Steffen Jacobs
Bipolar
Bipolar
Eine unbekannte, verkantete Welt,
schlingernd zwischen zwei heißkalten Polen,
und nichts, das nicht jäh aus den Angeln schnellt,
kein Wesenszug, der nicht zu Schlacke zerfällt,
kein Haftstoff, der unter flüchtigen Sohlen
den Grenzgänger zwischen den Abgründen hält,
ist die Luft erst zu schneidend, um sie zu holen.
Verschollen die Suchtrupps, die Expeditionen
in ewiger Hitze, in brennendem Eis.
Zwischen dem Pol mit den klirrenden Zonen,
zwischen dem Pol mit den flirrenden Zonen
findet kein Ding seinen Daseinsbeweis.
Verloren die Suchtrupps, verloren ihr Ziel,
und von allem zuwenig, von allem zuviel.
Und du bist, der über die Ufer drängt,
die Dürre bist du, die ins Flußbett sinkt,
das Totenkopfschiff, das in Sturmwellen krängt,
der Tropenzyklon, der die Sturmwellen lenkt.
Ein Brand bist du, der in den Balken singt,
ein Du, das verlöscht und ein Du, das versengt,
die Asche, die Gärten und Gräber durchdringt.
Doch wie zwischen Hie, zwischen Da navigieren,
in statischen Strudeln, in reißenden Kalmen;
und wie zwischen Scylla, Charybdis lavieren,
ohne den Kurs aus dem Blick zu verlieren,
die Zunge gespickt mit zerraspelten Psalmen?
Sieh, wie die Schlünde nach Menschenfleisch gieren:
Fühlst du ihr Lecken, hörst du ihr Malmen?
Da reißt du dich fort, und du reißt dich entzwei,
doch plötzlich geschieht dir von außen ein Du.
Es sagt nur: Sei bei mir und stehe mir bei,
und nun bist du eins, denn ihr beide seid zwei.
Es sagt nur: Komm zu mir, denn du kommst mir zu,
es ist fast, als ob es schon immer so sei.
Und du (also du) sagst: Was immer ich tu,
so lange wir währen, bin ich nicht vorbei.