Richard Pietraß
Beflügelte Nacht
Das Fenster war zum Sommer hin geöffnet
Zugleich verhängt mit Fliegenseide
Daß täglich nicht, noch nächtlich
Summbesuch die Grenze überschreite.
So lag ich auf dem Bett mit meiner Zeitung
Vertieft ins Leben königlichen Bluts
Als ein leiser Geigerzähler
Meine Mondscheinstille knackte.
Ich sackte in die Tiefe meines Nests
Und weitete die Augenschlitze
Bis ich im Obereck des Gazefensters
Die schreckende Erscheinung sah:
Ein Tierchen von der Größe eines Eichblatts
Ein Knäuel von Häuten, kunstgefaltet.
Das Ganze feinsinnigst gestaltet
Aus Knöchelchen, aus Pelz und Widerhaken.
Die Augen Hemdennadelköpfe
Die Ohren flink wie junge Zirkushunde
Die Zähne nicht gleich vorn im Munde
Die Nase zwei versenkte Tropfen.
Bestechend dunkle Engelsflügel
Dünner als Tortillateig, geschmeidig
Luftgespinst im Weibersommer.
Und so was will mir nahekommen ?
Dachte ich im Leisenähertreten.
Mich lahmte der Gedanke an die Zähne
Geschlagen in mein Schläferblut.
So meint ich, auf der Hut zu sein
Und schloß sie zwischen Grill und Scheibe ein
Nahm sie nur in meine Träume.
Anderntags schien sie geschwächt
Warn dickste Fliegen ihr nicht recht
Die ich ans Mückengitter pinnte.
Grad Wasser nahm sie noch von mir.
Doch wars nicht Hundemilch, nicht rote Tinte.
Vorbei ihr Zimmerdeckenflug, vorbei
Der Kopfhang in der Falte der Gardine.
Ein Tag in meiner Neugierminne
Verbrannte sie wie Bogenlampen das Insekt.
Nun trocknet sie als Menetekel
Von Peitschenlampen an die Zimmerwand
Geworfen übers Bett, auf dem ich lieg
Zerknirscht und eingeigelt.