Kim Miy-He
Translator
on Lyrikline: 8 poems translated
from: coreano to: alemão
Original
Translation
Ein Freund
alemão
Ein Freund verschied, mit der Bürde meiner Schmerzen,
mit zusammengepressten Mund,
wie die Knospe des weißen Mohn an Sommertagen.
aus: Ko Un: Beim Erwachen aus dem Schlaf.
Wallstein-Verlag, Göttingen 2007.
Abend - Ein Prolog
alemão
Die Hälfte des Lebens war ich ein Wanderer.
Durch das Land wanderte ich
auf die Schattenseite
Doch ein unerfüllter Wunsch bleibt:
Mit meinem Kinde
Wollte ich ein Adoptivkinder [?]
Großziehen.
Dann wollte ich ein Freund,
ein Freund der anderen sein.
Süd und Nord
Finden sich nun in meinem Herzen
Unter ein und derselben Sonne.
aus: Ko Un: Beim Erwachen aus dem Schlaf.
Wallstein-Verlag, Göttingen 2007.
Traurigkeit, geboren aus Ich und Wir
alemão
Mein Ich ist traurig. Erleuchtende Aufklärung versank in Widersprüchen.
Am Beginn des letzten Jahrhunderts
nach der Revolution, als sowjetische Dichter
beschlossen nur noch „Wir“ zu sagen,
Dichter entschieden sich zu verschmelzen im
„Wir“.
Voller begeisterter Hingabe.
Wenn auch der Schneesturm
diesen Beschluss
von den Straßen fegte
blieb er doch gültig im Innern.
Ein Schwur, „Wir“ ... zu sagen
allein blieb.
Das „Ich“ irgendwie unfassbar verzerrt,
im Spiegelbild.
An einem herrlichen Sonnentag, bezichtigte sich auch Majakowski
und schrie dieses „Wir“ sich aus der Kehle.
Er, der ein Dichter der Straße war.
Nirgends war ein „Ich“ mehr statthaft.
„Ich“ war verrucht,
gottlos,
schlecht ...
verkündet mit magischer Kraft.
Langsam fiel das Barometer.
Gehegte Sommerblumen lagen achtlos zertrampelt.
Die Revolution frisst die Revolution.
Wie die Luft aus dem Fußball eines Kindes entweicht,
so verpufft in angespannter Atmosphäre
das „Wir“.
Irgendein Unerschrockener
schrieb „Ich bin verliebt“ aber
noch
war es Brauch zu lesen „Wir sind verliebt“.
Noch lag eine Spur vom verharschten Winterschnee.
Der Frühling blieb ungewiss.
Spät im letzten Jahrhundert
gab die Sowjetunion den Geist auf.
Die Staaten des Warschauer Paktes
wurden untreu, einer nach dem anderen.
Seither
kennen die Dichter nur noch das „Ich“.
Jeder Tag beginnt
und endet mit „Ich“.
Nichts existiert mehr
außer diesem „Ich“.
Sogar Gott ist nur noch ein anderer Name für „Ich“.
Heute überall in der pazifischen Region
begraben die Wellen unaufhörlich dieses Gespenst „Wir und Ich“.
Welche neue Schöpfung wird kommen?
Was wird sie gebären? Weder „Wir“
noch „Ich“?
Jede Welle ist der anderen Welle Grab und der kommenden Welle Ursprung.
aus: Ko Un: Beim Erwachen aus dem Schlaf.
Wallstein-Verlag, Göttingen 2007.
Traum-Gedicht von heute Nacht
alemão
Seht den Vogel,
der auf dem Wipfel des Baumes sitzt.
Seht den Vogel, der vom Wipfel auffliegt.
Seht die Leere des Wipfels, wenn der Vogel entfliegt.
Bleibende Leere,
seht nur den trüben Himmel.
aus: Ko Un: Beim Erwachen aus dem Schlaf.
Wallstein-Verlag, Göttingen 2007.
Die Seidenstraße
alemão
Welche Kraft kann verhindern,
dass diese sagenumwobene östliche Welt untergeht,
langsam oder urplötzlich.
Mit welcher Liebe
Kann man verhindern,
dass die Menschheit untergeht.
Es bleibt der Wirbelwind.
Ach, der letzte Zauberspruch.
aus: Ko Un: Beim Erwachen aus dem Schlaf.
Wallstein-Verlag, Göttingen 2007.
Trotz Traurigkeit
alemão
Heute war ich den ganzen Tag über traurig,
weil ich mich erinnerte,
dass mein Großvater in einer Winternacht des Jahres 1940
eine kranke Gans
die ganze Nacht über an seiner Brust wärmte und ins Leben zurückbrachte.
Habe ich, sein Enkelsohn,
während meines Vagabundierens
nur irgendetwas zum Leben gebracht?
Habe ich nicht wie die Eintagsfliege
In den überaus heiligen Tagen
Nur eitel gesummt?
Es ist unmöglich,
trotz der Traurigkeit einer gurrenden Taube.
Ab morgen
Morgen
Als ein Geist nur
Werde ich gemeinsam mit den großen und kleinen Bäumen
Im auffrischenden Wind lange schwingen müssen.
aus: Ko Un: Beim Erwachen aus dem Schlaf.
Wallstein-Verlag, Göttingen 2007.
Die singende Insel
alemão
Im Küstenbereich meiner Heimat
Tauchen hier und da Inseln auf,
sehr mystisch und halb versunken.
Eine von ihnen ist
Die kleine singende Insel.
Weht ein stürmischer Wind vom großen gelben Meer,
ist dieser Singsang zu hören,
immer nur
aus dem Umkreis dieser Insel.
Seit alten Zeiten
Sind es Lieder,
die die Geister der im schweren Wetter verunglückten Fischer
mit dem Sturm singen.
Lieder, die ein paar Tage und Nächte erklingen.
Weil ich mit Blick auf die singende Insel
Aufgewachsen bin,
umklammern mich die ehrfurchtserregenden Geister
bis zum heutigen Tag bin ich ein singender Vagabund.
Ein Vagabund,
der in nunmehr ernsten Zeiten
doch nur unzulänglich sang.
aus: Ko Un: Beim Erwachen aus dem Schlaf.
Wallstein-Verlag, Göttingen 2007.