Fredrik Vahle
Vom Sitzen
Sitzen, sitzen, sitzen,
nichts ist häufiger als sitzen.
Ob beim Trinken oder Essen,
es wird immerzu gesessen.
Am Frühstückstisch, im Restaurant,
da wird gesessen, stundenlang.
Beim Onkel Doktor, im Theater,
da sitzt die Mutter, sitzt der Vater.
Im Park und auf der Gartenbank,
da sitzt man sich den Hintern blank.
Bei jeder Art Geselligkeit,
da sitzt man sich den Hintern breit.
Selbst im modernen Großbüro
sitzt man noch auf seinem Po.
Im Flugzeug sitzt man stundenlang.
Im Auto sitzt sich mancher krank.
Stets wächst sie, die Mobilität,
besonders, wenn es sehr bequem,
das heißt im Sitzen vorwärts geht.
Wenn du was richtig haben willst:
drauf liegen, das nützt nix.
Drauf steh'n bringt auch nicht viel -
dir gehört, was du be-sitzt.
Doch willst du Buddha sitzen seh'n,
mußt du zu einem Kind hingeh'n.
Sitzt kerzengrad', der kleine Held
und strahlt so selig in die Welt.
Doch in der Schule merkt das Kind,
daß immer einer vorne steht,
und daß es hier dann jahrelang
erstmal ums Stillesitzen geht.
Und für Kinder nicht so brave
gibt es Nachsitzen als Strafe.
Dann heißt es, füg' dich endlich drein,
willst du denn Sitzenbleiber sein?
Nie kapier'n die Kinder dann,
daß stilles Sitzen schön sein kann.
Beim Essen sitzt man sowieso,
und hinterher gibt's einen Stuhl,
sogar mit Brille, der heißt "Klo".
Was dann passiert, wird hierzuland
dezent gesagt "Stuhlgang" genannt.
Und steht das Kind beim Essen auf,
setzt man es auf sein Thrönchen drauf.
Ob Nachttopf, Sessel, ob Katheder,
ein kleines Thrönchen, das braucht jeder.
Der Mensch hat Sitzfleisch wie sonst kein Tier.
Das sage ich auch zu dir und mir.
Und Nietzsche schimpfte: Was das heißt?
Es ist Sünde wider den heiligen Geist.
So schimpfte er, der geistreiche Mann
und kam doch an die Seele vom Sitzen nicht ran.
Sitzen kannst du sitzgemäß,
denn der Mensch hat ein Gesäß,
harte Knochen, fühl' mal nach,
Aufrichtung wie Kerzenflammen?
Oder sinken wir zusammen?
Sitzt das Sitzen aufrecht dann,
daß der Atem atmen kann?
Nichts ist eingequetscht und schräg,
nichts dem Sitzen mehr im Weg?
Sitzen sitzt genau gesehen
mittendrin zwischen Liegen und Stehen.
Wer liegt, kann ruh'n, muß auf nichts bau'n,
kann sich der Erde anvertrau'n.
Wer steht, ist wach, braucht Tat, braucht Tun,
Sitzen ist beides, Erwachen und Ruh'n.
Buddha hat sich zur Erleuchtung gesessen,
hat sitzend und sitzend sein Ego vergessen.
Gott sitzt hoch auf dem Himmelsthron
beim heiligen Geist und dem eigenen Sohn.
So kann man's auf alten Bildern seh'n.
Doch was ist dann mit dem Sitzen gescheh'n?
Dann saßen die kleine Götter auf Erden,
Autoritäten mit Machtgebärden.
(Könige, Päpste, Pharaonen,
mächtig und weise,
manche auch Drohnen.)
Wurden in Sänften herumgetragen
oder fuhren in goldenen Wagen.
Das einfache Volk saß mit frommer Gebärde
zu ihren Füßen auf der Erde.
Hockten sich einfach hin auf den Boden;
doch bald gab's dafür auch andre Methoden.
Da setzte sich einer auf einen Stein,
für den zweiten durft' es ein Baumstumpf sein.
So hob sich der Hintern vom kleinen Mann,
was man an den Stuhlformen sehen kann.
Stuhl kommt von Stehen, hat Rücken und Beine,
Armlehnen manchmal, und er steht von alleine.
Ob ich drin versinke oder will lieber geh'n,
an meinem Sitzen kann man es seh'n.
Doch mir sagen jetzt meine Beine was:
Wir gehören zu jemand, der zu lange saß.
Der achtet uns nicht, es ist kaum zu fassen.
Das können wir nicht auf uns sitzen lassen.
Steh auf und reck dich, streck deine Glieder!
Und wenn du Ruhe brauchst, leg dich halt nieder.
Steh' auf und reck' dich, sei klug und gewitzt -
Move your ass! Are you ready?
Na bitte, das sitzt!