Irina Bondas  (Ирина Бондас)
Translator

on Lyrikline: 21 poems translated

from: inglês, ucraniano, russo to: alemão

Original

Translation

The small boat had turned

inglês | Leontia Flynn

                             ( i.m. Matthew Sweeney)

The small boat had turned
outward from the headland
into the grey field
of the Atlantic

when my phone buzzed
in my raincoat pocket:
another death
broke on the networks.

The main mast swung
like a metronome
as we swayed and turned
further into the wind.

The back white wall
was awash with emotion.
It rolled downward,
endlessly in slipstream.

One gull hung
in the uncrowded sky
as we kept on course
for the island – away

beyond the last beach
and the long reach
of call and response
and tumult, to go

where the word the breaks
on the steady prow
is ploughed back down
to the undertow.

© Leontia Flynn
from: Nina Simone is Singing
Edinburgh: Mariscat Press, 2021
Audio production: Haus für Poesie, 2022

Das kleine Boot hatte gedreht

alemão

                              (i.m. Matthew Sweeney)


Das kleine Boot hatte gedreht

in ein graues Gebiet,

hatte sich vom Kap

gen Atlantik gewandt,


als in der Tasche meiner Regenjacke

mein Telefon vibrierte:

schon wieder ein Tod,

der das ganze Netz ausfüllte.


Der Hauptmast schlug aus

wie ein Metronom nach hier, nach da,

während wir schaukelten und drehten

weiter in den Wind hinein.


Die weiße Rückwand,

von Regungen überwallt,

wickelte mit dem Fahrtwind

sich unentwegt nach unten ab.


Eine einzige Möwe hing

in der geräumigen Luft,

während wir Kurs hielten

auf die Insel – weiter fort


vom Strand und auf Distanz

zu Gesprächen, außer Reichweite

von Fragen und Antworten zu gelangen,

all der schreienden Sachen, dorthin


wo Sprache bricht, wenn sie

auf einen Bug trifft,

nach unten gepflügt wird

und wieder zurückströmt.

Ins Deutsche übertragen von Kenah Cusanit
VERSschmuggel Berlin – Belfast, 2022
Sprachmittlerin: Irina Bondas

Nina Simone is singing

inglês | Leontia Flynn

Nina Simone is singing
in my Solitude
from the low amplitude speakers
of a Sony ghetto blaster.

In my solitude.
In my  soli - tuuuude.
The long fifth note
extends, or rather extrudes,

all along Leith Walk
and down to the harbour
pinching its finger and thumb.

                                               In     my     soli - tuuuuuude

It is 1999.

Panic and mild disorder
attend the run down
to the bugged millennium
in newsprint and radio.

                                               In     my     sol - ituuuuuuude

Panic and wild disorder
beset, too, your inner world,
which is your whole world now,
at least for a while,

since you elbowed away 
life’s goals and contingencies,
its early uncertain brawl,
in order to sit here

overlooking a new city,
attuned to the hot
constructions of that Selfhood.
Yes, and playing at solitude.

A glass of wine stands
on the writing desk.
It glows and is burnished
by the northern summer light.

            *

Set down this cup.
Oh drink not from this glass,
young, irrepressibly
thirsty former self!

For what you call solitude
is a yawning mouth
into which might drop
quarters, lengths, fathoms.

And for all that talk
of solitude’s hot flame
don’t you actually have
both a boyfriend and a girlfriend? 

Love’s engine roars
in the very recent past.
Its dopamine head
is huge and shaggy with myth.

And the loves of the future
advance towards you
extending their rhizomes;    
connections forged

across the synaptic gap
as neuron seeks neuron
through the mighty force
(such as that which through

the green fuse drives the flower
)
of being young
in un-lonely solitude,
and of tending towards

love’s magnetic dyad –
not to mention the matrix
of child-love
and child-devotion

through which you will pass
as through a wall of flame –
and it will be years
before you let them go.

            *

O I let them go now.
I let them go
all the oedipal boys,
to swim back upstream

to the passenger seats
of their mothers’ Ford Cortinas.
And this last girl, my daughter,
separated from me

at the border of my body
at this threshold after aeons,
who returns now wearing
her father’s anger

and odd socks
and who grows – yeesh –
like a coneflower
steadily into the sun.

In   my               sol - it - uuuuuude
In   my               sol - it - uuuuuude
I let them go
like Nina, Eunice –

who was fierce and bullyable,
who clamoured for Marx
and Lenin and revolution;
her genius fled

from the long self-exile
of home and marriage,
of affronted
professional pain,

to France and Liberia –
singing of solitude.
Who knew in the triumph
of exiled self-possession

with its broken mirrors,
with the fallen towers
of the mind,
how raw is the sunlight

what an awful thing
is a rose
in the singular world
that is untransfigured by love.

© Leontia Flynn
from: Nina Simone is Singing
Edinburgh: Mariscat Press, 2021
Audio production: Haus für Poesie, 2022

Nina Simone singt

alemão

Nina Simone singt

in my Solitude

mit wenig Amplitude

durch die Boxen eines Sony Ghettoblasters.


In my solitude.

In my soli - tuuuude.

Der lange letzte Laut

dehnt sich, oder eher dehnt er sich auf


den gesamten Leith Walk aus

bis hinunter zum Hafen, dessen Anlagen

wie Daumen und Zeigefinger einer Hand gegenüberliegen.


                                                                                            In   my   soli - tuuuuuude


Es ist 1999.


Panik und leichte Störungen

begleiten die Abfertigung

des Jahrtausends, das so nervt

in der Zeitung, im Radio.


                                                                                            In my sol - ituuuuuuude


Panik and schwere Störungen

suchen auch dein Inneres heim

das ist jetzt dein einziges Heim,

wenigstens eine Zeitlang,


nachdem du alles aus deinem Leben gedrängt,

Geplantes, Unvorhersehbares,

das schöne anfängliche Durcheinander,

sitzst du nun hier


und blickst über eine neue Stadt,

ganz eingestimmt auf das aktuellste

Konstrukt des sogenannten Selbst.

Und, ja, auf Ein-sam-keit, als Begleitmusik.


Auf dem Schreibtisch

steht ein Glas Wein.

Es leuchtet, das nördliche Sommerlicht

hat es aufpoliert.


                *


Ach, stell doch ab diesen Kelch.

Und trink nicht aus diesem Glas,

du junge, maßlos durstige

frühere Version meiner selbst.


Was du für Einsamkeit hältst,

ist ein aufklaffender Rachen

in dem selbst Quarten, Längen und Klafter

nichts erfassen könnten.


Und bei all dem Gerede

über entzündetes Einsamsein

bist du nicht in einer Beziehung mit gleich zwei

Parteien – maskulin und feminin?


Jüngst lief er also noch

Liebesapparat,

mit seinem Dopaminantrieb,

der so mythisch aufgeladen ist.


Und die Lieben, die zukünftigen

strecken dir schon

ihre Rhizome entgegen;

haben schon ein Geflecht geknüpft,


das den synaptischen Abstand überbrückt,

denn Neuronen ziehen sich gegenseitig an

durch die gewaltige Kraft

(wie jene, welche durch die grüne Kapsel


Blumen treibt)

des Jungseins

im gem-einsamen Alleinsein,

und hineinzutreiben in


Zweisamkeiten –

nicht zu reden von den Zusammenhängen,

in denen Mütter Kinder lieben,

in denen Mütter Kindern ergeben sind,


da wirst du durchgehen

wie durch eine Wand aus Flammen

und Jahre werden vergehen,

bis du sie loslassen kannst.


                *


Ach, lass sie doch jetzt los.

Lass sie los

all die ödipalen Jungs

damit sie stromaufwärts schwimmen können


zurück auf die Beifahrersitze

der Ford Cortinas ihrer Mütter.

Auch dieses letzte Mädchen, meine Tochter,

getrennt von mir


am Ende meines Körpers,

diesem Ausgang, der sich nach Äonen auftat,

die jetzt wiederkehrt

mit der Wut ihres Vaters 


und denselben sonderbaren Socken

und die wächst – oh Mann –

gleich einer Echinacea

senkrecht in die Luft.


In my sol - it - uuuuuude

In my sol - it - uuuuuude

lasse ich sie alle los

wie Nina, Eunice –


die unerschütterlich war und schikanierbar,

die nach Marx schrie

und Lenin und Revolution;

genial, wie sie war, floh sie


vor dem langen inneren Exil

aus Heim und Ehe

und der Kränkung,

professionell leiden zu müssen,


nach Frankreich und Liberia –

um über Einsamkeit zu singen.

Wer hätte gedacht, als die Selbstbesessenheit

sich erfolgreich selbst verbannt hatte


in ihre gebrochenen Spiegelungen

und eingefallenen

Gedankengebäude,

wie roh die Sonne scheinen kann


und was für ein grässliches Ding

eine Rose ist

in der solitären Welt,

wenn durch Liebe nicht verklärt.

Ins Deutsche übertragen von Kenah Cusanit
VERSschmuggel Berlin – Belfast, 2022
Sprachmittlerin: Irina Bondas

[Колись між любов’ю й ненавистю]

ucraniano | Ostap Slyvynsky

Легше, бо війна таки почалася…
Катерина Калитко, «Менше ніж за добу до початку війни…»

Колись між любов’ю й ненавистю
були ліс і будівлі.
Тепер ліс поламано і будівлі спалено.
Між любов’ю й ненавистю ходимо навпростець.
Ясність така раптова, що не всі встигають замружитись
і лягають, осліплені, у садах на окраїнах.
А ті, що встояли, мають вуста, ніби медом заліплені
і повторюють лише слова любові й слова ненависті.
Так,
ми – посланці пласкої землі, наш єдиний словник – це
словник антонімів.
Вибачте всі, хто чекає від нас нюансів, хто приїхав сюди
робити кольорові фото.
Ваші зусилля підуть намарне, як намарне пішли
вінки наших надій, роки збирання каміння, розмови
за низькими столами на ясно освітлених сценах.
Вибачте. Ось наш рентгенівський знімок. На ньому – 
кості і плоть. Іншого нині з собою не маємо.

© Ostap Slyvynsky
from: Unpublished
Audio production: Haus für Poesie, 2022

[Einst gab es zwischen Liebe und Hass]

alemão

Es ist jetzt einfacher, denn der Krieg hat tatsächlich begonnen …

Kateryna Kalytko, „Weniger als einen Tag vor Kriegsbeginn…“

 

Einst gab es zwischen Liebe und Hass

Wald und Gebäude.

Jetzt ist der Wald zerstört und die Gebäude niedergebrannt.

Zwischen Liebe und Hass nehmen wir den direkten Weg.

So plötzlich ist es hell, dass nicht alle es rechtzeitig schaffen, die Augen zu schließen

und sich hinlegen, geblendet, in den Gärten im Umland.

Und die, die stehen geblieben sind, haben Lippen wie mit Honig verklebt

und wiederholen immerzu die Worte der Liebe und die Worte des Hasses.

Ja,

wir sind Entsandte einer flachen Erde, unser einziges Wörterbuch ist

das Wörterbuch der Antonyme.

 

Entschuldigt alle, die von uns Nuancen erwarten, die hierherkamen

um Farbfotos zu schießen.

Eure Mühen sind vergeblich, ebenso vergeblich wie

die Kränze unserer Hoffnungen, Jahre des Sammelns von Steinen, Gespräche

an niedrigen Tischen auf hell erleuchteten Bühnen.

Verzeiht. Dies ist unsere Röntgenaufnahme. Darauf:

Knochen und Fleisch. Anderes haben wir dieser Tage nicht bei uns.

Aus dem Ukrainischen von Irina Bondas

[Небо туманного ранку наприкінці лютого]

ucraniano | Ostap Slyvynsky

Небо туманного ранку наприкінці лютого –
як смужка незасмаглого передпліччя того, хто спить
невинно, хай навіть вбиває чи зраджує уві сні;
небо невинне.
Як немовля, що розлило молоко,
як кошеня, що дряпнуло руку господаря,
навіть над Біркенау, навіть над кабульським аеропортом –
небо невинне.
Перед тими, хто щулиться, коли в сусідній кімнаті
падає книжка зі столу – небо не винне.
Що найняло речників-недорік і
шахраюватих заступників – небо не винне,
воно не мусить розумітись на людях.
Що, біжучи довго, ми впадемо, а не злетимо –
небо не винне.
Я й «голе небо», під яким спав мій дід у час жнив
і довгих літніх гулянок, –
згортаємося калачиком так туго, як можемо,
і засинаємо обережно,
щоб одне одного не поранити.

© Ostap Slyvynsky
from: Unpublished
Audio production: Haus für Poesie, 2022

[Der Himmel eines nebligen Morgens Ende Februar]

alemão

Der Himmel eines nebligen Morgens Ende Februar –

Innenseite des Unterarms von einem, der schläft,

unschuldig, selbst wenn er tötet oder betrügt im Schlaf;

der Himmel ist unschuldig.

Wie ein Säugling, der Milch vergießt,

wie ein Kätzchen, das den Arm seines Besitzers zerkratzt,

selbst über Birkenau, selbst über dem Flughafen von Kabul –

der Himmel ist unschuldig.

 

Denen gegenüber, die sich wegducken, wenn im Nachbarzimmer

ein Buch vom Tisch fällt – der Himmel ist unschuldig.

Dass er unfähige Pressesprecher gewählt hat und

betrügerische Verfechter – der Himmel ist unschuldig,

er muss keine Menschenkenntnis besitzen.

 

Dass wir fallen, nach langem Anlauf, statt abzuheben –

der Himmel ist unschuldig.

Ich und der nackte Himmel, unter dem mein Großvater während der Erntezeit

und langen Sommerfesten schlief,

rollen uns zu einem Knäuel zusammen, so eng wie wir können,

und schlafen vorsichtig ein,

damit der eine den anderen nicht verletzt.

Aus dem Ukrainischen von Irina Bondas

Note Left at a U.S. Camptown Brothel for My Missing Imo

inglês | Jennifer Kwon Dobbs

Dear Sixth Imo, Grandfather's youngest daughter,

No one taught you to write "petal" / unfurling red across the bed /

creek cutting the mattress / No one told me your name / chalk to

sketch your body starred and open / so Grandmother could buy rice

while the neighbors ate barley / Nobody asked where her money came

from / They knew where youngest daughters disappeared to / why

their mixed babies disappeared too / what math purchased seaweed

for soup fed to the married eldest delivering a son / The first time I

heard the rumor of you it was a mistake / to ask your name because

Omma wanted to hide you / Just as she hid the fact of me I also hid

the words I knew—kijichon, yanggongju, koa, ibyeongah / I hid under

the bed, in the cupboard, behind clay pots / all the names for absence

feeding our family who chewed and chewed

© Jennifer Kwon Dobbs
from: Interrogation Room
Buffalo, New York: White Pine Press, 2018
Audio production: Haus für Poesie, 2020

Notiz für meine vermisste Imo, hinterlassen im U.S.-Militärbordell

alemão

Liebe Sechste Imo, Großvaters jüngste Tochter,


Keiner brachte dir bei, Blüte zu schreiben / rot ausgerollt übers Bett / Bach,


die Matratze schneidend / Keiner nannte mir deinen Namen / Kreide für


deinen Körperentwurf, offen, sternenbesät / Reis konnte Großmutter gerade


so kaufen, während Nachbarn Gerste aßen / Niemand fragte, woher sie das


Geld hatte / Sie wussten, wohin die jüngsten Töchter verschwanden / warum


auch Kinder von amerikanischen Vätern verschwanden / auf wessen


Rechnung der Seetang für die Suppe stand, den die Älteste in Ehe bekam,


wenn sie einen Sohn austrug / Das erste Mal, als ich das Gerücht über dich


hörte, war es falsch / nach deinem Namen zu fragen, Omma wollte dich


verbergen / Und sie verbarg mich wie ich die mir bekannten Wörter:


kijichon, yanggongju, koa, ibyeongah / unterm Bett, im Schrank, hinter


Tonschalen / all die Namen für Abwesenheit, von denen eine Familie sich


nährt, und die sie kaute und kaute

Übersetzungen aus dem Englischen: Irina Bondas und Felix Schiller
aus: Jennifer Kwon Dobbs, VERNEHMUNGSRAUM, PalmArtPress 2022

Yi Sang’s Room

inglês | Jennifer Kwon Dobbs

b. Kim Haegyeong | Seochon, Seoul 1910-33


At this table
I pose as an illiterate draftsman

Tax collectors
commissioned me for an imperial museum
but I design my name

as a false frame
though marked by bureaucrats
as an industrious example

There on rafters of bone
I inscribe an orange
butterfly for the virtuous

wives sickened
by their husbands’ semen
pumped to Battleship Island

to motor coal cars
The messages the men carve
I want to go home

Beloved I miss you
into the timbered shafts
shingle my roof against a red sun

and within its blaze I cut
lengths of air
for walls that a solitary prisoner

released from Seodaemun
can dream inside
Here I no longer fear

the tenure committee
who prefers red lacquered bowls
to story loss

or administrators
who nail ordinances to my porch

Motherless my words
may be dismissed as experiments
or disappear
under a courtyard lake

or divide a pillared darkness
into floating rooms
in which monks and poets eat

The bronze latch slips
and leaves blow through the gate
Now it’s possible

to speak in earnest of escape
Don’t let disaster catch you
immobile and bereft

Failure is also a posture against, against

© Jennifer Kwon Dobbs
from: Interrogation Room
Buffalo, New York: White Pine Press, 2018
Audio production: Haus für Poesie, 2020

Yi Sangs Zimmer

alemão

geb. Kim Hae-gyeong | Seochon, Seoul 1910–1933



An diesem Tisch

posiere ich als analphabetischer Zeichner


Steuereintreiber

gaben bei mir ein imperiales Museum in Auftrag

aber ich gestalte mir einen Namen


als falschen Rahmen

wenn mich auch Bürokraten anführen

als ein Beispiel für Fleiß


Dort graviere ich auf Sparren

aus Knochen gelbe

Raupen für die Tugendhaften


Frauen am Samen

ihrer Gatten erkrankt

der nach Battleship Island gepumpt


als Antrieb für Kohlewagen diente

Die von den Männern eingeritzte Botschaft

Ich will heim


Geliebte du fehlst mir

im Holzschacht

verlege gegen rote Sonne über uns Schindeln


und inmitten der Flammen schneide ich

Flächen aus Luft

für Wände damit einer in Einzelhaft


entlassen aus Seodaemun

darin träumen kann

Hier ängstigen mich


die Berufungskommission nicht mehr

dass sie rotlackierte Schalen

dem Geschichtsverlust vorzieht


oder Administratoren

die Erlasse nageln an meine Veranda


Mutterlos meine Worte

können als Experiment

abgetan werden oder verschwinden

im Innenhof auf dem Grund eines Sees


oder teilen die Säulenordnung der Finsternis

in treibende Zimmer

in denen Mönche und Dichter speisen


Der Riegel aus Bronze schiebt sich zurück

und Blätter wehen durchs Tor

Jetzt ist es möglich


aufrichtig von Flucht zu sprechen

Lass dich nicht von der Katastrophe erwischen

reglos beraubt


Scheitern ist auch eine Geste dagegen, dagegen

Übersetzungen aus dem Englischen: Irina Bondas und Felix Schilleraus: Jennifer Kwon Dobbs, VERNEHMUNGSRAUM, PalmArtPress 2022

Moon Jar

inglês | Jennifer Kwon Dobbs

for Shynne Gwanghyun


As the moon descends into the well

the jar inside the well

it reveals a great

emptiness that is the jar

summoning others who will come

after the fact of the jar

disappears inside the moon

© Jennifer Kwon Dobbs
from: Interrogation Room
Buffalo, New York: White Pine Press, 2018
Audio production: Haus für Poesie, 2020

Mondvase

alemão

für Shynne Gwang-hyun



Wie der Mond in den Brunnen fällt


in die Vase im Brunnen


beleuchtet er eine große


Leere der Vase


wie er andere sammelt, die folgen


auf die Tatsache der Vase


wie sie im Innern des Mondes verschwindet

Übersetzungen aus dem Englischen: Irina Bondas und Felix Schiller
aus: Jennifer Kwon Dobbs, VERNEHMUNGSRAUM, PalmArtPress 2022

Beetle

inglês | Jennifer Kwon Dobbs

after Jose Pacheco


You, like all of us, are what you conceal.
Inside your horned helicopter
you hide and suffer,
infamous in your exile. Prized
for your craft that we try to imitate

in gold and amber,
you survive baiting, outrun and elude us,
your assassins, who can’t follow into the wall,
veldt of circuitry or Jacob’s ladders,
this, your solitary confinement
from which you escaped. Winged and on the run,

you entered illegally, the humblest of eaters
pursued by flashlights searching London flats,
chased into floorboards and dreaming
there to engorge yourself on chicken marrow,
hair of a woman
who forged a compatriot’s freedom,
lint and nail clippings,
underground palace of discarded excess.

Poor, you never sought to become a rascal,
thief, or tax evader.
Your mouth hooked and clutched,
to secrete a hardening cloak
as instinct instructed. No ambition
could sustain that artist in you
to fulfill the task for which you were born:
an asylum out of your own body

metamorphosing the worm
who curls in all of us who envy
such rapid success, perfected artifice
that, if an autopsy, would reveal nothing about you
that hasn’t been pestered
or riddled by schoolchildren, judges,
barbers who cannot betray your anonymity
or inform upon your green card stash

Programmed by shadows, struck dumb
yet knowing to scuttle a deathblow missing,
you do not fear
that kind of death. You have survived it
as you reported to the benefit gala,
the pearl strung collarbones enchanted by
your poise and sung resurrection.

Born and cradled in a ball of shit,
no longer a trespasser but a guest of honor,
you hum from a scroll
and silence the wait staff who once pitied you
but now mutter
you were always untouchable.

Our mumbler, how you alter the story!
Who can rival you in strategic confusion?
Pest because we can’t surpass or kill
or ignore you.
Neither an insect nor bird,
you exist in pure imagination.

Your reputation will last
long after the house is dismantled,
its fixtures stripped and auctioned, its metal
hinges scrapped, bricks sold in a yard
then reused for respectable establishments
where the threat of your possibility
will compel precautions

though you disappear again through a crack
into the darkness with which we wall ourselves
but cannot go. How we hate you for it
and spread rumors of your disease,
though we admire your rage to outlive and,
like you, are what we conceal.

© Jennifer Kwon Dobbs
from: Interrogation Room
Buffalo, New York: White Pine Press, 2018
Audio production: Haus für Poesie, 2020

Käfer

alemão

nach José Pacheco



Du bist, wie wir alle, was du verbirgst.

Im Innern des Helikopters aus Horn

versteckst du dich, leidest,

berüchtigt in deinem Exil. Ausgezeichnet

für deine Kunstfertigkeit, der wir nacheifern


in Gold und Bernstein,

überlebst du ungeködert, entfleuchst und entkommst uns,

deinen Meuchlern, die dir nicht folgen können bis in die Wand,

ins Feld der Schaltkreise, Jakobsleitern,

diese, deine Isolationshaft,

aus der du entflohst. Das Weite suchend, geflügelt,


bist du illegal eingereist, der bescheidenste Fresser,

gejagt von Lichtkegeln, die jemand in Londoner Wohnungen wirft,

träumst davon, unter Dielen getrieben,

dich darin vollzustopfen mit Huhninnereien,

mit dem Haar einer Frau,

das einem Landsmann die Freiheit ertrickste,

Fusseln und Fußnägelschnipsel,

Untergrundwelt entsorgter Exzesse.


Obwohl arm, hattest du niemals vor, ein Gauner zu werden,

Dieb oder Steuerbetrüger.

Dein Mund hakt und klammert sich fest,

produziert eine härtende Schutzschicht,

ausgelöst durch deinen Instinkt. Kein Ehrgeiz

könnte den Künstler in dir aufrechterhalten,

um deiner wahren Berufung zu folgen:

ein Asyl aus deinem eigenen Körper,


die Verwandlung des Wurms,

der sich windet in uns, wir, die beneiden

solch schnellen Erfolg, vollendetes Können,

das, wenn es Autopsie wäre, nichts über dich verriete,

was nicht Schulkinder durch Löchern

oder Rätseln herausfinden könnten, Richter,

Friseure, die deiner Anonymität Treue halten,

oder ausplaudern das Versteck deiner Greencard.


Programmiert von Schatten, sprachlos gemacht,

doch fähig, auf Messers Schneide zu tanzen,

fürchtest du nicht

diese Art Tod. Du hast überlebt,

wie du bei der Wohltätigkeitsgala berichten konntest,

die perlenbesetzten Schlüsselbeine verzaubert von

deiner Haltung, deiner Auferstehung, besungen.


Ein Mistball als Geburtsort und Wiege,

nicht länger Eindringling, Ehrengast nun,

brummst du aus einer Schriftrolle lesend

und mahnst die Kellner zur Ruhe, die einst Mitleid hatten mit dir,

aber jetzt raunen,

unberührbar warst du schon immer.


Unser Murmler, wie du die Geschichte änderst!

Wer ist besser in strategischer Verwirrung als du?

Schädling, weil unübertroffen von uns,

nicht zu töten, zu ignorieren.

Weder Insekt noch Vogel,

existierst du nur imaginiert.


Das Bild von dir wird bleiben,

lange nachdem das Haus demontiert ist,

seine Einrichtung entnommen, versteigert, seine Scharniere

aus Metall verschrottet, seine Ziegelsteine verhökert im Hof,

später wiederverwendet in seriösen Betrieben,

wo die Bedrohung durch dich

Schutzmaßnahmen erfordert,


doch du entkommst wieder durch einen Riss,

in die Dunkelheit, mit der wir uns einmauern,

ohne hineinzukönnen. Wie wir dich dafür hassen

und Gerüchte streuen über deine Seuchen,

dabei bewundern wir deine Lebenswut und

sind, wie du, was wir verbergen.

Übersetzungen aus dem Englischen: Irina Bondas und Felix Schiller
aus: Jennifer Kwon Dobbs, VERNEHMUNGSRAUM, PalmArtPress 2022

Grimm Story

inglês | Anne Tzu Peng Lee

Why do we tell these tales to children
who grow to find one day
no magic herb to heal their hurt,
nor castles waiting down the road
and Prince Charming is a toad?

Meeting again these stalwart sons
whom fortune’s malice never deterred,
kind-hearted beasts, the dead returned,
who but must view with deep concern
how even life will turn away
in shame to confess how few
of these things are true?  

Yet they offer us something pure
asking simple devotion,
provide a pattern of belief 
for regaining a lost vision;  

though we know we can never be heroes,
though we remain clodhoppers and goose-girls;
and some of us, unredeemed,
starve in our candied houses
and devour our children.

© ANNE TZU PENG LEE
from: Against The Next Wave
Times Books International, 1998
ISBN: 9971655055
Audio production: The Literary Centre and Sing Lit Station

Grimmige Geschichte

alemão

Warum erzählen wir Kindern diese Märchen,          
sie werden groß und finden eines Tages                 
kein Zauberkraut, um ihren Schmerz zu lindern,    
zum guten Schluss erwartet sie kein Schloss,
tatsächlich ist der Prinz nicht mehr als Frosch?

Beim Wiedersehen mit den tapfren Knaben
von Schicksals Bosheit nie gezeichnet,
gütige Biester, auferstandne Leichen,
wen wird die tiefe Sorge nicht beschleichen,
wenn selbst das Leben voller Scham
verstummt darüber, dass so wenig
davon stimmt?

Doch zeigen sie uns etwas Reines,
fordern schlichte Ergebenheit,                                   
bieten ein Glaubensmuster                                        
zur Wiederherstellung verlorener Vision;      

obwohl wir wissen, dass wir keine Helden sind,
obwohl wir Bauentölpel und Gänsemägde bleiben;             
und manche von uns, unerlöst,
hungern in unseren Lebkuchenhäuschen
und unsere Kinder vertilgen.

Übersetzung: Irina Bondas

Graffiti in the Ladies

inglês | Anne Tzu Peng Lee

In the privacy 
of this public lavatory
someone has purged
herself of her oppressors
and stereotypical docility:  

from the Emperor of Japan
to Indira Gandhi,
and underlings between;
PMs, MPs, the lot —
all called judgement 
in torturous outpouring:
sentenced for crimes,
nepotic dynasties, taxes,
arrogance, brutalities,
even sexual excesses,
as crudely enumerated 
as mind-boggling.  

Your hear a voice 
too freedom-bound to shut up 
in its executions.
The warped calligraphy 
is like a dance of death;
she prefers to strip herself
for solitary audiences
whose response she may anticipate,
the place’s ambience being
safe, accommodating frame.  

You wonder if it’s shock or shame
that you feel. Or maybe both.  

It’s easy to say
someone hysterical did this. 

Does violence have a gender?
Has woman been clapped so much in her place
she has no room to face her demons
but the public lavatory?
Surely this vandalising speaks much more
than the writing on the wall? 

© ANNE TZU PENG LEE
from: Lambada by Galilee & Other Surprises
Times Books International, 1997
ISBN: 9812047883
Audio production: The Literary Centre and Sing Lit Station

Graffiti auf dem Damenklo

alemão

Im Verborgenen                                        
dieser öffentlichen Toilette
entledigte sich jemand
ihrer Unterdrücker
und stereotypen Fügsamkeit:                   

vom japanischen Kaiser
bis hin zu Indira Gandhi,
über die Handlanger dazwischen;
Delegierte, Deputierte, die Ganzen –
alle am Pranger
in blutrünstigen Ergüssen:
verurteilt für Verbrechen,
nepotistische Dynastien, Steuern,
Arroganz, Gräueltaten,
sogar sexuelle Exzesse
ebenso explizit beschrieben                                
wie unfassbar.                                        

Du hörst eine Stimme
zu freisinnig, um zu schweigen
bei ihren Vollstreckungen.
Die verkrümmte Kalligraphie                      
gleicht einem Todestanz;
sie zieht sich lieber aus
für einsames Publikum,                         
dessen Reaktion vorhersehbar bleibt,
das Ambiente des Ortes als
sicherer, trauter Rahmen.

Ob es dich erschüttert oder beschämt,
fragst du dich. Vielleicht beides.

Nichts leichter als zu sagen,
das war jemand Hysterisches.

Hat Gewalt ein Geschlecht?
Wurden Frau so enge Grenzen gesetzt,     
dass kein Platz bleibt für ihre Dämonen,
außer der öffentlichen Toilette?
Dieser Vandalismus sagt wohl mehr aus
als die Warnungen an den Wänden?   

Übersetzung: Irina Bondas

A Cigarette

inglês | Ilya Kaminsky

Watch—
Vasenka citizens do not know they are evidence of happiness.

In a time of war,
each is a ripped-out document of laughter.

Watch, God—
deaf have something to tell
that not even they can hear.

Climb a roof in Central Square of this bombarded city, you will see—
one neighbor thieves a cigarette,
another gives a dog
a pint of sunlit beer.

You will find me, God,
like a dumb pigeon’s beak, I am
pecking
every which way at astonishment.

© Ilya Kaminsky
from: Deaf Republic
Minneapolis, MN: Graywolf Press, 2019
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Eine Zigarette

alemão

Sieh‘ doch –
Die Bürger von Vasenka wissen nicht, dass sie der Glückbeweis schlechthin sind.

In Kriegszeiten
ist jeder ein herausgerissenes Blatt Gelächters.

Sieh' doch, Gott –
ein Tauber hat was zu erzählen
das er selbst nicht einmal hören kann.

Klettere auf ein Dach am Marktplatz der zerbombten Stadt und du wirst sehen –
ein Nachbar stibitzt eine Zigarette,
ein anderer gibt dem Hund
ein leuchtendes Pint Bier.

Gott, Du musst mich finden
wie nen blöden Taubenschnabel,
der kreuz und quer
herumpickt im Erstaunen.

Übertragen von Dagmara Kraus
VERSschmuggel 2019, poesiefestival berlin
Sprachmittlerin: Irina Bondas

While the Child Sleeps, Sonya Undresses

inglês | Ilya Kaminsky

She scrubs me until I spit
soapy water.
Pig,
she smiles.

A man should smell better than his country—
such is the silence
of a woman who speaks against silence, knowing

silence moves us to speak.
She throws my shoes
and glasses in the air,

I am of deaf people
and I have
no country but a bathtub and an infant and a marriage bed!


Soaping together
is sacred to us.
Washing each other’s shoulders.

You can fuck
anyone—but with whom can you sit
in water?

© Ilya Kaminsky
from: Deaf Republic
Minneapolis, Mn: Graywolf Press, 2019
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Während das Kind schläft, zieht Sonja sich aus

alemão

Sie schrubbt mich, bis ich
Seifenwasser spucke.
Du Ferkel
, lächelt sie.

Ein Mann sollte besser riechen als sein Land
solch ist die Stille
einer Frau, die gegen die Stille anspricht, weiß

dass Stille uns zum Reden bringt.
Sie wirft meine Schuhe
und meine Brille in die Luft,

Ich bin von der Taubheit Volk
und habe
kein Land, nur eine Wanne und ein Kind und ein Ehebett.

Zusammen uns einzuseifen
ist uns heilig.
Einander die Schultern zu waschen.

Ficken kannst du
alle – aber mit wem kannst du
im Wasser sitzen?

Übertragen von Dagmara Kraus
VERSschmuggel 2019, poesiefestival berlin
Sprachmittlerin: Irina Bondas

Lullaby

inglês | Ilya Kaminsky

Little daughter
rainwater

snow and branches protect you
whitewashed walls

and neighbors’ hands all
Child of my Aprils

little earth of
six pounds

my white hair
keeps your sleep lit

© Ilya Kaminsky
from: Deaf Republic
Minneapolis, MN: Graywolf Press, 2019
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

Wiegenlied

alemão

Kleine Tochter
Regenwasser

Schnee und Äste schützen dich
weiß getünchte Wände

und die Hände aller Nachbarn
meines Monats April Kind

kleine Erde
sechs Pfund schwer

mein weißes Haar leuchte dir
im Schlaf

Übertragen von Dagmara Kraus
VERSschmuggel 2019, poesiefestival berlin
Sprachmittlerin: Irina Bondas

Firing Squad

inglês | Ilya Kaminsky

On balconies, sunlight. On poplars, sunlight, on our lips.
Today no one is shooting.
A girl cuts her hair with imaginary scissors—
the scissors in sunlight, her hair in sunlight.
Another girl nicks a pair of shoes from a sleeping soldier, skewered with light.
As soldiers wake and gape at us gaping at them,
what do they see?
Tonight they shot fifty women on Lerna Street.
I sit down to write and tell you what I know:
a child learns the world by putting it in her mouth,
a girl becomes a woman and a woman, earth.
Body, they blame you for all things and they
seek in the body what does not live in the body.

© Ilya Kaminsky
from: Deaf Republic
Minneapolis, MN: Graywolf Press, 2019
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Erschießungskommando

alemão

Auf Balkonen Sonnenlicht. In Pappeln Sonnenlicht, auf unseren Lippen.
Heute schießt niemand.
Ein Mädchen schneidet sich mit einer unsichtbaren Schere die Haare –
die Schere im Sonnenlicht, ihr Haar im Sonnenlicht.
Ein anderes Mädchen stiehlt dem schlafenden Soldaten die Schuhe, von Lichtspießen durchbohrt.
Als die Soldaten aufwachen und uns so angaffen, wie wir sie angaffen,
was sehen sie?
Heute Abend haben sie fünfzig Frauen auf der Lerna-Straße erschossen.
Ich mache mich ans Schreiben, um dir zu sagen, was ich weiß:
ein Kind lernt die Welt kennen, indem es sie in den Mund nimmt,
ein Mädchen wird zur Frau und die Frau zur Erde.
Körper, sie geben dir die Schuld für alles und
suchen im Körper nach dem, was nicht lebendig ist im Körper.

Übertragen von Dagmara Kraus
VERSschmuggel 2019, poesiefestival berlin
Sprachmittlerin: Irina Bondas

Still Newlyweds

inglês | Ilya Kaminsky

You step out of the shower and the entire nation calms—

a drop of lemon-egg shampoo,
you smell like bees,

a brief kiss,
I don’t know anything about you—except the spray of freckles on your shoulders!

which makes me feel so thrillingly

alone.
I stand on earth in my pajamas,

penis sticking out—
for years

in your direction.

© Ilya Kaminsky
from: Deaf Republic
Minneapolis, MN: Graywolff Press, 2019
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Noch frisch Vermählte

alemão

Du trittst aus der Dusche und ein ganzes Land steht still –

ein Tröpfchen Zitronen-Eiershampoo,
Du riechst nach Bienen,

ein schneller Kuss,
ich weiß nichts von dir – nur vom Sprüh der Sommerflecken deiner Schultern!

was mich so erregend mich

alleine fühlen lässt.
Ich stehe im Pyjama auf der Erde

mit vorstehendem Penis–
seit Jahren

so dir zugewandt.

Übertragen von Dagmara Kraus
VERSschmuggel 2019, poesiefestival berlin
Sprachmittlerin: Irina Bondas

Alfonso in Snow

inglês | Ilya Kaminsky

My people you were something fucking fine
On the morning of the first arrests

Yes, we read each other’s lips and said one word four times
and laughed four times in a loving repetition

and now our boys go outside and are given back in the morning
like a small change—

Yes, the language of a country:
hands that take you out of your mother

I am yelling and my neighbors think I am laughing
Helicopters eyeball us like we are pig’s feet in a jar

And whoever listens to me
thank you for the feather on my tongue

thank you for our argument that ends
thank you for my deafness, Lord, such fire

from a match you never lit.


__________________

The recording from 2013 is based on an earlier version of what became Alfonso Stands Answerable later published in 'Deaf Republic', 2019


Alfonso Stands Answerable

My people, you were really something fucking fine
on the morning of first arrests:

our men, once frightened, bound to their beds, now stand up like human masts—
deafness passes through us like a police whistle.

Here then I
testify:

each of us
comes home, shouts at a wall, at a stove, at a refrigerator, at himself. Forgive me, I

was not honest with you,
life—

to you I stand answerable.
I run etcetera with my legs and my hands etcetera I run down Vasenka Street etcetera—

Whoever listens:
thank you for the feather on my tongue,

thank you for our argument that ends, thank you for deafness,
Lord, such fire

from a match you never lit.



© Ilya Kaminsky
from: Deaf Republic
Minneapolis, MN: Graywolf Press, 2019
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

Alfonso steht Rede und Antwort

alemão

Leute, ihr wart verdammt geil
am Morgen der ersten Festnahmen

vorher ängstlich, ans Bett gefesselt, stehen unsere Männer jetzt wie Menschenmasten aufrecht
es durchfährt uns Taubheit, wie die Trillerpfeife des Polizisten.

Hiermit also
bezeuge ich:

jeder von uns
kommt heim, brüllt eine Wand an, einen Herd, einen Kühlschrank, sich selbst ins Gesicht. Vergib mir, ich

war nicht ehrlich zu dir,
Leben –

dir stehe ich Rede und Antwort.
Ich laufe etcetera mit Beinen und Händen etcetera laufe die Vasenkastraße runter etcetera –

Wer auch immer mir zuhört:
danke für die Feder auf meiner Zunge,

danke für unseren Streit, der endet, danke für die Taubheit,
Gott, solches Feuer

von einem nie gezündeten Streichholz.

Übertragen von Dagmara Kraus
VERSschmuggel 2019, poesiefestival berlin
Sprachmittlerin: Irina Bondas

Gunshot

inglês | Ilya Kaminsky

Our country is the stage.
            When soldiers march into town, public assemblies are officially prohibited. But today, neighbors flock to the piano music from Sonya and Alfonso’s puppet show in Central Square. Some of us have climbed up into trees, others hide behind benches and telegraph poles.
            When Petya, the deaf boy in the front row, sneezes, the sergeant puppet collapses, shrieking. He stands up again, snorts, shakes his fist at the laughing audience.
            An army jeep swerves into the square, disgorging its own Sergeant.
            Disperse immediately!
            Disperse immediately!
the puppet mimics in a wooden falsetto.
            Everyone freezes except Petya, who keeps giggling. Someone claps a hand over his mouth. The Sergeant turns toward the boy, raising his finger.
            You!
            You!
the puppet raises a finger.
Sonya watches her puppet, the puppet watches the Sergeant, the Sergeant watches Sonya and Alfonso, but the rest of us watch Petya lean back, gather all the spit in his throat, and launch it at the Sergeant.

            The sound we do not hear lifts the gulls off the water.

© Ilya Kaminsky
from: Deaf Republic
Minneapolis, MN: Graywolf Press, 2019
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Schuss

alemão

Schauplatz ist unser Land.
            Wenn Soldaten in die Städte einmarschieren, herrscht Versammlungsverbot. Aber heute rotten sich die Nachbarn vor dem Klavier von Sonja und Alfonsos Kasperletheater am Marktplatz zusammen. Manche von uns sind auf Bäume geklettert, andere verstecken sich hinter Bänken und Masten.
            Wenn Petja, der taube Junge aus der ersten Reihe, niest, stürzt der Handpuppensergeant mit einem Schrei zu Boden. Er richtet sich auf, prustet, droht dem lachenden Publikum mit erhobener Faust.
            Ein Armeejeep fährt vor, spuckt einen eigenen Sergeant aus.
            Weitergehen, nicht stehen bleiben!
            Weitergehen, nicht stehen bleiben!
, äfft die Puppe die Stimme in hölzernem Falsett nach.
            Alle erstarren, nur Petja kichert noch. Jemand drückt ihm mit der Hand den Mund zu. Der Sergeant dreht sich mit gehobenem Zeigefinger zu dem Jungen um.
            Du!
            Du!
,hebt die Puppe den Finger.
            Sonja guckt zu ihrer Puppe, die Puppe zum Sergeant, der Sergeant zu Sonja und Alfonso, aber der Rest von uns guckt auf Petja, der sich zurücklehnt, alle Spucke im Rachen sammelt und sie auf den Sergeant schießt.

            Das Geräusch, unhörbar, scheucht die Möwen vom Wasser auf.

Übertragen von Dagmara Kraus
VERSschmuggel 2019, poesiefestival berlin
Sprachmittlerin: Irina Bondas

КРАСНОЕ СМЕЩЕНИЕ (III) - [Свидригайлов уезжает в Америку]

russo | Alexander Skidan

Свидригайлов уезжает в Америку.

Об этом его «отъезде» я делал доклад в 1994 году в университете Айовы.

После доклада один чилийский писатель
с начинающей входить в моду эспаньолкой
попросил меня написать для него фамилию Свидригайлов латиницей.

Он читал «Преступление и наказание», но не помнил, чтобы там был такой персонаж.

Эй, вы, Svidrigaylov.

Что вы думаете об удовольствии?

Оно – то, что каждый сам себе представляет.

А о боли?

Боль – это нечто иное, нежели удовольствие, но не настолько, чтобы являться его противоположностью. В некоторых случаях удовольствие возникает при условии определенного ритмического чередования болевых ощущений.

Вы полетите на воздушном шаре с Бергом?

Возможно.

Вы боитесь смерти?

Когда я фотографирую себя одного на вокзалах или в аэропортах, я выбрасываю или разрываю фотографию на маленькие кусочки, которые я позволяю себе выбросить через окно, если это поезд, или оставляю их в пепельнице или журнале, если это самолет.

(Пауза.)

Страх перед смертью лишен собственного содержания, это аналог страха перед кастрацией.

…………………………………………………….
Присутствовала ли на этом докладе Г.? Не помню.

В любом случае, она отредактировала мой текст, более того, переписала его набело. Мне хватило бесстыдства сделать это ее руками (рукой).

© Alexander Skidan / Александр Скидан
Audio production: Haus für Poesie, 2017

ROTVERSCHIEBUNG (III) - [Swidrigailow reist aus nach Amerika]

alemão

Swidrigailow reist aus nach Amerika.

Über diese seine Abreise habe ich 1994 einen Vortrag an der Iowa University gehalten.

Nach dem Vortrag hat ein chilenischer Schriftsteller
mit gerade in Mode kommendem Spitzbart mich gebeten,
für ihn den Namen Swidrigailow in lateinischen Buchstaben aufzuschreiben.

Er hatte Schuld und Sühne gelesen, konnte sich aber nicht an diese Figur erinnern.

Hey, Sie, Svidrigaylov.

Was denken Sie über die Lust?

Es ist das, was sich nachfragt.

Und über Schmerz?

Der Schmerz ist etwas anderes als die Lust, ich will sagen, er ist
nicht deren Gegenteil. In gewissen Fällen entsteht er unter
der Bedingung einer rhythmischen Reihe von kleinen Schmerzreizen.

Fliegen Sie mit Luftschiffer Berg?

Kann sein.

Haben Sie Angst vor dem Tod?

Wenn ich mich allein photographiere in Bahnhöfen oder auf Flugplätzen, werfe ich die Sache weg oder ich zerreiße sie in kleine Stücke, die  ich aus dem Fenster fliegen lasse, wenn’s ein Zug ist, ich lasse sie in einem Aschenbecher zurück oder in einem Magazin, wenn’s ein Flugzeug ist.

(Pause.)

Der Angst vor dem Tod fehlt es an eigenem Vorstellungsinhalt, sie ist ein Analogon der Kastrationsangst.

…………………………………………………….
War G. bei diesem Vortrag anwesend? Weiß ich nicht mehr.

Jedenfalls lektorierte sie meinen Text, mehr noch, machte sogar eine saubere Abschrift. In meiner Schamlosigkeit tat ich es mit ihren Händen (Hand).

Aus dem Russischen übersetzt von Irina Bondas (Ирина Бондас)

КРАСНОЕ СМЕЩЕНИЕ (IV) - [Сон накануне приезда G.]

russo | Alexander Skidan

Сон накануне приезда G.

В аэропорту я встречаю А., мы едем в город.

Беззаботность, граничащая с безумием.

Потом на скамейке около пруда или какой-то ложбины в парке и в то же время как будто в крохотном скверике на углу Достоевского и Разъезжей. Слева от меня А., справа – Вася Кондратьев в черных косухе, брюках и башмаках, а за ним – кто-то еще. И Вася почему-то поминутно заваливается вперед, «клюет носом», перегибаясь при этом пополам, как гуттаперчевый мальчик, и нам приходится прислонять его тело к спинке скамьи, точно он пьяный или заснул.  

Непонятно, как мы вообще пришли с ним сюда.

Затылком ощущается соседство улицы, отделенной от нас зарослями (вполне иллюзорными): так ведь не может долго продолжаться, надо что-то делать (в смысле, с телом).

В какой-то момент я замечаю, что впереди маячит стена. Мало-помалу она вырисовывается, точно вплотную надвигается сама реальность. Это стена телефонной станции. Место вдруг начинает ощущаться как знакомое (до этого мы были «нигде»).

Словно объектив, через который я смотрю, навели на резкость.

Ужаса я не чувствую, просто В. надо время от времени «выпрямлять».

Теперь А. 

Как всегда, ее появление – непереносимое счастье. Я думал (все мы думали), что ты умерла, а ты, оказывается, просто отсутствовала. Долго-долго. Почему? Так было надо. Но это без слов, одними взглядами.

Любованье.

Точно в самом прикосновении сокрыта преграда.

Опять-таки, как если бы сон использовал мое знание себе во благо, ведь мое знание в том и состоит, что прикоснуться – нельзя.

На руках у меня два мертвеца.

Хочу ли я воскресения А.?

Судя по навязчивости, с какой она возвращается ко мне, – абсолютно. 

Стало быть, я хочу чуда?

Безумие.

Однако у этого безумия, у этого чуда есть «прототип».

Ночной звонок А. из Америки.


«Ничего другого не остается, кроме желания организма умереть на свой лад. И не частично на свой, частично на чужой лад: только по-своему».

Мысль, которую я не в силах оказался произнести в слух.      

(На миг мне показалось, что я коснулся ее.)

© Alexander Skidan / Александр Скидан
Audio production: Haus für Poesie, 2017

ROTVERSCHIEBUNG (IV) - [Traum kurz vor J.s Ankunft]

alemão

Traum kurz vor J.s Ankunft.

Am Flughafen treffe ich A., wir fahren in die Stadt.

Sorgenlosigkeit, die an Wahnsinn grenzt.

Später auf einer Bank am Teich oder irgendeiner Senke im Park, könnte aber auch auf dem winzigen Platz Ecke Dostojewski und Rasjesschaja-Straße sein. Links von mir A., rechts Wassili Kondratjew, ganz in schwarz: Lederjacke, Hose, Schuhe, hinter ihm noch jemand. Aus irgendeinem Grund kippt Wassja
unaufhörlich nach vorne, pennt weg, seine Hüfte knickt dabei ein, sodass er Kopf auf die Knie fällt, wie bei einem Schlangenjungen.  Wir müssen einen Körper an der Banklehne stützen, als wäre er betrunken oder eingeschlafen.

Wie wir überhaupt hierher geraten sind, ist unklar.

Im Nacken spüre ich die Nähe der Straße, von der wir durch Gestrüpp (durchaus imaginäres) abgetrennt sind: Das kann doch nicht so weitergehen, es muss etwas passieren (mit dem Körper, versteht sich).

Irgendwann bemerke ich vor uns die verschwommenen Umrisse einer Wand. Nach und nach zeichnet sie sich ab, als würde die Wirklichkeit selbst sich unausweichlich anbahnen. Das ist die Wand der Vermittlungsstelle. Es fühlt sich auf einmal an, als wäre der Ort vertraut (davor waren wir ‚nirgendwo‘).

Als wäre das Objektiv, durch das ich sehe, scharf gestellt worden.

Ich spüre keinen Schauder, W. muss einfach von Zeit zu Zeit ‚gerichtet‘ werden.

Jetzt zu A.

Wie immer ist ihr Erscheinen unerträgliche Freude. Ich dachte (alle dachten wir), du wärst gestorben, aber du, stellt sich heraus, hast einfach gefehlt. Ewig lange. Warum? Es musste so sein. Aber wortlos das, nur mit Blicken.

Verzückung.

Als läge in der Berührung selbst die Schwelle verborgen.

Ebenso, als würde der Traum mein Wissen zu seinem Vorteil nutzen, besteht doch mein Wissen darin, dass berühren nicht möglich ist.

In den Armen halte ich zwei Tote.

Begehre ich, A.s Auferstehung zu sehen?

Der Zwanghaftigkeit nach zu urteilen, mit der sie zurückkommt zu mir – absolut.

Folglich begehre ich also ein Wunder?

Wahnsinn.

Dieser Wahnsinn, dieses Wunder haben jedoch einen ‚Prototypen‘.

Nächtlicher Anruf A.s aus Amerika.


„Es bleibt, daß der Organismus sterben will nur nach seinem Belieben.
Nicht ein wenig nach seinem Belieben, ein wenig nach dem des anderen: allein nach dem seinen.“

Eine Eingebung, die ich nicht imstande bin, laut auszusprechen.

(für einen Augenblick schien mir, ich hätte sie berührt.)

Aus dem Russischen übersetzt von Irina Bondas (Ирина Бондас)

КРАСНОЕ СМЕЩЕНИЕ (II) - [Когда G. переходит на английский язык]

russo | Alexander Skidan

Когда G. переходит на английский язык, она словно бы отслаивается, как переводная картинка, от расплывающегося образа себя же самой, с которым, казалось бы, породнилась.

Речь преображается, становится неуступчивей, суше; в ней пробуждаются властные нотки неуемности, силы влекущие и отталкивающие, вытесняющие в какой-то вакуум.

Она словно бы отстраняется и с этой дистанции овладевает собой.

Рот сведен в самодостаточном плеоназме.

Замкнут на неприступную идиому.

Запечатан латиницей.

Замкнутость, переходящая в безмерную чуждость, пьянит, как иных – крохотная родинка или шрам на лопатке.

Или легкая асимметричность черт.

Я фетишизирую голос.

Его ствол уходит корнями вниз, в пучину горла, водоворот пищевода, хлев живота, в вавилонские ясли блуда, где так вольготно тонуть.

Причем всякий раз я уподобляюсь ему все больше и больше.
Завораживающая близость.

Just say it.

Она доставляет мне удовольствие – языком, на котором я едва успеваю за ней угнаться, чувствуя, как сам превращаюсь в чужестранца себе самому.

Переведи.

Все чаще и чаще это удовольствие начинает причинять боль.


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(what a horrifying dream...and yes, very kafkian. it seems to me to have so much to do with the power of language – you pronounce yourself guilty, you are pronounced to be arrested – your confinement is in word only – you can leave but you choose to stay. the source of your guilt (hashish) is simultaneously symbolic of home (the keys). you want to write a novel but remember that you are in russia – you can escape to new york, but you lack the "keys" to get in. and so you live below ground, in a small civilization, a sub(way) culture – where life with its movements and celebrations goes on.

strange, but not so strange...)

© Alexander Skidan / Александр Скидан
Audio production: Haus für Poesie, 2017

ROTVERSCHIEBUNG (II) - [Wenn J. ins Englische wechselt]

alemão


Wenn J. ins Englische wechselt, überträgt sie sich buchstäblich, wie
eine Durchschrift, von der eigenen verschwimmenden Gestalt, in
der sie sich, möchte man meinen, eingelebt hat.

Die Rede wandelt sich, wird unnachgiebiger, trockener; gebieterische
Töne von Zügellosigkeit erklingen darin, anziehende und abstoßende
Kräfte, die in irgendein Vakuum drängen.

Sie scheint sich zu entfernen und aus dieser Distanz heraus beherrscht sie sich.

Den Mund gefügt zu einem selbstgenügsamen Pleonasmus.

Geschlossen zu einem unnahbaren Idiom.

Versiegelt mit lateinischer Schrift.

Geschlossenheit, die in unermessliche Fremdheit wechselt, berauscht genauso, wie andere ein winziges Muttermal oder eine Narbe auf dem Schulterblatt.

Oder leichte Asymmetrie der Züge.

Ich fetischisiere die Stimme.

Ihrem Stamm wachsen Wurzeln nach unten, in den Abgrund der Kehle, den Sog der Speiseröhre, den Bauchstall, in babylonische Krippen der Hurerei, wo das Ertrinken hemmungslos ist.

Dabei nähere ich mich ihr immer mehr an.
Hypnotisierende Verbundenheit.

Just say it.

Sie bereitet mir Vergnügen – mit fremden Zungen, denen ich kaum hinterher komme, bemerke wie ich mir selbst Fremdland werde.

Übersetz doch.

Dieses Vergnügen fängt an, immer häufiger schmerzhaft zu werden.


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(what a horrifying dream...and yes, very kafkian. it seems to me to have so much to do with the power of language – you pronounce yourself guilty, you are pronounced to be arrested – your confinement is in word only – you can leave but you choose to stay. the source of your guilt (hashish) is simultaneously symbolic of home (the keys). you want to write a novel but remember that you are in russia – you can escape to new york, but you lack the "keys" to get in. and so you live below ground, in a small civilization, a sub(way) culture – where life with its movements and celebrations goes on.

strange, but not so strange...)

Aus dem Russischen übersetzt von Irina Bondas (Ирина Бондас)

КРАСНОЕ СМЕЩЕНИЕ (I) - [Эти парадные выглядят как разграбленные гробницы]

russo | Alexander Skidan

Эти парадные выглядят как разграбленные гробницы.

Склепы, подвергшиеся нашествию и поруганию с черного входа истории – в эпоху, что сама давно уже отошла в область преданий.

Иные производят впечатление лабиринтов, уводящих в толщу воспоминаний о ледниковом периоде.

Двойная экспозиция позволяет обнаружить призрачную, галлюцинаторную природу этих последних.

Они отслаиваются от сетчатки подстать ветшающей, облезающей штукатурке, за которой проступают все новые и новые геологические слои.

Вслед за их чередой, в зыбкой патине оплывающих контуров, не успевающих, неспособных сложиться в образ, взгляд упирается в стигматы лучащейся прозрачности, почти пустоты.

Так время совершает мертвую петлю.

И вместе с медленным просачиванием его вязкой, тягучей субстанции в зрачок, история совпадает с собственным истоком: насилием.

Точка кристаллизации.

Мессианское застывание хода событий.

Развоплощение равно здесь обретению зрения.

Сверкающий магниевый рубец, сшивающий его обезображенные лоскутья.

Эхо, отпавшее от влажной стихии голоса  и блуждающее в стоячей воде амнезии. Реликты повальной экспроприации.

Очень скоро эти парадные обретут совсем другой вид.

Скорбь выйдет из моды (уже вышла).

Мы присутствуем при последних проблесках исторической истины – ее руинах. Континуум истории должен быть взорван.

© Alexander Skidan / Александр Скидан
Audio production: Haus für Poesie, 2017

ROTVERSCHIEBUNG (I) - [Diese Hauseingänge ähneln geplünderten Grabstätten]

alemão

Diese Hauseingänge ähneln geplünderten Grabstätten.

Gruften, der Eroberung und Entweihung anheimgefallen durch die Hintertür der Geschichte – in einer Epoche, die selbst schon längst im Bereich der Überlieferung liegt.

Andere wirken wie Labyrinthe, die in ein Gewimmel
von Erinnerungen an die Glazialperiode führen.

Zweifache Exposition ermöglicht die Entdeckung des geisterhaften, halluzinatorischen Wesens dieser letzten.

Sie trennen sich ab von der Retina, in Harmonie mit alterndem, bröckelndem Stuck, hinter dem immerzu neue geologische Schichten zum Vorschein kommen.

Ihnen der Reihe nach folgend, in der fluiden Patina rutschender Konturen, denen es nicht gelingt, nicht gegeben ist, sich zu fügen zu einem Bild, stößt der Blick auf die Stigmata strahlender Transparenz, beinahe Leere.

So schließt die Zeit ihren Schleifenflug.

Und auf einmal, mit dem Einsickern ihrer harzigen, zähen Substanz in die Pupille, deckt sich Geschichte mit ihrem eigenen Ursprung: Gewalt.

Kristallisationspunkt.

Lauf der Ereignisse in messianischer Erstarrung.

Entfleischung entspricht hier dem Erlangen des Sehvermögens.

Die schimmernde Magnesiumnaht hält geschändete Fetzen zusammen.

Das Echo, abgefallen von der humiden Urstimme und irrend im Standwasser der Amnesie. Relikte von Massenenteignung.

Sehr bald schon werden diese Hauseingänge ganz anders aussehen.

Trauern kommt aus der Mode (schon passiert).

Wir wohnen dem letzten Wahrheitsschimmern der Geschichte bei – ihren Ruinen. Das Kontinuum der Geschichte muss gesprengt werden.

Aus dem Russischen übersetzt von Irina Bondas (Ирина Бондас)