Gundula Schiffer 
Translator

on Lyrikline: 10 poems translated

from: hébreu to: allemand

Original

Translation

נוקטורן

hébreu | Tal Nitzán

עֹנֶג קָצָר, וְהַלַּיְלָה נִשְׁאַר
אָרֹךְ וְאָטוּם וְעָקַר.
הַגּוּף הִתְרַפֵּק עוֹד לְרֶגַע וּכְבָר
נֶאֱסַף לַסָּדִין וְנִסְגַּר.
  
חִבּוּק יִפָּרֵם וְהַחשֶׁךְ יַחְדֹּר
בֵּין זְרוֹעוֹת, וּמִתַּחַת לָעוֹר
הַחַיָּה הַיַּמִּית תִּתְנַעֵר וְתֵעוֹר
וְלֹעָהּ יִּפַּעֵר, אֵין מִסְתוֹר.
  
קִינָה מִתְפָּרֶצֶת בָּרְחוֹב: אַזְעָקָה
כְּאִלּוּ שָׁנִים הפֶּז'וֹ הִתְאַפְּקָה
וּפָקַע הַמֵּיתָר בָּהּ סוֹף-סוֹף.

  וּמִי שֶׁיִּישַׁן, שֶׁיִּשְׁקַע, שֶׁיִּשְׁכַּח,
לֹא יִרְאֶה אֵיךְ עֵינָהּ הַמֵימִית תִּפָּקַח
וְחַיַּת הָאוֹקְיָנוֹס תִּטְרֹף.

© Tal Nitzán
from: Domestica
Am oved, 2002
Audio production: Helicon, 2010

Nocturne

allemand

Ein kurzer Genuss, und die Nacht bleibt
lang, dicht und steril.
Der Körper schmiegt sich noch einmal an und schon
vergräbt er sich im Laken und verschließt sich.

Die Umarmung löst sich auf und die Dunkelheit dringt
zwischen die Arme, und unter der Haut
regt sich und erwacht das Meerestier
und reißt seinen Rachen auf, nirgends ein Versteck.

Auf der Straße bricht ein Wehklagen aus: Alarm,
als sei dem Peugeot, der lange sich fasste,
schließlich der Faden gerissen.

Und wer schläft, versinkt, vergisst,
wird nicht sehen, wie ein wässriges Auge aufgeht
und das Tier des Ozeans verschlingt.

Aus dem Hebräischen von Gundula Schiffer in Zusammenarbeit mit Tal Nitzán

(מתוך: באיזו ארץ)

hébreu | Tal Nitzán


אֲנִי יוֹשֶׁבֶת עַל שְׂפַת בְּרֵכָה, מְשַׁכְשֶׁכֶת רַגְלַיִם בַּמַּיִם הָעֲמֻקִּים. מִישֶׁהוּ דּוֹחֵף אוֹתִי פְּנִימָה. אוּלַי לֹא הָיָה
 דּוֹחֵף אִלּוּ יָדַע שֶׁאֲנִי לֹא יוֹדַעַת לִשְׂחוֹת, אֲנִי חוֹשֶׁבֶת בַּדֶּרֶךְ לְמַטָּה. צוֹלֶלֶת עַד שֶׁבְּהוֹנוֹתַי נוֹגְעוֹת
 בַּקַּרְקָעִית וְעוֹלָה. מוֹצִיאָה אֶת הָרֹאשׁ מֵהַמַּיִם וְיוֹדַעַת שֶׁעַכְשָׁו אֲנִי אֲמוּרָה לִצְעֹק "הַצִּילוּ!" לִפְנֵי
 שֶׁאֶשְׁקַע שׁוּב אֲבָל שָׁכַחְתִּי בְּאֵיזוֹ אֶרֶץ אֲנִי וּבְאֵיזוֹ שָׂפָה צָרִיךְ לִצְעֹק.

© Tal Nitzán
from: The First to Forget
Am oved, 2009
Audio production: Helicon, 2010

(Aus: In welchem Land)

allemand

Ich sitze am Rand eines Schwimmbeckens, plantsche mit den Füßen
im  tiefen Wasser. Jemand schubst mich hinein. Vielleicht hätte er
mich nicht geschubst, wenn er gewusst hätte, dass ich nicht
schwimmen kann, denke ich auf dem Weg nach unten.
Ich tauche ab, bis meine Zehen den Grund berühren und komme wieder
nach oben. Strecke den Kopf aus dem Wasser und weiß,
dass ich jetzt „Hilfe!“ schreien sollte, bevor ich wieder untergehe,
aber ich habe vergessen, in welchem Land ich bin und in welcher
Sprache man schreien muss.

Aus dem Hebräischen von Gundula Schiffer in Zusammenarbeit mit Tal Nitzán

נקרע

hébreu | Tal Nitzán

בַּלַּיְלָה בָּא אֵלַי
הַנַּעַר מֵהָאוֹטוֹבּוּס הַמְּפֻיָּח.
נִקְרָע מִמֶּנִּי שׁוּב וְשׁוּב
כְּשֶׁיָּדָיו נִקְרָעוֹת מִמֶּנּוּ, וְרַגְלָיו,
וַאֲנִי אִמּוֹ.
מִלָּה מְהִירָה
           אִמָּא,
אוּלַי נִפְסְקָה בְּפִיו
כְּשֶׁנִּבְלַע בְּתוֹךְ הָאֵשׁ.
כָּל הַלַּיְלָה אֲנִי מְנַסָּה לְהָשִׁיב אוֹתוֹ
לְיַלְדוּתוֹ אֲשֶׁר יָדְעָה
לְהִתְנַחֵם בִּנְּשִׁיקוֹתַי
עַל כָּל מַכָּה וְחַבָּלָה.
בַּבֹּקֶר צִפּוֹר הָרַדְיוֹ
עוֹלָה מִמְּכוֹנִית לְחַלּוֹנִי
לְצָוֵחַ נָקָם וְשִׁלֵּם:
יָרוּ אוֹ לֹא יָרוּ,
פָּגָז אוֹ לֹא פָּגָז,
לַמִּטְבָּח אוֹ לְקִיטוֹן הַשֵּׁנָה,
עַל שִׁלֵּשִׁים אוֹ גַּם עַל רִבֵּעִים,
שְׁנֵי יְלָדִים (מַה הֵם עָשׂוּ שָׁם בִּכְלָל)
אוֹ רַק אִשָּׁה הָרָה,
זָקֵן חֵרֵשׁ אוֹ קַלְגַּס סוּמָא –
קוּמִי צְאִי
מִבַּלָּהָה לְבַלָּהָה.

© Tal Nitzán
from: An Ordinary Evening
Am oved, 2006
Audio production: Helicon, 2010

Zerrissen

allemand

In der Nacht kommt er zu mir,
der Junge aus dem ausgebrannten Bus.
Wieder und wieder wird er mir weggerissen,
da ihm seine Hände weggerissen werden, und seine Beine,
und ich bin seine Mutter.
Ein hastiges Wort
                         Mutter,
abgeschnitten vielleicht in seinem Mund,
als ihn das Feuer verschlang.
Die ganze Nacht versuche ich, ihm seine Kindheit
zurückzuholen, die sich von meinen Küssen
jeden Schlag und Stoß
zu trösten lassen wusste.
Am Morgen schwingt sich der Radiovogel
aus einem Auto zu meinem Fenster hinauf,
um nach Rache und Vergeltung zu schreien:
Sie haben geschossen oder nicht geschossen,
Granate oder nicht Granate,
in die Küche oder in die Schlafkammer,
auf die Urenkel oder sogar auf die Ururenkel,
zwei Kinder (was haben die da überhaupt gemacht)
oder nur eine schwangere Frau,
ein tauber Greis oder ein blinder Soldat –
auf, erhebe dich*
von Schrecken zu Schrecken.

*Anmerk. der Übers.: Ausdruck aus „Lěcha dodi”, dem Lied für den Empfang des
Shabbats am Freitagabend. Der entsprechende Satz aus
der dritten Strophe lautet: „Heiligtum des Königs, königliche Stadt
(Jěrushalajim), auf, erhebe dich aus der Zerstörung.“

Aus dem Hebräischen von Gundula Schiffer in Zusammenarbeit mit Tal Nitzán

נקודת הרוך

hébreu | Tal Nitzán

…at the hour when we are

trembling with tenderness

lips that would kiss

form prayers to broken stone.


                                    T.S. Eliot

כָּאן מְקוֹם הָרֹךְ.
גַּם אִם הַלֵּב בִּשְׁתִיקַתוֹ
נִבְלָע בְּתוֹךְ הָעִיר כְּמוֹ אֶבֶן –
דַּע שֶׁזּוֹהִי נְקֻדַּת הָרֹךְ.

תֵּן לִי יָד בָּעוֹלָם.
רָאִיתִי אֵם מְדַבֶּרֶת שִׂנְאָה אֶל יַלְדָּהּ,
מַדְבִּירָה בְּמִלִּים,
רָאִיתִי בִּנְיָן מִתְקַפֵּל לְאָבָק,
קוֹמָה לְאַט לְתוֹךְ קוֹמָה –  
כַּמָּה עָלֵינוּ לָחוּס,
כַּמָּה לְשַׁכֵּךְ.

כְּשֶׁלַּיְלָה נִסְגָּר עַל עֹרֶף לֹא מְנֻשָּׁק
אֵין לַזֶּה תַּקָּנָה: לְכָל מַחֲנָק
בְּכָל גָּרוֹן יֵשׁ רַק מַרְפֵּא אֶחָד,
רְאֵה, פָּשׁוּט, זוֹ הַנְּקֻדָּה.

© Tal Nitzán
from: The First to Forget
Am oved, 2009
Audio production: Helicon, 2010

Der weiche Punkt

allemand

…at the hour when we are
trembling with tenderness
lips that would kiss
form prayers to broken stone.
T.S. Eliot


Hier ist die weiche Stelle.
Auch wenn das Herz in seiner Stille
inmitten der Stadt wie ein Stein verschlungen ward –
wisse, dass dies der weiche Punkt ist.

Halte meine Hand in der Welt.
Ich sah eine Mutter, wie sie voll Hass zu ihrem Kinde spricht,
mit Worten vernichtet,
ich sah, wie ein Gebäude zu Staub zerfällt,
langsam, Etage für Etage –
wie viel wir zu bemitleiden,
wie viel wir zu lindern haben.
Wo die Nacht einen ungeküssten Nacken umschließt,
ist das nicht wieder gutzumachen: für jedes Ersticken
in jeder Kehle gibt es nur ein Heilmittel,
sieh, ganz einfach, dies ist der Punkt.

Aus dem Hebräischen von Gundula Schiffer in Zusammenarbeit mit Tal Nitzán

חסד

hébreu | Tal Nitzán

אֶת עֶלְבּוֹן רַעֲבוֹנוֹ שֶׁל הֶעָנִי לֹא תְּפַיֵּס
וְאֶת תְּשׁוּקַת הַנּוֹקֵם הַיּוֹקֶדֶת לֹא תְּשַׁכֵּךְ
וְעַל הַבַּיִת הַמִּתְנַתֵּץ בְּגוּפְךָ לֹא תָּגֵן  
וְאֶת עֶגְלַת הַתִּינֹקֶת הָעוֹלָה בִּסְעָרָה
לֹא תִּבְלֹם וְתוֹרִיד אַרְצָה בְּרֹךְ
וְאֶת מֶמְשֶׁלֶת הָרֶשַׁע לֹא אַתָּה תְּכַלֶּה מִן הָאָרֶץ

עֲשֵׂה אֵפוֹא לְבֵיתְךָ

לֵךְ אֶל אוֹהֲבְךָ
אֶל יְחִידְךָ
אֶל הַתְּחִנָּה הַצְּהֻבָּה בַּחֲרַכֵּי עֵינָיו
וּכְבשׁ אֶת פָּנֶיךָ בְּפַרְוָתוֹ.

לִטּוּף אֶחָד
לְחָתוּל אֶחָד
בָּעוֹלָם.

© Tal Nitzán
from: An Ordinary Evening
Am oved, 2006
Audio production: Helicon, 2010

Güte

allemand

Die Kränkung von des Armen Hunger wirst du nicht versöhnen
und die brennende Begierde des Rächers wirst du nicht stillen
und das Haus, das man niederwalzt, wirst du mit deinem Körper nicht schützen
und den Kinderwagen, der im Sturm hochgeht*,
wirst du nicht mit Sanftheit aufhalten und wieder auf die Erde bringen
und die Herrschaft des Bösen wirst nicht du aus dem Lande tilgen

deshalb sorge dich um dein eigenes Heim

geh zu dem, den du lieb hast,
zu deinem Einzigen**,
zum gelben Flehen in den Schlitzen seiner Augen
und verbirg dein Gesicht in seinem Fell.

Eine Zärtlichkeit
für eine Katze
in der Welt.

Anmerk. der Übers.:

* Der hebräische Wortlaut lässt die Entrückung des Propheten Elias
(2 Könige 2, 11B) anklingen: „[…] Eli jahu stieg im Sturm
zum Himmel” (Buber).

** Die hebräischen Zeilen erinnern an die Bindung Isaaks
(Gen 22,2A): „Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, […]“ (Luther).

Aus dem Hebräischen von Gundula Schiffer in Zusammenarbeit mit Tal Nitzán

הילד השלישי

hébreu | Tal Nitzán

אֲנִי יַלְדֵּךְ הַלֹּא-נוֹדָע.
אֲנִי הַנֶּגָטִיב
בֵּין שְׁנֵי יְלָדַיִךְ כְּחֻלֵּי הָעַיִן
הַמִּזְדַּהֲרִים עַל רֶקַע חֶשְׁכַתִּי.
אֲנִי שְׁכוּחֵךְ, נֶעֱלָמֵךְ, אֲנִי
בְּעוּטֵךְ.
אֲנִי כּוֹרֵעַ – בְּעוֹד הֵם עוֹצְמִים עֵינַיִם
וּמוֹשִׁיטִים יָדַיִם לַמַּתָּנָה –
כְּמִתְחַנֵּן
לַמַּכָּה שֶׁלֹּא תִּנָּתֵן.
נִזּוֹן מִשֹּׁבֶל הַשּׁוֹקוֹ שֶׁהֵם מוֹתִירִים,
מֵאִוְשַׁת צֶלוֹפָן.
מִתְכַּוֵּץ בַּלַּיְלָה בְּפִנַּת
מִטּוֹתֵיהֶם, שָׁם מְכַתְּרוֹת אוֹתָם
חַיּוֹת פַּרְוָה זְעִירוֹת
כְּבִצּוּרִים מִפְּנֵי כָּל רַע,
אוֹרֵב לִשְׁעַת הַפֻּלְחָן הַלֵּילִי,
עֵת תִּדְרְכִי עַל אֶצְבְּעוֹתַי בְּלִי דַּעַת
וְתִרְכְּנִי לְהֵיטִיב אֶת שְׂמִיכוֹתֵיהֶם הַשְּׁמַנְמַנּוֹת.
כְּשֶׁתַּעַצְמִי אֶת עֵינַיִךְ
(הַיְּרוּקוֹת כְּשֶׁלִּי!)
אֶתְגַּנֵּב מִתַּחַת לִשְׁמוּרוֹתַיִךְ וְאֶלְאַט:
אִמָּא.
אִם תְּנַסִּי לְגָרֵשׁ אֶת בִּעוּת פָּנַי
תְּגַלִּי בִּכְלִמָּה
שֶׁגַּם אֶת שְׁמִי אֵינֵךְ יוֹדַעַת.

© Tal Nitzán
from: An Ordinary Evening
Am oved, 2006
Audio production: Helicon, 2010

Das dritte Kind

allemand

Ich bin dein unbekanntes Kind.
Ich bin das Negativ
zwischen deinen beiden blauäugigen Kindern,
die gegen den Hintergrund meiner Dunkelheit strahlen.
Ich bin, was du vergessen, was dir entschwunden, ich bin,
was du verstoßen hast.
Ich knie nieder – indes sie die Augen schließen
und die Hände nach dem Geschenk ausstrecken –
als flehten sie um den Schlag, der nicht kommt.
Ernähre mich von der Kakaospur, die sie hinterlassen,
vom Rascheln des Zellophanpapiers.
In der Nacht schrumpfe ich in der Ecke
ihrer Betten zusammen, dort umgeben sie
winzige Plüschtiere
wie Basteien gegen alles Böse,
lauere auf die Zeit für das nächtliche Ritual,
wenn du, ohne es zu wissen, auf meine Finger trittst
und dich nach vorne beugst, ihre aufgebauschten Plümos zu glätten.
Wenn du deine Augen schließt
(die grün sind wie meine!)
stehle ich mich unter deine Lider und flüstere:
Mama.
Versuchst du, den Alptraum meines Gesichts zu verbannen,
wirst du voll Schande entdecken,
dass du noch nicht einmal meinen Namen kennst.

Aus dem Hebräischen von Gundula Schiffer in Zusammenarbeit mit Tal Nitzán

בימי כּוֹלֵרה

hébreu | Tal Nitzán

פָּנֵינוּ זֶה לְזֶה,
גַּבֵּנוּ לְפֻרְעָנֻיּוֹת הָעוֹלָם.
מֵאֲחוֹרֵי הָעֵינַיִם
וְהַוִּילוֹנוֹת הָעֲצוּמִים,
בְּבַת אַחַת
שָׁרָב וּמִלְחָמָה.
הַשָּׁרָב יָפוּג רִאשׁוֹן,
רוּחַ קְלוּשָׁה
לֹא תָּשִׁיב אֶת
הַנְּעָרִים הַיְּרוּיִים,
לֹא תַּצֵן
אֶת חֲרוֹן הַחַיִּים.
הַבְּעֵרָה
גַּם אִם תִּתְמַהְמֵהַּ בּוֹא תָּבוֹא,
מַיִם רַבִּים לֹא יְכַבּוּ וכו',
גַּם יָדֵינוּ שֶׁלָּנוּ אָרְכָּן
יָפֶה רַק לְגֵוֵנוּ:
אֲנַחְנוּ הָמוֹן קָטָן מוּסָת
לְהִלָּפֵת לְהִתְנַשֵׁך
לְהִתְבַּצֵּר בַּמִּטָּה
שָׁעָה שֶׁבָּאוּזוֹן מֵעָלֵינוּ
מִתְרַחֵב חִיּוּךְ לַעֲגָנִי.

from: Domestica
Am oved, 2002
Audio production: Helicon, 2010

In Zeiten der Cholera

allemand

Wir schauen einander an,
wenden den Katastrophen der Welt den Rücken zu.
Hinter den Augen  
und den schweren Vorhängen
ist auf einmal
Hitze und Krieg.
Die Hitze beruhigt zunächst,
ein leichter Wind
wird nicht die erschossenen Jungen
zurückbringen,
wird nicht den Zorn der Lebenden
kühlen.
Der Brand,
auch wenn er zögert, wird doch kommen,
die vielen Wasser vermögen nicht zu löschen usw. *
Auch reicht die Länge unserer Hände
nur für unsere Körper.
Wir sind eine kleine Meute, dazu aufgehetzt,
uns im Bett zu winden, zu beißen,
zu verschanzen,
während sich im Ozon über uns
ein verächtliches Lachen breit macht.
 


*Anmerk. der Übers.: Hoheslied bzw. Gesang der Gesänge, 8,7A:
„Die vielen Wasser vermögen nicht die Liebe zu löschen,
/ die Ströme können sie nicht überfluten“ (Buber).

Aus dem Hebräischen von Gundula Schiffer in Zusammenarbeit mit Tal Nitzán

בַּסִּירָה הַצָּרָה אֲנַחְנוּ שְׁנַיִם.

hébreu | Tal Nitzán


The wounded forms appear:

the loss, the full extent.


Leonard Cohen

בַּסִּירָה הַצָּרָה אֲנַחְנוּ שְׁנַיִם.
אִשָּׁה אַחַת זְקוּפָה כְּעוֹרֵב
וְיֶלֶד בְּלָבָן. אִתָּנוּ הַשַּׁיָּט,
פָּנָיו פְּנֵי כָּל אֶחָד.
הַשָּׁמַיִם בַּרְזֶל סָמִיךְ,
לַמַּיִם צֶבַע בִּטְנוֹ שֶׁל סַרְדִין,
בָּבוּאַת הַסִּירָה בָּהֶם לַהַב כָּחֹל.
רַקְבּוּבִית אֵירוֹפָּה בְּאַפֵּנוּ.

אִם אֲנִי הַיֶּלֶד יֵשׁ לִי כּוֹבַע מַלָּחִים
וְשָׁלשׁ פְּנִינֵי דִּמְעָה עַל לֶחִי עֲגֻלָּה
קוֹפְאוֹת אֶל צַוְּארוֹנִי הַפָּרוּשׂ.
אִם אֲנִי הָאִשָּׁה הַמִּתְנוֹדֶדֶת מֵעָלָיו
עֵינַי תְּלוּיוֹת בְּשׁוּם גָּדָה.
לֹא מֶשִׁי וְצֶמֶר בְּגָדַי
כִּי מְשִׁיחוֹת צֶבַע שְׁחֹרוֹת,
וְהַשְּׁטָרוֹת בְּאַרְנָקִי
מִכְתָּבִים בִּדְיוֹ קְסָמִים:
בְּהֶרֶף עַיִן אֱמֶת הוֹפֶכֶת לִכְלוּם.

אִם אֲנִי הַיֶּלֶד אֲנִי יוֹדֵעַ רַק:
בְּהוֹנוֹתַי מְאֻבָּנִים מִפַּחַד,
לַמַּיִם פֶּה גָּדוֹל.
אִם אֲנִי הָאִשָּׁה, תַּחַת פִּרְחֵי כּוֹבָעִי
הַתְּפוּחִים כְּמוֹ מֶדוּזוֹת,
הַקּוֹל הָאוֹמֵר לִי, בּוֹטֵחַ,
בְּתוֹךְ הַהִינוּמָה הַשְּׁחֹרָה: דְּעִי,
לֹא יִהְיֶה לָךְ מָנוֹח.
הָאָרִיג יִתָּלֵשׁ מִן הַפֶּצַע לְאַט,
שׁוּב
       וְשׁוּב

© Tal Nitzán
from: The First to Forget
Am oved, 2009
Audio production: Helicon, 2010

In dem engen Boot sind wir zu zweit

allemand

The wounded forms appear:
The loss, the full extent

Leonard Cohen


In dem engen Boot sind wir zu zweit.
Eine Frau gerade wie ein Rabe
und ein Kind in Weiß. Bei uns ist der Fährmann,
mit seinem Allerweltsgesicht.
Der Himmel dickflüssiges Eisen,
das Wasser hat die Farbe eines Sardinenbauchs.
Die Spiegelung des Boots darin eine blaue Klinge.
Europas Mulm in unserer Nase.

Bin ich das Kind, habe ich einen Matrosenhut
und drei Perlen Tränen auf einer runden Wange
gefrieren auf meinen aufgeschlagenen Kragen zu.
Bin ich die Frau, die über ihm schwankt,
sind meine Augen an keinerlei Ufer geheftet.
Mein Kleid ist weder aus Seide noch aus Wolle,
sondern aus schwarzen Farbstrichen,
und die Scheine in meiner Geldbörse
sind Briefe in Zaubertinte:
Innerhalb eines Augenblicks löst sich Wahrheit in nichts auf.

Bin ich das Kind, so weiß ich nur das:
Meine Zehen sind vor Angst versteinert,
das Wasser hat ein großes Maul.
Bin ich die Frau, ist unter den Blumen meines Huts,
die angeschwollen sind wie Quallen,
die Stimme, die mir sagt, sicher,
unter schwarzem Schleier: Wisse,
du wirst keine Ruhe haben.
Das Tuch wird langsam von der Wunde gerissen werden,
wieder
                          und wieder

Aus dem Hebräischen von Gundula Schiffer in Zusammenarbeit mit Tal Nitzán

אפשרויות

hébreu | Tal Nitzán

- נֹאמַר שֶׁאַתָּה שׁוֹכֵב עַל הַצַּד, הָמוֹן זְמַן, עוֹד מְעַט נוֹבֶמְבֶּר וְאַתָּה עַל אוֹתוֹ הַצַּד, הַלְּחִי כְּבָר
כּוֹאֶבֶת לְךָ, גַּם הָאֹזֶן כּוֹאֶבֶת, הַצַּוָּאר מְעֻקָּם, הַצְּלָעוֹת נִמְחָצוֹת וְכֹל הַגּוּף שֶׁלְּךָ צוֹעֵק דַּי.

- אֶסְתּוֹבֵב לַצַּד הַשֵּׁנִי.

- נֹאמַר שֶׁאֵין לְךָ צַד שֵׁנִי.

© Tal Nitzán
from: The First to Forget
Am oved, 2009
Audio production: Helicon, 2010

Mögliches

allemand

- Nehmen wir an, du liegst auf der Seite, ungeheuer lange, bald ist
November und du liegst  auf derselben Seite, die Wange tut dir
schon weh, auch das Ohr tut weh, der Hals ist verdreht, die Rippen
sind zerquetscht und dein ganzer Körper schreit es reicht.
- Ich werde mich auf die andere Seite drehen.
- Nehmen wir an, du hast keine andere Seite.

Aus dem Hebräischen von Gundula Schiffer in Zusammenarbeit mit Tal Nitzán

אחר צהריים וילדה

hébreu | Tal Nitzán

קַמְתְּ בִּלְחָיַיִם לוֹהֲטוֹת
וּבְפָנִים מְכֻוָּצוֹת מִצַּעַר הַיְּקִיצָה.
עַצְבוּת בַּת שָׁלשׁ:
נִחוּשׁ הָעַצְבוּיּוֹת שֶׁעוֹד צְפוּיוֹת לָךְ.
בַּמֶּה יָּכֹלְתְּ לְהִתְנַחֵם.
הִמְשַׁכְתִּי לְהַדְפִּיס בְּיַד אַחַת,
לִטַּפְתִּי אוֹתָךְ בַּשְּׁנִיָּה.
אַתְּ לֹא חוֹשֶׁבֶת עָלַי –
אוּלַי עַל סֻכָּרִיָּה אוֹ עַל אַרְיֵה,
אוּלַי רַכֶּבֶת.
גַּם אֲנִי לֹא חוֹשֶׁבֶת עָלַיִךְ –  
עַל יָנוּאָר קַר דָּלוּחַ
שֶׁהָיָה רוֹבֵץ בֵּינִי לַמָּסָךְ
לוּלֵא נִדְחַקְתְּ כָּאן.
עַכְשָׁו מַתְחִיל לְהִתְנַעֵר בָּךְ קֹצֶר-רוּחַ.
גַּם בִּי:
אַתְּ מַפְרִיעָה לִי לִכְתֹּב אֶת הַשִּׁיר עָלַיִךְ.

© Tal Nitzán
from: Domestica
Am oved, 2002
Audio production: Helicon, 2010

Nachmittag und kleines Mädchen

allemand

Bist mit glühenden Wangen und einem Gesicht, verkrampft
vor Bedauern über das Erwachen, aufgestanden.
Eine Traurigkeit, drei Jahre alt.
Vorahnung der Traurigkeiten, die dich noch erwarten.
Womit hättest du getröstet werden können.
Ich tippte mit einer Hand weiter,
streichelte dich mit der anderen.
Du denkst nicht an mich –
vielleicht an eine Süßigkeit, vielleicht an einen Löwen,
vielleicht eine Eisenbahn.
Auch ich denke nicht an dich –
an einen kalten, trüben Januar,
der zwischen mir und dem Bildschirm gekauert hätte,
wenn nicht du dich hier vorgedrängt hättest.
Jetzt beginnt sich Ungeduld in dir zu regen.
Auch in mir:
Du hinderst mich daran, das Gedicht über dich zu schreiben.

Aus dem Hebräischen von Gundula Schiffer in Zusammenarbeit mit Tal Nitzán