Halyna Kruk (Галина Крук)

Da stehst du nun mit deinem no-war-Plakat wie mit einem Ablasszettel für

das Unwiderrufliche: der Krieg ist nicht zu stoppen,

wie grelles Blut aus einer zerfetzten Ader

stürzt er hervor, raubt Kraft und Leben,

dringt mit den bewaffneten Leuten in unsere Städte,

springt mit feindlichen Spionagetrupps in die Innenhöfe

wie Quecksilberkügelchen, die man nicht mehr aufsammeln

und zurückschieben, nur auffinden und unschädlich machen kann

für die zivilen Manager, die Angestellten, die IT-ler und Studierenden,

die keine Straßenkämpfe kannten und denen der Krieg jetzt

den Marsch bläst, auf schmerzhaft vertrautem Gelände, in Windeseile

rekrutiert man für die Zivilverteidigung zuerst die Männer mit Kampferfahrung,

und dann sogar die, deren Praxis sich auf Dune und Fallout beschränkt,

ein bekannter Barkeeper gibt noch schnell einen Kurs,

wie man Molotow-Cocktails baut. Im Nachtklub nebenan

schlafen Kinder, weinen Kinder, kommen Kinder

zur Welt, die dafür zur Zeit nicht taugt,

auf dem Spielplatz im Hof werden Tschechenigel gebaut

und tödliche „Drinks“ gemixt – von ganzen Familien,

in trauter Runde, die endlich Gefallen finden am Austausch

und einvernehmlichen kollektiven Schaffen – der Krieg verkürzt den Abstand

von Mensch zu Mensch, zwischen Geburt und Tod,

zwischen dem, was wir nicht wollten,

und dem, wozu wir fähig sind,

„Nun geh schon ran, Mama“, fleht eine Frau im Keller eines Hochhauses,

dumpf und verbissen, schon seit zwei Stunden,

sie glaubt noch an ein Wunder,

aber ihre Mutter hat keinen Empfang, in dem Vorort,

wo Plattenbauen stehen wie billige Baukastensätze,

wegen der unzähligen Einschläge, wo die Sendemasten schon seit gestern

nicht mehr senden, wo die Welt zerbrochen ist in vor dem Krieg und danach,

am ungleichmäßigen Knick auf dem no-war-Plakat,

das du auf dem Heimweg von der Demo

in die nächste Mülltonne wirfst, du russischer Dichter

der Krieg tötet mit den Händen der Gleichgültigen

und auch mit den Händen der untätig Mitfühlenden