Carl-Christian Elze
sommerfliege
sommerfliege
an einem augustabend im jahr 2016: eine sommerfliege
die ihr nachtmahl verzehrt, auf einem baugerüst
am palazzo dario, ohne begleitung von menschen.
mit ihrem spärlich behaarten, vorderen beinpaar
stemmt sie sich gegen den getrockneten kot einer möwe
dirigiert ihren tupfrüssel, der alles befeuchtet, verflüssigt.
zwei venezianische lippenpölsterchen mit einem system
von winzigen rinnen, versteift mit noch winzigeren
spängchen, beginnen lautlos zu saugen – die sonne versinkt.
für sekunden stehn alle fenster in flammen, ist jede scheibe
lodernd orange! – manchmal innehaltend im tupfen
und herabblickend auf die vorbeiziehenden dunklen
gebilde, tausendfach gebrochen im optischen kessel ihrer
glasleuchteraugen, erweckt die speisende den eindruck
einer kleinen touristin
oder dogaressa
oder geisterjägerin
die durch die zeiten irrt.