Iya Kiva (Ія Янівна Ківа)

ein erstarrtes Menschenmeer wälzt den Stein um im Mund

jene tote Sprache der Zeit, in die wir uns verwandeln

wenn der Wind den Lebensfaden kappt wie eine Blüte

und verwebt in die lange Nacht des Vergessenwerdens

die Toten sagen: wir suchten Heimstätten wie das Licht

und fanden sie nicht und die Erde setzte uns an den Tisch

und jetzt essen wir täglich die schmutzige Musik der Stille

dunkle Gräuel aus Erinnerungen übertragend vom Hörensagen

die Toten sagen: ums Gedenken zu kämpfen obliegt den Lebenden

wir halten uns an den Grabinschriften

wie Bäume mit vertrockneten Wurzeln an der Luft

in den Handtellern der Kinder aber stechen die wie Schlangen

die Toten sagen: alles, was wir wussten, ist fremd geworden

unsere Straßen sind uns unter die Erde gefolgt

und aus dem Ghetto der Geschichte kommen wir jetzt nicht mehr heraus

ist unsere Vergangenheit doch ein totes, vergiftetes Wasser

die Toten sagen: die Lebenden trinken die Hoffnung aus unseren Knochen

die Hoffnungssamen aber sind uns abhanden gekommen unterwegs

sind in der Kehle aufrecht stecken geblieben und wenden den Blick ab

wie der Stein, der den Lebenden schwer unter der Zunge liegt