Hendrik Jackson
Schaufensterpuppen
Schaufensterpuppen
I.
serielle Formen ・ verletzen nicht, gehen durch dich durch, transzendental, entspannt.
verharren in ihren ewigen Konturen, weisen dich ab, manifestieren sich elegant
in ein Fluidum hinein, defilieren ungelenk, versammeln sich in Gruppen. Widerstand,
an dem die Idee zerbricht. sich aufrichtet. sie sind rätselhaft, Puppe ・ unbekannt.
die Lebenden, Verwesenden müsstens wissen. das Gegenteil von wuschelig. Gelenke!
Puppen-Truppen! stürmt die Schaufensterläden! an die Wäsche, denn sie schenken
Nichts, denken nur an Eines, gleichsam Einsen und Nullen…in ihren Kleidern – kokett.
weil sich an ihnen jeder Frechheiten erlauben darf! sie sind doch hart! knetet! knetet!
das Ende von Poren und Eifersucht ・ monochrome Variationen, saisonal zu reproduzieren.
so gerissene Dinger! heimliche Voyeure, depressive. manchmal gleichen sie Tieren
im nächtlichen Dunkel: schleichen sie an, spannen die Glieder, stehen hinter dir ・ starr.
perfekte Luder, sie sammeln die Ruhe der Welt, weichen nicht aus ・ sind immerzu hart.
und nicht zu knacken, der Eifer berechneter Bögen, kalte Floppsprung-Beine: Linien
und enge Höschen... wie sie sich biegen: anamorphotisch im Wind die Greco-Pinien…
es jedem einzelnen machen, ohne Falten, mit fließenden Plisses, ausgeschwärmte Schar
allein im Laden, nachts geht ein Licht an: du im Schaufenster mit wirrem Haar!
II.
in den Metropolen leicht zu übersehen, in den Auslagen – silber, schwarz & fleischfarben!
befreien sie sich allmählich aus ihren Schablonen, drittes Rom der Puppen, erstarken,
bilden geheime Konstellationen, nachzuzeichnen wie Sternbilder, ein stabiles Gewirr
aus lebend und tot. Menschen-Masken passieren, doch sie bleiben – stets – stier.
ihnen widerstehen ja nur lärmende Kinder und Bernstein gewordene Greise.
so stehen Paläste stumm. wem sollen sie dienen? Verbote ・ reizen. Bieg ein in leise
werdende Ströme. Stummheit - besticht. Stich ins Herz. alle Wege führen ins Grab.
auch für Römer. in dieser Nacht, vollkommen allein, gehen dir die Puppen ab.
die Bühne ist leer. sie verändern den Blick auf die Lebenden: die sind verdorben,
unangenehm weich. hingegen sie weichen nicht ab von selbstgeschaffenen Formen,
imitiert vom Menschen. kein Makel, nicht einmal Makellosigkeit. absolut sorglos
im All, so figürlich hinter Glas, unendliche Langeweile, ein Gleichform-Troß.
Puppetz-Master Rilke ・ Engelchen, Engelchen schweb… ewige Mädchen-Puppen
Und: Puppetz-Strpka: Marionetten und abgeschnittene Fäden. Sternschnuppen
& Erdschwere. Puppetz-Kleist: des Niedrigen edle Form. Paläste, Kriege. Zuletzt:
Anmut wird ewiges Wissen, Schulz ruft die Mannequins – sie stolzieren – adrett.
III.
seid klettig. hakt euch ein, geölte Ösen, anerzogenes Gerangel, gespiegelte Spiegel.
so leuchten sie: auf Autobahnen, Tennisplätzen, in den Studios. ihr Theaterblut versiegelt
jedes Geheimnis. auf rote Seen drücken sie Fragen ein. tragen sie wie einen Ring.
in den Fernsehsendungen erkennt man: plötzlich belebte Münder. battle of ding-
dong: Erlösung – Erlöschung. reglos und beweglich, sie beleben tote Geschäfte.
sie sickern ein in die Menschen, wir wissen uns nicht mehr zu unterscheiden. Säfte
vermischen sich, Wolken erstarren, Gebirge werden flüssig! frisches Holz trock-
net! Borke und Papier lebt! Alles wird verarbeitet! Alles Lebendige wird Kork!
Nimmermehr-Spiel der Imagination: was ist die Ewigkeit des Steins, der bloß dauert?
auch Puppen modern, aber nicht innen. hinter jeder Idee hüpft ein Nichts und lauert.
sie sind wie Litaneien, der Reigen der Namen: Painted Drum, Eliza Maria! Sermon-
ize! Gloria de Campeo, Bankable! Precedent! Levitate! Koxala! ・ sind schon Legion!
sie verschwinden und unsere Wünsche mit ihnen. Nebel. Mama: ohne Füße, Arme.
keine unterirdischen Lavaströme, keine Eruptionen, keine Erdschichten und Flussarme.
sie vergessen nie den Bären, und gebären aus dem Nichts heraus Unendlichkeit. Stopp.
niemals verrät dich die Puppe. es zieht weite Kreise. wölbt sich, wird, birst. Plopp.