hinaus

nemščina

Wogegen wir uns stemmen, dies wäre die Antwort
darauf: Rückzug an den verborgenen Ort,
wo der Wind ausruht zwischen den Pleuel
und den Weidenbäumen. Der Versuch, sich niederzulegen
und einfach zu atmen unter der Last eben dieser
Unabweisbarkeit des flachen Lands und seiner Elemente:
Nackte Sonne und heulender Windstoß, Augäpfel reibender Staub,
der Schrei der Vögel irgendwo, nicht wirklich weit entfernt,
Spannung genug, sich dagegen zu stemmen, und aufgezogenes Zeug. Dies
wäre die Antwort: es alles wegzugeben, den Geist
bis auf den Grund zu entleeren. Schon seltsam, wie
es eines schwedischen Mädchens bedarf, halb trunken, halb verrückt,
dir dies klarzumachen, zusammenhangslos wie die Sprache ist,
auf einer lauten Party, in einer Nacht wie Honig, wo die Musik
verhindert, was nicht nur Musik ist. Und später zu erliegen
dem Tanzgefuchtel, mitten darin zu vermuten, wir
trügen plötzlich unsre Redegabe als einen Umhang.
Und mächtig war es schon!
                                  Nun ist sie fort, die Stadt
gibt sie nicht wieder her. Dennoch bleibt es grenzenlos richtig,
dem Schicksal sich anzuvertrauen, schlichter gesagt, der Art,
wie etwas sich entwickelt. Welcher Lösung trauen deine Augen?
Wenn der Ozean gegen die Landspitze wütet, Felsen bersten,
bis sogar Möwen glänzen vor Furcht, dieser verborgene Ort
bleibt; im Balsam eines Sees ruht nun der Geist; Sonne
spaltet weder Stein noch Himmel; die klamme Zartheit
des Herbstes bringt Erleichterung bis tief in die Schulterblätter.
Welch ein Verlust, ein Risiko, hier, jetzt, es alles wegzugeben,
tief zu träumen in der Zeit der Träume, es alles zu entlassen
über die Fingerspitzen hinaus! Leg dich hin und atme nur.
Die Lichtgeschwindigkeit ist konstant. Es ist Zeit, die verzerrt.
Die Dämmerung weint ins Bewusstsein im grünen Hinterland.
Erfahre die Geschwindigkeiten, die du selbst erfindest. Klar,
die Liebe ist das große Ausgedehnte, und Apfelblüten sind,
so weit die wind-geriebenen Augen schauen, und jäh die Stille
nach dem Sturm. Hier errichte aus Steinen dein Mal.

aus dem australischen Englisch von Uwe Kolbe




auch in: Hochzeit der Elemente. Zeitgenössische australische Dichtung.

Hg. von Ivor Indyk

Köln: Du Mont 2004

Benin Silver Father Slaves

angleščina | Sapphire

I the ancient kingdom of Benin water was the realm
of the ancestors; it was seen as a mirror reflection
of the land of the living. So where is my father?
Is he waiting for me under the water.
Will he approve of me or beat me or love me,
or even know me. In the kingdom of Benin metal

was traded for pepper, ivory, and finally slaves. Metal—
brass, silver. History lives in the realm
of the imagination as much as dreams. How does „me“
arrive in this equation? How does the reflection
of my culture shine on me? Slaves across te water,
the trauma of racism. My father

did not particulary like the word black. My father
would grow up acquire metal,
then what escape and peace it could buy. If water
brought us here, and it did, and, it is the realm
of the ancestors—where’s my mother? The reflection
in the mirror this morning is somewhere beyond me.

The construction of the African American me
goes back over the water, past father,
Daddy. So much of my life has been a reflection
of that decision to trade flesh for metal.
My life has been lived in the realm
of shame, I look to water, water

to heal, water to cleanse. Water
to nourish. Though I think honesty is what will heal me—
honesty and the courage to feel again. The realm
of the ancestors, if it’s water and my father
is there, he is there without the metal—
wedding ring or gun. He is bathing in the reflection

of a young boy’s dreams. When we look at his reflection
it is of a boy without shoes or shame. Water
can be polluted. The history of Benin was preserved in metal,
stolen by the British, put in museums. Now it is me,
centuries from home taking notes in a museum, learning my father
is in the water, ancestor, in another realm.

In the morning’s mirror the reflection goes into the realm
of the land of the dead. In my lips, my jaw I see my father,
metal, and ships upon water. Did he ever really love me?

© 1999 by Sapphire / Ramona Lofton
printed by permission of the author
from: Black Wings & Blind Angels
New York: Alfred A. Knopf, Publisher, 1999
ISBN: 0-679-44630-3
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Benin Silber Vater Sklaven

nemščina

In dem alten Königreich von Benin war das Wasser das Gebiet
der Ahnen; es wurde betrachtet als ein Spiegelbild
des Landes der Lebenden. Wo also ist mein Vater?
Wartet er auf mich unter Wasser.
Wird er mich annehmen oder mich schlagen oder liebt er mich,
wird er mich überhaupt kennen? In dem Königreich von Benin wurde Metall

im Tausch gegen Pfeffer, Elfenbein und schließlich gegen Sklaven gehandelt. Metall –
Messing, Silber. Geschichte lebt im Gebiet
der Phantasie ebenso wie die Träume. Wie geht "ich"
in diese Gleichung ein? Wie scheint as Spiegelbild
meiner Kultur zurück auf mich? Sklaven über das Wasser,
das Trauma des Rassismus. Mein Vater

mochte das Wort schwarz nicht besonders. Mein Vater
wuchs auf nur für den Erwerb von Metall
das später Flucht und Frieden kaufen könnte. Falls Wasser
uns hergebracht hat, und das tat es, und es ist das Gebiet
der Ahnen – wo ist dann meine Mutter? Das Spiegelbild
heute morgen, es übersteigt mich.

Die Konstruktion des African American-Ich
geht zurück über das Wasser, vorbei an Vater,
Daddy. So viel von meinem Leben war ein Spiegelbild
jener Entscheidung, Fleisch zu handeln im Tausch gegen Metall.
Mein Leben ist gelebt worden auf dem Gebiet
der Scham, ich blicke zum Wasser, Wasser

zum Heilen, Wasser zum Reinigen. Wasser
zum Nähren. Was mich heilen wird, ist Ehrlichkeit, denke ich –
und der Mut, doch wieder zu fühlen. Das Gebiet
der Ahnen, falls es Wasser ist und mein Vater
dort ist, dann ist er dort ohne Metall –
Ehering oder Gewehr. Er badet in dem Spiegelbild

der Träume eines kleinen Jungen. Betrachten wir sein Spiegelbild,
sehen wir einen Jungen ohne Schuhe und Scham. Wasser
kann verschmutzt sein. Die Geschichte Benins wurde bewahrt in Metall,
gestohlen von den Briten und in Museen gebracht. Und jetzt ich,
Jahrhunderte weg von zu Hause mache ich mir Notizen in einem Museum,
lerne, daß mein Vater
im Wasser, ein Ahne, in einem anderen Gebiet.

Im Spiegel am Morgen, das Spiegelbild führt auf das Gebiet
des Landes der Toten. In meinen Lippen, in meinem Kiefer sehe ich meinen Vater,
Metall und Schiffe auf dem Wasser. Hat er mich jemals wirklich geliebt?

Nachdichtung von Uwe Kolbe


© Uwe Kolbe 2001

BEN BAŞKASININ YALNIZLIĞI OLSAYDIM...

turščina | Haydar Ergülen

Ben başkasının yalnızlığı olsaydım
geceden başka sebep aramazdım şiire,
bir anı çıkarırdım sefere, adı: İkindi Treni
ve ilk istasyonda indirirdim bütün kelimeleri

İki bilet alırdım, biri gölgem için biri kendime
‘gece benim mesleğim’, ona kalbimle çalışırken
yalnızlığımı bir anıdan önleyecek kadar ince
bir mektup pulunu terk ederdi, ben utanırdım

Beklenmek güzelken kim gider hemen
bilmezdim yalnızlık kimin ve bu anı neden
daha trene binmeden, nereye, ne ikimizden
bir yolculuk çıkar ne de bir şiir ikindimizden

Ben başkasının yalnızlığı olsaydım
Bir anı olurdum kendinden başka kimseyi terk edemeyen

© Haydar Ergülen
from: Üzgün Kediler Gazeli
Merkez Kitapçılık ve Yayıncılık, 2007
Audio production: 2008 Literaturwerkstatt Berlin

WENN ICH DIE EINSAMKEIT DES ANDEREN WÄRE…

nemščina

Wenn ich die Einsamkeit des Anderen wäre
ich suchte keinen anderen Grund, nur Nacht, zum Dichten
ich schickte ein Erinnern auf die Reise, dessen Name: Vorabendzug,
und an der ersten Haltestelle hieß ich alle Wörter auszusteigen

Ich kaufte zwei Billets, für meinen Schatten eins und eins für mich
(‚die Nacht ist mein Beruf’), und wie ich arbeitete an ihm von ganzem Herzen,
verließ der Brief die Briefmarke, dünn genug, um meine Einsamkeit
vor der Erinnerung zu schützen, und ich schämte mich

Wo das Erwartetwerden doch so schön, wer ginge da so rasch?
Ich wußte nicht, wem diese Einsamkeit gehört, warum Erinnerung
noch vor dem Einstieg in den Zug, wohin; es wird aus uns
die Reise nicht noch das Gedicht aus unserm Nachmittag

Wenn ich die Einsamkeit des Anderen wäre
Dann nur Erinnerung, die ließe keinen los, allein sich selbst

Deutsche Fassung von Uwe Kolbe.
Die Übersetzung entstand im Rahmen des deutsch-türkischen Übersetzungsworkshops in der Literaturwerkstatt 2008

August 9th

angleščina | Sapphire

Hate, black teeth, half an
eyeball, torn light, green grass, dirt
wings. Sick, blind angel.

© 1999 by Sapphire / Ramona Lofton
printed by permission of the author
from: Black Wings & Blind Angels
New York: Alfred A. Knopf, Publisher, 1999
ISBN: 0-679-44630-3
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

9. August [1945]

nemščina

Haß, schwarze Zähne, ein halber
Augapfel, zerrissenes Licht, grünes Gras, Dreck –
flügel. Kranker, blinder Engel.

Nachdichtung von Uwe Kolbe


© Uwe Kolbe 2001