Thomas Böhme
Auf dem Ätna
Auf dem Ätna
Wir saßen im klimatisierten Reisebus.
In den Haarnadelkurven glomm auf der Ginster.
Der Cicerone erzählte die Story von Odysseus so
als sei er selber der Listenreiche gewesen.
Der Bus schraubte sich rasch in die Höhe.
Das Gebrüll Polyphems war schon deutlich zu hören.
Schafe mit schweren Bäuchen trotteten abwärts.
Es war rätselhaft, wie ein Recke darunter noch Platz finden sollte.
Der Geblendete, hieß es, hatte das Nachsehen.
Sein Name sei Niemand, sagte der Listige.
Niemand hat mich geschändet, schrie der Zyklop.
Der Lavastrom wälzte sich über den Parkplatz.
An der Gondelstation herrschte Gedränge.
Oben gabs Shuttlebusse und schwarze Schlacke
die von Raupenbaggern zusammengeschoben wurde.
Die Schwefeldämpfe stiegen uns in die Nase.
Unsere Schuhsohlen hinterließen Abdrücke
im samtweichen Ascheteppich. Kleine Türmchen
aus Lavaschotter säumten die Piste.
Die Götter waren taub für die Klage des Riesen.
Im Gänsemarsch folgten wir dem Gestählten.
Er trug eine Sonnenbrille von Armani.
Aus den Bodensenken stieg Rauch auf.
Man konnte die Hand hineinhalten ohne daß sie verdorrte.
Ein Schmetterling flog übern Kraterrand.
Gegoogelt als Südlicher Schwalbenschwanz –
Schwarzgelb bestäubt mit zwei roten Tüpfeln
an den Frackschößen, oder wie man das nennt.
Ich dachte an Odysseus, an all seine Schliche
die den launischen Göttern imponiert haben mußten.
Vor der Rückfahrt tranken wir Latte macchiato.
Er war heiß, wie im Innern der Erde gebraut.
Gewogen blieben auch uns die unnahbaren Götter.
Am Fuß des Vulkans erwartete uns der Imker.
So nippten auch wir vom himmlischen Manna.
Der Schwalbenschwanz, sagt man, ernähre sich nur von Tau.