Ulf Stolterfoht
[muskat]
[muskat]
muskat: vor einnahme gesamtnuß bring deine lyrik zum
abschluß. dann such es dir aus: kollaps oder lethargie.
sink auf die knie, bete. bei kleineren mengen, pulverisiert,
hält das gefühl von schwebegang volle vierzehn stunden an.
schlug alle in seinen bann – und die meisten schrieben ja
wirklich gedichte. es war seltsam, ende der siebziger in
einem viertel wie heslach: für junge, weiße schulverweigerer
blieben allein lyrik und improvisierte musik, um dem ghetto
zu entkommen. viele schafften das ohne chemische hilfe nicht,
und für die war muskat wie geschaffen: amphetaminartig
putschend, leicht bewußtseinsverändernd und vergleichsweise
billig – da blieb man für tage am tisch. doch das geschriebne
überstieg bei weitem das können. oft ließ das scheinbar mühe-
los erreichte niveau den schaffer sprachlos zurück: er verstand
die eigne lyrik nicht. sie schien ihm schwierig und überkomplex.
die meisten machten unbeeindruckt weiter, verschwiegen ihr
scheitern und erhöhten einfach die dosis, was die probleme
auf natürlichem wege löste. andere gewannen einsicht und
verfaßten bezüglich berichte – auch das lief sich tot, ist teil
der aporie-geschichte – wieder andere, ganz bestimmt nicht
die dümmsten, verschwanden für einige zeit und kehrten mit
den insignien zurück. für ihre dichtung ein glück, für ihre seele
verheerend. alles in allem hat heslach bis heute acht vorzüg-
liche dichter erbracht. über zwölf weiteren wölbt sich die nacht.