Oliver Mertins
Was Mirko erzählt
Ist die Zeit, da ich dem Morgen über die Hügel nachging
zu Seen im Nebel, Moderteichen wo Wasservögel schliefen,
Gefieder durchflochten mit verblassenden Sternen,
türkische Tauben am Ufer beim Trinken ihren Kehlring reckten
unterm Malvenlichtschirm, Wärmegewittern voran
ließ ich Kiesel springen über den singenden Spiegel
der aufriß in Glasfontänen wenn die Grillen begannen
Lautperlen auf windgerührte Halme zu fädeln
und meine Kinderhände waren klebrig vom Harz,
in tropfende Blüten getaucht, gedankenverloren
tastend nach dem Lebensgrund wie Mutter beim Stopfen der Gans
im geweiteten Schlund wenn wir mit Stangen Birnen schlugen
vom Glockenbaum und ich die süße Nachricht des Sommers las
aus den Beeren bevor sie die Schwestern zum Einwecken pflückten –
jetzt, im Blutmantelmorgen, da auf kalten Winden
Schwalben fallen mit brennenden Zweigen im Schnabel
durch gähnende Hungerstraßen und sich ein Flammennest bauen
in den Dächern dieser Stadt, welche von einem Tag auf den andern
Mittelpunkt und Ende der bewohnten Welt, auf die ich so oft geblickt
im Morgenniesel von den Hügeln da ich Salamander fing,
mich verbarg vor dem Eber, seinen Hauern, blau von wilden Trauben
und mir klang das Wort vom Mandelregen über Vogelstädten,
seh ich Radspuren der Geschütze auf den Leibern,
Stiefelspuren in zerfressenen Gesichtern, Gedärme, Krähen
und schwärendes Fleisch das ich hastig betaste auf Brot
und Wasser, durch die Linien der Feinde kriechend,
Geschwisterwimmern in den Ohren –Was wollen diese Männer,
in Messer gekleidet, mit ihren Gürteln grauer Birnen –,
ich sehe sie lachen, die Hüte lüften und tanzen
wenn sie einen Blitz entlassen aus dampfenden Rohren
der als Staubgarbe zurückgrüßt aus einem Haus, einer Straße.
Meinen Vater traf eine Stille die vom Himmel fiel,
ein splitternder Trichter aus Luft, meine Mutter, die Tag um Tag
nach Brot anstand, kam nicht nach Haus in unseren Keller
wo meine kleinen Geschwister weinen, es ist eine Nacht bei uns,
bewacht von brandigem Mond, da Zimmer dieser Stadt bewohnt
ausschließlich von Wolken, es ist ein Fluß in dieser Stadt,
darin schwimmen die Mütter offenen Haares durch Mörderreigen,
es sind verdunkelte Häuser in unserer Stadt ganz aus Tränen
und aus Schreien die niemand hört weil sie umschlossen
von Reihen aus Zähnen, gebleckten Zähnen und jedem ein Mundvoll
Blut ist uns der Preis des Schweigens, des geborstenen Schweigens –
warum einen Baum pflanzen, wenn er nur verrinnende Kerze,
warum die Erde bestellen, wenn sie nur dampfendes Maul,
warum einen Grundstein legen, mit schwierigen Händen
Stein auf Stein schichten, zum Richtfest mit Nachbarn feiern,
wenn ein Haus nur eine Peststatt mit rußigen Wänden
und vom Nachbarort Männer Nacht heerführen mit häutigen Trommeln
und der Fremde stumme Gefolgschaft sich sammelt mit kreischendem Scharnier
und gläserne Raben überfliegen brennende Blumen
und der Gast spricht mit Zungen aus offenen Wunden zum klaffenden Stein
und das Tier auf der Lichtung schmilzt über die Halme,
warum ein Kind gebären, wenn ein Mensch nur faulige Lache,
warum eine Stadt gründen, wenn es so leicht fällt alles zu vernichten
und nichts von ihrem Leben bleibt als fauchender Stein,
Asche und verstreutes Gebein darin der Wind bellt
Echo schwarzer Hunde die Litaneienleiern jener Bewohner
die verkrüppelt durch die Wälder ziehen oder in den Bergen hausen –
jede Nacht wird hier zu Grabe getragen, die Türen springen auf
wie schwarze Sonnen, Wände beben und Fenster splittern
während die Kinder in Kellern zittern vor eisiger Trunkenheit
und die Verwundeten auf den Straßen grinsen vor Schmerz,
jede Nacht wiegt uns schwerer auf Entsetzenswaagen,
jede Nacht ist voller Sternschnuppen hier und furchtbarer Wunder,
welches Licht
soll
uns
denn
noch