Timo Berger 
Translator

on Lyrikline: 250 poems translated

from: anglais, portugais, espagnol, arawak, galicien to: allemand

Original

Translation

A poem for the descendants of toughness

anglais | Elis Rita

In all you do,
A soft life is what I wish for you
For Our grandparents
And their parents
To honour their tough times
Me and you should live a soft life

I wish you softness and kindness
Strength and mindfulness
That even in your struggles
You find the time for cuddles
And deep breaths
And deep rest
A nest

I wish you softness in feelings
Not weakness in willing
That like our grandparents
And their parents
You learn the value of hard work
And deep love
And to praise the above

Agian, I wish you softness in feelings
Emotional healing
The right mix of ecstasy and stability
That you reap the fruits of loving healthily
That you know selfless love
That you know easy love
That you know reliable love
That "rest your head here", that fluffy kind of love
That you find your self-love

I wish you softness in the body and mind
With less demands
A clear conscience and soft hands
May all your regrets stay behind
May the future stay in the far away land
So that today can be the firm ground on which you stand

I know self-doubt
Has conditioned your flight
I know that hurt
Made you forget your might
It maybe that hereditary toughness made you uptight
Maybe habit or trauma
Have blurred ease from your sight

So,

I wish you softness in the eye
That you smile at hello and at goodbye
That you can laugh at your own face when you cry
That you're so light that you can choose to stay or fly
That you can gaze at your dreams
Enjoy each phase and choose your own hymns

I wish you breeze
I wish you ease
I wish you fresh fruits and swimsuits
I wish you soft
Under the  sun's rays
And on Sunday greys,
On unmusical days
And rough times
When nothing rhymes
I wish you so much soft
That you see in you the Devine.

They want us in constant state of fight
They want us in lack, suffering and not reaching hights

So,

In all that you do
I wish that you embrace the strength of softness within you
To the descendants of toughness
Remember your highness
Because ours is a revolution of softness.

© Elis Rita
Audio production: Haus für Poesie 2023

Ein Gedicht für die Nachfahren der Zähigkeit

allemand

Bei allem was ihr macht

Fände ich für euch ein sanftes Leben angebracht

Für Unsere Großeltern

Und ihre Eltern

Um ihre harten Zeiten zu ehren

Sollten ihr und ich ein sanftes Leben führen


Ich wünsche euch Sanftheit und Freundlichkeit

Stärke und Achtsamkeit

Dass ihr auch in euren Kämpfen Zeit

Findet für Zärtlichkeit

Und Atmen ohne Hast

Eine lange Rast

Ein Nest


Ich wünsche euch sanfte Gefühle

Und keinen schwachen Willen

Dass ihr wie unsere Großeltern

Und deren Eltern

Den Wert von harter Arbeit lernt

Und von tiefer Liebe

Und die oben genannten zu loben


Nochmals, ich wünsche euch sanfte Gefühle

Emotionale Heilung

Die richtige Mischung aus Stabilität und Ekstase

Dass ihr erntet die Früchte einer gesunden Liebe

Dass ihr erfahrt selbstlose Liebe

Dass ihr erfahrt einfache Liebe

Dass ihr erfahrt verlässliche Liebe

Dass ihr „euren Kopf hier ausruhen könnt“, diese flauschige Art der Liebe

Dass ihr findet eure Selbstliebe


Ich wünsche euch Sanftheit in Körper und Geist

Mit weniger Wünschen

Weiche Hände und ein reines Gewissen

Dass all eure Reue zurückbleibt

Dass die Zukunft bleibt in einem fernen Land

Damit das Heute der feste Grund sein kann, euer Stand


Ich weiß, dass der Selbstzweifel

eure Flucht bedingt hat

Ich weiß, dass der Schmerz

eure Kraft zunichte gemacht hat

Vielleicht die geerbte Zähigkeit euch verkrampft hat

Vielleicht die Gewohnheit oder das Trauma

Leichtigkeit aus Eurem Blick nahm


So


Wünsche ich euch Sanftheit in den Augen

Dass ihr lächelt zur Begrüßung und zum Abschied

Dass ihr lachen könnt, selbst wenn ihr weint

Dass ihr so leicht seid, dass ihr wählen könnt, ob ihr fliegt oder bleibt

Dass ihr schauen könnt auf eure Träume

Genießt jede Phase und wählt eure eigenen Hymnen


Ich wünsche euch eine Brise

Ich wünsche euch alles easy

Ich wünsche euch frische Früchte und Badeanzüge

Ich wünsche euch sanft

Unter den Sonnenstrahlen

Und an grauen Sonntagen

An unmusikalischen Tagen

Und raue Zeiten

Ganz ohne Reime


Ich wünsche euch so viel Sanftheit

Dass ihr in euch das Göttliche seht.


Sie wollen, dass wir ständig fighten

Sie wollen, dass wir Mangel leiden und keine Gipfel erreichen


So


Bei allem was ihr tut

Wünsche ich, dass die Stärke der Sanftheit in euch ruht

An die Nachkommen der Zähigkeit

Erinnert euch an eure Erhabenheit

Denn unsere ist eine Revolution der Sanftheit.


Übersetzung von Timo Berger

Mulembeira

portugais | Elis Rita

Cheguei À casa e encontrei-te desordenado
Estás descomposto
De rosto caído
Os teus movimentos são descoordenados
Olhas distante,
Suspiras dispersamente.

eu sei, depois do que te aconteceu, devia enxugar-te as lágrimas
Limpar-te o suor desse rosto perdido
injectar-te sangue novo
Preencher-te os vãos
Dar-te amor reparador
Reparar-te a dor.

Mas, sabes,
O vento frio que congelou a tua sensibilidade e te fez insano
Naquele cacimbo que te cobriste com outros panos
Hoje soprou a minha compaixão para outras aldeias
Hoje resfriou-me o coração, congelou-me as veias.

Entende,
Não te quero ver mal…
É que não te vejo mais

Olho-te com desprezo
Compreendo-te mas não te sinto
Respeito mas não mais te desejo
Deve ser o instinto
De quem cansou-se de estar ao dispor das maldades alheias,
De quem atravessou o deserto e desbravou teias
Por amores perversos
Promessas que me viraram do avesso
Paixões que disso não passaram

É que hoje essas migalhas já não me bastam!

Reergui-me blindada
Capacitei-me auto amada
Emparedei as inseguranças antigas
Típicas do tempo em que era maltratada
Tomei um banho com as minhas qualidades
Despi-me de medos e vaidades

Sei que sou meiga e carinhosa,
Faladora,
Corajosa,
Sonhadora
Inteligente,
Impaciente,
De mente ardente,
Um pouco teimosa, mas de mim orgulhosa.

E nem tu me irás derrubar
Nem tu, outrora meu príncipe,
Me vais aprisionar
Não mais, não vais,
Jamais!

Então engole o choro meu amor,
Recolhe o jogo psicológico de transmissão de culpa e dor
Recua nessa táctica de guerra
Não aceito mais ser aquela que por mim, por ti e por todos erra.

É que eu sou como a Mulembeira
Formosa e imponente,
Trago sorrisos até aos distantes
Diante da mim não há quem não se encante

Eu reúno olhares apaixonados e mentes brilhantes
Ao meu redor formam-se políticas e produz-se mística

É que, meu caro, eu não sou uma árvore típica
É que eu sou como Mulembeira
De raízes bem suportadas na terra
E decidi dar sombra só a quem me merece!

Então, esses teus truques de principiante
Podem até abanar os meus ramos,
Fazer cair algumas folhas
Iniciar desenganos,
Mas já não me derreto quando tu me olhas

Por isso, esse tronco tu não derrubas,
Essa mulher, tu não mais deslumbras.

E se me perguntares o que me deu, o que me aconteceu
Que raios me activaram essa energia,
Direi que não há nada melhor do que ser minha,
Que quando me perdeste descobri que sou rainha
E que hoje, do fundo do coração a ti agradeço
Por seres fonte de ignição total
Deste incêndio tropical.

Não há combustível melhor que o recomeço!

Então engole o choro meu amor,
Recolhe o jogo psicológico de transmissão de culpa e dor
Recua nessa táctica de guerra
Não aceito mais ser aquela que por mim, por ti e por todos erra.

É que eu sou como Mulembeira
e as minhas raízes estão bem firmes na terra
Por isso esquece!
Decidi dar toda essa minha sombra só a quem me merece!

© Elis Rita
Audio production: Haus für Poesie 2023

Mulembeira-Baum

allemand

Ich kam nach Hause und fand dich verwirrt vor

Regelrecht aufgelöst bist du

Dein Gesicht derangiert

Deine Bewegungen unkoordiniert

Mit abwesendem Blick

Seufzt du zerstreut.


ich weiß, nach dem, was dir passiert ist, sollte ich deine Tränen trocknen

Den Schweiß von diesem verlorenen Gesicht wischen

dir neues Blut injizieren

Dir deine Lücken füllen

Dir Liebe geben, die dich wiederherstellt

deinen Schmerz abstellt.


Aber, weißt du,

Der kalte Wind, der deine Empfindungen betäubte und dich krank machte

In jener Trockenzeit, die dich unter andere Decken brachte

Blies heute in andere Dörfer mein Mitgefühl

Kühlte heute mein Herz, ließ meine Adern gefrieren.


Verstehe,

ich will nicht, dass es dir schlecht geht ...

Doch ich sehe dich nicht mehr.


Mit Verachtung blicke ich auf dich.

Ich verstehe dich, aber fühle dich nicht.

Ich respektiere dich, aber ich begehre dich nicht.

Das muss der Instinkt sein

Von jemandem, der es satt hat, dass er von Untaten anderer abhängt

Einer, der die Wüste durchquert hat und Netze gebändigt

Für perverse Lieben

Versprechen, die mich komplett umkrempelten

Leidenschaften, die nicht darüber hinausgingen


Heute will ich mehr als diese Krümel sehen!


Gepanzert richtete ich mich wieder auf

Selbstliebe verspüre ich nun zuhauf

Zog Mauern um die alte Unsicherheit

Misshandelt zu werden war normal für lange Zeit

Ich nahm in meinen Stärken ein Bad

Legte meine Ängste und Eitelkeiten ab


Ich weiß, ich bin sanft und zärtlich

gesprächig

mutig

träumerisch

gescheit

immer bereit

Mit regem Geist

Ein bisschen stur, aber stolz auf mich


Und auch du wirst mich nicht niederreißen

Noch du, mein einstiger Fürst

Mich bringen hinter Gitter aus Eisen

Nie mehr, bist nicht der

niemals mehr!


So schlucke die Tränen, mein Schatz

Spar dir das psychologische Spiel der Übertragung von Schuld und Schmerz

Verzichte auf diese Kriegstaktik

Ich will nicht mehr die sein, die für mich, für dich und für alle, irrt.



Übersetzung von Timo Berger

Granma's Hands

anglais | Elis Rita

My blackness was confirmed by the darkness in her glow
Grandma had a sweet tone to alternate her harsh-lived voice so low

Poised, elegant, long nails and a wig
My grandma learned too soon to thrive and hide her wit
To talk white and learn to knit

She sang their songs loudly
And hushed her own
How lucky was I to fall asleep to her hushed songs till I was grown?

Whenever doubt came about
And the yellow peaked through my bones
When TV and the Gram said because I was lighter
I was not my people's own,
I had grandma's face staring me right ahead
Saying: don't you dare reject
The legacy that made you erect
Our names don't you dare forget
Nor the kimbundu songs that put you to bed

She said:
when they question your essence and make your ground shake
Tell them your great-great-grandfather was a Village King, a wise man and great master
That you are the descendant of Soba Kamasa

Show them how your swaying hips
Resemble the wind singing God's hymns

Laugh out lout at their faces
For they will never know the lightness of our blackess

Thet even though you are mixed
In you dances the truth of ancestral belonging
You are my grandchild and a daughter of this land and thus never longing

Because when you are born black
From black
Raised black
By a mother black
Whether in green pastures
Or scary ruptures
Your soul will never lack

For in you lives the universe
Put together all the galactic colors and the result as a hole is still black

How I miss my grandma's hands
Braiding my hair
Hiding me coz my mom's spanking wasn't fair

Teaching me by example
That a great woman's integrity and care must be ample

Remind me that my freedoms today cost her some hard  life choices back in the day

I know my grandma's is sitting nice and cozy up above
And I thank her for teaching me some good old black ambundu love.

© Elis Rita
Audio production: Haus für Poesie 2023

Omas Hände

allemand

Mein Schwarzsein fand sich wieder in der Dunkelheit ihrer Glut

Oma hatte einen süßen Ton, neben ihrer verlebten Stimme in Alt


Souverän, elegant, lange Nägel und Perücke

Zu früh lernte meine Oma sich zu entwickeln, ihren Witz zu verstecken

Wie eine Weiße zu sprechen und zu stricken


Die Lieder von ihnen sang sie laut

Und ihre eigenen leis‘

War es ein Glück: Bis ich groß war, schlief ich zu ihren Liedern ein?


Wann immer Zweifel sich äußerten

Und das Gelb* durch meine Knochen schimmerte

Wenn TV und Insta behaupteten, weil ich heller bin

Gehöre ich nicht zu meinen Leuten

Starrte mich Omas Gesicht direkt an

Und sagte: Wage es nicht, zu vernichten

Das Erbe, das vermochte dich zu errichten

Wage es nicht, über unsere Namen zu richten

oder die Kimbundu**-Lieder, die dich ins Bett brachten


Sie sagte:

wenn sie dein Wesen in Frage stellen, dir den Boden unter den Füßen wegziehen

Erzähl ihnen: Dein Ururgroßvater war ein Village King, ein weiser Mann und großer Meister

Du bist die Nachfahrin von Soba Kamasa


Zeig ihnen, wie deine schwingenden Hüften

Dem Wind ähneln, wenn er singt Gottes Hymnen


Lach ihnen laut ins Gesicht

Denn sie erkennen das Leichtsein unseres Schwarzseins nicht


Dass selbst wenn du gemischt bist

Tanzt in dir die Wahrheit einer angestammten Zugehörigkeit

Du bist meine Enkelin und Tochter dieses Landes und daher nie sehnsüchtig


Weil wenn du geboren wurdest, schwarz

Eltern, schwarz

Aufgewachsen, schwarz

Die Mutter, schwarz

Ob auf grünen Weiden

Oder bei fürchterlichem Leiden

Niemals scheitern wird dein Herz


Denn in dir pulsiert das Universum

Füge alle galaktischen Farben zusammen, das Ergebnis ein Loch – immer noch schwarz


Wie ich die Hände meiner Oma vermisse

Die flochten mein Haar

Versteckten mich, weil die Dresche meiner Mutter unfair war


Sie lehrte mich durch ihr Beispiel

Eine bedeutende Frau benötigt an Integrität und Fürsorge ziemlich viel


Erinner‘ mich daran, dass meine Freiheit darauf basiert, was sie früher unter Schmerzen entschied


Ich weiß, meine Oma sitzt jetzt nett und gemütlich da oben

Und ich will sie für die gute alte schwarze Ambundu***-Liebe loben.



* „Yellow bone“ ist ein Ausdruck, der in den Ländern des südlichen Afrikas verwendet wird, um sich auf Schwarze Frauen zu beziehen, die entweder zwei „Races“ zugehörig, gemischt oder hellhäutig sind. Er wird in der Regel als Kompliment verwendet, weil sie im Rahmen dessen liegen, was als schön angesehen wird, aber er enthält ein Element der Übersexualisierung hellhäutiger Schwarzer Frauen und hebt sie in gewisser Weise von anderen dunkelhäutigen Schwarzen Frauen ab und stellt ihr Schwarzsein in Frage. (Kolorismus, eine Folge des Rassismus). Und es hat eine doppelte Bedeutung, da es mit Bilis zusammenhängt, es ist sauer und es dringt durch und hinterlässt einen bitteren Geschmack, obwohl es eigentlich eine gute Sache sein soll, Anm. d. Dichterin.

** Kimbundu ist die Sprache der ***Ambundu, eine angolanische Volksgruppe, die u. a. in der Nähe der Hauptstadt Luanda lebt, Anm. d. Ü.



Übersetzung von Timo Berger

FISH BLOCK

espagnol | Sergio Raimondi

Porque por supuesto aún la misma fluidez del pez en el agua
a ver, mas específicamente: ese vértice agudo y extendido
de la merluza de cola magallánica útil para moverse en orden
múltiple a cien dos tres cuatrocientos metros de profundidad
vuelta otra vez a las capas altas del Atlántico y Pacífico sur
ha de terminar compactada solidificada congelada embalada
para asumir así la forma vigente de la producción industrial


paralelogramo premium de siete kilos y medio de filet de hoki
medida estandarizada y universal de la lengua y las máquinas 
comercio y transporte a través de parelelogramos semejantes
ángulos sin imperfecciones y una superficie alisada de vacío
exacta para diluir los movimientos de la mano que enviscera
extrae el epitelio y se dispone ya a realizar el despinado fino
a bordo de un arrastrero cuya bandera no importa demasiado.

© Sergio Raimondi
from: Para un diccionario crítico de la lengua
Audio production: Haus für Poesie / 2017

FISH BLOCK

allemand

Weil selbstverständlich auch die Wendigkeit des Fisches im Wasser,

also, genauer gesagt, die spitz zulaufende Flosse des Langschwanz-

Seehechts, mit der er in zwei-, drei-, vierhundert Metern Tiefe

im Schwarm mit hunderten anderen Artgenossen schwimmt –

nun wieder in den oberen Schichten des Südatlantiks oder -pazifiks –

ihr Ende finden muss: gepresst gehärtet gefroren verpackt

und so erhält sie die vorherrschende industrielle Produktionsform



ein Premiumparallelogramm aus siebeneinhalb Kilo Hoki-Filet

standardisiertes und universales Maß der Sprache und der Maschinen

das man in ähnlichen Parallelogrammen handelt und transportiert

makellose Kanten und eine durchs Vakuumieren geglättete Oberfläche verbergen die Bewegungen der Hand, die den Fisch ausnimmt

Drüsengewebe herausschabt und sorfältig Gräten entfernt

an Bord eines Trawlers, der unter einer beliebigen Flagge fährt.

Übersetzung der Gedichte aus dem argentinischen Spanisch von Timo Berger.

Querida Marina

espagnol | Marina Mariasch

No me gusta el título
ya lo escuché en otro lado.
Parece el título
de una canción de Bon Jovi
solista o de Leonard
Cohen o de ¿Andersen
eran? Los hermanos que
fabulaban. O no,
nada que ver, de Bioy
Cortázar, esos que te hecen amar
a los 18 y después
odiás.  La parte afectadita
literario-pop es la que menos
me gusta. Me gusta
la parte industrial, hit trolo
es decir: femenino. ¿Son “las chicas”
las que hacen cortar tanto? No sé
no sé por qué
la insistencia. Cortar versos
¿Cuál es? Me gustaría que un día
me expliques esos cortes. Ni ahí
los entiendo. ¿Por qué
todas las chicas hablan mal
de sus ex-novios? ¿Por qué
qieren tener bebés?
¿Lo de los cuerpos deformados?
Ah, sí. Pero más denotativo que esto
difícil. Gestos punk
como poner música fuerte
para joder al vecino
en la tarde del viernes más cálido del año.
Pero es el movimiento doble del realismo
que amo. Es el ritmo, aquí,
lo que estremece.

© M.M.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Liebe Marina

allemand

Ich mag den Titel nicht

hab ihn schon woanders gehört.

Er klingt wie der Titel

eines Songs von Bon Jovi

als Solist oder Leonard

Cohen oder waren es die

Andersens? Die Brüder, die

Märchen erzählten. Oder nein,

ganz falsch, von Bioy

Cortázar, die, die du mit achtzehn

lieben musstest und danach

gehasst hast. Das Manirierte,

Popliterarische mag ich

am wenigsten. Ich mag

das Industrielle, den Hit für Schwule

meine: das Weibliche. Sind es «die Mädchen»

die soviel Verse brechen? Ich weiß nicht

ich weiß nicht wieso

diese Insistenz, Verse zu brechen

Was ist daran? Ich hätte gerne, dass du mir einmal

diese Zeilenbrüche erklärst. Auch dort

verstehe ich sie nicht. Warum

reden alle Mädchen schlecht

von ihren Exfreunden? Warum

wollen sie Babys bekommen?

Das mit den entstellten Körpern?

Ah, doch. Aber bedeutsamer als das,

schwierig. Es ist die doppelte Bewegung

des Realismus, die ich liebe.

Es ist der Rhythmus, hier

der aufwühlt.

Übersetzt von Timo Berger

El poeta menor ante el nacimiento de su hijo

espagnol | Sergio Raimondi

Luego de hallar, tras días de búsqueda, el lápiz
en la cabina del camioncito de los bomberos,
y de comprobar la independencia de juicio
del heredero, que rompe las páginas predilectas
e intactas deja las indiferentes, el poeta menor
decide dialogar con su mujer sobre un tema clave:
la organización espacial y temporal de su labor,
en la casa, luego del nacimiento del hijo.
A lo largo de la conversación se tocan varios temas:
compra de comestibles y artículos de limpieza,
pago de impuestos, turnos para el cuidado,
diversión, alimentación e higiene del niño,
ausencia de cuidado, diversión, alimentación
e higiene de la pareja, necesidad de registrar
sus primeros pasos, frecuencia de uso del
—vulgarmente denominado— chupete,
amables formas de imponer distancia a los abuelos.
Cuando una mutua mudez evidencia el final,
el poeta menor comprueba que su inquietud
ha sido desplazada en vista de otras urgencias.
Esa noche, como un inspirado romántico
que aprovechase el silencio de los mortales
para dejar fluir el carácter alado de sus versos,
canta durante horas una canción de cuna.

© Sergio Raimondi
from: Poesía Civil
Bahía Blanca: VOX, 2001
Audio production: Haus für Poesie / 2017

Der poeta minor angesichts der Geburt seines Sohnes

allemand

Nachdem er tagelang seinen Bleistift suchte,

ihn im Fahrerhäuschen der Spielzeugfeuerwehr fand

und feststellte, dass das Urteil des Stammhalters unabhängig ist,

da er die geliebten und gelungenen Seiten zerreißt und

die mittelmäßigen verschont, entscheidet der unbedeutende Dichter

mit seiner Frau über ein Hauptproblem zu sprechen:

die räumliche und zeitliche Organisation seiner Arbeit

zu Hause, jetzt nach der Geburt des Sohnes.

Im Verlauf des Gesprächs werden mehrere Themen behandelt:

Einkauf von Lebensmitteln und Reinigungsartikeln,

Steuern und Abgaben, Zeiten für Betreuung,

Vergnügen, Fütterung und Hygiene des Kindes,

und den Mangel an Betreuung, Vergnügen, Fütterung und Hygiene

in der Beziehung, die Notwendigkeit, die ersten Schritte

festzuhalten, die Häufigkeit des Einsatzes dessen,

was für gewöhnlich Schnuller genannt wird, Wege,

die Großeltern freundlich auf Distanz zu halten.

Als beidseitiges Verstummen einsetzt, stellt

der unbedeutende Dichter fest, dass seine Unruhe

von größeren Sorgen verdrängt worden ist.

Wie ein inspirierter Romantiker,

der das Schweigen der Sterblichen nutzt,

um den Versen freien Lauf zu lassen, singt er

in dieser Nacht stundenlang ein Wiegenlied.

Aus dem argentinischen Spanisch von Timo Berger
In: Sergio Raimondi: Poesía civil | Zivilpoesie. Gedichte. Leipzig: Reinecke & Voß, 2017

BARTLEBY, O QUE FOI POETA (2)

portugais | Luís Filipe Castro Mendes

Só sei responder à vida com poemas:
e a alternativa é viver a vida
sem dar por ela,

sem lhe responder, fingindo
não lhe dar troco,
esgueirando-me entre suas voltas

para poder não escrever.
Porque se eu tivesse aprendido alguma coisa,
se eu tivesse mesmo
alguma coisa para dizer,

por certo não responderia à vida com poemas.

© Luís Filipe Castro Mendes
from: Lendas da Índia
Lisboa: Publicações Dom Quixote, 2011
ISBN: 978-972-20-4629-9

BARTLEBY, DER EIN DICHTER WAR (2)

allemand

Ich kann dem Leben nur mit Gedichten begegnen:

eine Alternative wäre das Leben zu leben

ohne es zu beachten,

 

ohne ihm zu begegnen, so zu tun

als würde man sich nicht darum scheren,

sich seinen Wendungen davonstehlen,


um nicht zu schreiben.

Denn wenn ich eine Sache gelernt hätte,

wenn ich wirklich

etwas zu sagen hätte,

 

würde ich dem Leben sicher nicht mit Gedichten begegnen.

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

UMA POTÊNCIA DEVE RESPLANDECER

portugais | Miguel Manso

Uma potência deve resplandecer. Como se faz? Pelo brio e pelo deleite. O bom sacerdote tem um corpo fixo e outro fluido radiante: com o primeiro pratica o mundo nas coisas segundas, com o segundo pratica o mundo nas coisas primeiras.

 Afazeres para hoje: escavar na rocha uma igreja etíope.   

© Miguel Manso
from: Estojo
Lisboa: Relógio D´Água, 2020
ISBN: 978-989-783-088-4
Audio production: Casa Fernando Pessoa

EINE MACHT MUSS MIT GLANZ ERSTRAHLEN

allemand

Eine Macht muss mit Glanz erstrahlen. Aber wie? Mit Feuer und mit Freude. Ein guter Priester hat einen festen und einen flüssigen, strahlenden Körper: Mit dem ersten übt er die Welt der zweiten Dinge, mit dem zweiten übt er die Welt der ersten Dinge.


Die heutige Aufgabe: eine äthiopische Kirche aus dem Felsen zu graben.

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

[à noite quando a lua repousa no ombro]

portugais | Miguel Manso

à noite quando a lua repousa no ombro
mais chegado à melancolia

a chávena mal se distingue no parapeito
e a peste dos meus versos alastra lá ao fundo
numa abandonada escrivaninha

sou o escravo doído que repousa do idioma
entregando‑se ao inaparente ruído dos insectos
e de mãos tombadas sobre o vazio

vela o descomedido trauma terreal

© Miguel Manso
from: Persianas
Lisboa: Tinta-da-China, 2015
ISBN: 978-989-671-255-6
Audio production: Casa Fernando Pessoa

NACHTS, WENN DER MOND AUF DER SCHULTER RUHT

allemand

nachts, wenn der Mond auf der Schulter ruht

der Melancholie am nächsten

 

ist die Tasse auf der Fensterbank kaum zu erkennen

und auf einem verwaisten Schreibtisch im Hintergrund

breitet sich die Plage meiner Verse aus


ich bin der versehrte Sklave der sich von der Sprache erholt

und sich dem unscheinbaren Lärm der Insekten hingibt

mit über die Leere gehaltenen Händen


wacht er über das maßlose irdische Trauma

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

Surde no silêncio uma solidão anecóica

portugais | Miguel Manso

Surde no silêncio uma solidão anecóica. Pode ouvir-se o sangue bater nas paredes das artérias, o assobio nas esquinas nasais, o sacudir da folhagem respiratória. De pé, olhos cerrados, parados mas alargando sempre na quadrícula cósmica, atravessa-nos por dentro um pássaro pequeno, como fagulha, raio, incisão, ideia imprecisa ou disparo. No avesso das pálpebras, também alojado na cóclea do ouvido, uma salva de fosfenos e acufenos floreja nesses internos. Quando por fora, gregários, olhiagudos, o que nos separa uns dos outros é sempre um pequeno muro entre quintais. Intransponível.

© Miguel Manso
from: Estojo
Lisboa: Relógio D´Água, 2020
ISBN: 978-989-783-088-4
Audio production: Casa Fernando Pessoa

AUS DER STILLE ENTSTEHT EINE SCHALLTOTE EINSAMKEIT

allemand

Aus der Stille entsteht eine schalltote Einsamkeit. Man hört das Blut in den Wänden der Arterien schlagen, das Pfeifen in den Nasenwinkeln, das Zittern des Atemlaubs. Aufrecht, die Augen geschlossen, stillstehend, aber die kosmische Gitterzelle immer weiter ausdehnend, während ein kleiner Vogel unser Inneres kreuzt, wie ein Funke, Blitz, Einschnitt, vager Gedanke oder Schuss. Hinter den Augenlidern, ebenfalls in der Hörschnecke, erblüht eine Salve von Phosphenen und Tinnitus. Wenn wir draußen sind, gesellig, glotzend, ist das, was uns voneinander trennt, stets ein Mäuerchen zwischen Hinterhöfen. Unüberwindbar.

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

VOZ DE WENCESLAU DE MORAES

portugais | Miguel Manso

espero há anos outro coração

para dele fazer a única mobília
neste cubículo em madeira anosa murado a papel
a que também chamamos tórax

é transplante adiado
carece que primeiro morra um dador, que ocorre
ser eu neste exílio em mim
tão distante tão tautócrono

espero e caibo
no que excedeu o contorno exótico e flutua
hoje no melodrama
convive com o fim, sazão de tudo
o que alguma vez viveu

um dia este saco velho
atado pela baraça do ego romperá
voltarei à condição mineral
serei uma pequena galáxia de cinzas
e de pó

a minha água e a minha sede
separadas

a fome e o anseio
esvaziados

tudo adentrando
na boceta de charão que guarda
as pérolas
e os planetas

venderão as porcarias
que o mundo veio juntar à porta dos meus dias
e paguei com o afecto dos anos

ocuparei as fotos
mover‑me‑ei na rigidez caricata
das aventesmas

suporão quiçá remirar‑me
no peixinho‑dourado que nada no tanque
destes vocábulos mas já
o peixe terá sido lançado ao rio
na festa do ano novo

© Miguel Manso
from: Mortel
Coimbra: Do Lado Esquerdo, 2018
Audio production: Casa Fernando Pessoa

STIMME VON WENCESLAU DE MORAES

allemand

seit Jahren warte ich auf ein anderes Herz

 

um es zum einzigen Mobiliar zu machen

in dieser alten tapezierten Holzkammer

die wir auch Brustkorb nennen

 

es ist eine verspätete Transplantation

zuerst muss ein Spender sterben, zufällig

bin ich es in meinem inneren Exil

so entfernt, so isochron


ich warte und füge mich

in das, was die exotischen Konturen übersteigt und heute

im Melodrama treibt

mit dem Ende koexistiert, Zeit von allem

was je gelebt hat


eines Tages wird dieser alte Sack

zugebunden mit dem Strick des Egos platzen

ich gehe über in den mineralischen Zustand

werde zu einer kleinen Galaxie aus Asche

und Staub


mein Wasser und mein Durst

voneinander getrennt


Hunger und Sehnsucht

entleert


alles dringt ein

in die lackierte Dose zur Aufbewahrung

der Perlen

und Planeten


sie werden den Müll verhökern

den die Welt vor die Tür meiner Tage gehäuft hat

und ich mit der Zuneigung von Jahren bezahlte


ich werde auf allen Fotos auftauchen

mich bewegen mit der lächerlichen Steifheit

der Gespenster


sie denken vielleicht, ich sähe mich

in dem Goldfisch, der durchs Becken

dieser Vokabeln schwimmt, doch den Fisch

hat man schon in den Fluss geworfen

zum Neujahrsfest

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

O MEL DOS HIMALAIAS

portugais | Miguel Manso

a tarde quente

e rodeada de cordilheiras fundas
de águias aos círculos a vigiarem dos deuses
a morada

no terraço de um restaurante crudívoro
entre Sol e ruína
falto de fuminhos e estrugidos

engoli sumos grossos de fruta
esgotado das complicadas especiarias do amor
e farto da Índia que vira e não vira

um corvo

veio pousar no muro
tão mais rápido que a foto que não pude
queimou contudo o negativo
da memória que este poema revela e fixa
com o suor da viagem

aqui está — vê‑lo? — mofando
do infortúnio
aqui estou
sentado à mesa de ferro gasto
pelo sucessivo antojo do prodígio suspenso
com os dedos obscuros tocando o copo
a palhinha

diante do azar há
quase sempre um lugar de amparo
basta reconhecê‑lo

o meu não tardou a vir na forma
frágil de um apícola
que descia do lado da encosta roto e maculado
rindo‑se

parou junto às mesas pôs
no chão o pote que trazia pesado nos ombros
abriu‑o e juro

saiu de dentro uma luz de baú
pejado de riquezas
untou um galho naquilo instigou
os poucos que ali estávamos a provar
do favo

provámos

© Miguel Manso
from: Persianas
Lisboa: Tinta-da-China, 2015
ISBN: 978-989-671-255-6
Audio production: Casa Fernando Pessoa

HIMALAYA-HONIG

allemand

 

für Raquel Nobre Guerra

 

der Nachmittag, heiß

 

und umgeben von hohen Bergketten

kreisenden Adlern, die über die Götter wachen

den Ort

 

auf der Terrasse eines Rohkost-Restaurants

zwischen Sonne und Ruin

das Fehlen von Rauch und Brutzeln

 

ich schlürfe sämige Fruchtsäfte

erschöpft von den schwierigen Gewürzen der Liebe

und überdrüssig des Indiens, das ich sah und nicht sah


eine Krähe

 

landete auf der Mauer

so viel schneller als das Foto, das ich nicht schoss

es verbrannte jedoch das Negativ

der Erinnerung, die dieses Gedicht entwickelt und fixiert

mit dem Schweiß der Reise


hier ist es – siehst du es? – vermodernd

in der Misere

hier bin ich

an einem eisernen Tisch, abgenutzt

durch den unablässigen Appetit des verhinderten Wunderkinds

mit dunklen Fingern, die das Glas berühren

den Strohhalm


angesichts des Unheils gibt es

fast immer einen Zufluchtsort

es genügt ihn zu erkennen


meiner erschien wenig später in der vergänglichen

Form eines Imkers

der den Abhang hinunterlief, zerlumpt und besudelt

lachend


blieb er bei den Tischen stehen, stellte

den schweren Kübel ab, den er auf den Schultern trug

öffnete ihn und - ich schwöre -


ein Licht drang aus dem Inneren des Gefäßes

voller Schätze

in das er einen Zweig hineinsteckte und die wenigen

die da waren, aufforderte: Kostet

von den Waben


wir kosteten

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

NOSSA SENHORA DE ROCAMADOUR

portugais | Luís Filipe Castro Mendes

4.
Nós peregrinos caminhamos para ti deste todas as derrotas,
filhos espúrios da História, enjeitados de todos os triunfos,
chegamos a ti com o olhar turvo e a pisada amarga
e não somos bonitos de ver: caminhamos sobre toda a miséria
que o mundo amassou.

Somos muitos séculos e muitas dores,
chegamos a ti com as feridas abertas
e o coração endurecido. Mas viemos.
Que tu nos recebas é o que nos espanta,
Que tu nos esperes é o que nos maravilha,
aqui estamos.

Senhora do lado escuro do tempo,
Virgem Negra da grande Dor,
Um anjo não estará ao teu lado quando nos vires chegar,
nenhuma gota de água nos virá benzer
e a música continuará calada à beira do teu rosto
que não sorri.

Nós peregrinos para ti caminhamos
e assim será sobre todas as coisas
e todos os tempos.

© Luís Filipe Castro Mendes
from: A Misericórdia dos Mercados
Porto: Assírio & Alvim – Grupo Porto Editora, 2014
ISBN: 978-972-37-1744-O
Audio production: Casa Fernando Pessoa

UNSERE LIEBE FRAU VON ROCAMADOUR

allemand

4.

Wir Pilger gehen dir entgegen aus allen Niederlagen,

Bastarde der Geschichte, Findelkinder aller Triumphe,

wir kommen zu dir mit trübem Blick und schweren Schritten

schön sind wir nicht anzuschauen: wir gehen über all das Elend,

das die Welt zusammenfügte.

 

Wir sind viele Jahrhunderte und viele Schmerzen,

wir kommen zu dir mit offenen Wunden

und verhärteten Herzen. Aber wir kommen.

Dass du uns empfängst, erstaunt uns,

Dass du uns erwartest, begeistert uns,

hier sind wir.


Liebe Frau der dunklen Seite der Zeit,

Schwarze Muttergottes des großen Schmerzes,

Kein Engel wird an deiner Seite sein, wenn du uns kommen siehst,

nicht ein einziger Wassertropfen wird uns segnen

und die Musik wird weiter schweigen an der Kante deines Gesichts

das nicht lächelt.


Wir Pilger gehen dir entgegen

und so soll es sein über alle Dinge

und alle Zeiten.

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

A NOITE DE 24 DE ABRIL DE 2020

portugais | Luís Filipe Castro Mendes

Ouço a rádio esta madrugada
à espera de uma senha.
Bem sei que tudo o que me devia acontecer
já aconteceu. Bem sei que cada dia
traz consigo uma maré com a espuma da esperança
e que só contamos a nós próprios o naufrágio
muito tarde nas nossas vidas.
Sempre haverá um sinal na noite, uma canção, uma luz
de pirilampos sobre o deserto das cigarras.
E seja agora o mais novo quem entende a senha
e a transporta na fúria do seu coração.

© Luís Filipe Castro Mendes
from: Voltar
Porto: Assírio & Alvim – Grupo Porto Editora, 2021
ISBN: 978-972-37-2158-4
Audio production: Casa Fernando Pessoa

DIE NACHT DES 24. APRILS 2020

allemand

Ich höre heute Morgen Radio

und warte auf ein Zeichen.

Ich weiß ja, dass alles, was mir geschehen sollte

schon geschehen ist. Ich weiß auch, dass jeden Tag

die Flut eintrifft mit einem Hoffnungsschaum

und dass wir uns selbst von dem Schiffsbruch

erst spät im Leben erzählen.

In der Nacht wird da immer ein Signal sein, ein Lied, ein Licht

der Glühwürmchen über der Zikadenwüste.

Und so mag es jetzt der Jüngste sein, der das Zeichen versteht

und es fortträgt in der Wut seines Herzens.


Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

POETA AOS SETENTA ANOS

portugais | Luís Filipe Castro Mendes

Um gesto a que assomasse algum amor
ou um olhar solidário de velho camarada:
nem eles poderiam já infectar de vida insolente
o deserto dos dias que se movem por detrás das altas janelas
ou por dentro dos subterrâneos.

Ninguém mais vem para a varanda cantar teimosamente
o que dói nas nossas vozes e dorme nas nossas veias.
Os sinos continuam a tocar nos dias escuros e claros
sobre ruas desertas ou só atravessadas a medo, porta a porta,
vida a esconder-se de viver.

Pela noite alguém escreve, mas sabe que não escreve para si
nem para os leitores que perdeu noutras idades.
Que um rosto assome à janela, que um verso se perca na rua,
que o nosso orgulho de viver possa durar para além das nossas vidas.

© Luís Filipe Castro Mendes
from: Voltar
Porto: Assírio & Alvim – Grupo Porto Editora, 2021
ISBN: 978-972-37-2158-4
Audio production: Casa Fernando Pessoa

DICHTER MIT SIEBZIG

allemand

Eine Geste, in der etwas Liebe aufblitzt

oder der vertraute Blick eines alten Kameraden:

nicht mal sie könnten noch mit ungehörigem Leben anstecken

die Wüste der Tage, die hinter hohen Fenstern verstreichen

oder in unterirdischen Gängen.

 

Niemand mehr betritt den Balkon, um hartnäckig zu singen,

was in unseren Stimmen schmerzt und unseren Venen schläft.

Die Glocken läuten jedoch an dunklen und klaren Tagen

über menschenleeren oder nur ängstlich durchquerten Straßen, von Tür zu Tür,

Leben, das sich vor dem Leben versteckt.

 

Nachts schreibt jemand, weiß aber: Er schreibt nicht für sich

auch nicht für die Leser, die er zu anderen Zeiten verloren hat.

Möge ein Gesicht am Fenster erscheinen, ein Vers sich auf der Straße verlieren,

möge unser Stolz zu leben, andauern, über unser Leben hinaus.

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

IMITADO DE ALBERTO CAEIRO

portugais | Luís Filipe Castro Mendes

Ontem um homem das cidades
veio explicar-me os valores da vida.
Disse-me que a minha sobrevivência era um privilégio
e o aconchego dos banqueiros uma justiça.
Falou-me de uma nova sociedade, feita da esperteza e água fresca.
Deixei-o falar.
Ele não sabe que ficou também do lado dos que perdem
e até o descobrir virão mais rosas
e a areia cobrirá todos os jardins.

© Luís Filipe Castro Mendes
from: A Misericórdia dos Mercados
Assírio & Alvim – Grupo Porto Editora, 2014
ISBN: 978-972-37-1744-O
Audio production: Casa Fernando Pessoa

NACH ALBERT CAEIRO

allemand

Gestern kam ein Mann der Städte

und erklärte mir den Wert des Lebens.

Er sagte mir, mein Überleben sei ein Privileg

und die Bequemlichkeit der Bänker gerecht.

Er sprach von einer neuen Gesellschaft aus Klugheit und Frischwasser.

Ich ließ ihn reden.

Er weiß nicht, dass auch er auf der Seite der Verlierer steht

und bis er es bemerkt, sprießen weiter Rosen

und Sand legt sich auf alle Gärten.



*Anm. d. Ü.: Albert Caeiro ist eines der Heteronyme von Fernando Pessoa. 

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

[Detectan su fin]

espagnol | Agustín Fernández Mallo

Detectan su fin, van haciéndose transparentes los cuerpos,
ves cómo se funden con el paisaje –ves a través de ellos el paisaje-.
Es paradójico porque más que nunca la carne reivindica
en esos momentos su porqué

-una flecha se clava en el aire y se hace aire y luego telón y cae y levanta
un polvo sin propietario-.

Ya nadie se llamará como yo,
me dijo.

© Agustín Fernández Mallo
from: Ya nadie se llamará como yo
Audio production: Haus für Poesie, 2022

[Sie erahnen ihr Ende]

allemand

Sie erahnen ihr Ende, langsam verblassen die Körper,

du siehst, wie sie verschmelzen mit der Landschaft – du sieht durch sie die Landschaft –.

Es ist paradox: Mehr denn je rechtfertigt das Fleisch

in diesen Augenblicken sein Warum

 

– ein Pfeil schlägt in die Luft ein und wird zu Luft und dann zu einem Vorhang und fällt und wirbelt

Staub auf, der niemandem gehört –.

 

Niemand wird mehr so heißen wie ich,

sagte er zu mir.

Aus dem Spanischen übersetzt von Timo Berger

[La esperanza cóncava que se forma]

espagnol | Agustín Fernández Mallo

La esperanza cóncava que se forma
al mear sobre nieve,
mapa:
genoma y cassette de territorio,
el cuerpo:
fundir pistas, alterar pistas,
vemos en el alma cristal,
materia pulida,
pero es rugosa, en sus crestas radiaba incandescente
el espectro de lo que vendría,
            los valles tampoco eres tú,
            un átomo emite un electrón
            y reordena el mundo     
                                         [repetimos]
un átomo emite un electrón
            y reordena el mundo,
 aunque hay flashes y humus allí abajo
los acordes están hace tiempo repartidos,
pasa un coche
sin luces, se lleva  por delante
todo cuanto le es irreversible: su propia luz,
la mujer que cruza de acera, una bolsa
de basura que
                        emite sus residuos
                        y reordena el mundo,
en el mismo centro de masas de tu edad
no hay masa, luz
que avanza a hachazos
hasta la bombilla desnuda del dormitorio
[agua, espacios blandos]
toda bombilla es polvo de orina,
                           incolora pupila,
 me apago, y una ninfa susurra desde el televisor,
tranquilos, vengo del futuro
para traeros algo mejor
,
y sin embargo faltan muescas
en mi sistema métrico decimal,
encontraste un papel con grasa
del primer bistec de la Creación, latas
de Fanta Free aplastadas,
el envoltorio de unos Panini de Knorr
que se venden a pares por si se vive a pares,
[contienes la risa]
residuos de un espacio tomado
por la sordomuda expansión
de las costumbres, una luna llena
de quimioterapia,
qué cubo de hielo en un desierto
hubiera sido tu nariz operada,
damos vueltas a la Tierra en espiral para pensar
que todavía es plana, que el Equipo-A y Jorge Luís Borges
no son la misma cosa, que el verano es
el aparato cazamosquitos en su enchufe: luz roja vigila
cada noche el Universo por ti,
pero tarde o temprano amanece, el sol,
tabulado en la persiana indica
que su verso es siempre el mismo verso,
y que además
está vacío, suspensivos de luz,
pero, ¿qué luz?,         
un átomo emite un fotón
y oscurece el mundo,
la infancia es un átomo que emite
la partícula ã hasta que morimos,
(…)

© Agustín Fernández Mallo
from: Antibiótico
Audio production: Haus für Poesie, 2022

[Die konkave Hoffnung]

allemand

Die konkave Hoffnung, die entsteht

beim Pinkeln auf Schnee,

Karte:

Genom und Kassette des Geländes,

der Körper:

Spuren verschmelzen, Spuren manipulieren,

in der Seele erkennen wir Kristall,

polierte Materie,

doch sie ist rau, über ihren Spitzen leuchtet glühend

das Gespenst dessen, was kommen wird,

           die Täler bist du auch nicht,

           ein Atom emittiert ein Elektron

           und reorganisiert die Welt     

                                        [wir wiederholen

ein Atom emittiert ein Elektron

           und reorganisiert die Welt,

obwohl es da unten Blitze und Humus gibt,

die Akkorde sind längst verteilt,

ein Auto fährt vorbei

ohne Licht, es schiebt alles vor sich her,

was unumkehrbar ist: sein eigenes Licht,

die Frau, die über die Straße geht, eine Tüte

Müll, die

                       emittiert ihren Abfall

                       und reorganisiert die Welt,

im Schwerpunkt deines Alters

keine Masse, Licht,

das sich seinen Weg bahnt

zur nackten Glühbirne im Schlafzimmer

[Wasser, weiche Räume]

jede Glühbirne ist Urinpulver,

                          farblose Pupille,

ich schalte mich ab, und aus dem Fernseher flüstert eine Nymphe,

ruhig, ich komme aus der Zukunft

und bringe euch etwas Besseres,

und dennoch fehlen Kerben

in meinem metrischen Dezimalsystem,

du hast ein Papier gefunden mit Fett

vom ersten Steak der Schöpfung, plattgedrückte

Dosen Fanta Free,

die Verpackung eines Knorr Panini

die zu je zwei verkauft werden, für den Fall das du zu zweit lebst,

[du unterdrückst das Lachen]

Abfälle eines Raumes,

eingenommen von der taubstummen Ausbreitung

der Gebräuche, ein Vollmond

wie eine Chemo,

welcher Eiswürfel in einer Wüste

wäre deine operierte Nase gewesen,

wir drehen uns in Spiralen um die Erde, um am Glauben festzuhalten,

dass sie flach ist, dass A-Team und Jorge Luís Borges

nicht dasselbe sind, dass der Sommer

die eingesteckte Moskitospirale ist: Rotes Licht wacht

jede Nacht über das Universum für dich,

aber früher oder später dämmert es, die Sonne

demonstriert durch das Gitter der Jalousie:

Ihr Vers bleibt immer derselbe Vers

und außerdem ist er

leer, Auslassungen des Lichts,

doch welchen Lichts?

Ein Atom emittiert ein Photon,

und die Welt verdunkelt sich,

die Kindheit ist ein Atom, es emittiert

das Teilchen ã – bis zu unserem Tod,

(…)

Aus dem Spanischen übersetzt von Timo Berger

[Yo he ganado y perdido]

espagnol | Agustín Fernández Mallo

Yo he ganado y perdido muchas horas mirando el ascenso vertical de las burbujas del agua con gas en un vaso. Una velocidad constante que según cierto principio de relatividad equivale a decir nula. Un ascender para hundirse en la atmósfera [que según San Juan de la Cruz equivale a decir tierra]. La mano sin óxido en la que me sumerjo. Y me la das sabiendo que no hay futuro en el fondo de los vasos salvo para organismos simples, unicelulares, fango que queda tras la caída de un cosmos, el hueco que deja su propia trayectoria. No hay célula más simple que el beso aunque su fuerza invalide las distancias y el espacio [o la luz [que es el espacio]], aunque todo aquello se corrompa ahora en este ascenso de burbujas vertical y nulo, en esta sombra de la luz que es decir más luz, esta semblanza del silencio, este moteado cuántico en la pantalla del cual no se puede hablar y hay que callar como dijo el maestro en el Punto 7 y al que llamaré [es natural] pixelado nº7.

© Agustín Fernández Mallo
from: Carne de píxel
Audio production: Haus für Poesie, 2022

[Mir wurden viele Stunden geschenkt]

allemand

Mir wurden viele Stunden geschenkt und wieder genommen, als ich den senkrecht aufsteigenden Bläschen in einem Glas Mineralwasser zusah. Eine konstante Geschwindigkeit, was nach einem bestimmten Prinzip der Relativität das gleiche ist, wie „null“ zu sagen. Ein Aufsteigen, um in die Atmosphäre zu sinken [was laut San Juan de la Cruz das gleiche ist, wie „Land“ zu sagen]. Die rostfreie Hand, in die ich eintauche. Die du mir reichst, wissend, dass auf dem Grund des Glases bloß eine Zukunft für einfache Lebewesen wartet, Einzeller, Schlamm, der nach dem Untergang eines Kosmos zurückbleibt, die Lücke, die dessen Bahn zurücklässt. Es gibt keine einfachere Zelle als den Kuss, auch wenn seine Kraft die Distanzen und den Raum aufhebt [oder das Licht [das der Raum ist]], auch wenn all das jetzt in diesem senkrechten und nichtigem Aufsteigen der Bläschen verdirbt, in diesem Schatten des Lichts, das heißt in mehr Licht, in diesem Lebensbild der Stille, in diesem Quantenflecken auf dem Bildschirm, über den man nicht sprechen kann und schweigen muss, wie der Meister in Abschnitt 7 gesagt hat, und dem ich einen neuen Namen gebe [natürlich]: Verpixeltes Nr. 7.


Aus dem Spanischen übersetzt von Timo Berger

[Horizonte recostado]

espagnol | Agustín Fernández Mallo

1
Horizonte recostado, tardes de sábado,
arde el sofá y lo que de materia le sobra al día.

¿Es la poesía una gangrena en la prosa
que la desguaza y esparce en torno a un epicentro
que no se ve? [tu Women´s Secret por ahí tirado]

¿Fue la poesía la Ecuación Unificada
deshecha a los 3 minutos de nacer,
y ahora sólo el tibio placer de cada cifra
en tus terminaciones nerviosas?

Todo está escrito y lo que llamas escribir
es ir quitándole palabras.
Los pájaros pasaban.
Desde la ventana los mirábamos.
Pasaban.
La Musa come ajos en vinagre
      [sofisticado feísmo]
y comenta que el paraíso es un lugar
de lo más inhóspito, el surco que abre un pájaro
no lo abre nadie más,

YO: ¿Porque lo inunda el mármol?
MUSA: No. Porque desaparece.

1.1
Quedan las afueras de las cosas
con su masa de cielo quieto y
su horizonte adulterado,

           [siéntate a esperar todo el día
que la penumbra vaya disolviendo el día]
          
la belleza desnuda en la bombilla que pende apagada,
y nuestra cara ON/OFF
y nuestra cara ON/OFF.

© Agustín Fernández Mallo
from: Joan Fontaine odisea
Audio production: Haus für Poesie, 2022

[Dahingestreckter Horizont]

allemand

1

Dahingestreckter Horizont, samstagnachmittags

lodert das Sofa und das, was dem Tag an Materie bleibt.

 

Ist die Poesie ein Wundbrand in der Prosa,

der sie zersetzt und um ein Epizentrum verstreut,

das man nicht sieht? [dein Women’s Secret dort unten]

 

War die Poesie die Weltformel,

die man drei Minuten nach ihrer Niederschrift widerlegte,

und ist jetzt nur noch die flaue Freude einer jeden Ziffer

an deinen Nervenenden?

 

Alles ist geschrieben und, was du schreiben nennst,

bedeutet, Wörter zu streichen.

Die Vögel zogen vorbei.

Wir beobachteten sie vom Fenster aus.

Zogen vorbei.

Die Muse isst eingelegten Knoblauch

     [kultivierte Hässlichkeit]

und erzählt, was für ein unwirtlicher Ort

das Paradies sei, die Furche, die ein Vogel zieht,

zieht niemand anderes sonst,

ICH: Weil der Marmor sie flutet?

MUSE: Nein. Weil sie verschwindet.

 

1.1

Es bleibt die Umgebung der Dinge

mit ihrer ruhigen Himmelsmasse und

ihrem geschönten Horizont,

 

          [setz dich und warte den ganzen Tag,

bis sich der Tag im Dämmerlicht auflöst]

          

die nackte Schönheit der Glühbirne, die fahl herabhängt,

und unser Gesicht ON/OFF

und unser Gesicht ON/OFF.

Aus dem Spanischen übersetzt von Timo Berger

[Al fondo del recipiente del tiempo]

espagnol | Agustín Fernández Mallo

Al fondo del recipiente del tiempo hay una costra [siempre] de domingo, huele al óxido de los cuchillos lanzados al mar [diana sin centro], y al de la tierra. Hace tiempo que agoté el recipiente, sorbo a sorbo me ayudó tragar tus besos, y ahora sólo queda allí abajo este continuo domingo, con su silencio mineral, sus bares cerrados, su anestesia, sólo isla, sólo hotel, sólo piedras, y sólo un hombre, que es lo mismo que decir  sólo isla, sólo hotel, sólo piedras. Me siento en la escollera y supongo que el principio y fin del mundo fue y será esto, una especie de domingo. Acudo a los lugares que fueron nuestros, algo parecido a una fe o superstición me impide destruirlos, dice que con tal de mirarlos, cada día un poco, se irán desvaneciendo, mansamente, bordeando la pregunta directa, la roca desde la que te lanzabas desnuda para romper la piel del agua, de ese mar que, alguna vez lo he dicho, eras tú [diana sin centro]. Sé que el tiempo es mortal, me digo, porque lo ha inventado el hombre, que es mortal, y mientras aguardo ese destino las horas nacen peculiares, convergentes, presagiando asuntos importantes y delicados que no llegan, no, acumulan pronósticos errados, resultado de haberlo calculado todo, porque lo hermoso no se calcula, me digo [es incalculable], se pisa una sola vez y ya se gasta, aunque, eso sí, no se olvide, nunca. 

© Agustín Fernández Mallo
from: Yo siempre regreso a los pezones y al punto 7 del Tractatus
Audio production: Haus für Poesie, 2022

[Auf dem Grund des Zeitgefäßes]

allemand

Auf dem Grund des Zeitgefäßes setzt sich [immer] eine Sonntagskruste ab, sie riecht nach dem Rost der ins Meer [ziellose Schießscheibe] geworfenen Messer und dem Rost in der Erde. Vor längerer Zeit leerte ich das Gefäß, Schluck für Schluck half es deine Küsse herunterzuspülen, und nun ist unten auf dem Grund nur noch der ständige Sonntag mit seiner mineralischen Stille, seinen geschlossenen Bars, seiner Betäubung, nur Insel, nur Hotel, nur Steine und nur ein Mann, was dasselbe ist, wie zu sagen: nur Insel, nur Hotel, nur Steine. Ich setze mich auf den Wellenbrecher und denke mir, dass Anfang und Ende der Welt genau das waren und sein werden: eine Art Sonntag. Ich besuche die Orte, die unsere waren, doch etwas wie ein Glaube oder Aberglaube hindert mich daran, sie zu zerstören, behauptet, wenn man sie nur jeden Tag ein wenig betrachtet, verblassen sie allmählich, umschiffen gefügig die unverblümte Frage, den Felsen, von dem du nackt gesprungen bist, um die Wasserhaut zu zerreißen, von diesem Meer, das, wie ich einmal sagte, du warst [ziellose Schießscheibe]. Ich weiß, sage ich mir, dass die Zeit sterblich ist, denn erfunden hat sie der Mensch, der sterblich ist, und während ich auf dieses Schicksal warte, brechen merkwürdige Stunden an, die zusammenlaufen, wichtige und heikle Dinge vorhersagend, die nicht eintreffen, sie häufen vielmehr falsche Voraussagen an, eine Folge davon, alles berechnet zu haben, doch das Schöne lässt sich nicht berechnen, sage ich mir [es ist unberechenbar], du betrittst es nur einmal und schon nutzt es sich ab, obwohl wir es nicht vergessen, niemals.

Aus dem Spanischen übersetzt von Timo Berger

El corazón del sábado en la noche

espagnol | Julián Herbert

El viento baja del bosque. La luz del bulevar
baila como una vela en el pretil de una ventana.
Cielo tibio. Las montañas forman una corona
alrededor de nosotros. Alguien habla de futbol
entre el llano dormido del estacionamiento
y los gritos que salen a la puerta del bar.
Por la barra, las luces de colores
saltan vasos vacíos,
como en un juego de damas chinas.
La música es un río tembloroso de estrellas.
Una botella de vodka
hace más transparente la luna.

© Julián Herbert
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2009

Das Herz einer Samstagnacht

allemand

Der Wind weht vom Wald her. Das Licht des Boulevards

tanzt wie eine Kerze auf dem Sims eines Fensters.

Lauer Himmel. Die Berge bilden eine Krone

um unsre Köpfe. Jemand spricht über Fußball

zwischen der schlafenden Fläche des Parkplatzes

und den Schreien, die aus der Bar dringen.

An der Theke, die farbigen Lichter,

leere Gläser springen

wie in einem Halmaspiel.

Die Musik ist ein Fluss zitternder Sterne.

Durch eine Flasche Wodka

erscheint der Mond viel klarer.

Übersetzt von Timo Berger

Oda

espagnol | Fabian Casas

¿Quién consigue expresar sus emociones
en una simple conversación?
¿Qué preguntas hacemos
para que nadie nos responda?
Lo cierto es que el taxista
equivocó el camino. Y es tarde.

Por eso pienso en el mirador,
el banco apoyado contra la rejas
desde donde vi pasar,
infinidad de veces,
al tren del Oeste.

De noche, la luna se refleja
en la vías y las luces de señalización
parecen brasas de cigarrillo.

No viene el tren del Oeste.
No vibran las paredes de la casa
donde vivimos el eterno retorno
de los ciclos del amor.

(Qué estarás haciendo a esta hora,
andina y dulce Rita
de junco y capulí.
Mientras me asfixia el cansancio
y los tranquilizantes flotan
como flojo cognac
dentro de mí).

El hombre de campo mira pasar el río.
El hombre de ciudad mira pasar el tren.
Ambos reflexionan sobre el pequeño mecanismo
de los acontecimientos.

Pero yo no...
Yo estoy cansado de este mundo nuevo.
A veces, en la noche,
el ruido metalúrgico
de los talleres literarios
no me deja dormir.
Para tranquilizarme, me digo:
"Soy mi padre y mi hermano,
nací de pie, al final de la última era nupcial;
contemporáneo del Gran Jugador".

Pero tus preguntas vuelven
una y otra vez:
¿Nuestro amor llegó a ser tan necesario
como el agujero de una olla?
¿No debimos aislarlo
de la paideia berreta
que crece en los gimnasios?

Fue como salir de la pieza apagando la luz.
Mientras en un rincón se acumulaban
los programas y los tickets
de todos los lugares donde fuimos.

Vibra la tierra. Pasa el tren del Oeste.
Y lo que vemos brillar a lo lejos
es la bisagra de acero
que nos separa de los jóvenes
para siempre.

© F.C.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Ode

allemand

Wer schafft es, seinen Gefühlen in einer

einfachen Unterhaltung Ausdruck zu verleihen?

Was stellen wir für Fragen,

dass uns niemand antwortet?

Sicher ist: der Taxifahrer

hat sich verfahren und es ist spät.


So denke ich an den Aussichtspunkt,

die an einen Zaun gelehnte Bank,

von der ich

unzählige Male

dem Zug nach Westen hinterher schaute.


Nachts spiegelt sich der Mond

in den Schienen und die Signallichter

ähneln Zigarettenglut.


Der Zug nach Westen kommt nicht.

Die Wände der Häuser, in denen wir

die ewige Wiederkehr des Kreislaufs

der Liebe erleben, zittern nicht.


(Was machst du wohl zu dieser Stunde,

süßliche Rita von den Anden

aus Schilf und Patschuli?

Während mich die Langeweile erdrückt

und ein Schlafmittel

wie ein weicher Kognak

in mir zirkuliert.)


Die Bauern betrachten den Fluss.

Die Städter betrachten den vorbeifahrenden Zug.

Beide denken über den kaum fassbaren Mechanismus

der Ereignisse nach.


Nur ich nicht...

Ich habe diese neue Welt satt.

Manchmal, nachts, lässt mich

der metallische Lärm

der Literaturwerkstätten

nicht schlafen.

Um mich zu beruhigen, sage ich mir:

Ich bin mein Vater und mein Bruder,

ich kam mit den Füßen voran zur Welt am Ende der letzten Ära von Hochzeiten;

als Zeitgenosse des Großen Spielers.


Aber deine Fragen kehren

immer wieder.

Wurde unsere Liebe am Ende doch so überflüssig

wie ein Loch im Eimer?

Sollten wir uns nicht fernhalten

von der billigen Ertüchtigung,

die in den Fitnessstudios gedeiht?


Es war so einfach, wie das Zimmer zu verlassen und dabei das Licht auszuschalten,

während sich in einer Ecke

die Programme und Eintrittskarten stapelten,

all jener Orte, die wir zusammen besucht hatten.


Die Erde zittert. Der Zug nach Westen fährt vorbei.

Und was wir in der Ferne aufblitzen sehen,

ist das Stahlscharnier,

das uns auf ewig

von der Jugend trennt.




  • Mit den Füßen voran zur Welt kommen ist in Argentinien die Bezeichnung für jemanden, der viel Glück hat, Anm. d. Ü.
Übersetzt von Timo Berger

11 (FRAGMENTOS, Pt. I)

espagnol | Carlos Soto Román

Hay dos sonidos de los cuales debes saber
el sonido propiamente tal y la ausencia de él

Un simple asunto de forma y contenido

El grito y el silencio que viene después
y el silencio y el grito que lo precede

¿Le da forma al grito, el silencio que lo rodea?

o ¿está el silencio enfatizado por el grito que ocurre entre dos
silencios?


Teniendo presente:

1º .- La gravísima crisis económica, social y moral que está
destruyendo al país;


con el compromiso patriótico:

de restaurar la chilenidad                            (quebrantada)
de restaurar la justicia                                  (quebrantada)
de restaurar la institucionalidad               (quebrantada)

conscientes de que ésta es la única forma:

               de ser fieles a las tradiciones nacionales
               de ser fieles al legado de los Padres de la Patria
               de ser fieles a la Historia de Chile

conscientes de que ésta es la única forma:

de permitir que la evolución y el progreso           del país
se encaucen



v i g o r o s a m e n t e



- Por haber ocultado bajo tierra una cantidad de 15 armas,
 abundante munición y explosivos
- Por haber participado como Instructor de Guerrillas en la zona
- Por sustraer explosivos a viva fuerza
- Por incitar a los mineros a apoderarse de los polvorines
- Por incitar a oponer resistencia armada
- Por haber participado en la adquisición y distribución de armas
 de fuego
- Por haberle encontrado explosivos enterrados


Se informa a la ciudadanía que hoy __ de ___ de ____ a las __
horas fueron ejecutadas las siguientes personas conforme a lo
dispuesto por los Tribunales Militares en tiempo de Guerra:


MARCADOR ESTADIO NACIONAL 21 DE NOVIEMBRE DE 197__
           LA JUVENTUD Y EL DEPORTE UNEN HOY A CHILE

                             COPA DEL MUNDO FIFA 1974
                                   SELEC. DE CHILE 1
                                   SELEC. U. SOVIETICA 0


Mis queridos jóvenes:

El futuro de Chile está siempre en vosotros, cuya grandeza
estamos labrando.

Chile eres tú. Patria, bandera y juventud



gracias
por todo lo que hace por chile, presidente
por la tranquilidad que tenemos
por nuestros hijos
que dios lo bendiga




Primero, las piernas; después, los órganos sexuales; después el
corazón.
En ese orden disparaban las ametralladoras.




el obrero l. s.
el profesor m. g.
el interventor pesquero n. c.
el conscripto m. s.
el oficial de marina j. c.
el oficial de marina j. n.
el abogado j. l.

el administrador de puerto j. c.
el funcionario j. n.
el oficial de aduanas m. m.
el profesor de estado h. l.
el geógrafo f. t.
el empleado municipal j. s.
el funcionario de aduanas j. r.
el piloto de pesquera r. f .
el carpintero g. p.
el obrero industrial m. s.

© Carlos Soto-Román
from: 11
Santiago de Chile: Self-published, 2017
Audio production: Haus für Poesie, 2021

11 (Fragmente) - Teil 1

allemand

Bei zwei Klängen musst du unterscheiden

zwischen dem eigentlichen Klang und seinem Ausbleiben


Eine einfache Frage von Form und Inhalt


Der Schrei und die Stille, die darauf folgt

und die Stille und der Schrei, der ihr vorangeht


Verleiht die Stille, die den Schrei umgibt, ihm Form?


Oder wird die Stille verstärkt durch den Schrei zwischen Stille und Stille?




Unter Berücksichtigung:


1. Der sehr ernsten wirtschaftlichen, sozialen und moralischen Krise, die das Land zugrunde richtet;



der patriotischen Verpflichtung:


                    die (zerstörte)                           Chilenität wiederherzustellen

                    die (zerstörte)                           Gerechtigkeit wiederherzustellen

                    die (zerstörte)                           institutionelle Ordnung wiederherzustellen 


im Bewusstsein, dass dies die einzige Form ist:


                    der nationalen Tradition                                            treu zu sein

                    dem Vermächtnis der Väter des Vaterlandes            treu zu sein

                    der Geschichte Chiles                                              treu zu sein


im Bewusstsein, dass dies die einzige Form ist:


um die Entwicklung und den Fortschritt des Landes wieder

 


K R A F T V O L L

voranzutreiben



-    Wegen des Versteckens von 15 Waffen, reichlich Munition und Sprengstoff in Erddepots

-    Wegen der Ausbildung von Guerillas in dem Gebiet

-    Wegen der gewaltsamen Entwendung von Sprengstoff

-    Wegen der Anstiftung der Bergleute zur Übernahme der Dynamitkammern

-    Wegen der Anstiftung zum bewaffneten Widerstand

-    Wegen der Beteiligung am Erwerb und der Verteilung von Schusswaffen

-    Wegen des Fundes von ihm vergrabenen Sprengstoffs

 


Die Öffentlichkeit wird darüber informiert, dass heute am _ _ , _ _ . _ _ _ _ um _ _ : _ _ Uhr gemäß den im Rahmen des Kriegszustands gefällten Beschlüssen der Militärgerichte die folgenden Personen hingerichtet wurden:

  

                        

 ANZEIGETAFEL IM ESTADIO NACIONAL AM 21. NOVEMBER 197_ _

       CHILE IST HEUTE VEREINT VON DER JUGEND UND DEM SPORT


                                    FIFA-WELTMEISTERSCHAFT 1974

                                              AUSW. VON CHILE  1

                                              AUSW. DER UdSSR 0


Meine liebe Jugend,


die Zukunft Chiles, deren Größe wir dienen, liegt in euren Händen.


Du bist Chile. Vaterland, Flagge und Jugend

 




danke

für alles, was sie für Chile tun, herr präsident

für die ruhe, die wir haben

für unsere kinder

gott segne sie

 

 



Zuerst auf die Beine, dann auf die Geschlechtsorgane, dann aufs Herz.


In dieser Reihenfolge feuerten die Maschinengewehre.





der arbeiter l. s. 

der lehrer m. g.

der fischereiaufseher n. c.

der wehrdienstleistende m. n.

der marineoffizier j. c.

der marineoffizier j. n.

der anwalt j. l. 


der hafenverwalter j. c. 

der beamte j. n. 

der zolloffizier m. m.

der staatliche lehrer h. l. 

der geograph f. t.

der verwaltungsangestellte j. s.

der zollbeamte j. r.

der fischerbootkapitän r. f .

der schreinermeister g. p.

der industriearbeiter m. s.

Aus dem chilenischen Spanisch übersetzt von Timo Berger

Querido torturador:

espagnol | Carlos Soto Román

Cuando me golpeas a mano limpia
Puedo ver el cielo en tus ojos

Hay algo acerca
Del sonido de mis huesos quebrándose
Que me hace sentir más cerca de la verdad

Hay un cierto tipo de inspiración
Que solo viene del dolor y la angustia

Una mandíbula dislocada quizá
Un par de uñas arrancadas de raíz
O algunos dientes
Esparcidos por el suelo

Son solo signos aislados de lo          /inevitable/

Un cuerpo colgando es solo un tipo de retorica

Cuando ni siquiera el látigo de la electricidad
                Estremeciendo toda mi estructura
                Golpeando mi propia esencia
Puede cambiar este raro humor en el que me encuentro

El sonido mudo de los golpes
Aterrizando como rocas en la arena
Está destinado a ser parte del secreto
Es solo otro ejemplo

De nuestra única intimidad posible

El lenguaje de la violencia
                Tiene aseveraciones tan obvias
El lenguaje de la violencia
                Es de una claridad abrumadora

© Carlos Soto Román
Audio production: Haus für Poesie, 2021

Lieber Folterer,

allemand

wenn du mich mit bloßer Hand schlägst

kann ich das Paradies in deinen Augen sehen


Da ist etwas im Klang

meiner brechenden Knochen

das mich der Wahrheit näher fühlen lässt


Es gibt eine Art von Inspiration

die allein aus dem Schmerz und der Angst kommt


Ein ausgerenkter Kiefer

ein paar mit der Wurzel ausgerissene Nägel

oder einige mit der Faust ausgeschlagene Zähne

(auf dem Boden verstreut)


Es sind nur einzelne Zeichen des /Unvermeidlichen/


Ein aufgehängter Körper ist nicht mehr als eine Art der Rhetorik


Wenn nicht einmal die Peitsche der Elektrizität

meine ganze Struktur erschütternd

mein Innerstes schlagend

diese merkwürdige Laune, die ich habe, ändern kann


Der stumme Klang der Schläge

die wie Felsbrocken im Sand aufprallen

ist dazu bestimmt, Teil des Geheimnisses zu sein


Es ist nur ein weiteres Beispiel

unserer einzig möglichen Intimität


Die Sprache der Gewalt

macht so deutliche Aussagen

Die Sprache der Gewalt

ist von überwältigender Aufrichtigkeit

Aus dem chilenischen Spanisch von Timo Berger

11 (FRAGMENTOS, Pt. II)

espagnol | Carlos Soto Román

“…al principio cuando uno empieza, primero llora, escondido, que
nadie se de cuenta. Después siente pena, se le hace un nudo en la
garganta pero ya soporta el llanto. Y después, […] ya se empieza a
acostumbrar. Definitivamente ya no se siente nada de lo que está
haciendo…”

Recibí golpes de puño y pies, culatazos…
Me aplicaron electricidad…
Me violaron dos hombres brutalmente…
Fui sometida a torturas. Fui violada…
Recibí golpes en los oídos y me aplicaron electricidad.
Recibí golpes bajo el vientre, golpes con sacos mojados sobre las piernas…
Recibí baldazos de agua estando amarrada a un poste…
Me hicieron simulacros de fusilamiento y violación…
Me arrancaron las uñas de los dedos chicos de los pies…
Me hacían escuchar un casete con la grabación de quejidos de niños

y me decían que eran mis hijos…
Tenía un mes y medio de embarazo.




Tenía dos meses de embarazo.
Tenía tres meses de embarazo.
Tenía cinco meses de embarazo.
Tenía seis meses de embarazo.



todo lo visto escuchado todo en silencio para siempre hasta la tumba
todo lo visto escuchado todo en silencio para siempre hasta la tumba
todo lo visto escuchado todo en silencio para siempre hasta la tumba
todo lo visto escuchado todo en silencio para siempre hasta la tumba
todo lo visto escuchado todo en silencio para siempre hasta la tumba
todo lo visto escuchado todo en silencio para siempre hasta la tumba
todo lo visto escuchado todo en silencio para siempre hasta la tumba
todo lo visto escuchado todo en silencio para siempre hasta la tumba
todo lo visto escuchado todo en silencio para siempre hasta la tumba



Homicidio
Homicidio calificado
Secuestro con homicidio
Secuestro calificado
Desaparición forzada
Doble homicidio
Asociación Ilícita
Homicidio frustrado
Doble homicidio calificado
Secuestro y desaparición
Secuestro y homicidio calificado
Secuestro calificado con resultado de muerte


4 años
6 años
6 años
10 años
10 años
10 años
18 años
116 años y 11 días
275 años
360 años
cadena perpetua
cadena perpetua
doble cadena perpetua
cuatro cadenas perpetuas


demencia
demencia mixta
mal de Alzheimer
demencia tipo vascular
demencia multifactorial
severo deterioro mental
demencia vascular progresiva e irreversible
demencia subcortical progresiva e incurable
control parcial de esfínteres
incapaz de vestirse o asearse solo

© Carlos Soto-Román
from: 11
Santiago de Chile: Self-published, 2017
Audio production: Haus für Poesie, 2021

11 (Fragmente) - Teil 2

allemand

„… zu Beginn, wenn man anfängt, weint man zuerst, versteckt, damit es keiner merkt. Dann tut es einem leid, man bekommt einen Kloß im Hals, aber man hält die Schreie schon aus. Und dann, […] gewöhnt man sich allmählich daran. Schließlich spürt man nichts mehr von dem, was man gerade tut …”


Ich bekam Fausthiebe und Tritte, Schläge mit dem Gewehrkolben …

Mir wurden Elektroschocks verabreicht …

Ich wurde von zwei Männern brutal vergewaltigt …

Ich wurde gefoltert. Ich wurde vergewaltigt …

Ich bekam Schläge auf die Ohren und Elektroschocks.

Ich wurde in den Unterleib geschlagen, mit nassen Säcken auf die Beine …

Ich wurde an einen Pfahl gebunden und mit Eimern begossen …

Sie simulierten eine Erschießung und eine Vergewaltigung …

Mir wurden die Nägel der kleinen Zehen ausgerissen …

Mir wurden Aufnahmen wimmernder Kindern vorgespielt


und gesagt, es seien meine Kinder …

Ich war gerade sechs Wochen schwanger.




Ich war im zweiten Monat schwanger.

Ich war im dritten Monat schwanger.

Ich war im fünften Monat schwanger.

Ich war im sechsten Monat schwanger.


 


über alles gesehene gehörte über alles auf ewig schweigen bis in grab

über alles gesehene gehörte über alles auf ewig schweigen bis in grab

über alles gesehene gehörte über alles auf ewig schweigen bis in grab

über alles gesehene gehörte über alles auf ewig schweigen bis in grab

über alles gesehene gehörte über alles auf ewig schweigen bis in grab

über alles gesehene gehörte über alles auf ewig schweigen bis in grab

über alles gesehene gehörte über alles auf ewig schweigen bis in grab

über alles gesehene gehörte über alles auf ewig schweigen bis in grab

über alles gesehene gehörte über alles auf ewig schweigen bis in grab


 


Tötung

Mord

Entführung mit Todesfolge

Schwere Entführung

Gewaltsames Verschwindenlassen

Zweifache Tötung

Illegale Vereinigung

Versuchte Tötung

Zweifacher Mord

Entführung und Verschwindenlassen

Entführung und Mord

Schwere Entführung mit Todesfolge

 


4 Jahre

6 Jahre

6 Jahre

10 Jahre

10 Jahre

10 Jahre

18 Jahre

116 Jahre und 11 Tage

275 Jahre

360 Jahre

Lebenslänglich

Lebenslänglich

Zweimal lebenslänglich

Viermal lebenslänglich

 


Demenz

gemischte Demenz

Alzheimer-Krankheit

vaskuläre Demenz

multifaktorielle Demenz

schwerer geistiger Verfall

fortschreitende und unumkehrbare vaskuläre Demenz

fortschreitende und unheilbare subkortikale Demenz

partielle Schließmuskelkontrolle

unfähig, sich allein anzuziehen oder zurechtzumachen

Aus dem chilenischen Spanisch von Timo Berger

[robert & jules]

espagnol | Yanko González

La vida, breve y aun así
Nos aburrimos.

Pido unas tijeras que corten
Una ventana que abra
Una viga que sirva

La cuerda que tensa no es una cuerda
Es una tilde sobre la cabeza

Así te enteras que fuiste una grave
Y no una aguda terminada en Ese
Y la gente que sufre
No tiene por qué ser buena.

La vida, breve
Y aun así nos aburrimos.

Dejar los brazos cansados de su gesto
En juego obligado con la boca
Y las rodillas recordando su genuflexión.

Piensa luz y anota sombra:
Qué es una vida si la miras
Qué es un sombrero si no te queda.

© Yanko González
from: Elabuga
Valdivia: Ediciones El Kultrún, 2011
Audio production: Yanko González, 2020

[robert & jules]

allemand

Das Leben, kurz und dennoch

Ist uns langweilig.

Ich verlange eine Schere, die schneidet

Ein Fenster, das aufgeht

Einen Balken, der trägt

Und das gespannte Seil ist kein Seil

Ein Akzent über dem Kopf

So weißt du, dass du auf der vorletzten Silbe betont wirst

Und nicht auf der letzten mit S endend

Und die Menschen, die leiden

Sind nicht unbedingt die besseren.

Das Leben, kurz

Und dennoch ist uns langweilig.

Die Arme sinken, müde ihrer Geste

Im erzwungenen Spiel mit dem Mund

Und den Knien, die sich erinnern an ihre Niederwerfung.

Ich denke Licht und schreibe Schatten:

Was ist ein Leben wenn du es betrachtest

Was ist ein Hut wenn er dir nicht passt.

Aus dem chilenischen Spanisch von Timo Berger

indirecto livre

portugais | Rosa Oliveira

um romance é que era!...
dizem-me olhando de lado
os poemas
longos
magros
enguias pensantes
agarradas ao papel
do centro de reabilitação

um romance é que era
com acção tempo
uma casa inteira
da raiz quadrada
ao tecto
corredores a dar
para personagens
ténues
não totalmente
apatetadas
(sepultemos realismo
experimentalismo
e deus nos livre
do pós colonialismo)

um romance é que faz
virar as cabeças na rua
calça mesas
duplica escaparates
expande a crítica
constipada
no seu casulo refinado

agora a conveniente
pausa descritiva
logo seguida
de auto consciência
referencial
à guitarra e à viola

um romance é que era!
sobrancelha arqueada
entre a cobiça e a paráfrase

© Rosa Oliveira e Edições Tinta-da-china, Lda.
from: TARDIO
Tinta-da-China, 2017
ISBN: 978-989-671-366-9
Audio production: Casa Fernando Pessoa, 2018

freie indirekte rede

allemand

ein roman, das wäre es! ...

sagen sie zu mir und schauen seitwärts

auf die langen

dünnen

gedichte

denkende aale

die sich ins papier

des rehazentrums drücken.


ein roman, das wäre es

mit handlung zeit

ein ganzes haus

von der quadratwurzel

zur decke

flure, die zu

blassen figuren

führen

die nicht völlig

verblödet sind

(lass uns den realismus begraben 

den experimentalismus

und gott befreie uns

vom postkolonialismus)


ein roman sorgt

auf der straße für aufruhr

stellt die tische nach draußen

verdoppelt die schaufenster

erweitert die kritik

mit verstopfter nase

in ihrem raffinierten kokon


nun die willkommene

beschreibungspause

gefolgt von

einem selbstbewusstsein

das aus fadogitarren

erklingt


ein roman, das wär es! …

hochgezogene augenbraue

zwischen gier und umschreibung

Übersetzung: Timo Berger

menos-por-menos-dá-mais

portugais | Rosa Oliveira

muitas vezes escrevi para não endoidecer
a maior parte do tempo em que não escrevi
foi para não endoidecer

© Rosa Oliveira e Edições Tinta-da-china, Lda.
from: TARDIO
Tinta-da-China, 2017
ISBN: 978-989-671-366-9
Audio production: Casa Fernando Pessoa, 2018

weniger ist mehr

allemand

oftmals schrieb ich, um nicht verrückt zu werden
die meiste zeit schrieb ich nicht
um nicht verrückt zu werden

Übersetzung: Timo Berger

essa imensa circulação

portugais | Rosa Oliveira

                 Vou ler um texto que provavelmente não vou ler. Leio e não leio. Hesito. Leio e paro. Paro e recomeço. Acentuo e pontuo. Paro e sacudo. Hesito.
                 Escrever e falar é hesitar constantemente. Dar voz à hesitação é parar a vida para dar passagem ao pensamento. Um rio a correr no mesmo sítio de onde não sai. Um gargarejo. Um poço onde chapinhamos e olhamos para os pés. Um charco onde os pés se esquecem do corpo.
                 Por hesitar, escrevi tarde. Todos acentuam a chegada tardia.
                 Tardio, título do livro que se aproxima. Se ainda for a tempo, tal a ameaça lançada. Luto contra o tempo. Não lutamos sempre? Quem dá a quem? Quem pode brandir o dedo? Chegarei tarde e a boas horas, quebradiço lugar comum. Durante muito tempo fui para a cama tarde. Ficava entretida na sericultura. Chegar tarde à escrita parece ser grave, chegar tarde à vida não é nomeado. O inominável. Equivaler escrita e vida é o nó do enforcado. Não é metonímia. Não há figuras de estilo para o atraso. Só relógios, calendários, admoestações.
                 Tardio é tardio e ainda mais tardio.
                 Escrevo livros com uma só palavra. Livros apócrifos. Livros cheios de larvas, buracos na pele, hesitações e saltos.
                 Ainda não comecei a ler apesar de estar a ler.
                 Hesitar — palavra latina para o acto de estar perplexo.
                 Não, na verdade estou à espera de Samuel.

© Rosa Oliveira e Edições Tinta-da-china, Lda.
from: TARDIO
Tinta-da-China, 2017
ISBN: 978-989-671-366-9
Audio production: Casa Fernando Pessoa, 2018

dieser riesige Kreislauf

allemand

            Ich werde einen Text lesen, den ich wahrscheinlich nicht lese. Ich lese und lese nicht. Zögere. Lese und halte inne. Halte inne und fange wieder an. Ich akzentuiere und betone. Halte inne und schüttele mich. Zögere.
            Schreiben ist ein beständiges Sprechen und Zögern. Dem Zögern eine Stimme zu verleihen, bedeutet das Leben anzuhalten, um die Gedanken durchzulassen. Ein Fluss, der immer an der gleichen Stelle fließt, die er nie verlässt. Ein gurgelndes Wasser. Ein Pool, in dem wir planschen und auf unsere Füße schauen. Eine Pfütze, in der die Füße den Körper vergessen.
            Weil ich gezögert habe, kam ich spät zum Schreiben. Alle betonen den späten Beginn.
            Spät, der Titel des nächsten Buches. Bin ich noch in der Zeit, das war immer die Gefahr, die drohte. Ich kämpfe gegen die Zeit. Tun wir das nicht immer? Wer gibt wem etwas? Wer hat das Recht, mit dem Finger zu zeigen? Ich komme spät und zur richtigen Zeit, brüchiges Klischee. Lange Zeit ging ich spät zu Bett. Widmete mich der Seidenraupenzucht. Spät zum Schreiben zu kommen, scheint verwerflich zu sein, zu spät zum Leben zu kommen wird, entbehrt jeden Namens. Das Namenlose. Schreiben und Leben gleichzusetzen, bindet den Henkersknoten. Das ist keine Metonymie. Für Verspätungen gibt es keine Sprachfiguren. Nur Uhren, Kalender, Ermahnungen.
            Spät ist spät und sogar noch später.
            Ich schreibe Bücher mit einem einzigen Wort. Apokryphe Bücher. Bücher voller Larven, mit Löchern in der Haut, mit Zögern und Sprüngen.
            Noch habe ich nicht zu lesen begonnen, obwohl ich lese.
            Haesitāre, Zögern – ein lateinisches Wort für den Moment der Verblüffung.
            Nein, in Wahrheit warte ich auf Samuel.

Übersetzung: Timo Berger

botânica caseira

portugais | Rosa Oliveira

foi no ano de magnólia, o filme
foi nesse longínquo ano em que ficámos encandeados a ver
a julianne moore a entrar e sair de farmácias para comprar morfina
e o tom cruise mais baixo que nunca num palco de onde cuspia labaredas
nesse ano distante ficámos confusos com as histórias cruzadas
ouvimos aquela música carregada de droga metálica
e regressou do nada uma jóia kitsch dos anos 70
os supertramp vinham como aliens
numa cena sentimento-pirosa
como lhes convinha

foi nesse ano nebulosa distante
no verão uma vaga de calor como não havia há 60 anos
(é o que dizem sempre)
os termómetros mantinham-se em incêndio permanente
eu emagrecera para engordar e voltar a emagrecer
tudo isto sem pensar muito
tudo isto mecanicamente
apenas para me manter a boiar à superfície da vida

a personagem mais só repetia comigo
«há um milhão de anos eu costumava ser inteligente»

oscar wilde cantava em reading
it’s not going to stop
‘til you wise up

as pessoas trabalhavam urinavam e voltavam a trabalhar
os dias seguiam em frente agarrados à flecha disparada

a magnolia grandiflora era um travesti da magnolia macrophyla

hoje vemos só bocas contorcidas
e acenamos à lombriga do tempo
arrastando-se penosamente
até ao take final

so just give up

© Rosa Oliveira e Edições Tinta-da-china, Lda.
from: Cinza
Lisboa: Tinta-da-China, 2013
ISBN: 9789896711610
Audio production: Casa Fernando Pessoa, 2018

häusliche botanik

allemand

der film im jahr der magnolie
in dem weit zurückliegenden jahr, in dem wir begeistert zusahen
wie julianne moore in apotheken ein- und ausging, um morphium zu kaufen
und wie tom cruise kleiner als je zuvor von einer bühne flammen spuckte
in jenem entfernten jahr verwirrten uns gekreuzte geschichten.
wir hörten die mit metallischer droge aufgeladene musik
und wie aus dem nichts kehrte ein kitschiger juwel der 70er zurück
die supertramps erschienen wie außerirdische
in einer kitschig-sentimentalen szene,
die zu ihnen passte

in dem fernen, nebligen jahr
eine hitzewelle im sommer, wie es sie in sechzig jahren nicht gegeben hatte
(das sagen immer alle)
die thermometer glühten ständig
ich magerte ab, um zuzunehmen und wieder abzumagern
all das ohne viel nachzudenken
all das mechanisch
nur um mich auf der oberfläche des lebens über wasser zu halten

die figur, die mir immer nur sagte:
„vor einer million jahren war ich intelligent“

oscar wild sang in reading
it’s not going to stop
’til you wise up

die leute arbeiteten urinierten und arbeiteten wieder           
geklammert an den abgeschossenen pfeil vergingen die tage

die immergrüne magnolie war ein transvestit der großblättrigen magnolie

heute sehen wir nur verzerrte münder
und beobachten den wurm der zeit
wie er sich mühsam bis zur letzten
einstellung schleppt

so just give up

Übersetzung: Timo Berger

Escreve sempre que precisares

portugais | Margarida Ferra

Escreve sempre que precisares de me dizer
que há gelo nas tuas mãos e nas paredes do frigorífico.
Os legumes que trouxe ontem
não sobrevivem a mais do que uma geada,
muito menos nós.

Escreve sempre que precisares, podes
dizer-me outra vez que nunca houve inverno,
que este ano não há verão,
que estamos aqui e não estamos porque não sabemos
se somos nós ou se somos aquelas
quatro pessoas que vão à rua agora,
encontraram a porta certa.

Escreve sempre que precisares, faz
uma lista de compras, uma lista de desejos,
anota todos os pedidos que deixaste
em poemas atrasados.
Escreve sempre que precisares
de mais um postal com selo e carimbo.
Escreve sempre que riscares
na tua agenda mais uma morada.

Sempre que eu precisar vais devolver-me
uma caligrafia rebuscada que não é a tua,
curvas a mais que não fazias na letra d.
Já não há desses manuscritos,
só eu e os carteiros aprendemos a decifrá-los
(e toda a gente sabe que nem isso é verdade).
Vai escrevendo. Sempre que eu precisar,
as frases podem desviar deixas decoradas,
repetidas como as mentiras,
demasiado gastas para serem inócuas.

Escreve em vez de costurares.
Mesmo que soubesses, não há remendos suficientes,
arranhaste sem possibilidade de cura os joelhos,
os cotovelos e as canelas
(dançar sempre foi um antídoto fora do teu alcance).
Escreve que eu vejo nas tuas as minhas quedas,
os meus soluços nessas curvas
a mais que não fazes na letra d:
as tuas linhas são rectas, verticais e justas,
as minhas letras são apenas caracteres.

Escreve sempre que puderes
só em vez de apenas,
recursos humanos em vez de
resíduos urbanos. Talvez sejamos mais
do que pessoas, temos tamanhos diferentes
e não servimos nos lugares que nos foram destinados.

Escreve sempre que precisares de uma porta
onde caibas,
nunca trago chaves comigo.

© Margarida Ferra
from: Magazine «Correntes d’Escritas 2011»
Póvoa do Varzim, 2011
Audio production: Câmara Municipal de Lisboa, 2012

Schreib, wann immer du willst

allemand

Schreib, wann immer du mir erzählen willst,
dass an deinen Händen Eis klebt und an den Kühlschrankwänden.
Das Gemüse, das ich gestern gebracht habe
überlebt nicht mehr als einen Frost
noch weniger wir.

Schreib, wann immer du willst, du kannst
mir noch einmal sagen, dass kein Winter war,
dass dieses Jahr der Sommer ausfällt,
dass wir hier sind und nicht, weil wir nicht wissen
ob wir es sind oder ob wir die
vier Personen sind, die jetzt hinausgehen,
die die richtige Tür gefunden haben.

Schreib, wann immer du willst, mach’
eine Einkaufsliste, einen Wunschzettel,
notiere alle Bitten, die du
in früheren Gedichten festgehalten hast.
Schreib, wann immer du
noch eine Postkarte mit Briefmarke und Stempel willst.
Schreib, wann immer du noch eine Adresse
aus deinem Telefonbuch streichst.

Wann immer ich es brauche, reichst du mir
eine ausgefallene Kalligrafie, die nicht deine ist
zu viele Kurven, die du beim Buchstabe D nicht machst.
Solche Handschriften gibt es schon nicht mehr,
nur ich und die Briefträger lernen sie zu entziffern
(und alle wissen, dass auch das nicht die Wahrheit ist).
Schreib weiter. Wann immer ich es brauche,
können Sätze verzierte Stichworte umgehen,
die wie Lügen wiederholt
zu verbraucht sind, um harmlos zu sein.

Schreib statt zu nähen.
Auch wenn du gewusst hast, dass es nicht genug Pflaster gibt,
hast du dir die Knie aufgekratzt, ohne Aussicht auf Heilung,
die Ellbogen und die Schienbeine
(Tanzen war immer ein Gegenmittel, über das du nicht verfügt hast).
Schreib, dass ich in deinen meine Stürze sehe,
meine Lösungen in den zusätzlichen Kurven,
die du beim Buchstaben d nicht machst:
deine Linien sind gerade, senkrecht und straff,
meine Buchstaben können kaum als Schriftzeichen gelten.

Schreib, wann immer du kannst
nur statt bloß,
menschliche Ressourcen statt
städtische Abfälle. Vielleicht sind wir mehr
als Personen, haben unterschiedliche Größen
und taugen für die Orte nicht, für die wir bestimmt waren.

Schreib, wann immer du eine Tür brauchst,
durch die du passt,
Schlüssel habe ich nie dabei

Übersetzung: Timo Berger

Janela

portugais | Margarida Ferra

Dias depois, ainda na cama,
não conseguia escolher a melhor saída,
que chão frio podia suportar os meus pés.
O peso das tuas costas, que estavam só
do outro lado, desceu até se somar
ao meu próprio peso sobre os meus pés descalços -
e eu sem saber a que parte da casa podia ligá-los.

Uma janela surpreendente, esquadria perfeita
agora à minha direita
e ar que entrou: talvez pudéssemos
de facto ser respiráveis.

A amanhecer ao longe um azul lento e claro.
Demasiado mais claro
em muito pouco tempo,
atrás da escola, não chegaria a cegar ninguém:
as nuvens mais leves, como os pesadelos,
resgataram antes as possíveis vítimas,
inocentes não declarados que circulam sem saberem
da sua condição ou destino.

© Margarida Ferra
from: Magazine “Ágio”
Lisboa: Ed. Artefacto, 2011
Audio production: Câmara Municipal de Lisboa, 2012

Garten

allemand

Tage später, noch im Bett,
gelang es mir nicht, den besten Ausstieg zu wählen.
Das Gewicht deiner Rippen, die nur
auf der anderen Seite lagen, senkte sich herab und erhöhte
mein eigenes Gewicht auf meinen nackten Füßen
ich wusste nicht, auf welchen Teil des Hauses ich sie setzen sollte.

Ein überraschendes Fenster, ein vollkommen rechter Winkel
jetzt zu meiner Seite
und ein Luftzug: vielleicht könnten
wir doch atembar sein.

Die Dämmerung in der Ferne ein langsames klares Blau.
In zu kurzer Zeit
viel zu klar
würde sie hinter der Schule niemanden blenden:
Die leichteren Wolken, wie Alpträume,
retteten mögliche Opfer schon vorher,
die nicht für unschuldig erklärt wurden, die sich bewegten, ohne
von ihrem Zustand oder Schicksal zu wissen.

Übersetzung: Timo Berger

7. [Ontem adormeceste, ainda]

portugais | Margarida Ferra

Ontem adormeceste, ainda
tínhamos as facas todas na boca
e três por abrir.
Ficou uma pousada
em equilíbrio geométrico
na linha dos lábios.
Não sei de quem eram
esses lábios onde
o gume imóvel não deixava sair
as palavras duras
e, mais tarde, os pesadelos.
Outras o cabo na minha mão,
esqueci-a antes da última
costela flutuante
depois do coração.

De manhã éramos só nós, frios,
e a memória das cinzas na rua.

A terceira foi como se nunca tivesse existido.

© Margarida Ferra
from: Curso Intensivo De Jardinagem
Lisboa: Ed. &etc., 2010
Audio production: Câmara Municipal de Lisboa, 2012

7. [Gestern schliefst du ein, wir hatten noch]

allemand

Gestern schliefst du ein, wir hatten noch
alle Messer im Mund
und drei nicht benutzt.
Eines stand
exakt ausbalanciert
auf der Lippenlinie.
Ich weiß nicht, wem diese Lippen
gehörten, in denen
die starre Schneide harte Worte
zurückhielt
und später Alpträume.
Ein anderes Messer in meiner Hand
ließ ich vor der letzten
schwebenden Rippe
nahe dem Herzen fallen.

Am Morgen waren da nur wir, kalt
und die Erinnerung an Asche auf der Straße.

Das dritte Messer schien nie existiert zu haben.

Übersetzung: Timo Berger

3. [Instalei-me primeiro um pouco]

portugais | Margarida Ferra

Instalei-me primeiro um pouco
mais abaixo da linha da tua pele,
que já tinha sido uma bela fronteira,
uma passagem impossível
para os segredos que faziam de ti
um animal sereno.

Quando uns dias depois, quase
todos os teus músculos paralisados,
percebemos que tinhas desaparecido,
correste mais do que precisavas atrás do carro do lixo.
O cheiro dos restos e o que não podias ouvir,
provas de existência, um novo vício,
alimentei-me do que sobrou nas noites seguidas

© Margarida Ferra
from: Curso Intensivo De Jardinagem
Lisboa: Ed. &etc., 2010
Audio production: Câmara Municipal de Lisboa, 2012

3. [Ich nistete mich zuerst ein wenig]

allemand

Ich nistete mich zuerst ein wenig
unter der Linie deiner Haut ein,
die bereits eine schöne Grenze war,
unmögliche Passage
für die Geheimnisse, die dich
in ein friedfertiges Tier verwandelten.

Als wir Tage später, fast
all‘ deine Muskeln waren gelähmt,
bemerkten, dass du verschwunden warst, ranntest du
zu lange hinter dem Müllwagen her.
Der Geruch von Essensresten und das, was du nicht hören konntest,
Existenzbeweise, eine neue Sucht,
in den Folgenächten ernährte ich mich von dem, was übrig war.

Übersetzung: Timo Berger

Relación sobre un ser superior

espagnol | Sergio Gareca Rodríguez

Mi perro esta mañana es dueño del sol
Recostado estrellas hacia adentro
se disfruta y no siente el peso
de ese cuerpo que parece el aire y no es
Esa tristeza circundante y tendenciosa

Viene de un camino más grato que el mío
Sin política
Sin religión
y desde luego sin culpa
Ya está un poco viejo
pero tiene esa predisposición
de ir hacia la muerte
sin prisa
sin temor a despertar
sin ganas de huir
o ser mejor
Su ausencia de ambición
y su corazón gigante
se filtran por las estaciones
sin sentir el reloj
Por eso a veces siento
que cree ser mi amo
pero estoy seguro que
no necesita de esa soberbia

El patio está sitiado por el sueño
y la orden es precisa
respirar sólo respirar 

© Sergio Gareca Rodríguez
from: Mirador
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Bericht über ein höheres Wesen

allemand

Heute Morgen ist mein Hund Herr über die Sonne

Mit den Sternen in seinem Bauch liegt er

wohlig da und spürt kaum das Gewicht

des Körpers, der Luft zu sein scheint und nicht

die uns umgebende tendenziöse Traurigkeit


Sein Weg war angenehmer als meiner

Ohne Politik

Ohne Religion

und auch ohne Schuld

Er ist schon etwas älter

doch er hat die Veranlagung

dem Tod ohne Eile

entgegenzuschreiten

ohne Angst aufzuwachen

ohne Lust zu fliehen

oder besser zu sein

Sein fehlender Ehrgeiz

und sein großes Herz

mischen sich mit den Jahreszeiten

ohne Zeitgefühl.

Deswegen habe ich manchmal den Eindruck

er glaubt, mein Herrchen zu sein

aber ich bin mir sicher, dass

er solch einen Hochmut nicht nötig hat.


Der Hof ist vom Schlaf umzingelt

und der Befehl ist präzise

zu atmen, nur zu atmen. 

Aus dem bolivianischen Spanisch von Timo Berger

TORPEDOS [L. donde dice línea]

espagnol | Yanko González

L. donde dice línea, es forma. donde colores, texturas y donde ritmo, orden. qué es el arte.
colgar en un muro las cosas que alguna vez te hicieron daño.

© Yanko González
from: Objetivo general
Santiago de Chile: Lumen, 2019
Audio production: Yanko González, 2020

[L. wo linie steht,]

allemand

L. wo linie steht, muss form hin; wo farben, beschaffenheit und wo rhythmus, ordnung. was ist kunst. an einer mauer dinge aufhängen, die dir einmal weh getan haben.

Aus dem chilenischen Spanisch von Timo Berger

TORPEDOS [XLV. para qué llueve.]

espagnol | Yanko González

XLV. para qué llueve. llueve para dar énfasis. llueve para no ir. llueve para enterrar a alguien.
llueve para callarse un rato. para botar la mirada en una poza. para usar los signos de
interrogación.

© Yanko González
from: Objetivo general
Santiago de Chile: Lumen, 2019
Audio production: Yanko González, 2020

[XLV. warum es regnet.]

allemand

XLV. warum es regnet. es regnet zur betonung. es regnet um nicht zu gehen. es regnet um jemanden zu begraben. es regnet um eine weile zu schweigen. um den blick in eine grube zu werfen. um fragezeichen zu setzen.

Aus dem chilenischen Spanisch von Timo Berger

TORPEDOS [XLI. educación musical.]

espagnol | Yanko González

XLI. educación musical. cuando chasqueas los dedos, el sonido lo produce el golpe con la
palma de la mano. no es la fricción del pulgar con el dedo del corazón lo que resuena. es tu
mano casi en puño la que hospeda el sonido. no es el roce. te haces padre porque escuchas
por error.

© Yanko González
from: Objetivo general
Santiago de Chile: Lumen, 2019
Audio production: Yanko González, 2020

[XLI. musik.]

allemand

XLI. musik. wenn du mit den fingern schnippst, entsteht das geräusch durch den schlag auf die handfläche. es ist nicht die reibung zwischen daumen und mittelfinger, die man hört. es ist deine hand, der, fast zur faust geballt, dieser klang innewohnt. nicht dem reiben. du wirst vater, weil du etwas aufgrund eines fehlers hörst.

Aus dem chilenischen Spanisch von Timo Berger

TORPEDOS [XXIX. educación física (dominio espacial):]

espagnol | Yanko González

XXIX. educación física (dominio espacial): una sobre lanzar o quizás otra sobre recepcionar.
la respuesta tienes que bosquejarla. traza a una pareja espalda con espalda y en medio un
balón medicinal. dibuja esa imagen hasta que se hagan viejos.

© Yanko González
from: Objetivo General
Santiago de Chile: Lumen, 2019
Audio production: Yanko González, 2020

[XXIX. sport, raumbeherrschung:]

allemand

XXIX. sport, raumbeherrschung: eine frage zum anstoßen oder vielleicht eine andere zum abnehmen. die antwort musst du skizzieren. zeichne ein paar, rücken an rücken, und in der mitte einen medizinball. zeichne dieses bild, bis sie alt geworden sind.

Aus dem chilenischen Spanisch von Timo Berger

TORPEDOS [XXI. cualquiera de química del carbono:]

espagnol | Yanko González

XXI. cualquiera de química del carbono: no hay tinta lo bastante negra para describir la
irritación. ni bastante oxígeno para exhalar el hastío. ni sol ni lamparilla para detener la
oscuridad. a veces me compro flores y voy por la calle como si me las hubiesen regalado.

© Yanko González
from: Objetivo General
Santiago de Chile: Lumen, 2019
Audio production: Yanko González, 2020

[XXI. bei egal was zu organischer chemie:]

allemand

XXI. bei egal was zu organischer chemie: es gibt keine tinte, die schwarz genug wäre, um die irritation zu beschreiben. noch genügend sauerstoff, um die langeweile auszuatmen. weder sonne noch nachtlicht, um die dunkelheit aufzuhalten. manchmal kaufe ich mir blumen und gehe durch die straße, als wären sie mir geschenkt worden.

Aus dem chilenischen Spanisch von Timo Berger

[1999-2011]

espagnol | Yanko González

Querido Leopold lee esto muy, muy despacio
Y créeme que no tengo otra forma de decirlo.

Si hasta aquí has leído de prisa
Te pido vuelvas a comenzar de nuevo.

No me atrevo a pulsar tu número
Y quemar el poco aliento que nos queda.

No seré quien arriba, no seré quien parte
Para quedar en la mitad y vacía.

No te apresures, no te fíes de mi brevedad
Porque este día pardo terminará en el mismo día pardo
Que persistirá inmutable en otro día pardo.

Querido mío, hoy a las cuatro y treinta de la madrugada
Nuestro hijo nos dejó. Sus ojos ya no muestran ni sienten dolor.

Perdóname. He perdido un cuerpo para llegar
Y he perdido un cuerpo para regresar.

© Yanko González
from: Elabuga
Valdivia: Ediciones El Kultrún, 2011
Audio production: Yanko González, 2020

[1999-2011]

allemand

Lieber Leopold lies das sehr, sehr langsam
Und glaube mir, ich kann es dir nicht anders sagen.

Wenn du es bis hier schnell gelesen hast
Bitte fange noch einmal von vorne an.

Ich traue mich nicht, deine Nummer zu wählen
Und unseren letzten Atem zu verbrennen.

Ich werd nicht die sein, die kommt, nicht die, die geht
Sondern in der Mitte zurückbleiben – und leer.

Überstürze nichts, misstraue meiner Kürze
Denn dieser graue Tag wird enden an demselben grauen Tag
Der sich unverändert fortsetzt an einem weiteren grauen Tag.

Mein Liebster, heute um halb fünf Uhr morgens verließ uns
unser Sohn. Seine Augen zeigen oder empfinden keinen Schmerz mehr.

Vergib mir. Ich habe einen Körper verloren um anzukommen
Und habe einen Körper verloren um zurückzukehren.

Aus dem chilenischen Spanisch von Timo Berger

pessoa

espagnol | Yanko González

la belleza es griega. pero la conciencia de que sea griega es chilena.
nada es, todo se otrea.

© Yanko González
from: Alto Volta
Valdivia: Ediciones El Kultrún, 2007
Audio production: Yanko González, 2020

pessoa

allemand

die schönheit stammt aus griechenland. doch das bewusstsein, dass sie griechisch sei, aus chile.
nichts ist, alles andert sich.

*andern ein Neologismus entsprechend der Wortschöfpfung outrar-se (dt. für „zu einem Anderem/etwas Anderem werden) von Fernando Pessoa, Anm. d. Ü.

Aus dem chilenischen Spanisch von Timo Berger

pasavante

espagnol | Yanko González

               “vine a ver a mis amigos,”
               me oyeron gritar por teléfono apretándome con furia el otro oído.
                           e. dobry


No,
si puedes quedarte
pero sucede
es decir la casa está
digamos que no hay
mucho por donde una
o dos puedan veamos
es que estoy con un ritmo
digo al mismo tiempo
con esto para allá
con lo otro preferiría
No,
si puedes quedarte
pero sucede
es decir la casa está
digamos que no hay
mucho por donde una
o dos puedan veamos
es que estoy con un ritmo
digo al mismo tiempo
con esto para allá
con lo otro preferiría
No,
si puedes quedarte
pero sucede
es decir la casa está
digamos que no hay
mucho por donde una
o dos puedan veamos
es que estoy con un ritmo
digo al mismo tiempo
con esto para allá
con lo otro preferiría
No,

© Yanko González
from: Alto Volta
Valdivia: Ediciones El Kultrún, 2007
Audio production: Yanko González, 2020

passierschein

allemand

Nein,
natürlich kannst du bleiben
es ist nur
also, die Wohnung ist
sagen wir mal, es gibt nicht
viel, wo einer
oder zwei, aber schauen wir mal
ich hab nur so nen Rhythmus
ich meine, wenn es deshalb
zwischen dem einen
und dem anderen, würde ich lieber
Nein,
natürlich kannst du bleiben
es ist nur
also, die Wohnung ist
sagen wir mal, es gibt nicht
viel, wo einer
oder zwei, aber schauen wir mal
ich hab nur so nen Rhythmus
ich meine, wenn es deshalb
zwischen dem einen
und dem anderen, würde ich lieber
Nein,
natürlich kannst du bleiben
es ist nur
also, die Wohnung ist
sagen wir mal, es gibt nicht
viel, wo einer
oder zwei, aber schauen wir mal
ich hab nur so nen Rhythmus
ich meine, wenn es deshalb
zwischen dem einen
und dem anderen, würde ich lieber
Nein,

Aus dem chilenischen Spanisch von Timo Berger

El siguiente vuelo

espagnol | Sergio Gareca Rodríguez

A mí lo que me gusta es suicidarme
caer desde el cielo hasta el cielo
aun gobernado por un hilo
como un cometa de papel conectado
a un niño que sueña lo mismo que juega

abrirme las venas cuando llueve
con el filo de la música y el relámpago

brindarme a las arañas
crucificado en sus telares

ser el primero en la línea
frente a la barricada

llorar sin rencores y odiarme
con todo el corazón

Me gusta amarrarme a mi bomba
y desaparecer
sin recuerdos ni ambiciones 
sin memoria ni deseo

Porque tengo el corazón de kamikaze
espero el siguiente vuelo

© Sergio Gareca Rodríguez
from: La Inconclusa y su Yapa
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Der nächste Flug

allemand

Ich mag es, mich umzubringen
aus dem Himmel in den Himmel zu stürzen
an einer Leine geführt wie ein Papierdrachen,
der mit einem Jungen verbunden ist,
der das träumt, was er spielt

mir die Adern aufzuschneiden, wenn es regnet
mit der Schneide der Musik und des Blitzes

mich den Spinnen auszuliefern
zur Kreuzigung in ihren Netzen

der erste zu sein in der Reihe
vor den Barrikaden

ohne Groll zu weinen und mich aus vollem Herzen
zu hassen

Ich mag es, mich an meine Bombe zu binden
und zu verschwinden
ohne Erinnerungen oder Ziele 
ohne Gedächtnis oder Sehnsucht

Weil ich ein Kamikazeherz habe
warte ich auf den nächsten Flug

Aus dem bolivianischen Spanisch von Timo Berger

Un trago de mi desahogo y me voy a otro bar

espagnol | Sergio Gareca Rodríguez

Yo soy el amor mal curado
Vengo por dios o por quien sea
En mi puerta un perro de sombra
espera
fiel a mi pasado

Los teléfonos anotados
para el día del juicio final
se han borrado de mis paredes

No pude aguantarme las ganas
de soñar otra vida peor

Me muerdo los labios
y pongo una equis tras otra
sobre nombres y películas
sobre los números del calendario
sobre las tumbas de los desconocidos
sobre las tumbas de los hijos
que me prometo no tener
sobre los ceros que le faltan
al precio de mi existencia

Mi alma es un árbol 
donde viven los pájaros
que no pintaron en la creación

Yo no te conozco
Yo no conozco a nadie
Muero triste en todos mis reflejos

Todas las mujeres que he amado
han muerto
menos tú
que estás a punto de nacer

Las cuencas de mis ojos
tienen un letrero fluorescente
de post guerra o infierno

Silbo cuando no me doy cuenta
las canciones que he perdido
hundiendo mi lengua en tu ombligo
o mordiendo tu pezón

A veces te desnudo en la ventana de un taxi
en el humo que abandono en las calles
cuando no estás
A veces te disparo y lo disfruto
cuando eres cualquier cosa menos una mujer

Por ahora basta
No quiero escribir
los versos más tristes esta noche
ni quiero que vuelvan
las oscuras golondrinas

Porque no seré más tuyo
Porque me prometo
algo mejor que tú
                           Muerte
Esta noche
yo te voy a usar

© Sergio Gareca Rodríguez
from: Transparencia de la Sangre
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Ein Drink zu meiner Beruhigung und ab in eine andere Bar

allemand

Ich bin die schlecht gereifte Liebe
Ich komme wegen Gott oder wem auch immer
Vor meiner Tür wartet
ein Schattenhund
der meiner Vergangenheit treu folgt

Die für den Tag des Jüngsten Gerichts
notierten Telefonnummern sind
an meinen Wänden verblasst

Ich konnte den Wunsch nicht ertragen
ein weiteres schlechtes Leben zu erträumen

Ich beiße mir auf die Lippen
und male ein X nach dem anderen
auf Namen und Kinofilme
auf die Zahlen des Kalenders
auf die Gräber der Unbekannten
auf die Gräber der Kinder
die ich mir niemals zu haben verspreche
auf die Nullen, die dem Preis
meiner Existenz fehlen

Meine Seele ist ein Baum 
wo die Vögel leben
die in der Schöpfung nichts zu suchen hatten

Ich kenne dich nicht
Ich kenne niemanden
Traurig sterbe ich in all meinen Spiegelungen

Alle Frauen, die ich geliebt habe
sind gestorben
nur du nicht
die du kurz davor bist, auf die Welt zu kommen

In meinen Augenhöhlen
ist eine Leuchtreklame
der Nachkriegszeit oder der Hölle

Ich pfeife, wenn ich es nicht bemerke
die Lieder, die ich verloren habe
und versenke meine Zunge in deinen Nabel
oder beiße in deine Brustwarze

Manchmal ziehe ich dich an einem Taxifenster aus
im Rauch, den ich auf den Straßen hinterlasse
wenn du nicht da bist
Manchmal schieße ich auf dich und genieße es 
wenn du irgendwas bist nur keine Frau

Das ist genug
Ich will nicht die traurigsten Verse
der Nacht schreiben
noch will ich, dass die dunklen
Schwalben wiederkehren

Weil ich nicht mehr dein sein werde
weil ich mir etwas Besseres
als dich verspreche
                                               Tödin
Heut Nacht
werde ich dich benutzen

Aus dem bolivianischen Spanisch von Timo Berger

El príncipe azul

espagnol | Sergio Gareca Rodríguez

Llega el príncipe azul
con su botella de ron barato 
a tirar de los pelos
a la pobre rapunsel

Portate bien
Mamita

Un sorbo para el valor
y ya puede cerrarle los ojos
a puñetazos
al rostro de tus ilusiones

Llamemos a la brigada de familia
para que luzcan sus bellos uniformes verdes
y viajemos con la sonrisa dolorosa
sobre sus luminosas patrullas de caramelo

Llega el príncipe azul
a patear la puerta
los sillones
la mesa
los niños
y otros muebles

Los perros ladran sancho
señal de que hay fiesta
de bofetadas y alaridos

Los enamorados bailan el vals
Uno dos tres, uno dos tres
Puntapiés a tu vientre cenicienta
Uno dos tres, uno dos tres
Maldita zorra
Maldita

Llega el príncipe azul en la madrugada
a chupar con su caballo en la sala
Despierta bella durmiente
a ver la gallardía y el buen porte
de tu héroe y amante
Dale un beso a las babas de la felicidad
blanca nieves
es mejor que tú
en la cama

Llega el príncipe azul de rodillas
a pedir perdón hasta la siguiente semana

Portate bien princesita
Portate bien

© Sergio Gareca Rodríguez
from: Área Vip
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Der Märchenprinz

allemand

Der Märchenprinz kommt
mit seiner Flasche billigen Rums 
um die arme Rapunzel
an den Haaren zu ziehen

Benimm dich
Mamita

Einen Schluck Mut antrinken
und schon kann er dem Antlitz deiner Illusionen
mit Fausthieben
die Augen verschließen

Lasst uns die Familienbrigade rufen
damit sie in ihren grünen Uniformen glänzen können
und lass uns mit traurigem Lächeln
auf ihren leuchtenden karamellfarbenen Streifenwagen davonfahren

Der Märchenprinz kommt
um auf die Tür einzutreten
die Sessel
den Tisch
die Kinder
und andere Möbel

Die Hunde bellen, Sancho Pansa
Signal, dass es eine Party
mit Ohrfeigen und Geheul gibt

Die Verliebten tanzen Walzer
Ein zwei drei, ein zwei drei
Fußtritt in deinen Bauch, Aschenputtel
Ein zwei drei, ein zwei drei
verdammte Schlampe
verdammte

Der Märchenprinz kommt im Morgengrauen
um mit seinem Pferd im Wohnzimmer zu trinken
Wache auf, Dornröschen,
um die Tapferkeit und Haltung
deines Helden und Liebhabers zu sehen
Küsse die glibbrigen Fäden des Glücks
Schneewittchen
ist im Bett
besser als du

Der Märchenprinz kommt auf Knien
und bittet um Entschuldigung bis zur nächsten Woche

Benimm dich, Prinzesschen
Benimm dich

Aus dem bolivianischen Spanisch von Timo Berger

Croema

espagnol | Sergio Gareca Rodríguez

Caospiritan las nubatroces
sobre los vilejos bocerrajes
del yoelyo

Otros, besocupados,
mascarapiquean el ororó
más que el horará

En el aro, arrorró
cabisvalles los (s)in/dios
pachamaman y pachacuten
los machax versos subversos
de la retromatria

Otros, videosiglan
para la vigilogia
del satílote omniojoso,
enimaginario despiapiado,
croador del tierro y la ciela,
que tose:
“Bush! Bush! Bush!”
tras lo cual preocuvivientes
democratillecen fataclísmicamente

Mientras, los bolivianos,
pesimimos vanoseando
la cruealidad,
futbolósofos,
chicharrónomos
lloro(már)tires… 

© Sergio Gareca Rodríguez
from: La Inconclusa y su Yapa
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Düstrung

allemand

Die Fürchterwolken chaospirieren
über den schwabbernden Munschlössern
des Ichdasich

Andere, bussisorgt,
maskierküssen das Goldodo
mehr als die Stundudu

Im Ohrloch ein Ohringoh
Mit talwärtsigem Kopf die INDI/götter(lOSen)
pachamamamieren und pachacutieren
die nowy Verse Subverse
des Retromutterlands

Andere videozeichnen
für die Wachlogik
des alläugigen Satteloiden,
enigmärisch mitleidlos,
Schröpfer des Erden und der Himmelin,
der krächzt:
„Bush! Bush! Bush!“
nachdem Besorgtlebende
fatalstrophisch demokratinieren

Während die Bolivianer
die Horroralität
pessischmusisch vertasten
Fußballosophen,
Schwartonomanen,
Trauer(mär)tyrer …

Aus dem bolivianischen Spanisch von Timo Berger

Canción del niño cabeza de mundo

espagnol | Sergio Gareca Rodríguez

Ahora es cuando carajo
Ahora es siempre
anciano niño cabeza de mundo
Ismo tras ismo la paloma de tu boca
la metralla ciega de tus panes
Niño de rojo Trotsky a verde greenpeace
Niño marxiano
Niño copla de Soruco
Niño reencarnación de Victor Jara
ávido de clítoris Luxemburgo
Niño con venas abiertas de América Latina
Niño Bakuniño
Niño Sacco y Vanzetti
Niño Roque Dalton poema de amor
Niño de hoy
Trapo de la historia
Niño profesorcito historia-izquierdas
sueldo miserable
Deshabitado
en Marcelo PS-1
y nuevo habitante
de le monde diplomatique
Niño minero mil veces muerto
en la vanguardia
en los parajes
o en la chichería
Niño sin precio que miras como caen
vendidos los viejos compañeros
que se levantan burgueses
Niño cabeza de futuro
Calabozo de piel y panfleto
Niño huérfano de la humanidad y del muro de Berlín
Niño sin dictador que le dé alas
Niño revolución
cabizbajo sombrero de diario
Niño fósil de los tiempos soñados
Niño cabeza de mundo
Ojo de agua potable
Niño Amauta
Niño Chamán
Niño Silencio

Niño payaso de teatro humanista
Niño que se consuela soñando
un 1º de mayo para toda la vida
Niño sin poder tomar el poder
o destruirlo
Niño pájaro que vuela MP3 en canciones de Silvio
Niño cabeza de mundo
Escarabajo en sublluvia pensador
El de las mil hambres en las barbas
Obrero del futuro sin trabajo
rayando en paredes que no se borran
lengua de fantasma y punk rock

Ahora es cuando niño
Siempre es ahora

© Sergio Gareca Rodríguez
from: La Inconclusa y su Yapa
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Lied des Weltkopf-Kinds

allemand

Jetzt ist es wenn verdammt
Jetzt ist immer
Weltkopf Greis Kind

Isthmus um Isthmus die Taube deines Munds
die blinde Kugel deiner Brote
Vom Trotski-Rot zum Greenpeace-Grün-Kind
Marxianisches Kind
Sorucostrophen-Kind
Wiedergeburt von Victor Jara-Kind
gierig nach der Luxemburg´schen Klitoris
Mit den offenen Adern Lateinamerikas-Kind
Bakunin-Kind
Sacco & Vanzetti-Kind
Roque-Dalton-Liebesgedicht-Kind
Heutiges Kind
Lappen der Geschichte
Geschichte-der-Linken-Professorchen-Kind
erbärmliches Gehalt
Verlassen
in Marcelos PS-1
und neue Bewohner
der le monde diplomatique
tausendfach gestorbenes Kumpel-Kind
in der Vorhut
in einsamen Gegenden
oder im Chicha-Lokal
preisloses Kind das zusieht wie die alten Genossen
straucheln sich verkaufeln
als Bourgeoise aufstehen
Zukunftskopf-Kind
Kerker aus Haut und Pamphleten
Der Menschheit und der Berliner Mauer Waisenkind
Kind ohne Diktator, der ihm Flügel verleiht
Revolutionskind
mit gesenktem Kopf ZeitungshutFossilkind aus der Ära der Träume
Weltkopf-Kind
Trinkwasseraugen
Dorfältesten-Kind
Schamanen-Kind
Schweigen-Kind

Clown-Kind des humanistischen Theaters
Kind das sich mit Träumen tröstet
ein 1. Mai fürs ganze Leben
Kind das die Macht nicht ergreifen
oder zerstören kann
Vogel-Kind, der MP3 in Liedern von Silvio fliegt
Weltkopf-Kind
Käfer in nachdenklichem Unterregen
Der mit tausendfachem Hunger im Bart
Arbeiter der Zukunft ohne Arbeit
der in Wände ritzt die sich nicht beseitigen lassen
Geistersprache und Punk Rock

Jetzt ist es wenn Kind
Jetzt ist immer


Anm. d. Ü.: Der PS-1 (Partido Socialista-1) war eine Abspaltung des Partido Socialista, die mit Marcelo Quiroga Santa Cruz bei Präsidentschaftswahlen in Bolivien Ende der 1970er kandidierte.

Aus dem bolivianischen Spanisch von Timo Berger

Fiesta de disfraces

espagnol | Sergio Gareca Rodríguez

¿En qué libro? ¿En qué sueño nos conocimos?
Tantos bailes de disfraces que nos perdimos
Déjame lamer la telaraña en tu nombre —Juana la Loca
Quiero ser la blanca leche que acaricie tu espalda—Cleopatra
Tu enemigo íntimo— Julieta
Te robaría a un tercer reino con otros dioses más nuestros — Helena
Me entrego con fortaleza a la maldición y desearía otra vida a veces
Pero, porque tengo la certeza de tu amor—Penélope
siempre vuelvo—Siempre
Solo se necesita el amor de uno mismo—Dulcinea
para enfrentar sin miedo todo aquello que se llame imposible
Bajo tu hábito haría cosas
que envidiaría cualquier académico de la lengua —Sor Juana
Cómo no perderlo todo por vos—Misk´isimi
por tus palabras y tus besos
Pondría mis manos al barro por ti—Demi Moore
Chuparía la última gota de tu sangre
por darte la vida eterna— Winona Ryder
No te dejaría sola en la puerta— Scarlett O´Hara
Aunque seas lo que fueses— madame
Resolvería cualquier misterio hasta encontrarte—Audrey Tautou
Porque sé que tienes la fuerza
para degollar cobardes
con un niño en brazos— Juana Azurduy
El amor por ti
estuvo desde siempre condenado
a ser leyenda—Lorenza Chuquiamo
Aunque te arrastre de a poco a mi destino— Micaela Bastidas
Aunque no pueda apagar tu dolor— Frida Khalo
Siempre recordaré poemas tuyos—Idea Vilariño
Y a pesar de todo esto que digo
sabes muy bien que eres tú
de la que hablo—
La que escojo entre todas para ser mía
Aunque sepa que no podré salir del infierno sin mirarte
y que todo esto acabará mal
porque tendré que volver solo bajo la lluvia— Catherine Barkley
cavilando la suerte del joven Werther
o peor aún
la mía propia
la de ser yo mismo
sin ti

© Sergio Gareca Rodríguez
from: La Inconclusa y su Yapa
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Maskenball

allemand

In welchem Buch? Welchem Traum lernten wir uns kennen?
So viele Maskenbälle haben wir verpasst
Lass mich die Spinnweben auf deinem Namen ablecken – Johanna die Wahnsinnige
Die weiße Milch, die deinen Rücken streichelt, will ich sein – Kleopatra
Dein intimer Feind – Julia
Mit anderen, mehr unsrigen Göttern würde ich dir ein drittes /Reich rauben – Helena
Mit Stärke gebe ich mich dem Fluch hin und wünschte mir manchmal ein anderes Leben
Aber, weil ich mir deiner Liebe gewiss bin – Penelope
komme ich immer wieder – immer
Man bedarf nur der Liebe zu sich selbst – Dulcinea
um sich furchtlos dem zu stellen, was man unmöglich nennt
Unter deinem Habit würde ich Dinge tun
um die mich jeder Kundige der Sprache beneiden würde – Sor Juana
Wie nicht alles für dich geben – Misk´isimi
für deine Worte und deine Küsse
Für dich würde ich meine Hände in den Schlamm tauchen – Demi Moore
Den letzten Tropfen deines Blutes würde ich trinken
um dir ewiges Leben zu schenken – Winona Ryder
Allein ließe ich dich nicht an der Tür zurück – Scarlett O´Hara
Egal wer du sein magst – Madame
Ich würde jedes Rätsel lösen, bis ich dich finde – Audrey Tautou
Weil ich weiß, dass du die Kraft hast
Feiglinge zu enthaupten
selbst mit einem Kind in den Armen – Juana Azurduy
Die Liebe war für dich
seit jeher dazu verdammt
Legende zu sein – Lorenza Chuquiamo
Auch wenn ich dich langsam zu meinem Ziel schleppte – Micaela Bastidas
Auch wenn ich deinen Schmerz nicht abstellen kann – Frida Kahlo
An deine Gedichte werde ich mich immer erinnnern – Idea Vilariño
Und trotz dem, was ich sage
weißt du ganz genau, dass ich
von dir rede –
Die, die ich unter allen auswähle, meine zu sein
Auch wenn ich weiß, dass ich die Hölle nicht verlassen könnte, ohne dich anzusehen
und dass all das ein schlechtes Ende finden wird
weil ich allein im Regen zurückkehren muss – Catherine Barkley
über das Schicksal des jungen Werther brütend
oder schlimmer noch
meinem eigenen
ich selbst zu sein
ohne dich


Anm. d. Ü.: Misk´isimi – Quechua für süßer Mund

Aus dem bolivianischen Spanisch von Timo Berger

Romance del tendedero

espagnol | Sergio Gareca Rodríguez

Bajo las lluvias de domingo
mientras el viento respira piernas
y muslos dentro de las panty medias
que aferradas a su pudor de alambre
patalean a modo de obsesivas gimnastas
de natación aérea

Los calcetines caminan el sendero invisible
de un mundo al reverso
menos vil
menos enlodado
y menos transcurrido

Flamean calzones
en colorido y desvergüenza similar
a recibimientos de delegaciones presidenciales
reunidos para tratar el futuro
percudido, roto y malgastado
en todos los pretéritos presentes
¡Salve oh pendones de la intimidad!

Las cansadas camisas
que usualmente cubren corazones hipócritas
se redimen crucificadas
a vista y paciencia de los cielos oscurecidos

y los rayos pervertidos
que fotografían la desnudez de toda la ropa
que fue enganchada en la esperanza mañanera
de un día de sol 

© Sergio Gareca Rodríguez
from: Mirador
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Affäre des Wäscheständers

allemand

Im Sonntagsregen
erschnuppert der Wind Füße und
Schenkel in den Strumpfhosen
die an ihre drahtige Scham geklammert
wie ehrgeizige Turner
beim Luftschwimmen strampeln

Die Socken gehen auf dem unsichtbaren Pfad
einer umgestülpten Welt
die weniger schlecht
weniger mit Schlamm besudelt
und weniger vergangen ist

Schlüpfer flattern
ähnlich bunt und unverschämt
zu Empfängen der Präsidenten-Delegationen
die zusammenkommen, um über die Zukunft zu sprechen,
die in allen gegenwärtigen Vergangenheiten
verschlissen, kaputt und vergeudet ist
Seid gegrüßt, Banner der Intimität

Die müden Hemden
die sonst verlogene Herzen bedecken
finden gekreuzigt Erlösung
unter den geduldigen Blicken düsterer Himmel
 
und pervertierter Blitze
die die Blöße der gesamten Kleidung fotografieren
aufgehängt in der morgendlichen Hoffnung
auf einem sonnigen Tag 

Aus dem bolivianischen Spanisch von Timo Berger

Pequeña acción militar con fondo musical wagneriano

espagnol | Sergio Gareca Rodríguez

El moscardón
como helicóptero de potencia extranjera
o emisario de una guerra incomprensible
se introduce en el cuarto
haciendo reconocimiento
de todos los rincones
Zumba feliz en la muerte del silencio

De súbito
es hallado y condenado a pena capital
En todo caso
nadie sabrá nunca
el motivo de su invasión
pero es sin duda necesario
desquitarnos del mundo
en sus perturbadoras alas

Un golpe certero
Una demolición
Una cacería
Un chivo expiatorio
Un mosco expiatorio

y ¡Zas! La vida 

© Sergio Gareca Rodríguez
from: Mirador
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Kleine Militäraktion mit Wagner im Hintergrund

allemand

Die Schmeißfliege
dringt ins Zimmer ein
wie ein Hubschrauber einer fremden Macht
oder der Bote eines unverständlichen Krieges
und kundschaftet
alle Ecken aus
Summt zufrieden als die Stille stirbt

Plötzlich
wird sie aufgespürt und zum Tode verurteilt
Ganz sicher
wird nie jemand
das Motiv ihres Eindringens erfahren
aber es ist zweifellos notwendig
uns an der Welt zu rächen
auf ihren nervigen Schwingen

Ein treffsicherer Schlag
Ein Akt der Vernichtung
Eine Treibjagd
Ein Sündenbock
Eine Sündenfliege
und Zack! Das Leben 

Aus dem bolivianischen Spanisch von Timo Berger

Glosa a “Ode to a nightingale” de John Keats

espagnol | Sergio Raimondi

El dolor en el corazón está. La modorra
también, ahí en el jardín, bajo el ciruelo,
sentado en la silla que tomó de la mesa
del desayuno. Pero no ha habido té.
Tragos fuertes a las tres de la mañana,
unas cuantas copas encima, boca mojada
y fuga entre la espesura de mayo, fuga,
como si eso fuera deseable, hacia la nada:
amnesia, quejas entre los reflejos prestados
del cielo, esas cosas. Se levanta y se mueve
hacia la fronda: lo más delicado no se ve,
se oye apenas o, mejor, sólo por el aroma
se distingue: y entre espinos y frutales,
entre el aromo, la violeta y la eglantina
persigue entre las sombras la sombra
de quien canta por los siglos para todos.
Bueno, no para todos. El jardinero duerme.
Hubo temprano la tormenta que vendrá
y el hombre, dicen, tuvo bastante trabajo:
podó árboles y cercas, amontonó ramas
en la hoguera, frutos podridos, una o dos
alondras en el estanque caídas y fue
el único en toda la casa que se acostó
con el pelo compacto de briznas y humo.
Dejó la Naturaleza parecida a un poema
y se cansó, claro. Ahora nada siente, nada, 
nada oye ni oirá hasta el sol: melodía ninguna.
Es que está muerto y literal y, encima, ronca:
zzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzz
zzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzz
zzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzz.
Amanece. No hay música en el mundo.
El jardinero se levanta, se dispone a buscar
sus herramientas y ve, al acercarse a la casa,
derrumbado al jovencito en la silla al sol.
¿Estará despierto o dormido el poeta?
Que descanse, shhh, que descanse ahora.

© Sergio Raimondi
from: Poesía Civil
Bahía Blanca: VOX, 2001
Audio production: Haus für Poesie / 2017

Glosse zur »Ode to a nightingale« von John Keats

allemand

Der Schmerz im Herzen unleugbar. Auch der Katzen-
jammer, dort im Garten, unterm Pflaumenbaum,
auf dem Stuhl, den er vom Frühstückstisch
entwendet hat. Doch serviert wurde kein Tee.
Starke Drinks um drei Uhr morgens, schon
ein paar Gläser intus, die Kehle angefeuchtet,
seine Flucht in der Schwere des Mai, Flucht,
als ob dies erstrebenswert wäre, auf das Nichts zu:
Amnesie, Klagen zwischen vom Himmel geliehenen
Reflexen, so was halt. Er steht auf und nähert sich
dem Laubwerk: Das Zarteste sieht man nicht,
man hört es kaum, es sticht vielmehr allein
durch seinen Duft hervor. Und zwischen Weißdorn und
Obstbäumen, zwischen dem Duft, den Veilchen
und der Weinrose verfolgt er unter den Schatten
den Schatten jener, die seit Jahrhunderten für alle singt.
Na, nicht für alle. Der Gärtner schläft schon.
Früh tobte ein Sturm, der noch über uns hereinbricht,
und der Mann, wird gesagt, hatte ziemlich viel Arbeit:
Er schnitt Bäume und Hecken, stapelte Äste
auf den Reisighaufen, verfaulte Früchte, ein oder zwei
in den Teich gestürzte Lärchen, und war
der Einzige im ganzen Haus, der zu Bett ging,
mit von Sprühregen und Rauch verdichtetem Haar.
Er hinterließ die Natur einem Gedicht gleich
und ist erschöpft, klar. Nichts fühlt er jetzt, nichts hört er
oder wird er bis zum Sonnenaufgang hören: keine Melodie.
Er liegt quasi wie tot da, und zudem schnarcht er:
zzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzz
zzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzz
zzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzz.
Der Tag bricht an. In der Welt ist noch keine Musik.
Der Gärtner steht auf, schickt sich an, seine Werkzeuge
zu holen, und sieht, als er zum Haus geht,
den Jüngling zusammengebrochen auf dem Sonnenstuhl.
Ist der Dichter schon wach, oder schläft er noch?
Er muss ausruhen, pssst, sich ausruhen, jetzt.

Übersetzung der Gedichte aus dem argentinischen Spanisch von Timo Berger.
Aus: Sergio Raimondi: Poesía civil | Zivilpoesie. Leipzig: Reinecke & Voß, 2017

Word

espagnol | Omar Pérez

La buhardilla del poeta es Word
la pesadilla del poeta es Word
el paraíso del poeta es Word
el compromiso del poeta es Word.

Oí decir que en el principio fue
The Word
Adán y Eva comprendieron que
The Wall
era el reinado de la cosa en sí
bemol
todo pecado en el pasado fue
mejor.

La escalerilla del poeta es Word
la barandilla del poeta es Word
el paraíso del poeta es Word
el pasadizo del poeta es Word

Los Filisteos descubrieron que
The War
es la manera de seguir de bien
en peor
acumulando pan al por
mayor
y produciendo circo al sol
menor.

La buhardilla del poeta es Word
la pesadilla del poeta es Word
el sacrificio del poeta es Word
el armisticio del poeta es Word

Sobre el agua iba flotando
Word
y el Gran Libro pregonaba
War
el poeta se jactaba
por
los derechos que cobraba
en Word

La buhardilla del poeta es Word
la pesadilla del poeta es Word
el paraíso del poeta es Word
el limpiapisos del poeta es Word
el compromiso del poeta
el sacrificio del poeta
el armisticio del poeta
el orificio del poeta
el edificio del poeta
es Word.

© Omar Pérez
Audio production: Haus fuer Poesie, 2019

Word

allemand

Der Schreibraum des Dichters ist Word
der Alptraum des Dichters ist Word
das Paradies des Dichters ist Word
das Verlies des Dichters ist Word.

Ich hörte sie sagen: Im Anfang war
The Word
Adam und Eva verstanden:
The Wall
war das Reich der Dinge an sich
in b-moll
waren alle Sünden in der Vergangenheit
toll.

Die Gangway des Dichters ist Word
das Geländer des Dichters ist Word
der Garten Eden des Dichters ist Word
der Gang daneben des Dichters ist Word

Die Philisiter fanden schließlich heraus:
The War
war ein Konflikt in dem man alles
verlor
man hielt Brot und Brötchen
vor
und öffnete einem Zirkus das Tor
in g-moll.

Die Dachkammer des Dichters ist Word
Der Katzenjammer des Dichter ist Word
Die Opfertruhe des Dichters ist Word
Die Waffenruhe des Dichters ist Word

Über dem Wasser schwebte 
Word
und aus dem Großen Buch strahlte
War
und der Dichter prahlte
mit
den Rechten die man ihm bezahlte
in Word

Der Schreibraum des Dichter ist Word
der Alptraum des Dichters ist Word
der Garten Eden des Dichters ist Word
das Arrangement des Dichters ist Word
das Engagement des Dichters
die Opfertruhe des Dichters
die Waffenruhe des Dichters
die Geläute des Dichters
das Gebäude des Dichters
ist Word.

Aus dem kubanischen Spanisch von Timo Berger

El despelote

espagnol | Omar Pérez

Matar no t hace verdugo
comer no t hace caníbal
volar no t hace paloma
ni discurrir t hace almíbar.

Soñar  no t hace Quijote
singar no t hace feliz
flotar en el despelote
como un árbol sin raíz.

Crecer como hace la yerba
como hoja en el tocón
ser para la mosca mierda
y para el niño canción.

Saber la verdad q encierra
la angustia desarrollada
la misma verdad, la tierra
sabe a tierra y sabe a nada.

Querías la vida muerta
d una vez y controlarla
querías cerrar la puerta
y lo q has hecho es quitarla.

© Omar Pérez
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Das Durcheinander

allemand

Henker wirst du nicht durchs richten
Kannibale wirst du nicht durchs genießen
Zur Taube wirst du nicht durchs fliegen
Und Sirup auch nicht durchs fließen.

Don Quijote wirst du nicht durch einen Traum
Zufrieden nicht durchs Vögeln
wie eine Wurzel ohne ihren Baum
durchs Durcheinander rödeln

Wie Unkraut sprießen am Feldrain
wie das Blatt auf einem Baumstumpf
für die Fliege ein Hundehäufchen sein
und für das Kind ein Trumph.

Die ganze Wahrheit erkennen,
die eine große Angst umfasst. Einmal
die Wahrheit an sich benennen
Erde schmeckt nach Erde: schal.

Du wolltest das Leben zügeln
und dann wolltest du es tot
du wolltest die Tür verriegeln
die du aus den Angeln hobst.

Aus dem kubanischen Spanisch von Timo Berger

Zarabanda

espagnol | Omar Pérez

Tiembla ciudad ronca, ciudad renga, ciudad rambla
gira bombo d rupias y ratas, en contradanza.
Ciudad maligna: miro tus tachos, miro tus techos, miro tus tetas
y en una esquina indigna podría comerme 12 croquetas.
Cuánto vale una rumba d cascabeles en competencia
cuánto cuesta un helado, una sonrisa, una paciencia
cuánto
este moho oscuro que todo llena d lentejuelas
del pasado oportuno: biblias, grilletes y castañuelas.
Sé que t gusta el mambo, quieres ser miembro d la porfía
sé q chupas y soplas, soplas y chupas con rebeldía
sé q cantas Habana
cual se tratara d un Paradiso
sueños d marihuana
lamiendo culos por un permiso.
Ah…
arrastrate serpiente, corre venado, calla tortuga
trinen los pajarillos, q baile el niño con su maruga.
La lengua se me traba en un trabalenguas d la prehistoria
tiene el preso su jaula, tiene el custodio su pan
d gloria.
Zarabanda, zarabanda, zarabanda.

© Omar Pérez
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Sarabande

allemand

Es zittert die raue Stadt, die räudige Stadt, die Rambla-Stadt
es drehen sich die Trommeln d. Rupien und Ratten, im Contra Dance-Takt.
Bösartige Stadt: Ich sehe deine vermüllten Behälter, sehe deine Ballustraden, sehe deine Brüste
und in einer unwürdigen Ecke könnte ich verdrücken: 6 Würste.
Wie viel kostet eine Schellen-Rumba im Wettstreit
wie viel kostet ein Eis, ein Lächeln, Genügsamkeit
wie viel
dieser dunkle Schimmel, der alles füllt mit Pailetten
der vorteilhaften Vergangenheit: Bibeln, Fußfesseln und Kastagnetten.
Ich weiß, dir gefällt Mambo, du willst Mitglied sein der Hartnäckigkeit
Weiß, du saugst und bläst, bläst und saugst in deiner Widerspenstigkeit
ich weiß: du besingst Havanna
als wäre es ein Paradies
Marihuanaträume
aber in Ärsche kriechen für eine Erlaubnis.
Ah …
Winde dich Schlange, laufe fort Hirsch, bleib ruhig Schildkröte
sollen die Vögelchen zwitschern, der Junge tanzen mit Maruga und Tröte.
Meine Zunge verheddert sich in einem Zungenbrecher aus der Prähistorie
der Häftling hat seinen Käfig, der Wächter sein Brot
mt. Glorie.
Sarabande, Sarabande, Sarabande.


___________

Anm.:
Sarabande höfische Tanzform der Barockmusik

Aus dem kubanischen Spanisch von Timo Berger

Integridad d cartón

espagnol | Omar Pérez

T prometieron una ley
o la prometes?
Un agujero d sol
llena la muela d sal
t prometieron una ley, o la prometes?
Un millón d sentidos son ofrendados
al absurdo
tus acciones caen en la bolsa
los banqueros pronuncian cualquier cosa:
“El sentido común es la manera más económica
d adaptarse al caos”.
Cada pichón
en su corral
solo si t pagan
sale a volar.
El protagonista es un niño azul
d cerebro carbonífero
en el cual se observan
guerrilleros derrengados.
Cada pichón
en su corral
solo si t pagan
sale a volar.
Habéis visto arder la hoguera astrològica?
Habéis participado en los juegos mundiales
del retraso mental adquirido?
Podrá participar en la olimpiada
quien tenga la lengua bien planchada.
Cada pichón
en su corral
solo si t pagan
sale a volar.
Una civilización completa es una sociedad formada
en hileras d a cinco pesos el minuto espacial
“Planetas que me escuchan!”
Cada pichón
en su corral
solo si t pagan
sale a volar.
T prometieron una ley
o la prometes
t prometieron una ley, t prometieron una ley
o la prometes?

© Omar Pérez
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Integrität d. Pappe

allemand

Dir wurde ein Gesetz versprochen
oder bist du es, der es verspricht?
Ein Loch aus Sonnenschein
lässt in deinen Backenzahn Salz hinein
dir wurde ein Gesetz versprochen oder bist du es, der es verspricht?
Eine Million von Sinnen werden geopfert
dem Absurden
deine Aktien an der Börse fallen
die Bänker lassen es in ihren Kommentaren knallen:
„Ein gesunder Menschenverstand ist der günstigste Weg
sich an das Chaos zu gewöhnen.“
Jedes Kücken
in seinem Stall
nur wenn man dich bezahlt
flattert es gen All.
Der Protagonist ist ein blaues Kind
mt. kohleführendem Gehirn
in dem lendenlahme Guerrilleros
unter Beobachtung stehen.
Jedes Kücken
in seinem Stall
nur wenn man dich bezahlt
flattert es gen All.
Habt ihr das astrologische Feuer lodern sehen?
Habt ihr teilgenommen an den World Games
der erworbenen geistigen Zurückgebliebenheit?
An der Olympiade darf teilnehmen
wer über eine gut gebügelte Zunge verfügt.
Jedes Kücken
in seinem Stall
nur wenn man dich bezahlt
flattert es gen All.
Eine ganze Zivilisation ist eine Sozietät
Die aus Reihen von fünf Peso die Weltraumminute besteht
„Planeten hört mich an!“
Jedes Kücken
in seinem Stall
nur wenn man dich bezahlt
flattert es gen All.
Dir wurde ein Gesetz versprochen
oder bist du es, der es verspricht
dir wurde ein Gesetzt verspochen, dir wurde ein Gesetz versprochen
oder bist du es, der es verspricht?

Aus dem kubanischen Spanisch von Timo Berger

Cubanologìa

espagnol | Omar Pérez

La poesía es el arma d la revolución
la poesía es el arpa d la revolución
la poesía es el herpes d la revolución
el policía es el héroe d la revolución
enarbolando el lápiz d la reprobación.
La tropelía es el lupus d la renovación
el cauce purulento d la fragmentación
fragmento con fragmento en la televisión
momento tras momento d cruda
imantaciòn.
La etnologia es el baile d la graduación
d los frijoles negros en ebullición
y el arrocito blanco, envase d cartón
d moros y cristianos en mala
traducción.
Y parecía
y parecía q el hombre se moría
despacio, d tanta reflexión
cabeceando en la noche d su generación
centenario d zafra y
desertificaciòn.
Què vacilòn, què vacilòn
el paso vacilante d la transición
d cada cual su sino
a cada cual su son
d cada cual su rito
a cada cual su ron
què vacilòn, el paso vacilante
d la transición.
La poesía es el huerto d la evolución
la poesía es un herpes cargado d emoción
la poesía es un arpa sembrada en un cajón.
Me dijeron q la isla no estaba fijada ni a su fondo
ni al cielo
y q en ella nacería una nueva criatura
sabroso mango sin chupar, y entonces
hasta cuándo
el amor será instrumento d venganza
 y la dulzura objeto para el lucro.
Me dijeron q la isla era infinita
y ahora q he llegado aquí
todo está lleno d límites.

© Omar Pérez
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Kubanologie

allemand

Die Poesie ist die Waffe d. Revolution
die Poesie ist die Harpune d. Revolution
die Poesie ist der Herpes d. Revolution
die Polizei ist die Heldin d. Revolution
die den Bleistift schwingt mt. missbilligendem Ton.
Der Übergriff ist der Lupus d. Innovation
das eitrige Rinnsal d. Fragmentation
Fragment um Fragment in der Television
Augenblick auf Augenblick v. roher
magnetischer Polarisation.
Ethnologie ist 1 Abschlussball in voller Aktion
d. schwarzen Bohnen kurz vor d. Sieden in einer Ration
und der weiße Reis, Verpackung a. Karton
moros y cristianos
in schlecht übersetzter
Portion.
Und es schien
und es schien dass der Mensch langsam
starb, nach so viel Reflektion
schläfrig nickend in d. Nacht seiner Generation
hundert Jahre Zafra und
Desertifikation.
Wie ulkig, wie ulkig
der unsichere Schritt d. Transition
von jedem sein Schicksal
jedem seinen Son
von jedem sein Ritual
jedem seinen Rum
wie ulkig, der unsichere Schritt
d. Transition.
Die Poesie ist der Garten d. Evolution
die Poesie ist ein Herpes voll v. Emotion
die Poesie ist eine Harpune gesät in eine Cajón.
Man sagt mir die Insel sei weder am Meeresgrund
noch am Himmel vertäut
und dass auf ihr ein Wesen geboren wird
eine leckere ungelutschte Mango, also
wie lange noch
ist die Liebe das Instrument d. Rache
und wird mit der Sanftheit Profit gemacht.
Man erzählte mir dass die Insel unendlich sei
Und jetzt bin ich hier angekommen
und alles ist voller Grenzen.


_____________

Anm.: moros y cristiano(wörtlich "Mauren und Christen") kubanisches Nationalgericht aus Reis und schwarzen Bohnen;Zafra Zuckerrohrernte; Cajón lateinamerikanische Kistentrommel

Aus dem kubanischen Spanisch von Timo Berger

Canción de cuna

espagnol | Omar Pérez

Los hombres viven borrachos
en sus canciones de cuna
y al que primero se despabila
le dan el premio de la locura.
Una camisa de fuerza, blanca
un crucifijo de piedra, negra
una medalla de oro, falsa
y una cadena.
Papá, cuando sea grande
cómprame un traje de héroe.
Hijo, cómpratelo tú
con los ahorros de tu conciencia.
Los hombres van en diez bandos:
primer bando, los que matan
bando segundo, los que enseñan
tercer bando, los que cavan
bando cuarto, los que vuelan
quinto, los que hablan en números
sexto, los que ensartan perlas
séptimo, los que se trasquilan
el dorso de la paciencia
octavo, los que se preparan
para vivir de la guerra
noveno, los que se ponen serios
disimulando que juegan
décimo, los que por hacer justicia
no perdonan ni a la abuela.
Hijo, cuando seas grande
constrúyeme una escalera.
Papá, constrúyela tú
con los peldaños de tu lengua.
Los hombres viven borrachos
gozando el premio de su locura
y al que primero se despabila
le cantan esta canción de cuna:
Una camisa de fuerza, blanca
un crucifijo de piedra, negra
una medalla de oro, falsa
y una cadena.

© Omar Pérez
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Wiegenlied

allemand

Die Menschen leben besoffen
in den Wiegenliedern ihrer Kindheit
und dem ersten mit wiedererlangter Klarheit
verleihen sie die Trophäe der Verrücktheit.
Eine Zwangsjacke, Helligkeit
Ein steinernes Kruzifix, Dunkelheit
eine Goldmedaille, Falschheit
und eine Kette, allzeit bereit.
Papa, wenn ich groß bin
Kauf mir ein Heldenkostüm.
Sohn, kaufs dir selbst
mit den Ersparnissen deines Gewissen.
Die Menschen brechen in zehn Gruppen auf:
Erste Gruppe, die die töten
zweite Gruppe, die die erklären
dritte Gruppe, die die graben
vierte Gruppe, die die fliegen
fünfte, die die in Nummern sprechen
sechste, die die Perlen auffädeln
siebte, die die sich den Rücken
der Geduld scheren lassen
achte, die sich darauf einstellen
vom Krieg zu leben
neunte, die die ernst werden
und so tun als würden sie spielen
zehnte, die die um der Gerechtigkeit willen
niemandem nicht mal der eigenen Oma verzeihen.
Sohn, wenn du groß bist
Bau mir eine Leiter.
Papa, bau sie dir selbst
Mit den Sprossen deiner Sprache.
Die Menschen leben besoffen
genießen die Trophäe ihrer Verrücktheit
und dem ersten mit wiedererlangter Klarheit
singen sie dieses Lied der Kindheit:
Eine Zwangsjacke, Helligkeit
ein steinernes Kruzifix, Dunkelheit
eine Goldmedaille, Falschheit
und eine Kette, allzeit bereit.

Aus dem kubanischen Spanisch von Timo Berger

Bob

espagnol | Tálata Rodríguez

Supo que Bob Dylan había escuchado su  salvaje versión de “It aint me babe”*. Se lo comentó alguien al pasar en una fiesta y todavía lo recordaba  a pesar de la nube confusa que era la noche. Estaba avergonzada, no sólo, porque  Bob Dylan la escuchara a ella, “una minita que apenas sabe tocar tres acordes”, sino porque  había grabado la canción tras una pelea y tenía los ojos hinchados como pelotas. Y lo había hecho en video, en español,  en una sola toma, pero la idea, la idea, era ingeniosa: la chica a la que el joven Bob canta “no soy yo, nena, no soy yo el que buscás”  usaba los mismos argumentos a su favor para decir: “no sos v,os, nene, no sos vos el que busco”.  A su manera de entender, reivindicaba a aquella mujer cualquier hija de vecino que exige a su hombre lo que cualquier hija de vecino debe exigir. Pero no cualquier hija de vecino era la dueña del corazón de Bob aunque le inspirara, sí, más de una canción recordada generación tras generación. Todavía recordaba la escena cuando sonó el teléfono  y una voz fresca y extranjera le dijo: “Bob Dylan quiere hablar con usted”. “Soy cocinera, que venga a cenar”, no dudaba  era el año del dragón y todos los planetas bailaban a su alrededor.  se puso un batón que olía a flores. Hizo su lista de compras, y compró: Plátano, batatas, hongos shitake, uvas… cerezas.  Cocinó sin parar  todo tipo de cocciones:, al vapor, crudas, hervidas, puré, al horno, fritas.  Vista desde arriba la mesa parecía un mandala o la cola abierta de un pavo real. No se detuvo a pensar si estaba muy nerviosa, si no estaba cocinando algo, estaba lavando algo o cortándose el pelo o pintándose las uñas de los pies. Sonó el timbre. Llegó Él. Como en los sueños en los que tevas a morir, temía que al ver a Bob la imagen se desvaneciera y se despertara en una cama doble con el costado derecho de las sábanas estirado. Pero bajó, y subieron  y tomaron un fernet con soda y limón. Y no había música pero en todo lo que él decía ella escuchaba una canción mientras respondía, con exagerados gestos, sobre las cosas que comían y viajar por el mundo hasta que él, con el sombrero de la noche del cazador, un aro en la oreja,señala el libro y le pregunta: “leíste a  Fogwill?”.

Ella Grita. Explota. Estalla

Da un saltito hasta agarrarle el brazo con la mano que sostiene el vaso. Habla del viejo Frog con el viejo Bob. Incluso se atreve a hacer una comparación sentimental y absurda entre Los pichiciegos y Changing of the guards. Pero cuando escucha al viejo Bob decir: “En 1978 yo también hice el amor con una muchacha punk, como vos”, se excita y va a buscar el postre: una cereza.

Una cereza.

Este es el postre”, dice y el viejo Bob, que tiene todo de viejo, viejo  diablo, viejo Fogill, muerde el cachete más jugoso de la fruta y con los dientes morados de jugo la tira sobre la cama. Y ya no es el viejo Bob, este crooner de estadios, sino el joven judas de la guitarra eléctrica. Y le lame el cuello con su lengua poética, y ella se siente una guitarra, una canción, “It ain´t me, babe, no no no no”
Pero despierta. Despierta en una cama doble con el costado derecho de las sábanas estirado. Su hijo durmiendo en el cuarto. Autos  veloces sobre la autopista como sueños fugaces. Toma dos tragos de agua. En el comedor,

el sol

dibuja su jaula.

© Tálata Rodríguez
from: Primera línea de fuego
Buenos Aires: Tenemos Las Máquinas, 2013
Audio production: Haus für Poesie / 2017

Bob

allemand

Sie hatte erfahren, dass Bob Dylan ihre wilde Version von „It ain’t me, babe“ gehört hatte. Auf einer Party hatte es ihr jemand im Vorbeigehen gesagt und sie erinnerte sich immer noch daran, obwohl sich die ganze Nacht in einer konfusen Wolke auflöste. Es war ihr peinlich, nicht nur, weil der alte Bob „ein Mädchen, das gerade mal drei Akkorde beherrscht“, also sie, gehört hatte, sondern weil sie das Lied nach einem Streit aufgenommen hatte, und ihre Augen stark geschwollen waren. Und sie hatte das Video auf Spanisch in einer einzigen Einstellung gedreht; aber die Idee, die Idee war eigentlich genial: Das Mädchen, dem der junge Bob „Ich bin’s nicht, Süße, bin nicht der, den du suchst“ entgegensingt, benutzt dasselbe Argument für sich und erwidert: „Du bist’s nicht, Süßer, du bist nicht der, den ich suche.“ Nach ihrem Verständnis bekannte sie sich damit zu diesem romantischen Mädchen, das von ihrem Mann fordert, was jede Tochter von Nebenan fordern sollte. Aber nicht jeder Tochter von Nebenan gehört das Herz von Bob, auch wenn sie ihn zu mehr als einem erinnerungswürdigen Song inspirierte, der von all den Generationen angestimmt werden würde, die geboren werden, nachdem Bob sich dazu entschlossen hatte, seinem aktuellen Model die Meinung zu sagen. Sie musste immer noch an die Szene denken, in der ihr jemand sagte, dass Bob „Du bist es nicht, Süßer“ gehört hatte, als das Telefon in der Wohnung klingelte und eine frische, ausländische Stimme zu ihr sagte: „Bob Dylan will Sie sprechen.“ Sie stellte keine Frage, hörte sich lediglich sagen: „Ich würde ihn gern zum Abendessen einladen. Ich bin Köchin.“ Die Klarheit ist ein im Wind stehender Drachen. Sie schrieb eine Einkaufsliste, warf sich einen Kittel über und stapfte zum Gemüseladen. Sie dachte nicht lange nach, es war das Jahr des Drachens und alle Planeten tanzten um sie herum. Kochbananen, Süßkartoffeln, Shiitake-Pilze, Trauben … Kirschen. Ohne Unterlass versuchte sie sich an allen möglichen Zubereitungsarten: Dämpfen, Rohkost, Kochen, Pürieren, Backen, Braten. Von oben glich der Tisch einem Mandala oder den aufgefächerten Schwanzfedern eines Pfaus. Sie fragte sich gar nicht erst, ob sie nervös war. Wenn sie gerade nicht kochte, dann spülte sie etwas ab, schnitt sich die Haare oder lackierte sich die Zehennägel. Es klingelte. Er war da. Wie in diesen Träumen, in denen du dich sterben siehst, fürchtete sie, dass sich, wenn sie Bob sah, das Bild auflösen und sie in einem Doppelbett aufwachen würde, dessen Laken neben ihr unberührt geblieben waren. Doch sie ging runter zur Haustür, zusammen gingen sie wieder nach oben und tranken einen Fernet mit Soda-Wasser und Zitrone. Die Anlage war aus, aber aus allem, was er sagte, hörte sie einen Song heraus, während sie ihm mit übertriebenen Gesten seine Fragen beantwortete, was sie aßen, und wohin auf der Welt sie gereist war, bis er mit dem Hut aus Die Nacht des Jägers und einem Ohrring auf ein Buch zeigt und fragt: „Hast du Fogwill gelesen?“

Sie schreit. Platzt. Explodiert.

Sie macht einen Sprung, bis sie ihn mit der Hand, die das Glas hielt, am Ellbogen erwischt. Sie spricht mit dem alten Bob über den alten Frog. Sie wagt sogar einen sentimentalen und absurden Vergleich zwischen Los pichiciegos und Changing of the Guards. Aber als sie den alten Bob sagen hörte, „1978 habe ich auch mit einem Punkmädchen geschlafen“, macht sie das heiß und sie geht den Nachtisch holen: eine Kirsche.

Eine Kirsche.

„Das ist der Nachtisch“, sagte sie zum alten Dylan, der alles von einem Alten hat, einem alten Teufel, einem alten Weisen, einem alten Fogwill. Er biss ins prallere Bäckchen der Frucht und mit vom Saft purpurgefärbten Zähnen stößt er sie ins Bett. Und er ist schon nicht mehr der alte Dylan, dieser Crooner der Stadien, sondern der junge Judas der E-Gitarre. Und er leckte ihren Hals mit seiner poetischen Zunge, und sie fühlt sich eine Gitarre, einen Song, „It ain’t me, babe, no no no no“.
Doch dann wacht sie auf. Wacht auf in einem Doppelbett, die Laken auf der rechten Seite ist unberührt. Ihr Sohn schläft in seinem Zimmer. Autos fahren wie Sternschnuppen über die Autobahn. Sie nimmt zwei Schluck Wasser. Ins Esszimmer

zeichnet die Sonne

ihren Käfig.


La Marilyn Monroe de Santo Domingo

espagnol | Frank Báez

Soy la Marilyn Monroe de Santo Domingo. 
Tengo seis pies cuatro pulgadas. 
Dos pulgadas más cuando uso tacos. 
Tengo un lunar en las nalgas. 
 
Salgo con poetas de los ochenta. 
Salgo con chiriperos, guachimanes, 
modelos, ingenieros, artistas plásticos,
levantadores de pesas, abogados, rubios,
funcionarios, toleteros, parqueadores de carros. 

Soy la asidua al Bingo,  
la que se mete en la cartera
su Hojas de Hierba
(traducción de León Felipe)
y se pierde en la nada. 
La que bebe café en las paradas,
la buscamacho, la pitonisa, la megapoeta,
la que llora al final de la película
sin que nadie la abrace. 
Soy monstruo que menstrua
la que se sienta en las barras a beber, 
se ajuma y le pone cara de asco
a todos los cueros y le quema las falditas
con los cigarrillos cuando pasan.
La que quiso secuestrar a Anthony Ríos.
La que se inyecta hormonas en las piernas.
Soy la Cicciolina.
Soy Tiresias.  
La que escribe encuera.
Ese mujerón que los espejos
de los moteles multiplican
cuando la ponen en cuatro.
La que se sienta en el último banco
de la iglesia con un ojo morado.
Miss Boca Chica mil novecientos noventa y cuatro.  
Esa que fuma en el malecón mirando
los barcos con luces encendidas.
La estudiante de segundo semestre de enfermería.
La rubia que maneja ambulancias, OMSAS,
voladoras, patanas. 

Soy la MARILYN MONROE DE SANTO DOMINGO. 
Soy la MARILYN MONROE DE SANTO DOMINGO. 
No, no, eso seguía ahí.
No me lo había mochado. 
No tenía dinero con qué. 
Así que un día pensé en hacer recitales
pa’ recolectar dinero y hacerme la operación.
Llamé por teléfono a mis amigos poetas.
Me acuerdo que pasaban una canasta
como en las misas
y yo me paraba ahí en el escenario
pin pun la Marilyn Monroe de Santo Domingo
leyendo mis versos y agradeciendo los aplausos. 
Gracias amigos poetas.
Gracias señor Ministro de Cultura.
Muchas gracias.

Me sigue una turba con piedras.
Me apedrean en la Mella. Me apedrean
en los Car Wash de San Isidro,
de los Mameyes, de la Charles y de Villa Mella. 
Detrás del estadio Quisqueya.
Me golpean, me vejan, me vocean.    
Me dan una salsa. 
Se echan arriba de mí uno a uno.
Yo me he perdido.
No estoy aquí.
Repito: yo me he perdido
y no sé cómo encontrarme.
Ando por los cuatro puntos cardinales buscándome
en procesión con todas las que fui
y con las que seré y con las que no he de ser.
Duermo en camas de hospitales,
pensiones, moteles, parques. 
Tomo duchas. Muchas duchas.
El tinte me resbala por la cara
y por el maquillaje.
Siento que me voy despedazando
y que los pedazos de mí van cayendo uno a uno
llevándoselos el agua de la ducha
que va cayendo y llevándome
hasta el desagüe.

Heme ahí en la cola de un Setenta. 
Bailando con tres hombres en un patio. 
Caminando con un taco doblado.
Masajeando turistas italianos. 
Sentada sobre mi maleta
pidiendo bolas en un cruce.
Se paran dos en un Toyota.
El que maneja me dice
Hola rubia mi amol pa dónde tu va
y yo respondo go LA
all the way down to LA

o sea, Los Alcarrizos. 
Me dejan trece kilómetros más allá.
Camino al otro lado de la pista
y ellos se quedan ahí mirándome
hasta que de este lado
se para un camión de Leche Rica
y me monto. 

(Abro un paréntesis aquí para advertir
que tienen que hacerse el examen del sida.
Yo me lo hago anual.
A más tardar se lo dan en una semana.
Ciento ochenta pesos por la UASD.)

Salgo con divorciados, viudos, ateos, curas, críticos de arte,
psicoanalistas, ex suicidas, salsómanos, pasoleros,
haitianos, pastores evangélicos, payasos, enfermos terminales,
esquizos, boxeadores arruinados. 

Despierto en Puerto Plata.
Tengo visiones en Azua.
Veo al Papa bailando salsa.
Veo iglúes en Haina y los Tres Brazos.
Esquimales en colmados. Pingüinos en Mao. 
San Agustín con las pestañas de Charityn. 
Ovnis abduciendo senadores y diputados.     

Hay un país en el mundo colocado en el mismo trayecto del sol.  
Hay en el mundo un mismo país colocado en el trayecto del sol.  
Hay el mismo trayecto del sol colocado en un país del mundo. 
Hay el trayecto del sol en el mismo mundo de un país colocado.  

Viajo a Nueva York con un pasaporte falsificado.

MARILYN MONROE caminando de nuevo por la Quinta Avenida. 
MARILYN MONROE CON UNA BARBA DE TRES DÍAS. 

Desayuno en Tiffanys.
Bebo Champagne en limosinas.  
Corro por mi vida en Corona.
Toco el acordeón en una esquina.  
Peleo en Soho.
Lloro frente al Hudson. 
Recito en el Nuyorican Café.
Decimeros, poetas y raperos
me lanzan ramilletes de flores.
Firmo autógrafos.
Reparto besos.
De repente las puertas estallan.
Los de migración me esposan.
Me empujan mientras
el público los abuchea y arroja botellas. 
Suenan disparos. 
Ellos me deportan.

Soy la Marilyn Monroe de Santo Domingo.
Me depilo entera.  
Me empolvo. Me maquillo.
Me pongo un abrigo de pieles
lista pal próximo recital.

Soy la MARILYN MONROE DE SANTO DOMINGO.
Soy la MARILYN MONROE DE SANTO DOMINGO.
Soy la MARILYN MONROE DE SANTO DOMINGO.
¿Qué se va a hacer?

© Frank Báez
from: Este es el futuro que estabas esperando
Bogotá: Editorial Seix Barral, 2017
Audio production: Haus für Poesie / 2017

Die Marilyn Monroe Santo Domingos

allemand

Ich bin die Marilyn Monroe Santo Domingos.
Ich bin ein Meter 93 groß.
Fünf Zentimeter größer, wenn ich Absätze trage.
Ich habe einen Leberfleck am Po.

Ich gehe mit den Dichtern der Achtziger aus.
Gehe aus mit Glückspilzen, Securityleuten,
Modells, Ingenieuren, Künstlern,
Gewichthebern, Anwälten, Blonden,
Beamten, Schlägern, Autoeinparkern.

Ich bin eine ausdauernde Bingo-Spielerin,
bin die, die ihre Leaves of Grass
(in der Übersetzung von Léon Felipe)
in die Handtasche steckt
und sich irgendwo verirrt.
Die, die an Haltestellen Kaffee trinkt,
die Männchensucherin, die Niedliche, die Superdichterin,
die, die am Filmende heult
und niemanden hat, der sie dabei umarmt.
Ich bin das Monster, das menstruiert,
die, die sich an die Bar setzt, um zu trinken,
sich beschwipst und alle Nutten
angeekelt ansieht und ihnen die Röckchen ansengt
mit einer Zigarette, wenn sie vorbeigehen.
Die, die Anthony Ríos entführen wollte.
Die, die sich Hormone in die Beine spritzt.
Ich bin die Cicciolina.
Bin die weibliche Tiresias.
Die, die nackt schreibt.
Dieses Vollweib, das die Spiegel
der Motels vervielfachen,
wenn sie auf alle viere geworfen wird.
Die, die sich in der Kirche
mit einem blauen Auge in die letzte Reihe setzt.
Miss Kleiner Mund neunzehnhundertvierundneunzig.
Die, die an der Strandpromenade raucht und die Schiffe
mit leuchtenden Lichtern betrachtet.
Die Krankenschwester im zweiten Ausbildungsjahr.
Die Blondine, die Krankenwagen fährt, OMSA-Busse,
Minibusse, Sattelschlepper.

Ich bin die MARILYN MONROE SANTO DOMINGOS.
Ich bin die MARILYN MONROE SANTO DOMINGOS.
Nein, nein, der ist immer noch dran.
Ich hab ihn mir nicht abschnippeln lassen.
Ich hatte kein Geld.
Also dachte ich eines Tages, ich sollte Lesungen organisieren
Um Kohle einzutreiben und mich zu operieren.
Ich rief meine Dichterfreunde an.
Ich erinnere mich, dass sie ein Körbchen rumgehen ließen
wie im Gottesdienst
und ich stand auf der Bühne
Ta ta ta ta die Marilyn Monroe Santo Domingos
las meine Verse und bedankte mich für den Applaus.
Danke, liebe Dichterfreunde.
Danke, Herr Kulturminister.
Vielen Dank.

Mich verfolgt ein Mob mit Pflastersteinen.
Sie steinigen mich in der Mella. Steinigen mich
in den Car Washs von San Isidro,
von Los Mameyes, von Charles und von Villa Mella.
Hinter dem Stadion Quisqueya.
Sie schlagen mich, belästigen mich, schreien mich an.
Sie traktieren mich nach allen Regeln der Salsa.
Sie werfen sich einer nach dem andern auf mich.
Ich habe mich verirrt.
Ich bin nicht hier.
Ich wiederhole: ich habe mich verlaufen.
und ich weiß nicht, wie ich wieder zu mir finde.
Ich gehe in alle vier Himmelsrichtungen, um mich zu suchen
Mit mir alle, die ich gewesen bin
und die ich sein werde und die ich nicht sein muss.
Ich schlafe in Krankenhausbetten,
Pensionen, Motels, Parks.
Ich dusche mich. Dusche mich oft.
Die Tusche läuft mir übers Gesicht
und das Makeup.
Ich fühle, dass ich zerbröckele
und die Stückchen von mir eines ums andere zu Boden fallen
dass mich das Duschwasser mitreißt
das auf mich prasselt und mich
bis zum Abfluss spült.

Da bin ich in der Schlange des 70er-Busses.
Tanze mit drei Männern in einem Hinterhof.
Gehe mit einem umgeknickten Absatz.
Massiere italienische Touristen.
Sitze auf meinem Koffer
an einer Kreuzung und trampe.
Zwei in einem Toyota halten an.
Der Fahrer fragt.
Hi Blondy, wo willst du hin, Schätzchen?
Und ich antworte go LA
All the way down to LA

Das heißt nach Los Alcarrizos.
Sie setzen mich dreizehn Kilometer davor ab.
Ich gehe auf die andere Straßenseite
und sie bleiben stehen, beobachten mich
bis auf meiner Seite
ein Milchlaster von Leche Rica hält
und ich einsteige.

(Ich öffne eine Klammer, um darauf hinzuweisen,
dass ihr einen AIDS-Test machen müsst.
Ich mache jährlich einen.
Allerspätestens in einer Woche bekommst du das Ergebnis.
Für hundertachtzig Pesos in der Uni)

Ich gehe aus mit Geschiedenen, Witwern, Atheisten, Priestern, Kunstkritikern,
Psychoanalytikern, Ex-Selbstmördern, Salsasüchtigen, Rollerfahrern,
Haitianern, Baptistenpredigern, Clowns, Sterbenskranken,
Schizzos, abgebrannten Boxern.

Ich wache in Puerto Plata auf.
Habe Visionen in Azua.
Sehe den Papst Salsa tanzen.
Sehe Iglus in Haina und Los Tres Brazos.
Eskimos in Tante-Emma-Läden. Pinguine in Mao.
Den Heiligen Augustin mit den Wimpern von Charytín.
Ufos die Senatoren und Abgeordnete entführen.

Es gibt ein Land in der Welt gesetzt genau in den Weg der Sonne.
Es gibt in der Welt genau ein Land gesetzt in den Weg der Sonne.
Es gibt genau den Weg der Sonne gesetzt in ein Land der Welt.
Es gibt den Weg der Sonne in genau der Welt eines gesetzten Landes.

Ich reise nach New York mit einem gefälschten Pass.

MARILYN MONROE spaziert wieder über die Fifth Avenue.
MARILYN MONROE MIT EINEM DREITAGEBART.

Ich frühstücke im Tiffanys.
Trinke Champagner in Limousinen.
Renne um mein Leben in Corona.                
Spiele an einer Ecke Akkordeon.
Kämpfe in Soho.
Weine am Hudson.
Trete auf im Nuyorican Café.
Narren, Dichter und Rapper
werfen mir Blumensträuße zu.
Ich gebe Autogramme.
Verteile Küsse.
Plötzlich knallen die Türen.
Die Grenzer verpassen mir Handschellen.
Sie stoßen mich, während
das Publikum sie ausbuht und Flaschen wirft.
Schüsse erklingen.
Sie schieben mich ab.

Ich bin die Marilyn Monroe Santo Domingos.
Ich depiliere mich am ganzen Körper.
Pudere mich. Schminke mich.
Schlüpfe in meinen Fellmantel,
bereit für die nächste Lesung.

Ich bin die Marilyn Monroe Santo Domingos.
Ich bin die Marilyn Monroe Santo Domingos.
Ich bin die Marilyn Monroe Santo Domingos.
Was sonst!

Aus dem dominikanischen Spanisch von Timo Berger

Breve conversación con el mar Caribe

espagnol | Frank Báez

Te cuento que el otro día conocí
al mar Mediterráneo y fue un poco
como conocer un actor olvidado. 

Caminé por el malecón oyendo
sus olas que sonaban como 
la tos de un Joe Pesci asmático. 

Aunque más que un actor olvidado  
el mar recordaba las momias que
exhiben en el museo del Cairo. 

Nada que ver contigo, mar Caribe,
que esta tarde tienes tanto vigor que
parece que vienes del gimnasio.  

No sé si te prefiero cuando
te tiendes manso y reposas como
un león en medio de la pradera.

O cuando te enfureces y ruges
e intentas sodomizar la costa
a la manera de Marlon Brando

en El último Tango en París
Los pelícanos y las gaviotas se
te escurren de los dedos cuando

intentas atraparlos, es como si
quisieras salirte del lecho,   
pero tus cadenas te sostienen

con tanta fuerza que no te queda
de otra que gritar y despotricar.   
Di la verdad, ¿no te molestan

los cruceros con ancianos
y toda esa basura que te arrojamos?           
Te hemos envenenado, contaminado.  

El año pasado tus costas tenían
tantas algas que parecía que
en nuestras playas un turista 

te contagió la sífilis.
Yo me dije esto se ve feo.
Y me pregunté si este no era el fin.  

Pero en vez de mandar un tsunami
y desquitarte de nuestras ciudades
y borrar del mapa a Miami, 

volviste a pacer tu rebaño de olas
que balaban en paz y en armonía
a lo largo y ancho de la costa. 

¿Qué más te digo? Eres el mar
de mi infancia, me he pasado
la vida descifrando tus palabras.

Ambos hemos envejecido, pero
a pesar del paso del tiempo 
sigo viniendo a este arrecife

a conversar contigo con la
misma inocencia de cuando
era niño y paseando por

tus playas recogí una caracola
y me la llevé al oído y tú me
hablaste por primera vez. 

© Frank Báez
from: Este es el futuro que estabas esperando
Bogotá: Editorial Seix Barral, 2017
Audio production: Haus für Poesie / 2017

Kurzes Gespräch mit dem Karibischen Meer

allemand

Hab ich dir erzählt, dass ich neulich das Mittelmeer
kennengelernt habe? Das war ein bisschen so
wie einen in Vergessenheit geratenen Schauspieler kennen zu lernen.

Ich spazierte über die Strandpromenade und hörte
seine Wellen, die wie das Husten
eines asthmatischen Joe Pesci klangen.

Dabei erinnert das Meer weniger an einen in Vergessenheit
geratenen Schauspieler als an die Mumien,
die im Museum in Kairo ausgestellt sind.

Kein Vergleich mit dir, Karibisches Meer,
das du heute Nachmittag so viel Kraft hast,
als würdest du gerade aus dem Fitnessstudio kommen.

Ich weiß nicht, ob ich dich lieber mag, wenn du
friedlich räkelst und ausruhst
wie ein Löwe mitten auf einer Weide.

Oder wenn du wild wirst und tobst
und versuchst, die Küste von hinten zu nehmen
so wie Marlon Brando

in Letzter Tango in Paris.
Die Pelikane und die Möwen
entwischen Deinen Fingern, wenn

du versuchst, sie zu fangen, es ist
als wolltest du dein Bett verlassen
aber deine Ketten halten dich zurück

mit solcher Kraft, dass dir nichts anderes
bleibt, als zu schreien und zu schimpfen.
Sei ehrlich, nerven dich nicht

die Kreuzfahrtschiffe mit den Rentnern
und der ganze Müll, mit dem wir dich bewerfen?
Wir haben dich vergiftet, verschmutzt.

Im letzten Jahr wuchsen an deinen Küsten
so viele Algen, dass es so aussah,
als hätte dich ein Tourist

an unseren Stränden mit Syphilis angesteckt.
Ich dachte, das sieht hässlich aus.
Und fragte mich, ob so nicht das Ende wäre.

Aber statt einen Tsunami zu schicken
und dich schadlos an unseren Städten zu halten
und Miami von der Landkarte zu löschen,

ließest du deine Herde von Wellen wieder weiden
die die ganze Küste entlang
in Frieden und Harmonie blökten.

Was bleibt mir zu sagen? Du bist das Meer
meiner Kindheit, ich habe mein Leben
damit verbracht, deine Worte zu entschlüsseln.

Wir sind beide älter geworden, doch
obwohl Zeit vergangen ist
komme ich immer noch an dieses Riff,

um mit dir zu reden mit derselben Unschuld,
wie damals, als ich Kind war
und auf einem Spaziergang

über deine Strände eine Muschel aufhob
und sie mir ans Ohr setzte und du
zum ersten Mal mit mir sprachst.

Aus dem dominikanischen Spanisch von Timo Berger

Mi amigo camina hacia el silencio

espagnol | Frank Báez

Mi amigo decidió
que no iba a escribir más
estaba sentado en el metro
en dirección a su casa
tarde en la noche
cuando se dijo
que no más
que ya no es necesario
que uno sencillamente puede
dejar de escribir y renunciar
como uno de esos árboles
que en primavera se niegan a que
sus hojas broten
y eso hizo mi amigo
decidió que no iba a escribir más
y que cuando le viniera
el impulso
lo iba a ignorar
o mejor aún
iba aprovechar esa energía
para hacer otra cosa
como caminar
y eso hizo
se puso a caminar
por Manhattan
y cuando le preguntaron
hacia dónde iba
él respondía que caminaba
hacia el silencio y bueno el silencio
no existe
el silencio es una metáfora
en un experimento John Cage demostró
que no existe el silencio
se metió en una cámara a prueba de sonido
y se dio cuenta de que en todo momento
seguimos escuchando
el latido de nuestro corazón
o la circulación de la sangre
es decir que nuestro cuerpo es lenguaje
o mejor aún que el lenguaje es vida
pero a mi amigo esto no le interesa
y sigue caminando
en busca del silencio
y pronto hundirá sus zapatos en la nieve
y avanzará como si fuese el primer
explorador que alcanza las regiones del silencio
y los copos de nieve caerán cada vez más rápido
como queriendo sepultarlo
y sus pasos en la nieve resonarán
al igual que sus versos que solo cesarán
cuando alcance el silencio
y la nieve borre una a una sus huellas y su cuerpo
y la ciudad blanca como una hoja de papel.

© Frank Báez
from: Este es el futuro que estabas esperando
Bogotá: Editorial Seix Barral, 2017
Audio production: Haus für Poesie / 2017

Mein Freund nähert sich der Stille

allemand

Mein Freund hat beschlossen
nicht mehr zu schreiben
er saß in der Metro
auf dem Nachhauseweg
spät nachts
als er sich sagte
dass es reicht
dass es nicht mehr notwendig sei
dass man einfach aufhören kann
mit dem Schreiben und künftig darauf verzichten
wie einer der Bäume
die sich im Frühling weigern
ihre Blätter sprießen zu lassen
das tat mein Freund
er beschloss, nicht mehr zu schreiben
und sollte der Impuls
ihn doch überkommen
dann würde er ihn ignorieren
oder, besser noch
die Energie nutzen
um etwas anderes zu tun
wie spazieren gehen
und das tat er
er ging in Manhattan
spazieren
und als er gefragt wurde
wo er hinginge
sagte er, er spaziere
auf die Stille zu, nun ja, die Stille
gibt es nicht
die Stille ist eine Metapher
mit einem Experiment zeigte John Cage
dass die Stille nicht existiert
er schlüpfte in eine Kammer, um ihren Klang zu testen
und bemerkte, dass wir in jedem Augenblick
unseren Herzschlag
unsere Blutzirkulation
hören
das heißt, unser Körper ist Sprache
oder besser noch, dass die Sprache Leben ist
aber meinen Freund interessiert das nicht
er spaziert weiter
auf der Suche nach der Stille
bald tauchen seine Schuhe in den Schnee
er schreitet voran, als wäre er der erste
Entdecker, der die Regionen der Stille erreicht
und die Flocken fallen immer schneller
als wollten sie ihn begraben
und seine Schritte knirschen im Schnee
genauso wie seine Verse, die erst abbrechen
wenn er die Stille erreicht
und der Schnee seine Spuren eine nach der anderen löscht, und sein Körper
und die Stadt weiß wie ein Blatt Papier.

Aus dem dominikanischen Spanisch von Timo Berger

Una epístola para Walt Whitman

espagnol | Frank Báez

Querido Walt, te escribo para contarte
cómo tu barba ha inspirado a mi generación
más que tu poesía.
 
Estoy en el futuro observando una foto
que tomaron en mil novecientos setenta y nueve
cuando yo tenía un año y mi papá tenía treinta y uno
y donde este me carga detrás de un retrato tuyo.
 
Mi papá tiene una barba rala.
Y tú tienes tu poderosa barba whitmaniana,
y ahora que el tiempo ha pasado
comprendo que era una premonición
de que yo también acabaría con barba.
 
Me la dejé crecer hace unos años.
No fue nada planificado.
Fue creciendo así como una hiedra
que crece misteriosamente en el patio. 
Y creció en mi cara y fue bien recibida
en una época en que quienes se dejaban la barba
eran talibanes o terroristas.
Pero yo la dejé que siguiera creciendo
y entonces cada vez más aparecían barbudos
y llegaron los hipsters con sus bigotes y sus barbas
las cosas inmediatamente cambiaron
y los barbudos se pusieron de moda 
como en el medio oriente
y a nadie más le volvieron a vocear terrorista
por tener la barba larga
ya que ahora con una barba lucías cool
y hasta los policías y las mujeres se las dejaban
y en los aeropuertos no volvieron a verme raro
y en migración me dejaban pasar
sin cuestionarme de más
y sin llamarme Osama. 
 
Ahora de cada dos hombres hay uno con barba
y cada vez que veo un barbudo
con una mujer hermosa de la mano 
siento que el mundo va por buen camino
y sé que este asunto de la barba
ha molestado a los lampiños
que no saben qué hacer
y están los bigotudos
que no se quieren quedar atrás
y que han empezado
a dejarse crecer la barba
y juran que siempre han sido barbudos
como si uno no se diera cuenta.
 
Y los he visto paseando en bicicletas, 
en picnics tomando té y galletas,
paseando perros y jugando con gatos.
Los he visto temprano en las mañanas
de pie en sus baños
aceitando y peinando sus barbas.
 
Querido Walt, he visto el puente de Brooklyn al atardecer
lleno de niños con barbas largas como la tuya.
Y a veces pienso que fue a ellos
a quienes te dirigiste cuando escribiste
los versos de «Cruzando en el ferry de Brooklyn»
y que quizás esa vez tuviste una visión profética
y alcanzaste a verlos a todos ahí arriba
con sus barbas paseándose en el puente de Brooklyn
que por cierto también era parte de la visión
ya que en esos días el puente tampoco existía.

© Frank Báez
from: Este es el futuro que estabas esperando
Bogotá: Editorial Seix Barral, 2017
Audio production: Haus für Poesie / 2017

Brief an Walt Whitman

allemand

Lieber Walt, ich schreibe dir, um dir zu erzählen
dass meine Generation weniger von deiner Poesie
als von deinem Bart inspiriert wurde.

Ich bin in der Zukunft und betrachte ein Foto
das neunzehnhundertneunundsiebzig gemacht wurde
als ich ein Jahr alt war und mein Vater einunddreißig
und mich vor einem Porträt von dir auf dem Arm hält.

Mein Vater hat einen spärlichen Bartwuchs.
Und du hast deinen mächtigen Whitman’schen Bart,
und jetzt, da die Zeit vergangen ist,
verstehe ich, dass es ein Omen dafür war,
dass ich auch einen Bart tragen würde.

Ich habe ihn mir vor ein paar Jahren stehen lassen.
Es war gar nicht geplant.
Er wuchs wie Efeu,
das auf mysteriöse Weise im Hof sprießt.
Er wuchs in meinem Gesicht und kam gut an
in einer Zeit, in der die, die sich einen Bart stehen ließen,
Taliban oder Terroristen waren.
Aber ich ließ ihn weiterwachsen
und dann gab es immer mehr mit Vollbart
und dann die Hipster mit ihren Schnauzern und Bärten
und alles wurde anders
der Vollbart kam in Mode
wie im Nahen Osten
und niemandem wurde mehr „Terrorist“ entgegengerufen
weil er einen langen Bart trug
denn mit Bart sah man cool aus
sogar Polizisten und Frauen ließen sich einen stehen
und an den Flughäfen wurde ich nicht misstrauisch beäugt
bei der Einreise ließen sie mich durch
ohne allzu viele Fragen
und ohne mich Osama zu nennen.

Jetzt trägt einer von zwei Männern Bart
immer wenn ich einen mit Vollbart sehe
eine schöne Frau an der Hand
spüre ich, dass die Welt auf dem richtigen Weg ist
und ich weiß, dass das mit dem Bart
jetzt die Bartlosen stört,
die nicht wissen, was sie tun sollen
und dann sind da noch die Schnauzbartträger
die nicht außen vor sein wollen
und die angefangen haben,
sich den Bart wachsen zu lassen
und schwören, sie hätten schon immer Vollbart getragen,
als ob einem das nicht auffallen würde.

Ich habe sie auf dem Fahrrad gesehen,
auf Picknicks Tee trinken und mit Katzen spielen.
Ich habe sie am frühen Morgen
in ihren Badezimmern gesehen,
wie sie ihre Bärte kämmten und einölten.

Lieber Walt, ich habe die Brooklyn-Brücke in der Abenddämmerung gesehen
Sie war voller Jungs mit langen Bärten so wie deiner.
Und manchmal denke ich, du hast dich an sie gerichtet,
als du die Verse von Auf der Brooklyn Fähre schriebst
und dass du damals vielleicht eine prophetische Vision gehabt hast
und alle dort oben gesehen hast
wie sie mit ihren Bärten über die Brooklyn-Brücke spazieren
die natürlich auch Teil deiner Vision war
denn damals gab es die Brücke noch nicht.

Aus dem dominikanischen Spanisch von Timo Berger

En la Biblia no aparece nadie fumando

espagnol | Frank Báez

Pero qué tal si Dios o los que escribieron la Biblia
se olvidaron de agregar los cigarros
y en realidad todas esas figuras bíblicas
se pasaban el día entero fumando
al igual que en los cincuenta en que se podía fumar
en los aviones y hasta en la televisión
y yo imagino a todos esos gloriosos judíos
llevándose sus cigarrillos a los labios
y expulsando el humo por las narices
en lo que aguardan
por sus visiones o porque Dios les hable,
e imagino a David tocando el harpa
en un templo lleno de humo,
a Abraham fumando cigarro tras cigarro
antes de decidirse a matar a Isaac,
a María fumando antes de darle a José
la noticia de que está embarazada,
e incluso imagino a Jesús sacando un cigarro
de detrás de la oreja y fumando
para relajarse antes de dirigirse a las multitudes
reunidas en torno suyo.
Yo no soy un fumador.
Pero a veces me vienen ganas y fumo
como en este instante en que miro la lluvia
caer tras la ventana
y me siento como Noé cuando esperaba
que pasara el diluvio y se la pasaba
de arriba a abajo por toda el arca
buscando donde había puesto
esa maldita cajetilla.

© Frank Báez
from: Este es el futuro que estabas esperando
Bogotá: Editorial Seix Barral, 2017
Audio production: Haus für Poesie / 2017

Niemand raucht in der Bibel

allemand

Was wäre, wenn Gott oder die, die die Bibel geschrieben haben
die Zigaretten vergessen hätten
und all die biblischen Figuren eigentlich
den ganzen Tag geraucht hätten
genauso wie in den Fünfzigern, in denen man in Flugzeugen
und sogar im Fernsehen rauchen durfte
und ich stelle mir all die glorreichen Juden vor
wie sie sich die Zigaretten zwischen die Lippen stecken
und den Rauch durch die Nase blasen
während sie auf Visionen warten
oder darauf, dass Gott zu ihnen spricht,
und ich stelle mir David vor, wie er
in einem verqualmten Tempel Harfe spielt,
Abraham, der sich eine nach der anderen ansteckt,
bevor er sich entscheidet, Isaak zu opfern,
Maria, die raucht, bevor sie Joseph gesteht,
dass sie schwanger ist,
und ich stelle mir sogar vor, wie Jesus eine Zigarette
hinterm Ohr hervorzieht und raucht,
um sich zu entspannen, bevor er zu den Massen spricht,
die sich um ihn versammelt haben.
Ich bin kein Raucher.
Aber manchmal bekomme ich Lust und rauche
Wie in diesem Augenblick, in dem ich den Regen betrachte
der hinter der Scheibe fällt
und ich fühle mich wie Noah, der darauf wartete
dass die Sintflut nachließ und der
die ganze Arche auf- und abging
auf der Suche nach der Stelle,
wo er das verfluchte Päckchen hingelegt hatte.

Aus dem dominikanischen Spanisch von Timo Berger

Anoche soñé que era un DJ

espagnol | Frank Báez

Llamo por teléfono a Miguel y le pregunto
si piensa que me iría mejor de DJ o como poeta
y Miguel responde que siga como poeta.
Mi novia también dice que como poeta.
El hermano de mi novia dice que como poeta
y una jevita que hacía una fila en el cine
y que recién conocí dice que como DJ.

Las menores me ven más como DJ
y las mujeres que compran en el supermercado
dicen que persista con los poemas.

Mi mamá dice que como poeta.
El plomero dice que poeta.
Los cinco poetas que conozco me dijeron
que me iría mejor como DJ.
Mi hermana se abstuvo de votar.

Fui a ver a DJ Tiesto
y una gringa me tomó de las manos
y me explicó que los DJ son criaturas de Dios.
Son ángeles, dijo y mientras hablaba
yo imaginaba a los DJ volando
con sus turntables alrededor de Dios
como si fueran mosquitos y Dios los espantara
con la mano.

Pero bueno, la cuestión es si los poetas y los DJ
se pueden conciliar.
Si pueden ser uno,
si es posible escribir con una mano poemas
y con la otra pinchar discos,
si se puede ser mitad poeta y mitad DJ,
si del ombligo para arriba soy poeta
y del ombligo para abajo soy DJ
o al revés
o quizás que un poeta se convierta
en DJ las noches de luna llena
o quizás estoy exagerando
y en el fondo todo DJ quiere ser poeta
y todo poeta quiere ser DJ.

Hay una fábula en donde un DJ y un poeta
caen en un pozo.
Empiezan a vocear y a vocear hasta
que un hombre se asoma y les tira una
cuerda para irlos subiendo poco a poco.
Sube al DJ primero y cuando se la
arrojan al poeta este grita que lo dejen abajo
y el hombre y el DJ así lo hacen, aguardan
en silencio y se marchan al rato.

© Frank Báez
from: Este es el futuro que estabas esperando
Bogotá: Editorial Seix Barral, 2017
Audio production: Haus für Poesie / 2017

Heute Nacht träumte ich, ich wäre ein DJ

allemand

Ich rufe Miguel an und frage ihn
ob ich mehr Erfolg als DJ oder als Dichter hätte
und Miguel sagt, ich solle es weiter als Dichter versuchen.
Meine Freundin sagt, weiter als Dichter.
Der Bruder meiner Freundin sagt auch: als Dichter
und eine Schnecke in der Kinoschlange,
die ich gerade kennengelernt habe, sagt, als DJ.

Die Jüngeren sehen in mir den DJ
und die Frauen, die im Supermarkt einkaufen
sagen, ich soll weiter Gedichte schreiben.

Meine Mama sagt, als Dichter.
Der Klempner sagt, Dichter.
Die fünf Dichter, die ich kenne, meinen,
ich hätte mehr Erfolg als DJ.
Meine Schwester enthält sich der Abstimmung.

Ich bin aufs Konzert von DJ Tiesto gegangen
und eine Amerikanerin nahm meine Hände
und erklärte mir, DJs seien Geschöpfe Gottes.
Sie seien Engel, sagte sie und als sie sprach
stellte ich mir vor, wie die DJs
mit ihren Turntables wie Fliegen
um Gott herumflatterten, der sie
mit der Hand verscheuchte.

Die Frage ist doch, ob sich Dichter und DJs
vertragen können.
Ob sie eins sein können,
ob es möglich ist, mit der einen Hand Gedichte zu schreiben
und mit der anderen Platten aufzulegen,
ob man halb Dichter, halb DJ sein kann,
ob ich vom Bauchnabel nach oben Dichter
und vom Bauchnabel nach unten DJ bin
oder umgekehrt
oder vielleicht verwandeln sich Dichter
in Vollmondnächten in DJs
oder – vielleicht übertreibe ich –
will jeder DJ im Grunde doch Dichter sein
und jeder Dichter DJ.

Man erzählt sich, dass einmal ein DJ und ein Dichter
in eine tiefe Grube fielen.
Sie schrien so lange bis
ein Mann erschien und ihnen ein Seil
zuwarf, um sie langsam nach oben zu ziehen.
Der DJ kam zuerst heraus und als sie das Seil
zu dem Dichter hinunterließen, schrie der, er wolle unten bleiben
der Mann und der DJ erfüllten seinen Wunsch
warteten schweigend ein Weilchen und gingen dann.

Aus dem dominikanischen Spanisch von Timo Berger

WEIL BROTHERS

espagnol | Sergio Raimondi

Una de las «cuatro grandes» compañías exportadoras
afincadas en la Argentina a fines del siglo diecinueve
éxtasis de la división internacional de la producción

Es decir: rápida expansión de la frontera agrícola local
siembra al voleo de maíz y variedad de trigo Barletta
en el aire una mano de las millones de manos arribadas

de la península itálica o ibérica con una memoria secular
de los ritmos fértiles de Ceres y las fiestas lupercalias
completamente inútil para estos suelos sin roca y casi

sin linde para arrendar mal y pagar con una cosecha
potencial ante el granizo y el retorno de la langosta
o de los braceros y crotos de todo tipo para la siega

el uso de la espigadora si se invirtió en capital parvas
más parvas parvas trilla y largo trecho a la estación
tras el embolsado obligado la estiba alta en el carro

y la pérdida de uno que otro cero ante la ignorancia
de los movimientos bruscos de ascenso y descenso  
de los precios en pizarras del otro lado del mundo

cablegramas desde Londres o Rotterdam o Amberes
para distribuir la información a los agentes zonales de,
bueno, p. ej. esta empresa cuyas rentas financiaron

durante años los estudios de la Escuela de Frankfurt
dedicados a superar con elegancia la visión ortodoxa
economicista y mecanicista de base–superestructura.

© Sergio Raimondi
from: Para un diccionario crítico de la lengua (unpublished)
Audio production: Haus für Poesie / 2017

WEIL BROTHERS

allemand

Eine der »vier großen« Exportgesellschaften, gegen
Ende des 19. Jahrhunderts in Argentinien ansässig,
der Hochphase der internationalen Produktionsteilung,

das heißt: schnelle Expansion der heimischen Anbaugrenze,
Breitsaat von Mais und Barletta-Weizen, erhoben die Hand,
eine der Millionen Hände, frisch von der italienischen

oder iberischen Halbinsel mit ihrem uralten Wissen um
die Fruchtbarkeit der Ceres und die Lupercalien, das man
für Äcker ohne Lesesteine und fast ohne Rain nicht braucht,

deren teure Pacht man mit der unabsehbaren Ernte begleicht,
wenn Hagel droht oder die Rückkehr der Heuschrecken oder
der Landarbeiter und Lumpenproletarier für die Mahd,

der Einsatz des Mähbinders, so man investiert hat, Garben,
mehr Garben, Garben dreschen und der lange Weg bis
zum Bahnhof, nachdem man abgefüllt und im Wagen

hoch gestapelt hat, eine Null mehr oder weniger verloren hat, weil
man den jähen Wechsel zwischen Anstieg und Verfall der
Preise an den Tafeln auf der anderen Seite der Welt nicht

kennt, aus London, Rotterdam oder Antwerpen kommen
Telegramme mit den Notierungen für die Gebietsvertreter,
von zum Beispiel dieser Firma, deren Gewinne über Jahre

die Forschungen der Frankfurter Schule finanzierten,
die das orthodoxe ökonomische und mechanistische
Trugbild von Basis und Überbau elegant zu überwinden trachtete.

Übersetzung aus dem argentinischen Spanisch von Timo Berger.

ESCALATOR

espagnol | Sergio Raimondi

Cada vez que se aproxima el extremo contrario
donde los rígidos peldaños acanalados pierden
la apariencia de su forma y se vuelven cinta

continua lanzada a rehacer la operación otra vez
según una mecánica capaz de instalar el concepto
de que cuenta la circulación no un rumbo eventual

de hecho el sentido es reversible y arriba y abajo
intercambiables mediante un simple dispositivo
pasible de fallar sin embargo ante el uso frecuente

convendría no voy a decir detenerse a reflexionar
no se trata de favorecer el riesgo de un accidente
pero sí reflexionar desde ese mismo movimiento

sobre el devenir de las sustancias y las compañías
rinde reconvertido en base a una tasa de ganancia
que interminablemente asciende o de pronto cae

aleación ayer usada para dejar en el aire vestigios
explosivos de una munición de cañón de sesenta
a veinticuatro milímetros y que ahora en el descanso

aparente, inicial o final de esta escalera automática
indica el pasaje de un paradigma de la guerra a otro:
fusión figurada THYSSENKRUPP en el acero fundido.

© Sergio Raimondi
from: Para un diccionario crítico de la lengua (unpublished)
Audio production: Haus für Poesie / 2017

ESCALATOR

allemand

Sobald man sich dem anderen Ende nähert, an dem
die starren Stufen mit den Rillen ihre Erscheinungsform
verlieren und wieder ein fortlaufendes Band

werden, das die Verwandlung noch einmal durchläuft,
gemäß einem Mechanismus, der die Idee durchsetzt,
dass es auf den Kreislauf, nicht auf die Richtung ankommt

– die Beförderung ist tatsächlich umkehrbar, ob es nach oben
oder nach unten geht, mithilfe einer einfachen Apparatur,
die bei häufigem Gebrauch jedoch ausfallen kann –,

dann sollte man – ich sage jetzt nicht anhalten,
um nachzudenken, man muss keinen Unfall riskieren,
aber doch aus dieser Bewegung heraus nachdenken

über das Werden der Stoffe und der Konzerne,
ein Geschäftsmodell, neu ausgerichtet an der Profitrate,
die unendlich steigt oder plötzlich fällt,

eine Legierung, die man gestern verwendete, um in der Luft
Spuren einer Mörsergranate Kaliber sechzig bis vierundzwanzig
Millimeter zu hinterlassen, und die jetzt in dem zweckmäßigen

Treppenabsatz am Anfang oder Ende der Rolltreppen den Übergang
von einem Kriegsparadigma zu einem anderen im Gussstahl
anzeigt: die metaphorische Verschmelzung von THYSSENKRUPP.

Übersetzung der Gedichte aus dem argentinischen Spanisch von Timo Berger.
Aus: Sergio Raimondi. Für ein kommentiertes Wörterbuch/Para un diccionario crítico de la lengua. Berlin: Berenberg, 2012

悬挂 (XUÁNGUÀ)

espagnol | Sergio Raimondi

Dejemos de lado el carácter monumental de la obra
parte de la planificación destinada a transformar
usando un tercio del acero y la mitad del hormigón
que se produce a lo largo y a lo ancho del planeta
un paisaje milenario con infraestructura de avanzada;

testimonio concreto --en principio en sentido literal--
del crecimiento del PBI desde la apertura gradual
peculiar e incesante hacia la economía de mercado
y por tanto también demostración de la magnitud
omnipresente y superior de la instancia del Partido;

tampoco abordemos la relación entre la dimensión
colosal del proyecto y el tamaño igualmente colosal
de una reserva de mano de obra en movimiento
constante de las zonas rurales a las zonas urbanas
y cuya ocupación es garantía de conflictividad baja;

y ni siquiera pongamos a consideración la cuestión
más específica del desafío de ingeniería involucrado
en la edificación de este interminable puente colgante
capaz de superar en suspensión la corriente del Yangtsé
que parte el amplio territorio en dos amplias mitades

con el fin de sostener la autopista futura Pekín-Shangai
mediante cables ultrarresistentes de gran espesor
hechos en realidad cada uno de miles y miles de cables
que parten de dos bloques de anclaje soterrados
en los suelos inundables de ambas puntas de la costa;

más bien reparemos en la cuadrilla sobre la pasarela
allá en lo más alto, venidos todos de una misma localidad
alejada a kilómetros según un método de contratación
pensado para privilegiar el uso de un dialecto común
necesario para entender indicaciones sin interferencias;

fijémonos entonces en ésos que acaban de terminar
de ajustar esos cables por lo pronto no tan tirantes
como sus propios nervios en una tarea de alto riesgo
dominando el vértigo de la altura y de la historia:
tal vez sean ellos la verdadera obra en construcción.

© Sergio Raimondi
from: Para un diccionario crítico de la lengua (unpublished)
Audio production: Haus für Poesie / 2017

悬挂 (XUÁNGUÀ)

allemand

Lassen wir das monumentale Format der Baustelle einmal außer Betracht,
also jenen Teil der Planung, der dazu bestimmt ist,
unter Einsatz eines Drittels des Stahls und der Hälfte des Betons,
die weltweit produziert werden, eine jahrtausendealte Landschaft
mithilfe modernster Infrastruktur zu transformieren;

Letzteres ein konkretes Zeugnis – erst im wörtlichen Sinn – dafür,
dass das BIP seit der schrittweisen, eigentümlichen
und unablässigen Öffnung hin zur Marktwirtschaft wächst,
und deswegen auch Demonstration der allgegenwärtigen
und sprichwörtlichen Größe der Partei;

lassen wir auch das Verhältnis zwischen der gigantischen
Dimension des Projekts und der ebenso riesigen
Reserve an Arbeitskräften beiseite, die permanent
von ländlichen in städtische Gebiete abwandern
und deren Beschäftigung Unruhen verhindert;

und ignorieren wir selbst die spezifische Frage
nach den technischen Herausforderungen
bei der Errichtung dieser endlosen Hängebrücke,
die die Strömung des Jangtsekiangs überspannt,
der ein weites Staatsgebiet in zwei weite Hälften teilt,

um die Jinghu-Autobahn Peking–Schanghai zu tragen
mit extrem dicken, widerständigen Tragkabeln, die in Wirklichkeit
aus Abertausenden einzelner Drähte geflochten sind
und von zwei in die sandigen Niederungen
an beiden Ufern eingegrabenen Ankerblöcken ausgehen;

wir sollten aber den Bautrupp auf der Brücke beachten
dort ganz oben: Sie stammen alle aus demselben, viele Kilometer
entfernten Ort und entsprechen damit einer Anwerbemethode,
die auf einen gemeinsamen Dialekt Wert legt, um sicherzustellen,
dass Anweisungen fehlerfrei verstanden werden;

beobachten wir also jene, die gerade die Tragkabel
justiert haben, die zunächst nicht so angespannt aussehen
wie ihre eigenen Nerven bei der hochriskanten Aufgabe,
den Schwindel der Höhe und der Geschichte zu meistern.
Vielleicht werden aus ihnen die wahren Werke der Baukunst.

Übersetzung der Gedichte aus dem argentinischen Spanisch von Timo Berger.

TRANSPORT COSTS

espagnol | Sergio Raimondi

Más acá del lirismo de los reclamos
sobre el carácter disruptivo del arte

el poema también es un commodity
elaborado con un material específico

y por tanto hay que evaluar los costos
de ponerlo a circular en el mercado;

más particularmente de transportarlo;
esto es: de una lengua a otra lengua

de una más acotada en su alcance
a otra de hablantes más numerosos

de una literariamente empobrecida
a otra de capital ya consolidado

o también al revés dicho esto
en términos simbólicos o literales

ergo si estuviera leyendo estos versos
aunque no en su versión en español

le agradecería distinga a quien abrió
el diccionario para evaluar los matices

exactamente de estas mismas palabras
pensando quizá por qué habrá elegido

un trabajo no del todo bien pago
mientras su hijo lo llama para jugar.

© Sergio Raimondi
from: Para un diccionario crítico de la lengua (unpublished)
Audio production: Haus für Poesie / 2017

TRANSPORT COSTS

allemand

Diesseits der poetischen Klagen
über den disruptiven Charakter der Kunst

ist das Gedicht ebenfalls eine Ware,
hergestellt aus einem spezifischen Material,

und deswegen muss man abschätzen,
was es kostet, sie in Umlauf zu bringen;

insbesondere sie zu transportieren,
also von einer Sprache in eine andere,

von einer in ihrer Reichweite begrenzten
zu einer mit einer größeren Zahl von Sprechern,

von einer literarisch verarmten Sprache
zu einer mit schon konsolidiertem Kapital,

oder auch umgekehrt in übertragen
oder wörtlich zu verstehenden Begriffen;

sollten Sie also diese Verse lesen,
aber nicht in ihrer spanischen Version,

dankte ich Ihnen für die Auszeichnung desjenigen,
der das Wörterbuch aufschlug, um Nuancen

der Bedeutung dieser Verse abzuschätzen,
und sich dabei vielleicht fragte, warum er

eine schlecht bezahlte Arbeit gewählt hat,
während sein Sohn ihn zum Spielen ruft.

Übersetzung der Gedichte aus dem argentinischen Spanisch von Timo Berger.

AUTOR (ALS PRODUZENT, DER)

espagnol | Sergio Raimondi

La época no nos exige espíritu, camaradas
del Instituto para el Estudio del Fascismo:
nos exige movimientos del diafragma.
Por eso les traigo un ejemplo concreto
(¡hoy los ejemplos concretos son rusos!)
de lo que es una obra literaria y política-
mente correcta. Ahí lo tienen a Tretiakov.
¿Cómo escribe el camarada Tretiakov?
Está en las reuniones directivas del koljós
organiza colectas para el pago de tractores
pregunta por acá y por allá para averiguar
cuáles son las mejores colleras y bujías
explica las tesis de Yakovlev y ahora calma
a las madres que se pelean en la guardería
obtiene caballos para el viaje de los maestros
inspecciona los clubes de lectura y envía
tres, diez y cuántas cartas sean necesarias
para exigir el arribo del cine ambulante
documenta con minucia siembra y cosecha
clak clak con su cámara en todos lados.
Sí, también escribe y publica informes
de lo hecho en los periódicos de Moscú
y dirige el diario comunal con información
sobre cómo preparar la tierra y las actividades
previstas para el aniversario de la revolución.
¿Cómo? No oí bien. ¿Que qué tiene todo esto
que ver con la literatura? Ah, la literatura…
Pero camaradas, ¿son capaces de entender
que el mundo puede cambiar, es más: luchan
día a día para que efectivamente cambie
y exigen una literatura siempre igual a sí misma?

© Sergio Raimondi
from: Para un diccionario crítico de la lengua (unpublished)
Audio production: Haus für Poesie, 2017

AUTOR (ALS PRODUZENT, DER)

allemand

Die Zeit erfordert keinen Geist von uns, Genossen
des Instituts zum Studium des Faschismus:
Sie erfordert von uns die Einstellung der Blende.
Ich bringe euch deshalb ein konkretes Beispiel
(heute sind die konkreten Beispiele russisch!)
des literarisch und politisch korrekten
Werks. Nehmt etwa Sergei Tretjakow.
Wie schreibt der Genosse Tretjakow?
Er geht zu den Sitzungen der Kolchos-Direktion,
sammelt Gelder für die Anzahlung auf Traktoren,
fragt hier und dort, um herauszufinden,
was die besten Zügel und Zündkerzen sind,
erklärt die Thesen von Jakowlew und beruhigt gerade
die Mütter, die sich in der Krippe streiten,
er besorgt auch die Pferde für die Reise der Lehrer,
inspiziert die Lesesäle und schickt
drei, zehn oder so viele Briefe wie nötig,
um die Einführung des Wanderkinos zu fordern;
er dokumentiert minutiös Aussaat und Ernte
klack klack mit seinem Fotoapparat überall.
Ja, er schreibt auch und veröffentlicht Berichte
über das, was er macht, in Moskauer Zeitungen
und ist Redakteur der Kolchos-Zeitung, in der steht,
wie man den Ackerboden vorbereitet und welche
Aktivitäten für den Jahrestag der Revolution geplant sind.
Wie bitte? Ich hab nicht recht verstanden. Was das Ganze
mit Literatur zu tun hat? Ach, die Literatur …
Aber Genossen, ihr seid in der Lage zu verstehen,
dass die Welt sich ändern kann, mehr noch: Ihr kämpft
Tag für Tag dafür, dass sie sich tatsächlich ändert,
und verlangt eine Literatur, die immer gleich bleibt?

Übersetzung der Gedichte aus dem argentinischen Spanisch von Timo Berger.

Agua de puerto

espagnol | Tálata Rodríguez

Al entierro del estibador 
no fue nadie.
Se quedó sin conocer el mar,
nunca quiso 
navegar embarcado
porque prefería estar en tierra,
cargando y descargando
lo que tuviera a mano
Habia barcos que no sabía
ni de dónde venían
ni hacía dónde iban.
Le tocó una vez
vaciar unos contenedores
abollados por un tifón
Encontró restos de sangre
entre los bultos que llevaba
En temporadas de poco trabajo
vestía prolijamente 
cuidándose de no ser elegante
para que así,
lo eligieran
entre las turbas de hombres
perfumados por el hambre.
Días pasaban
o semanas,
sin que lo señalaran
pero él igual iba al puerto,
si no estaba ahí
¿adónde habría estado?
Esas aves que vió,
ese presidente comunista
que lo saludó apretándole la mano,
esas mujeres por las que pasó…
En su corazón 
todos eran iguales
y estaban igual de lejos
que esas naves que veía
alejándose irreversibles
El sol en el horizonte 
se apaga un poco,
ya es casi de noche.
Una gaviota tuerta
hace equilibrio 
en el mástil de un navío
que hubieras tenido que descargar.
¡Estibador que estiba 
acomodando sus problemas!
Ahora que estás en la tierra
ya no te procupes por el mar,
tu ataúd es un barco varado
cubierto en su sepultura
por cemento y azulejos
en él, harás un gran viaje
y el viento azotará
por siempre 
las velas de tus venas.

© Tálata Rodríguez
Audio production: Haus für Poesie / 2017

Brackwasser

allemand

Zur Beerdigung des Stauers
kam niemand.
Das Meer hat er nie kennengelernt,
er wollte nicht zur See
fahren,
blieb lieber an Land,
belud und entlud,
was gerade anfiel.
Von manchen Schiffen wusste er weder
wo sie herkamen,
noch wo sie hinfuhren.
Einmal sollte er
ein paar von einem Taifun
zerbeulte Container leeren.
Zwischen den Bündeln, die er hinaustrug,
fand er Blutlachen.
In Zeiten mit weniger Arbeit
zog er sich sorgfältig an,
achtete darauf, nicht elegant auszusehen,
damit sie ihn
unter der Menge nach Hunger
riechender Männer
auswählten.
Tagen vergingen
oder Wochen
und kein Finger zeigte auf ihn,
er stapfte trotzdem zum Hafen,
wenn nicht dort,
wohin hätte er sonst gehen sollen?
Die Vögel, die er sah,
den kommunistischen Präsidenten,
der ihn mit festem Händedruck begrüßte,
die Frauen, bei denen er Station gemacht hatte …
In seinem Herzen
waren sie alle gleich
und gleich weit weg
wie diese Schiffe, die er
unaufhaltsam davonfahren sah.
Am Horizont verlischt
allmählich die Sonne,
es ist fast Nacht.
Eine einäugige Möwe
balanciert
auf dem Mast eines Schiffes,
das du hättest löschen sollen.
Stauer, der die Ladung trimmt
und seine Probleme unterbringt!
Jetzt liegst du unter der Erde
und scherst dich nicht mehr um die See,
In deinem Grab
Unter Zement und Kacheln
Ist dein Sarg ein gestrandetes Boot.
In ihm trittst du eine lange Reise an
und der Wind peitscht
auf ewig
die Segel deiner Adern.

Aus dem argentinischen Spanisch von Timo Berger

Hoy Mark Ribot pasea solo

espagnol | Tálata Rodríguez

Tengo una solución para mi parte del problema:
alguien dulce, lindo e inteligente, elegante, sensible
(entonces te olvidarías de mí)
¿Te acordás de esas noches locas de tequila?
¿Te acordás cómo le latía el corazón al caballo que montamos
y que nos perdió entre la maleza de un bosquecillo añoso 
para llevarnos luego hasta la estancia donde una pareja de viejos
le alisaba las crines con un peine de marfil?
Noches que no terminan. Lo difícil no es escribir
sino seguir escribiendo. ¿De quién es esta idea?
Vamos por partes, descuartizados.
Descuartizados por trenes que parten rumbo al extranjero,
por trenes que arriban desde tierras sin nombre
con sacos de dinero provenientes del mercado negro de diamantes,
con bolsas de arena y verduras de sabor amargo,
una araña, un tapir, un cuis, 
cualquiera sabe de qué estoy hablando.
Cuánta ciudad, soledad
El desayuno de una mujer desnuda,
el pavo real que se comerá al banquero,
superficies que se quiebran al rozarse,
La taza de arroz, el sombrero de un gato que pasó
frente a la puerta de tu camarote de oro.
¿Alguien más escucha el canto de este pájaro?
Sí, yo, pero no le presto atención 
porque también canto
No pasan las horas en el desierto.
Ciudad, sola.
Las horas que no pasan, pesan
Las a y las e descubiertas en una edad de hierro,
aprendiendo a fingir sus propias armas
amar armar amar
En mares de frutilla flota un barco
En mares de crema se ahoga un grumete
A la deriva, nuestros niños darán con una isla
y en la primer primavera brotará de sus pechos
una sepultura florida para que los amantes del futuro
escojan ramilletes gratuitos, robados de sus tumbas
y sean cada vez más egoístas.
Ahí terminará todo,
el trazo fino de un cuadro sobrevaluado
El amor es esta cosa que inventamos las mujeres.

© Tálata Rodríguez
Audio production: Haus für Poesie / 2017

Heute geht Mark Ribot allein spazieren

allemand

Ich habe eine Lösung für meinen Teil des Problems:
Jemand süßes, schönes und intelligentes – elegant und sensibel
(und dann wirst du mich schon vergessen)
Erinnerst du dich an die verrückten Tequilanächte?
Weißt du noch wie dem Pferd, das wir ritten, das Herz pochte,
wie es uns durch das Gestrüpp eines alten Wäldchens irrte,
um uns dann zu einer Ranch zu bringen, wo ein altes Paar
mit einem Elfenbeinkamm seine Mähne striegelte?
Nächte, die nicht enden. Schwierig ist nicht das Schreiben
sondern das Weiterschreiben. Von wem stammt dieser Gedanke?
Lass uns Stück für Stück vorangehen, geviertteilt.
Gevierteilt von Zügen, die mit einem Ziel im Ausland starten,
von Zügen, die aus namenlosen Ländern kommen
mit Taschen voller Geld vom Diamantenschwarzmarkt,
mit Säcken voll Sand und bitterem Gemüse,
eine Spinne, ein Tapir, ein Meerschweinchen,
jeder weiß, wovon ich hier spreche.
So viel Stadt, so viel Einsamkeit
Das Frühstück einer nackten Frau,
der Pfau, den wohl gleich ein Banker verspeist,
Flächen, die, wenn sie sich berühren, zerbrechen,
Die Tasse Reis, der Hut eines Katers, der an der Tür
deiner goldenen Kajüte vorbeischleicht.
Hört noch jemand den Gesang dieses Vogels?
Ja, schon, aber er interessiert mich nicht,
weil ich selbst singe
In der Wüste vergeht die Zeit kaum.
Stadt, so einsam.
Die Zeit, die nicht vergeht, bedrückt
Die As und Is gefunden in einer Eisenzeit,
und lernen, die eigene Bewaffnung vorzutäuschen
lieben schießen lieben
In Erdbeermeeren schwimmt ein Schiff
In Sahnemeeren ertrinkt ein Schiffsjunge
Indem sie sich treiben lassen, stoßen unsere Kinder auf eine Insel
und im ersten Frühling sprießt aus ihren Brüsten
ein blühendes Grab, damit die Liebhaber der Zukunft
kostenlose, von ihren Ruhestätten geraubte Sträußchen aussuchen
und immer egoistischer werden.
Dann findet alles ein Ende,
der feine Strich eines überbewerteten Bildes
Die Liebe ist diese Sache, die wir Frauen erfinden.

Aus dem argentinischen Spanisch von Timo Berger

Rana Sobre Piedra

espagnol | Tálata Rodríguez

Ayer estaba en la selva, 
saltando
como rana sobre piedra
resbalando, 
buscando el hueco dónde poner el pie
musgo, viejo verde.
En uno de esos pozos,
entre muchas rocas preciosas, 
nacían las cascadas y las mariposas. 
Mi hija despertó la creciente
batiendo el río con sus piernas gordas y fuertes,
una espuma blanca con su luz.
Una rama con incontables
bananitas bocadillo,
dedos dulces de gorila. 
Ayer estaba a la vera de un camino,
desde una cuatro por cuatro estacionada
sonaba cumbia vallenata.
A todo volumen. 
Cuatro personas tomaban cuatro cervezas,
comían “detoditos”,
jugaban al tejo:
“Hágale hágale, hágale”. 
Caía el sol, ahí,
entre esas cuatro montañas. 
Yo había ido a comprar papel higiénico
pero me compré una cerveza
y subí hasta una loma,
campanitas amarillas, campanitas blancas
puntitos. Bastones de obispo.  
Trepé a un árbol  
y me fumé un cigarro
como la paloma blanca,
cortando la flor. 
Lo que no puedo pensar sobre todo existe.
Como antes las mariposas,
ahora nacían las nubes,
y los picos de las montañas eran las rocas desafiantes
¿En qué hueco poner el pie?
Me gustaría saber más del mundo, 
bajo el sol: usar sombrero, manga larga.
Comer la fruta,
sólo lo que cae.
Pero alimentamos a los peces en parques recreativos
Hundimos nuestros pies en el barro
para que unas tortuguitas
nos chupen los dedos. 
Cosquillas.
Los ojos que te miran
se cierran en los tuyos.

© Tálata Rodríguez
from: Tanta ansiedad
Madrid: Lapsus Calami-Caligrama, 2015
Audio production: Haus für Poesie / 2017

Frosch auf Stein

allemand

Gestern war ich im Wald
und sprang
wie ein Frosch auf Steine,
rutschte
und suchte eine Stelle, auf die ich meinen Fuß setzen konnte,
Moose, altes Grün.
Aus einem der Schächte
zwischen vielen glänzenden Felsen
sprudelten die Wasserfälle und die Schmetterlinge.
Meine Tochter sorgte für hohe Wellen,
indem sie den Fluss mit ihren dicken, starken Beinen schlug,
ein weißer Schaum mit Lichtkronen.
Ein Büschel unzähliger
Zwergbananen,
süße Gorilafinger.
Gestern stand ich am Wegesrand,
aus einem parkenden Jeep
tönte Cumbia Vallenata.
Voll aufgedreht.
Vier Personen tranken vier Biere,
aßen De Toditos-Chips
spielten Tejo:                                     
„Auf geht’s, auf geht’s, auf geht’s.“
Die Sonne ging unter, dort
hinter den vier Bergen.
Ich ging Klopapier kaufen,
kam aber mit einem Bier zurück
und stieg eine Hügel hinauf,
gelber Hibiskus, weißer Hibiskus
Kleine Punkte. Fackel-Ingwer.
Ich kletterte auf einen Baum,
rauchte eine Zigarette
und schnitt eine Blume ab
wie die weiße Taube.
Das, was ich nicht denken kann, existiert einfach.
So wie vorher die Schmetterlinge
erschienen nun zahlreiche Wolken
und die Gipfel der Berge ragten herausfordernd empor.
In welche Lücke setze ich meinen Fuß?
Ich wüsste gern mehr über die Welt,
in der Sonne gilt: einen Hut aufsetzen, lange Ärmel tragen.
Obst essen,
nur das, was fällt.
Doch wir füttern Fische in den Naturparks.
Tauchen unsere Füße in den Schlamm,
damit ein paar Schildkröten
uns die Sohlen lecken.
Kitzeln.
Die Augen, die dich ansehen,
schließen sich in deinen.

Aus dem argentinischen Spanisch von Timo Berger

Todo lo que ves es un conejo

espagnol | Accidents Polipoétics

Todo lo que ves es un cuento interminable que un conejo que ha visto la
Luna imaginó mientras perseguía con sus orejas dos ojos de espuma
putrefacta en el centro de un pubis que salía en un anuncio de la tele que
nunca llegó a emitirse por problemas con la ética moral de aquellos que no
saben que todo lo que vemos es un cuento insostenible que una mosca
disfrazada de conejo que viajó hasta la Luna imaginó una tarde mientras
seguía un partido de waterpolo en una emisora pirata que la radio
expansionaba por las ondas de una ciudad cualquiera una hora cualquiera
de cualquiera de las horas en que aquellos cuyas ideas no pueden
soportar el vacío dictaban una sentencia de muerte para todos aquellos
que osaran utilizar la palabra: PUBIS.

Todo lo que pienses podrá ser usado en tu contra. Todo lo que digas podrá
ser usado en tu contra.

Todo lo que hagas podrá ser recordado y tarde o temprano pagarás por
ello. Ser blanco /joven /adulto /educado /leer el periódico /pagar tus
impuestos /ayudar a las ancianas /nada te servirá.  

Los tenderos llamarán a la puerta y pedirán tu complicidad en sus
mezquinos proyectos. Todo lo que ves es un cuento interminable que una
hormiga recitó una noche de verano sobre las ruinas de un televisor.


E                     Pensar demasiado es peligroso.
S                      Pensar en las cosas es peligroso.
T                      Si piensas nunca digas lo que piensas.
R                     Yo, desde que no pienso, vivo mejor.
I                       No sufro, pero vivo mejor.  
B                      Decidir por tu cuenta es peligroso.
I                       Recordar el pasado es peligroso.
L                      La historia la inventan
L                      periodistas y políticos.
O                     Nada de lo que dicen podrá ser
                        utilizado en su contra.

Yo, desde que no pienso, vivo mejor.
No sufro, pero vivo mejor.

© Accidents Polipoétics
from: Todos Tenemos la Razón
Barcelona: ed. La Tempestad, 2004
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Alles was du siehst ist ein Kaninchen

allemand

Alles, was du siehst, ist eine endlose Erzählung, die sich ein Kaninchen,
das den Mond gesehen hat, ausdachte, während es mit seinen Ohren zwei
Augen aus verdorbenem Schaum im Zentrum eines Schamhügels verfolgte,
der in einer Fernsehwerbung zu sehen war, die nie ausgestrahlt wurde,
wegen moralischen Problemen derer, die nicht wissen, dass alles, was wir
sehen, eine unhaltbare Erzählung ist, die sich eine als Kaninchen
verkleidete Fliege, die zum Mond gereist ist, eines Abends ausdachte,
während sie eine Partie Wasserball auf einem Piratensender verfolgte, der
vom Radio auf Wellen in irgendeiner Stadt zu irgendeiner Uhrzeit
ausgestrahlt wurde, irgendeine der Uhrzeiten, zu denen die, die es nicht
aushalten, die Leere zu denken, ein Todesurteil fällten über die, die es
wagen würden, das Wort SCHAMHÜGEL zu benutzen.

Alles, was du denkst, kann gegen dich verwendet werden. Alles, was du
sagst, kann gegen dich verwendet werden.

Alles, was du machst, kann erinnert werden und früher oder später wirst
du dafür bezahlen. Weiß/ jung/ erwachsen/ gebildet zu sein/ die Zeitung zu
lesen/ deine Steuern zu bezahlen/ alten Frauen zu helfen/ das wird dir
alles nichts nützen.

Die Krämerseelen pochen an die Tür und fordern deine Unterstützung für
ihre schäbigen Projekte. Alles, was du siehst, ist eine endlose Erzählung,
die eine Ameise in einer Sommernacht vortrug, auf einem zertrümmerten
Fernseher.

R         Zuviel zu denken, ist gefährlich.
E         An die Dinge zu denken, ist gefährlich.
            Wenn du denkst, sage nie, was du denkst.
F         Seit ich nicht mehr denke, lebe ich besser.
            Ich leide nicht, lebe aber besser.
R         Eigene Entscheidungen zu fällen, ist gefährlich.
            Die Vergangenheit erinnern, ist gefährlich.
A         Die Geschichte wird erfunden
            von Journalisten und Politikern.
I          Nichts von dem, was sie sagen, kann
N        gegen sie verwendet werden.

Seit ich nicht mehr denke, lebe ich besser.
Ich leide nicht, lebe aber besser...

Übersetzt von Timo Berger

EN BUSCA DE UN SUEÑO

espagnol | Silvio Rodríguez

En busca de un sueño
se acerca este joven.
En busca de un sueño
van generaciones.
 
En busca de un sueño
hermoso y rebelde.
En busca de un sueño
que gana y que pierde.
 
En busca de un sueño
de bella locura.
En busca de un sueño
que mata y que cura.
 
En busca de un sueño
desatan ciclones.
En busca de un sueño
cuántas ilusiones.
 
En busca de un sueño
transcurren los ríos.
En busca de un sueño
se salta al vacío.
 
En busca de un sueño
abrasa el amante.
En busca de un sueño
simula el tunante.
 
En busca de un sueño
tallaron la piedra.
En busca de un sueño
Dios vino a la Tierra.
 
En busca de un sueño
partí con mi día.
En busca de un sueño
que no hay todavía.

© Silvio Rodríguez
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2011

Einem Traum hinterher

allemand

Einem Traum hinterher
jagt dieser Junge.
Einem Traum hinterher
ziehen ganze Generationen.

Einem Traum hinterher,
der herrlich ist und rebellisch.
Einem Traum hinterher,
der gewinnt und der verliert.

Einem Traum hinterher
von närrischer Schönheit.
Einem Traum hinterher,
der tötet und auch heilt.

Einem Traum hinterher
wüten die Zyklone.
Einem Traum hinterher
wie tausend Illusionen.

Einem Traum hinterher
strömen die Flüsse.
Einem Traum hinterher
springt man in die Tiefe.

Einem Traum hinterher
verzehrt sich der Verliebte.
Einem Traum hinterher
drückt sich der Faule.

Einem Traum hinterher
schöpften sie die Werke.
Einem Traum hinterher
kam Gott auf die Erde.

Einem Traum hinterher
brach ich auf in einen Tag.
Einem Traum hinterher,
der noch kommen mag.

aus dem kubanischen Spanisch von Timo Berger

[Malecón]

espagnol | Víctor Rodríguez Núñez

el ruso con arpón y la santera
pisan fuerte sobre la savia de flamboyán
no hay sentido común
                                        solo hollar la belleza

él ensartará su cubera de oro
coleando en el agua enjabonada
ella se casará con su turista
encantado con la asimetría de los pechos

todo en la misma tarde
en que el sol decidió quedarse fijo
sin embargo la lluvia se apersona

se filtra entre las ruinas
cuando la noche vuelva encontrará
desilusión en sal

from: despegue
Madrid: FUNDACIÓN LOEWE, 2016
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2016

[Malecón]

allemand

der „Russe“ mit seiner Harpune und die Santera
stolzieren über den Saft des Flammenbaums
sie kennen keinen Gemeinsinn
                                        sind nur gegen alles Schöne

er spießt den goldenen Cubera-Snapper auf
dessen Schwanz im aufgeschäumten Wasser schlägt
sie heiratet bald ihren Touristen
der begeistert ist von ungleichen Brüsten

all das an einem Abend
an dem die Sonne beschloss, nicht zu weichen
der Regen klopft dennoch persönlich an

und versickert in den Ruinen
wenn die Nacht zurückkehrt, findet sie
Ernüchterung in Salz




* Ein ruso („Russe“) bezeichnet in Kuba einen Mulatten mit roten Haaren.
* Eine Santera, ist eine Anhängerin der Santería, einer synkretistischen Afrokubanischen Religion.

Übersetzt von Timo Berger

[Santa María]

espagnol | Víctor Rodríguez Núñez

sin media luz donde caerse muerto
tirado en esta playa
como el cangrejo que no tuvo suerte
y el niño perdonó

compadeces a la piedra que te guiña un ojo
su fresca militancia
y la bicicleta cargada de caracoles
te cruza entre las muelas

la arena en las cesuras
hace que las claves no estén en tiempo
el mundo es una güira pintada como quiera

para la discreción de los turistas
nadie te contó antes
lo que se aprende si sales del agua

from: despegue
Madrid: FUNDACIÓN LOEWE, 2016
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2016

[Santa María]

allemand

zum Betteln zu arm gespült
an diesen Strand ohne Schatten
wie die glücklose Krabbe
die der Junge verschont hat

bedauerst du den Polypen der dir zuzwinkert
sein frischer Aktivismus
das mit Muschelketten beladene Fahrrad fährt
dir mitten durch die Scheren

der Sand in den Zäsuren
bringt die Claves aus dem Takt
die Welt ist eine angepinselte Kalebasse

für die feinsinnigen Touristen
verriet dir niemand vorher
was du erfährst wenn du aus dem Wasser steigt




* Santa María ist ein Strand in der Nähe von Havanna
* Claves, Klanghölzer, typische Instrumente der kubanischen Musik

Übersetzt von Timo Berger

Himno

espagnol | Julián Herbert

cada color un estanque
y el viento el polvo: pájaro
de micas

                      [en el desierto de Mayrán:]


lo desplazado no regresa


la memoria cercena lo que une


el paisaje es una urna de cenizas

© Julián Herbert
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2009

Hymne

allemand

jede Farbe ein Bassin
und der Wind Staub: ein Vogel
mit glänzendem Gefieder

                          [in der Wüste von Mayrán:]

Verbrachtes kehrt nicht wieder

das Gedächtnis beschneidet, was es vereint

die Landschaft eine Urne voll Asche

Übersetzt von Timo Berger

puerto 1

espagnol | Víctor Rodríguez Núñez

un corazón discorde
no crees en el sistema donde tienes hogar
nunca te dio un hogar el sistema en que crees
arreas tu ganado tropical

por un maizal helado
y reclinas la cabeza traslúcida
ante los vapores de un majarete
nadie te echó nadie te pidió que te quedaras

cuando te fuiste cuando regresaste
no cayeron en cuenta
todos más desahogados que después

no lates por nostalgia
sino porque el ingenio demolido
acaba de silbar no sé qué hora

© Víctor Rodríguez Núñez
from: despegue
Madrid: FUNDACIÓN LOEWE, 2016
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2016

Hafen 1

allemand

verstimmtes Herz
glaubst nicht an das System, in dem du zu Hause bist
das System, an das du glaubst, gab dir kein Zuhause
du treibst dein tropisches Vieh

durch ein eiskaltes Maisfeld
und neigst in den Dämpfen eines Maispuddings
deinen durchscheinenden Kopf in den Nacken
niemand schickte dich weg und niemand bat dich zu bleiben

als du fortgingst und als du wiederkamst
bemerkten sie es nicht
alle hatten noch mehr Luft zum Atmen

du schlägst nicht aus Nostalgie
sondern weil die zerstörte Zuckerfabrik eben
mit einem Pfeifen die Uhrzeit kund tat

Übersetzt von Timo Berger

puerto 9

espagnol | Víctor Rodríguez Núñez

una sábana con un agujero
¿qué hacer con lo que falta?
en su centro deben cantar los gallos
nada se despereza

ni la chica ojerosa
descarnada en el sueño por un tigre
se robaron la nieve las urracas
y el paisaje se ha quedado en los huesos

día rebanado en el filo
                                        de otro horizonte
noche en que rompe a hervir la manzanilla

con los nudillos cuentas sinalefas
simbólico algodón lavado a mano
donde nada se lee

from: despegue
Madrid: FUNDACIÓN LOEWE, 2016
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2016

Hafen 9

allemand

ein altes Bettlaken mit einem Loch
was tun mit dem was fehlt?
darin sollten die Hähne krähen
aber da rekelt sich nichts

auch nicht das Mädchen mit den Augenringen
von einem Tiger entfleischt im Traum
die Elstern stahlen den Schnee
und die Landschaft ist nur noch Haut und Knochen

ein von der Schneide eines anderen Horizonts
                                        aufgeschnittener Tag
Nacht in der die Kamille plötzlich hochkocht

mit Fingerknöcheln zählst du Synalöphen
die sinnbildliche Baumwolle von Hand gewaschen
auf der nichts geschrieben steht

Übersetzt von Timo Berger

puerto 3

espagnol | Víctor Rodríguez Núñez

en esta encrucijada
                                   bajo otra tempestad
el gallo muerto por las muy piadosas
manos del babalao

un sentimiento sube
                                    por la húmeda escala
hasta donde no irradia la ceguera
a coro tres testigos
                                  
elevan la canción sin desplumar
saciada por la sed a cántaros caída
lleva corona recia el babalao

cortada del crepúsculo
y un cuerpo imperceptible
                                               que la lluvia no toca

from: despegue
Madrid: FUNDACIÓN LOEWE, 2016
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2016

Hafen 3

allemand

an dieser Kreuzung wurde
                                   in einem anderen Sturm
der Hahn geschlachtet von den barmherzigen
Händen des Babalao

und ein Gefühl klettert
                                    die feuchte Skala hinauf
bis dahin wo keine Blindheit ausstrahlt
im Chor stehen drei Zeugen
                                  
stimmen ein ungerupftes Lied an
gestillt durch den Durst aus Kübeln geschüttet
der Babalao hat eine steife Krone

geschnitten aus der Dämmerung
und einen scheuen Körper
                                               den der Regen nicht berührt




* In der synkretistischen Santería-Religion ist der Babalao „der Vater der Geheimnisse“ und Priester.

Übersetzt von Timo Berger

[Oregon City]

espagnol | Víctor Rodríguez Núñez

entre un azulejo que salta desde la hierba
con la primera luz
                                  y un verso de Szymborska
contra los desencuentros de la muerte

te quedas con la duda
                                        su tallo inoxidable
su corola geométrica
espigan los escombros

                                         a manos del rocío
su terca sed celeste
                                  la rima de otro mundo

significante sin significado
cada cosa una voz
                                 con nada que decir

from: despegue
Madrid: FUNDACIÓN LOEWE, 2016
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2016

[Oregon City]

allemand

zwischen einer Kachel die im ersten Licht
des Tages im Unkraut glänzt
                                  und einem Vers von Szymborska
über gescheiterte Treffen mit dem Tod

wähltest du den Zweifel
                                        seinen rostfreien Stiel
seine geometrische Blumenkrone
Trümmer setzen Ähren an

                                         in den Händen des Taus
seines sturen blauen Dursts
                                  der Reim einer andren Welt

Signifikant ohne Signifikat
jedes Ding eine Stimme
                                 die nichts zu sagen hat

Übersetzt von Timo Berger

[27 Mallard Pointe]

espagnol | Víctor Rodríguez Núñez

de súbito en tu casa
                                    que ya no reconoces
ni te reconoce peor aún
aunque has dejado fibras de ADN

en todas sus aristas
y has cargado contigo varios cielos
algún fondo de mar
ya ves no te será dado volver

a orillas de este lago imaginado
se olvidará tu lengua
se dirán cosas con letras inútiles

no te quites esa sombra arrugada
ni la mirada zurda
aquí también eres un extranjero

from: despegue
Madrid: FUNDACIÓN LOEWE, 2016
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2016

[27 Mallard Pointe]

allemand

plötzlich in deinem Haus
                                    das du nicht wiedererkennst
das schlimmer noch dich nicht kennt
auch wenn sich deine DNA in allen

Ecken und Winkeln findet
und du mehrere Himmel in dir trägst
auch einen Meeresgrund
merkst du nun eine Rückkehr ist dir verwehrt

an die Ufer dieses Fantasie-Sees
wo deine Sprache in Vergessenheit gerät
sagt man Sachen mit nutzlosen Buchstaben

lege diesen faltigen Schatten nicht ab
auch nicht den linkischen Blick
Fremder bist du auch hier

Übersetzt von Timo Berger

[Ohio River Valley]

espagnol | Víctor Rodríguez Núñez

ya viene el horizonte
puedo escuchar su luz
                                         que tropieza con todo
y me deja la piel con sabor a jengibre

ya se deja empuñar
la z materna del río Ohio
sus fábricas de noche electoral
sus almacenes de desasosiego

ya las casas en mí
como remaches sobre el fuselaje
de un avión en el iris de un tornado

y el descenso hacia ti
                                      sonrisa izquierda
y el abrigo que me empieza a extrañar

from: despegue
Madrid: FUNDACIÓN LOEWE, 2016
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2016

[Ohio River Valley]

allemand

jetzt kommt der Horizont
ich höre schon sein Licht
                                         das sich auf alles legt
und meine Haut nach Ingwer schmecken lässt

jetzt ballt sich zu einer Faust
das mütterliche Z des Ohio
verlässlich die Fabriken der Wahlnacht
beunruhigend die Lagerhallen

jetzt schon die Häuser in mir
wie Nieten auf dem Rumpf
eines Flugzeugs in der Iris eines Tornados

und der Sinkflug hin zu dir
                                      linksgerichtetes Lächeln
und der Mantel der mich allmählich vermisst

Übersetzt von Timo Berger

vuelo 10

espagnol | Víctor Rodríguez Núñez

no basta con la huella
                                        se precisa el error
bracear fuera de cámara
no esperes que el miedo te dé una mano

requeridos la altura
                                    remontar turbulencias
no creer más en ti estar atento
cada instante toda una noche en claro

hincar una familia vertical
al encanto del sitio
esto como el amor no se hace solo

aunque el después se ausente como el antes
eres raíz con miedo
                                   deseo y algo más

from: despegue
Madrid: FUNDACIÓN LOEWE, 2016
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2016

Flug 10

allemand

eine Spur allein reicht nicht
                                        man muss den Fehler finden
ohne Netzkäfig schwimmen
warte nicht, dass dir die Angst die Hand reicht

Requisiten: die Höhe
                                    auf Turbulenzen reiten
nicht mehr auf sich vertrauen achtsam sein
jeder Moment eine durchwachte Nacht

senkrecht zum Zauber des Orts
eine Familie pflanzen
genau wie Liebe macht man dies nicht allein

auch wenn sich das Nachher entfernt wie das Vorher
bist du furchtsame Wurzel
                                   Begehren und noch mehr

Übersetzt von Timo Berger

vuelo 2

espagnol | Víctor Rodríguez Núñez

entre las nubes nadie es extranjero
latitud de la lengua
                                   longitud de la sangre
materia que se piensa y contradice

agua vapor escarcha
rápido de los Andes témpano de Noruega
lágrima de caimán
                                  traspiración

nunca tropiezas con la misma gota
con el otro carámbano
sino la turbulencia que entrecruza las penas

su comercio intangible
                                         estela de lo informe
eres el compatriota de las nubes

from: despegue
Madrid: FUNDACIÓN LOEWE, 2016
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2016

Flug 2

allemand

hoch in den Wolken ist niemand Ausländer
die Sprache der Breitengrad
                                   das Blut der Längengrad
Stoff um nachzudenken zu widersprechen

Wasser Dampf Raureif Strom-
schnellen aus den Anden Eisschollen aus Norwegen
Kaimansträne
                kalter Schweiß

nie stößt du auf denselben Wassertropfen
den anderen Eiszapfen
nur die Turbulenzen vergrößern die Strapazen

ihr nicht fassbarer Austausch
                unförmiger Kondensstreif
am Ende bist du ein Landsmann der Wolken

Übersetzt von Timo Berger

vuelo 1

espagnol | Víctor Rodríguez Núñez

un vuelo sin destino sin origen
como bala de plata
                                  en la boca del lobo
la nostalgia agrumada nubarrón

claridad turbulenta
abordo del vacío
                              en su piel de majá
una pluma en la elipse de la noche

la violencia cubierta
                                     con maleza celeste
fijeza inalcanzable trayectoria

como rayo de albur
                                    adentrarse en el día
en el destierro también amanece

from: despegue
Madrid: FUNDACIÓN LOEWE, 2016
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2016

Flug 1

allemand

ein Flug ohne Ziel- und ohne Abflugort
wie eine Silberkugel
                                  in den Fängen des Wolfs
ausgeflocktes Heimweh Gewitterwolke

durchgeschütteltes Licht
an Bord des Vakuums
                              an ihrer Schlankboahaut
eine Feder in der Ellipse der Nacht

die Wildheit überwuchert
                                     von himmelblauem Gestrüpp
unerreichbare Starre einer Flugbahn

wie ein zufälliger Blitz
                                    in den Tag eindringen
auch in der Verbannung geht die Sonne auf




* Die Kubanische Schlankboa (sp. Boa-majá) ist eine nur auf der Großen Antilleninsel heimische Schlangenart.

Übersetzt von Timo Berger

[Rancho Boyeros]

espagnol | Víctor Rodríguez Núñez

uno no viene de ninguna parte
uno no se va nunca
aquí te tienen sudado y ansioso
en la acera del sol la de los negros

sin vuelta o paraíso
                                    sin infierno o partida
ni la imaginación ni la memoria
te cambiarán de banda

siempre has estado allá también aquí
no hay otro lugar que este resplandor
milagro constatarlo

y cuando ya no seas
la misma indignación
                                       único compromiso

from: despegue
Madrid: FUNDACIÓN LOEWE, 2016
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2016

[Rancho Boyeros]

allemand

man kommt nicht aus dem Nirgendwo
man geht auch niemals fort
hier lassen sie dich schwitzen sehnsuchtsvoll
auf dem sonnenbeschienen Gehsteig dem der Schwarzen

ohne Rückkehr oder Paradies
                                    ohne Hölle oder Aufbruch
weder die Vorstellungskraft noch die Erinnerung
bringen dich dazu die Seite zu wechseln

du bist immer dort gewesen und zugleich hier
es gibt keinen anderen Ort als diesen Glanz
ein Wunder es zu sagen

und wenn du nicht mehr da bist
bleibt dennoch die Empörung
                                       als einzige Verpflichtung



* Rancho Boyeros ist der Stadtteil von Havanna, in dem der internationale Flughafen liegt.

Übersetzt von Timo Berger

PLAYA SANTA TERESA, 2006

espagnol | Luis Chaves

Unos días con sus noches en Malpaís y Santa Teresa. Vi los pelícanos, los cocos asesinos, vi pizotes, ballenas, iguanas, garzas y unos peces azules minúsculos y fosforescentes nadando en las pozas que se forman en las rocas cuando baja la marea. También las gaviotas que nos seguían en la terraza del ferry para que las alimentáramos con snacks ultraquímicos. Vi amigos, vi a los hijos de los amigos. Vi a los amigos y a los hijos de los amigos encender una fogata en la noche y así cumplir con ese ritual que nos acompaña desde no sabemos cuándo. Vi el mar cada noche antes de dormirme y lo vi también cada mañana al despertarme. Vi una cometa multicolor inmóvil contra el cielo limpio, vi que la cuerda invisible que la sostenía llegaba hasta mis manos. Vi caricacos de todos los tamaños rodeándome mientras meaba en la arena. Vi, en el fondo de la mochila, el lomo de la novela de Dos Passos ni siquiera llegué a abrir. Vi los objetos que el mar deposita en la orilla: una piedra con forma de cassette, una rama con forma de linterna, una lata de birra con forma de lata de birra. Una tarde cerré los ojos y vi muchos viajes ya borrosos del pasado e imaginé paseos futuros en esta misma costa. Es así, la vida se puede reducir a una lista breve.

© Editorial Germinal
from: Monumentos Ecuestres
San José: Editorial Germinal, 2011
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2011

Playa Santa Teresa, 2006

allemand

Ein paar Tage und Nächte in Malpaís und Santa Teresa. Ich sah Pelikane, Mörderkokosnüsse, sah Nasenbären, Buckelwale, Leguane, Reiher und winzige blau glänzende Fische, die in Gezeitentümpeln schwammen. Auch Möwen, die uns, als wir auf dem Fährdeck standen, folgten, damit wir sie mit hochsynthetischen Snacks fütterten. Ich sah Freunde, sah die Kinder von Freunden. Sah Freunde und die Kinder von Freunden nachts ein Feuer machen und so das Ritual vollziehen, das uns seit grauer Vorzeit begleitet. Sah jede Nacht vor dem Einschlafen das Meer und sah es auch jeden Morgen beim Aufwachen. Sah einen farbigen Drachen, der in dem klaren Himmel stand, sah, dass die unsichtbare Leine, die ihn hielt, mir bis zu den Händen reichte. Ich sah Einsiedlerkrebse in allen Größen, die mich umrundeten, als ich in den Sand pinkelte. Sah, tief unten im Rucksack, den Rücken eines Romans von Dos Passos, den ich noch nie aufgeschlagen hatte. Sah die Dinge, die das Meer ans Ufer spült: ein Stein in Form einer Kassette, ein Zweig in Form einer Taschenlampe, eine Bierdose in Form einer Bierdose. Eines Nachmittags schloss ich die Augen und sah viele schon verblasste Reisen der Vergangenheit heraufziehen und stellte mir zukünftige Spaziergänge an der selben Küste vor. Das ist alles, ein Leben kann man  mit einer kurze Liste zusammenfassen, mit einer Aufzählung.

übersetzt von Timo Berger
in: Luis Chaves: Gedichte. Hochroth Verlag, Berlin, 2012

UNA BODA, UN DOMINGO, EL FIN DEL VERANO

espagnol | Luis Chaves

A las 11 a.m., con los primeros en llegar, se descorchará la botella inaugural (a lo largo del día el arco democrático del vino cubrirá desde cosechas 2004 hasta cajas de tetrabrik). A las 11 p.m., ya en su casa, demasiado cerca del lunes, herido de gravedad por la bala lenta del alcohol, el último en haberse ido repasará, en diapositivas mentales, el primer domingo de marzo: el sol trazando su línea de 180 grados en cámara lenta; la multiplicación del pan y las reses; la montaña de zapatos revueltos en la entrada de la casa; la imagen de alguien, mitad del cuerpo dentro de la refri, buceando por cervezas; un guiso prodigioso preparado con ingredientes de una galaxia muy lejana; el recuerdo de los extensos y turbadores segundos en que sostuvo contacto visual con un perro; y el efecto dominó de la reproducción materializado en aquellas niñas que se bañan chingas en la piscina.

© Editorial Germinal
from: Monumentos Ecuestres
San José: Editorial Germinal, 2011
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2011

Eine Hochzeit, am Sonntag, das Ende eines Sommers

allemand

Morgens um elf, wenn die ersten kommen, zieht man den Korken aus der Flasche, die alles eröffnet (im Laufe des Tages spannt sich der demokratische Bogen des Weines von einem 2004-er Jahrgang bis zu Tetrapacks). Abends um elf, schon wieder zu Hause, dem Montag bedrohlich nah, schwerverletzt durch die langsame Kugel des Alkohols, lässt der, der als Letzter gegangen ist, noch einmal die Bilder des ersten Märzsonntags im Geist vorbeiziehen: die Sonne, die in Zeitlupe eine Kurve von 180 Grad zeichnet; die Vervielfachung des Brotes und der Rinder; der durcheinander geratene Stapel von Schuhen im Hauseingang; das Bild einer Person, die bis zur Hälfte im Kühlschrank steckt und nach Bier fischt; ein Eintopf, der auf wundervolle Weise mit Zutaten aus einer weit entfernten Galaxie zubereitet wurde; die Erinnerung an lange, verstörende Sekunden, in denen er einem Hund in die Augen blickte; und der Dominoeffekt der Reproduktion, materialisiert in jenen Mädchen, die sich nackt im Pool tümmeln.

übersetzt von Timo Berger
in: Luis Chaves: Gedichte. Hochroth Verlag, Berlin, 2012

MUDANZAS

espagnol | Luis Chaves

1.

Si vieras.
Dos semanas de temporal
borraron la huella ocre
de las macetas.

Revuelta en la lavadora,
ropa blanca y de color.

Una casa reducida a cajas de cartón
la tarde que gira sobre el eje de la lluvia.
El mentolado falso
de un Derby suave + una Halls.

Ese color de la plasticina
cuando se mezclan todas las barras.

2.

El mundo da tantas vueltas
que parece no moverse.
Pensé decirlo
pero preferí, de copiloto,
verte manejar en círculos
por el estacionamiento.

3.

Las hormigas vinieron
en las cajas de la mudanza.
El apartamento nuevo
empieza a parecer una casa.  
De otro, pero una casa.

4.

En el departamento nuevo,
el albañil pica la pared buscando
dónde está la fuga de agua.

No es desorden lo que se ve,
es un orden disparejo.


Bolsas plásticas,
cartones con cursiva en pilot
Cocina / libros / baño
Si otro, en este momento, entrara,
no sabría si alguien llega o se va.

5.

Envuelto en la nicotina
de la inmovilidad,
se ablanda el cerebro
y se endurece el corazón.

Sin camisa me veo más viejo,
pensé decirlo pero preferí
recordar la vez que fui tu copiloto
y manejabas en círculos
por el estacionamiento.

6.

Francisca, silenciosa,
se mueve por cada ambiente.
Para allá con la escoba,
para acá con el balde.
Dentro de esa boca,
siempre cerrada,
brilla un diente de oro.

7.

Un pausa que amenaza
con convertirse en otra cosa.

La ropa sin tender,
el gusto del falso mentol,
el espacio libre
donde finalmente parqueaste.

8.

Rodeando latas de cerveza,
los amigos discutían
cuánto dura la juventud.
Pensaste en voz alta
"qué me importa, si nunca fui joven”.

Luego se agitó el borrador de la niebla.
Luego irrumpieron los grillos.

9.

Aquí tendría que ir una frase decisiva
pero se destiñe la camiseta
de la tarde que hablábamos
mientras crecía el pasto
y sin darte cuenta
usabas mis muletillas
cada seis palabras.

Lo que no se va a secar,
lo que brilla sin elección,
un período equivocado para la mudanza,
el cerebro: masa de plasticina,
el corazón: dos puertas de carro
que sólo saben cerrarse.

10.

Debajo de esto hay una canción,
aunque no se escucha ni se ve.

Las promesas de la casa nueva
quedaron en la casa vieja.

Del temporal va quedando ese color
de todas las barras de plasticina
que se mezclan se mezclan,
el martilleo que silencia
la tenacidad de una fuga,  
esas gotas de lluvia
como las venas de la ventana.
Y el canto de los grillos
crece como otra niebla.

Debajo de esto hay algo mejor.

© Editorial Germinal
from: Monumentos Ecuestres
San José: Editorial Germinal, 2011
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2011

Umzüge

allemand

1.

Wenn du das sehen könntest.
Zwei Wochen Gewitter
haben die ockerfarbenen Abdrücke
der Blumentöpfe abgewischt.

In der Waschmaschine
ein Knäuel weißer und bunter Wäsche.

Ein Haus, das nur noch ein paar Kisten ist
der Nachmittag, der über der Regenscheide kreist.
Eine gefakte Mentholzigarette:
eine Derby light plus ein Hustenbonbon.

Die Farbe, die sich ergibt
wenn man alle Knetstangen vermischt.

2.

Die Welt dreht so viele Runden
dass sie sich gar nicht zu bewegen scheint.
Das wollte ich sagen
Doch als dein Beifahrer
sah ich lieber zu, wie du in Kreisen
über den Parkplatz fuhrst

3.

Die Ameisen kamen
mit den Umzugskisten.
Die neue Wohnung
sieht allmählich wie ein Zuhause aus
das eines anderen zwar, aber ein Zuhause.

4.

In der neuen Wohnung
bricht der Maurer die Wand auf, sucht
das Leck an den Rohren.

Was zu Tage tritt, ist keine Unordnung
sondern eine ungleiche Ordnung.

Plastiktüten
Kartons mit Edding beschrieben in Schrägschrift
Küche / Bücher / Bad
Wenn ein Fremder in diesem Augenblick hereinkäme
wüsste er nicht, ob gerade jemand ein- oder auszieht.

5.

In einer Wolke
von statischem Nikotin
wird das Gehirn weich
und das Herz hart.

Ohne Hemd komme ich mir älter vor
das wollte ich sagen, doch ich
erinnerte mich lieber an das Mal, als ich neben dir saß
und du in Kreisen über
den Parkplatz fuhrst.

6.

Francisca bewegt sich
schweigend durch die Zimmer
in eines mit dem Besen
ins andere mit dem Eimer.
In ihrem Mund
der immer geschlossen ist
blitzt ein Goldzahn.

7.

Eine Pause, die sich in etwas anderes
zu verwandeln droht.

Die nicht aufgehängte Kleidung
der Geschmack von falschem Menthol
die Lücke
in die du schließlich eingeparkt hast.

8.

Deine Freunde saßen um Bierdosen
herum und diskutierten
wie lange die Jugend dauert.
Du dachtest laut:
»Was kümmert das mich, ich war nie jung.«

Später stieg der Nebel auf, der große Radiergummi.
Später stellten die Grillen ihr Konzert ein.

9.

Hier müsste ein entscheidender Satz stehen
Doch das T-Shirt verblasst
An den Nachmittagen, an denen wir sprachen
während der Rasen weiterwuchs
und du, ohne es zu bemerken
jedes sechste Wort
mein Füllwort übernahmst.

Das, was nicht trocknet
das, was willkürlich glänzt
ein falscher Zeitpunkt für einen Umzug
das Gehirn: Knetmasse
das Herz: zwei Autotüren
die sich nur zuschlagen lassen.

10.

Hier drunter liegt ein Lied
auch wenn man es weder hört, noch sieht.

Die Verheißungen des neuen Zuhauses
blieben in dem alten zurück.

Vom Unwetter bleibt jene Farbe zurück
alle Knetmassestangen zusammen
die sich vermischen und vermischen
die Hammerschläge, die eine entschlossene
Flucht zum Verstummen bringen
die Regentropfen
die Arterien eines Fensters gleichen.
Und der Gesang der Grillen
schwillt an wie der Nebel.

Hier drunter liegt etwas Besseres vergraben.

übersetzt von Timo Berger

Palavras aladas

portugais | Antônio Cícero

Os juramentos que nos juramos
entrelaçados naquela cama
seriam traídos, se lembrados
hoje. Eram palavras aladas
e faladas não para ficar
mas, encantadas, voar. Faziam
parte das carícias que por lá
sopramos: brisas afrodisíacas
ao pé do ouvido, jamais contratos.
Esqueçamo-las, pois, dentro os atos
da língua, houve outros mais convincentes
e ardentes sobre os lençóis. Que esses,
em futuras noites, em vislumbres
de lembranças, sempre nos deslumbrem.

© Antonio Cicero
from: Porventura
São Cristóvão: Editora Record, 2012
Audio production: Casa Fernando Pessoa

Worte mit Flügeln

allemand

Die Schwüre, die wir uns schworen
ineinander verschlungen in jenem Bett
wären verraten, würden wir uns heute
an sie erinnern. Es waren Worte mit Flügeln
ausgesprochen nicht um zu bleiben
sondern betört davonzufliegen. Sie waren Teil
der Zärtlichkeiten, die wir
hauchten: luststeigernde Brisen
dicht am Ohr und ohne Vertrag.
Vergessen wir sie, denn unter den Akten
der Sprache waren auf den Laken andere
überzeugender und glühender. Mögen uns jene
in künftigen Nächten, im Schimmer
der Erinnerungen, stets erfreuen.

Aus dem Portugiesischen übersetzt von Timo Berger

Vitrine

portugais | Antônio Cícero

Que divisa o olhar desse moreno?
Namora os tênis atrás da vitrine?
Ou a vidraça que os devassa e inibe
os seus reflexos serve-lhe de espelho
e ele recai na imagem de si mesmo,
igualmente visível e intangível?
É assim tantálica que ela me atinge
obliquamente e ao mesmo tempo em cheio
e mesmeriza, e sinto meio como
se eu o despisse e ele mal percebesse.
Quando olha para traz um instante, atino
sonhar e, salvo engano, ter nos olhos
cacos de um campo de futebol verde
feito o pano das mesas dos cassinos.

© Antonio Cicero
from: A Cidade e os Livros
Vila Nova de Famalicão : Edições Quasi, 2006
Audio production: Casa Fernando Pessoa

Schaufenster

allemand

Worauf fällt der Blick des Moreno dort?
Will er die Turnschuhe hinter dem Schaufenster haben?
Oder die Fensterscheibe, die sie ausstellt und verhindert
dass ihre Spiegelungen ihm als Spiegel dienen
und er zurückgeworfen ist auf das Bild seiner selbst,
genauso sichtbar und unberührbar?
So tantalisch ist das Bild, dass es mich schräg
trifft und gleichzeitig mit voller Wucht
und hypnotisiert, und ich fühle mich so
als zöge ich ihn aus und er bemerkte es kaum.
Wenn er sich einen Augenblick umdreht, kann ich
träumen und habe, wenn ich nicht irre, in den Augen
Fetzen eines Fußballplatzes, so grün
wie der Bezug von Casinotischen.

Anm. des Übersetzers: moreno kann eine dunkelhaarige oder eine dunkelhäutige Person bezeichnen.

Aus dem Portugiesischen übersetzt von Timo Berger

Eu vi o rei passar

portugais | Antônio Cícero

Um rei assim
não ouve muito bem
e adora luz;
sem ver ninguém
prefere olhar
o horizonte, o céu:
longe daqui
é tudo seu.

Seu sangue azul
ninguém diz de onde vem
de que sertão
que mar, que além;
e para nós
ele jamais se abriu
senão uma vez
depois partiu.

Um rei assim
cultiva a solidão
sombria flor
no coração
e claro é
que o pêndulo do amor
às vezes vai
até a dor

Devo dizer
que não sofri demais.
Devo dizer
que acordei.
Mesmo sem ser
tudo que imaginei
devo dizer
que o amei.

© Antonio Cicero
from: Guardar
Vila Nova de Famalicão : Edições Quasi, 2002
Audio production: Casa Fernando Pessoa

Ich sah den König vorbeigehen

allemand

So ein König
hört etwas schlecht
und liebt das Licht;
beachtet niemanden so recht
betrachtet lieber
den Horizont, die Sterne:
die ihm gehören
in weiter Ferne.

Sein Blut ist blau
und keiner weiß, woher er stammt
aus welcher Provinz
von welchem Meer oder Eiland;
uns gegenüber
hat er nie offen gesprochen
nur einmal
und ist dann aufgebrochen.

So ein König
kultiviert seine Einsamkeit
dunkle Blume
die in seinem Herzen weilt
allen ist klar,
dass der Liebe Pendel ausschlägt
manchmal so heftig
dass man es kaum erträgt

Ich muss zugeben,
dass es mir wenig Leid brachte.
Ich muss zugeben,
dass ich plötzlich erwachte.
Obwohl wir nicht so leben
wie ich mir ausdachte
muss ich doch zugeben,
dass ich sehr achte.

Aus dem Portugiesischen übersetzt von Timo Berger

WOPÜ

arawak | Vito Apüshana

Yala julu’u yorolo Pulashiru’u
eesü wane jipia atüjaa kamairü kojutüinjatü tatuma.
Jia kasa mainñatuisü, tawalaa.
ma’aka ja’in jiipain Aalasü,
anaajawetka washa
jüchikijee najattüin chi wayuu ekai apütain
ma’aka ja’in niipain Juliruanarü,
anajaaka tü merajuukat na’u na outüshiikana.
ma’aka ja’in tü pütchi onjulajuushikat maka wamüin
aka nnojolüin wamuiwain waya.

© Vito Apüshana / M. López-Hernández
from: Contrabandeo Sueños con Aríjunas Cercanos. in: Woummainpa No. 7
Riohacha: Universidad de la Guajira, 1998
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2001

WOPÜ

allemand

In der Höhle von Pulashiru’u
hat das uralte Wissen ein Nest, das ich füttern muss.
Es handelt sich um lautlose Dinge, Bruder.
Wie den Stein von Aalasü,
der über den letzten Wayuu hinaus
über unser Blut wachen wird.
Wie den Felsen von Juliruanarü,
der das Mysterium der Toten in sich trägt.
Wie das Geheimnis, das uns sagt
dass wir nie allein sind.

Auf Grundlage der spanischen Übersetzung von Timo Berger

JUYAPOU

arawak | Vito Apüshana

Taya jükalio’ujuuyase tei
taya yuutuwaa ja’u aipia
taya jüsira tawalayuu.
Taya jütchüin naku’a talaülayuu.
waya wane kataa o’u maituisü...
Achajaashii waya wuin julu’u ja’in tü mmakat.

© Vito Apüshana / M. López-Hernández
from: Contrabandeo Sueños con Aríjunas Cercanos. in: Woummainpa No. 7
Riohacha: Universidad de la Guajira, 1998
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2001

JUYAPOU

allemand

Ich bin die Regenzeit meiner Mutter.
Bin ein Schweigen unter den Mesquitebäume.
Bin das Lachen bei meinen Geschwistern.
Bin der Widerstand meiner Vorfahren Gang.
Wir sind das einfache Leben ...
Suchen Wasser im Herzen der Erde.

Auf Grundlage der spanischen Übersetzung von Timo Berger

KATAA – O’U

arawak | Vito Apüshana


juka jütchin tü kataaka o’u
eeyülüja juchon yosu
ekajirüin na’anamiain na uchiikana
eesü tü to’ukalüirua
antüin
jünain Iiwa jüma Juyo’u (...)
eesü tü lapükat
antire’e rüin waya
nama na waamakakana.

© Vito Apüshana / M. López-Hernández
from: Contrabandeo Sueños con Aríjunas Cercanos. in: Woummainpa No. 7
Riohacha: Universidad de la Guajira, 1998
ISBN: ISSN 0121-7216
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2001

KATAA – O’U

allemand


Allein durch ihre Lebenskraft

füttern die Früchte des Kaktus
den Frieden der Vögel.
Finden
meine Augen
Iwa und Juyou (..)
Versöhnen uns
die Träume
mit unseren Toten.

Auf Grundlage der spanischen Übersetzung von Timo Berger

IPA

arawak | Vito Apüshana

Yala tü ipa yalajatüjütka’aya
wanajatkat nama na wayuu jumaiwajanakana:
anajaaka o’upalu’uirua
anajakat kulüirua.
Jia tü ipa erakat wayuuira outüsü
alati’raka watta jaalin juya
anajakat jo ekiisena
anajakat jo unu’ulia.
jia tü ipa erakat wayuuira kato‘ulü
erakat mainyatuli:
anajakat aiñüirua
anajakat wuikalüirua
e’irajena nachikuwa yala
nauchichonnikana
jupula ayula tü lapükalüirua.

© Vito Apüshana / M. López-Hernández
from: Contrabandeo Sueños con Aríjunas Cercanos. in: Woummainpa No. 7
Riohacha: Universidad de la Guajira, 1998
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2001

IPA

allemand

Dort der ewige Stein,
der der Ahnen:
der über die Blicke wacht
der über die Eidechsen wacht.
Es ist der Stein so vieler Toter,
so vielen Regens:
der über die Schreie wacht,
der über die Pflanzen wacht.
Es ist der Stein so vieler Lebender,
von so vielem Schweigen:
der über die Herzen wacht,
der über die Schlangen wacht.
Dort werden die Vögel
wieder singen,
um die Träume zu schöpfen.

Auf Grundlage der spanischen Übersetzung von Timo Berger

WAYUU

arawak | Vito Apüshana

Jemeishi taya julü’ü wane mma warattüsiü
Kepiashi taya ja’aka jorottüi, jaitairü apain.
Taya juwaralain wane lapü jumaiwajatü
Achejaashi asa’ire jünain juwaralain wuin
Taya kataakat o’u, joukai tüü.
Taya niimala tatuushi Anapule,
outakai juma kulemata...

© Vito Apüshana / M. López-Hernández
from: Contrabandeo Sueños con Aríjunas Cercanos. in: Woummainpa No. 7
Riohacha: Universidad de la Guajira, 1998
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2001

WAYUU

allemand

Ich wurde in einem hellen Land geboren.
Lebe zwischen Lichtern, selbst in den Nächten.
Bin das Licht eines vorherigen Traums.
Suche im Funkeln des Wassers, meinen Durst.
Bin das Leben, heute.
Bin die Ruhe meines Großvaters Anapule,
der lächelnd starb ...

Auf Grundlage der spanischen Übersetzung von Timo Berger

JIET

arawak | Vito Apüshana

Tü kataakat o’u anuu ya’aya, jupüshua, ja’aka jieyuu...
Tawala, jia watta’a maalu.
Tawayuuse, jia aliika.
Teii, jia aipa’a.
Toushi, jia lapükat.
Jütalatain, müsü aka wane isho’u,
motsosü oulaka o’utusü jia

© Vito Apüshana / M. López-Hernández
from: Contrabandeo Sueños con Aríjunas Cercanos. in: Woummainpa No. 7
Riohacha: Universidad de la Guajira, 1998
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2001

JIET

allemand

Das Leben spielt hier, voll und unter Frauen …
Meine Schwester, der Morgen.
Meine Frau, der Nachmittag.
Meine Mutter, die Nacht.
Meine Großmutter, der Traum.
Ihr Fest ist wie die Wasserlöcher
von kurzer Dauer und tief.

Auf Grundlage der spanischen Übersetzung von Timo Berger

La mosca

espagnol | Diana Vallejo

Hay una mosca violenta
Que golpea en la tela metálica
Un bicho insistente
Que quiere salir, salir …

De ningún modo
Alcanzó los vidrios
Ni la orilla
Solo se dejo vislumbrar
Se dejó caer
Para volar, volar …

Soy como esta mosca
Molesta
A todo credo

No soy ficticia
Hay tentáculos
Glándulas salivales
Patas, ojillos
Para tratar, empujar…

Como esta mosca
Molesta…
Que zumba incrustada
En la tela metálica de la ventanas.

© Diana Vallejo
Audio production: ICORN, Sweden, 2014

Die Fliege

allemand

Da ist eine hitzige Fliege
Die gegen das Gitter stößt
Ein beharrliches Tier
Das hinaus will, hinaus …

Wie sie's auch anstellt
Die Scheibe erreicht sie nie
Nicht mal den Rand
Man kann sie nur erahnen
Sie stürzt in die Tiefe
Um zu fliegen, fliegen …

Ich bin wie diese Fliege
jeder Glaubensrichtung
lästig

Ich bin nicht erdichtet
Habe echte Fühler
Speicheldrüsen
Beinchen und Äuglein,
Um zu versuchen, zu stoßen …

Lästig
Wie diese Fliege
Die ins Gitter des Fensters
verheddert brummt

Aus dem Spanischen übersetzt von Timo Berger

El otro poeta en el barco

anglais | Diana Vallejo

Su ira es una llaga que agita el alma
breva sus lágrimas con golpes y verbos,
tira a la basura los amores familiares.

Su ira es un caracol abrasivo
que lleva dagas al agua, al viento
deja el camino para hacer cicatrices
al asfalto…

Su enojo es un globo terráqueo
que tiende a llamar a Dios !inepto!
y él que lo escucha…lo perdona
sin perdonarse nunca.

Su amor es un fósil
como ese gato crispado en el techo que te araña
con la sombra de su esperanza.

Tu ira…
es un remolino de arena
capaz de roer
las dunas del desierto…

Entonces…
¿Cómo ha de haber sido tu amor,
si tu ira es un pleonasmo universal?
¿Cómo sería tu fe,
Si tu enojo es una roca en la garganta?
¿Cómo sería la luz de tus ojos,
si tu odio carboniza a cuantos ve?…

Lástima, que no te conocí entonces…

© Diana Vallejo
Audio production: ICORN, Sweden, 2014

Der andere Dichter auf dem Schiff

allemand

Seine Wut ist eine Wunde, die die Seele erregt
unter Schlägen und Flüchen trinkt er seine Tränen,
verwirft die familiären Lieben.

Seine Wut ist eine scheuernde Spirale,
die Dolche ins Wasser schlägt, in den Wind,
die von der Spur abweicht, um im Asphalt
Narben zu hinterlassen …

Sein Ärger ist ein Globus,
der dazu neigt, Gott „unfähig!“ zu nennen
und der, der ihm zuhört … vergibt ihm,
sich selbst jedoch nie.

Seine Liebe ist ein Fossil
wie der gereizte Kater auf dem Dach, der dich kratzt
mit dem Schatten seiner Hoffnung.

Deine Wut …
ist eine Sandhose
mit der Kraft, der Wüste
Dünen zu schleifen …

Wie …
erst muss deine Liebe gewesen sein,
wenn deine Wut ein universeller Pleonasmus ist?
Wie war dein Glaube,
Wenn dein Ärger als Felsbrocken in meiner Kehle steckt?
Was geschah dem Licht deiner Augen,
wenn dein Hass alles verbrennt, was er erblickt? …

Schade, dass ich dich damals nicht kannte …

Aus dem Spanischen übersetzt von Timo Berger

Noches polos

espagnol | Diana Vallejo

Hay noches como botones grandes…
                cerrando los sacos
Con la gente en las almohadas de los cielos
Y las plumas dispersas de los sueños.

Noches paraguas…
tremendos aguaceros destilando de las almas
ríos bravos de secretos y dolores omitidos.
arrecian, son tormentas silenciosas.

Hay cielos de párpados caídos
ventanas abriendo de par en par la libertad,

Hay despedidas que cierran las puertas del balcón
y el corazón es una carta leída y olvidada
un beso en el aire
una gotita de sangre derramada.

Noches …     polo
que nos cambian la vida.

El norte tiene personalidad múltiple
            y el sol que no acaece
Murmura a las ramas que se queden quietas y lo sostengan.
destroza, aquellas fibras oscuras
y la luna pierde sus pareos…

Entonces…   la multitud abre los ojos,     turbulenta…   despierta…

© Diana Vallejo
Audio production: ICORN, Sweden, 2014

Nächtliche Pole

allemand

Manche Nächte sind wie die großen Knöpfe,
            die man an einem Sakko schließt,
Mit Leuten, die auf himmlischen Kissen sitzen,
Und den verstreuten Federn der Träume.

Regenschirmnächte …
gewaltige Wolkenbrüche, destilliert aus den Seelen
wilde Flüsse unterdrückter Geheimnisse und Schmerzen.
sie erstarren zu stillen Stürmen.

Manche Himmel sind aus geschlossenen Augenlidern
Doppelfenster, die sich hin zur Freiheit öffnen,

Manche Abschiede schließen die Balkontüren
und das Herz ist ein gelesener und vergessener Brief
ein Kuss in die Luft
ein vergossener Blutstropfen.

Nächtliche … Pole,
die unser Leben ändern.

Der Norden hat eine multiple Persönlichkeit
            und seine Sonne zeigt sich nie,
Sie befiehlt den Zweigen flüsternd, still zu bleiben und sie zu tragen.
Zerreißt die dunklen Fasern
und der Mond verliert seinen Umhang …

Dann … schlagen die Massen die Augen auf… erwachen ... aufgewühlt ...

Aus dem Spanischen übersetzt von Timo Berger

[a sombra (o tigre de blake) a lira breve]

portugais | Antonio Carlos Cortez

a sombra (o tigre de blake) a lira breve
a sombra horizonte da música
o revolver das mãos por dentro da pele
a voz na envolvente superfície do instante
a sombra no limite é o corpo a palavra
isto é o mármore da memória a fala
a cadeia de saliva em espessa floração
a sinuosa areia do deserto o sentido
perseguido na linha de sombra
a linha invisível a invasão antiga
a fonte grega a alegria súbita do êxtase
o poema é o rosto de alguém connosco
habitante como nós da imensa solidão
da sombra levada ao limite do signo
isto é do tecido rítmico

© António Carlos Cortez
from: A Sombra no Limite
Lisboa: Gótica, 2004
Audio production: Câmara Municipal de Lisboa, 2012

[der Schatten (der Tiger von Blake) die kurze Leier]

allemand

der Schatten (der Tiger von Blake) die kurze Leier
der Schatten Horizont der Musik
das Wühlen der Hände tief in der Haut
die Stimme in der packenden Oberfläche des Moments
der Schatten an der Grenze ist der Körper das Wort
dies ist der Marmor des Gedächtnisses die Sprache
die Kette des Speichels in zäher Blüte
der gewellte Sand der Wüste der Sinn
verfolgt auf der Schattenlinie
die unsichtbare Linie der antiken Invasion
die griechische Quelle die jähe Freude der Ekstase
das Gedicht ist das Gesicht von einem der bei uns ist
Bewohner wie wir der immensen Einsamkeit
des zur Grenze des Zeichens geführten Schattens
dies ist ein rhythmisches Gewebe

Aus dem Portugiesischen übersetzt von Timo Berger

[é o Tejo escorrendo nas sombrias casas de vermelho]

portugais | Antonio Carlos Cortez

                                                 Hoje sou eu quem como o rio transluz
                                              Hoje sou eu quem sem primícias seca

                                                                                 Luiza Neto Jorge


é o Tejo escorrendo nas sombrias casas de vermelho.
pergunto pelos barcos e não me respondem. ninguém sabe
é o tempo diluído nas camas brancas dos amantes sem resposta
dos rápidos amantes que lembram duas balas no sangue arrefecido.
perguntei aos amantes pela cidade dos barcos no rio.
ninguém sabe. ninguém sabe da cidade com mar nos dedos
aquela que sobe pelo peito fácil das casas feitas do cheiro matinal
dos gritos e do amor rápido e sanguíneo e sedento. é talvez a hora
de romper por entre os barcos que estão nos portos sombrios
sombrios abutres de marinheiros sem literatura.
não me contaram dos barcos como num poema
nem de rostos varridos pelas musicas de cítaras antigas.
no Tejo escorria de vermelho-sangue um sabre só encontrei
o azul e o branco estagnados da parte velha da cidade do fado.
o rio calado e os seus barcos e tu a subires a rua nova do alecrim
pelo menos nos meus olhos era essa rua de cesário e eu a respirar
o mesmo ar de asfixia ou a tentar não naufragar nestas águas pantanosas
nestas vielas obscuras nesses barcos de madeira ao sol já corrompida
onde ainda adivinhamos o rio Tejo e as sete colinas gravados
onde o amor foi perpetrado (na memória tentacular do mar)
e era ainda o Tejo

© António Carlos Cortez
from: Um Barco no Rio
Lisboa: Hugin, 2002
Audio production: Câmara Municipal de Lisboa, 2012

[der Tejo durchfließt die düsteren in Rot getauchten Häuser]

allemand

                                                    Heute bin ich der durchscheinende Fluss
                                                 Heute bin ich der, der ohne Quellen austrocknet
                                                                                                     Luiza Neto Jorge


der Tejo durchfließt die düsteren in Rot getauchten Häuser.
ich frage nach den Schiffen und keiner antwortet. niemand weiß es
die Zeit verrinnt unerwidert in den weißen Betten der Geliebten
der schnellen Geliebten, die sich an zwei Kugeln im erkalteten Blut erinnern.
ich frage die Geliebten nach der Stadt mit den Schiffen im Fluss.
niemand kennt sie. niemand kennt die Stadt mit dem Meer an den Fingern
jene, die aufsteigt über der planen Brust der Häuser errichtet aus
                                                                                                                   Morgenduft
Geschrei und der schnellen und blutigen und gierigen Liebe. Vielleicht 
muss man jetzt zwischen den Schiffen hindurch, die in düsteren Häfen 
dümpeln düstere Geier jene Seemänner ohne Literatur.
wie in einem Gedicht erzählte man mir weder von den Schiffen
noch von den durch die Klänge alter Zithern entrückten Gesichtern.
ein Säbel zerrann blutrot im Tejo und ich stieß nur auf das stehende Blau
und das Weiß im alten Teil der Stadt des Fado.
der schweigsame Fluss und seine Schiffe und du gingst die neue Rua do
                                                                                                               Alecrim hinauf
wenigstens in meinen Augen war es jene Straße von Cesário und ich atmete
dieselbe stickige Luft oder versuchte in dem sumpfigen Wasser nicht                                                                                                                              unterzugehen
in den dunklen Gassen und auf den modrigen sonnenbeschienen Schiffen
wo wir den Tejo und die sieben eingravierten Hügel nur mehr erahnen
wo die Liebe begangen wurde (in den Fangarmen des
                                                                                               Meeresgedächtnisses)
die immer noch der Tejo war

Aus dem Portugiesischen übersetzt von Timo Berger

POESIA REALISTA

portugais | Antonio Carlos Cortez

É esta a rua
O rio da vida
A vida tua

Quem por demasiado
tempo se entregou
ao exercício

de escrever
como quem morre
e quer viver

saberá um dia
se foi de verdade
amado?

Não é a escrita
essa rede realista
que agarra a vida

nas malhas de fogo
ou no trânsito do cianeto?
Quem escreve saberá

que escrevendo prolonga
o dia acabado
em mais uma noite

longa como
corpo esgotado?

© António Carlos Cortez
from: Depois de Dezembro
Évora: Licorne, 2010
Audio production: Câmara Municipal de Lisboa, 2012

REALISTISCHE DICHTUNG

allemand

Das ist die Straße
Der Fluss des Lebens
Deines Lebens

Einer, der zu viel
Zeit der Übung
des Schreibens

gewidmet hat
wie einer, der stirbt
und leben will,

wird er jemals erfahren
ob er wirklich
geliebt wurde?

Fängt nicht die Schrift
diese realistische Netz
das Leben ein

in seinen Feuermaschen,
im fließenden Zyanid?
Weiß einer, der schreibt

dass er den vollendeten Tag
schreibend verlängert
um noch eine Nacht

die lang ist wie
ein erschöpfter Körper?

Aus dem Portugiesischen übersetzt von Timo Berger

*QUE É DOR/ A DOR QUE DE VERAS SENTE

galicien | Yolanda Castaño

Teño cara de gustarme
as cousas que non me gustan.

Os labios de toda a xente
falan sen despegarse.

Isto tamén é así.
As paredes dunha gruta na que alguén, hai dez mil anos,
desdoura o natural da pedra.
Moedas, corrente alterna,
unha rapaza nada cos xenes da beleza,
toda picada de complexos.
Coma un orgasmo de Hedy Lamarr, os ollos de Nikola Tesla.
Un país onde non ser,
onde só cómpre
parecelo.
Luvas desenfundadas, sal, a máis prestixiosa
de todas as escolas de dobraxe.

O capital é o pesadelo
de quedarmos atoados na nosa capacidade simbólica.
A máis favorecedora de todas:
maquillaxe tanatoestética.
Anos de traballo voltos un pedazo de granito ecuestre.
Unha industria da miseria, as leiras do volframio.
Coma un corpo ardente que sabe, e
disimula.
Pestanas postizas de marca barata, unha imaxe
idéntica a si mesma.

Coma poesía política que se confunde
cunha autofoto fronte o espello do baño.
A metonimia do mal,
normativo dislocado.
Escenificación, menú, a escaleira de incendios do discurso.
Algo ao que lle medran raíces aéreas
e devece por volver á terra en canto hai tempo que saíu á luz;
coma os ollos das patacas.

A ollada do poema é tamén así:
filas de formigas obreiras
esmagadas para permanecer,

restos de acenos
que parecen

outra cousa.

© Yolanda Castaño
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2015

WAS IST SCHMERZ / DER SCHMERZ, DEN SIE WIRKLICH FÜHLT

allemand

Ich sehe aus, als würde ich Dinge
mögen, die ich nicht mag.

Alle Welt spricht
mit geschlossenen Lippen.

Auch das hier:
Die Wände einer Grotte, in der vor zehntausend Jahren
jemand die natürliche Essenz eines Steins befleckte.
Ein paar Münzen, wechselnde Strömung,
ein Mädchen, dem die Schönheit in den Genen steckt,
vernarbt von Komplexen.
Wie ein Orgasmus von Hedy Lamarr, die Augen von Nikola Tesla.
Ein Land, in dem man nicht sein,
sondern nur scheinbar
sein musste.
Abgestreifte Handschuhe, Salz, die Akademie für Synchronsprecher
mit dem besten Ruf.

Das Kapital ist nichts als der Alptraum,
in einem symbolischen Vermögen gefangen zu sein.
Von allem am vorteilhaftesten:
ein thanatoästhetisches Make up.
Jahre der Arbeit, geronnen zu Reitergranit.
Eine Elendsindustrie, Wolframgärten.
Wie ein feuriger Körper, der sich genau auskennt
und trotzdem Unschuld vortäuscht.
Künstliche Wimpern einer Billigmarke, ein Bild,
das mit sich selbst identisch ist.

Wie politische Dichtung, vermischt
mit einem Selfie vor dem Badezimmerspiegel.
Die Metonymie des Bösen,
die verlegte Norm.
Eine Inszenierung, ein Menü, die Feuerleiter eines Vortrags.
Etwas, dem Luftwurzeln wachsen,
das sich sehnt nach der Rückkehr zur Erde,
wie Kartoffelaugen.

Auch der Blick des Gedichts ist so,
Ameisenstraßen,
für immer zerdrückt,

Reste von Gesten,
die aussehen

wie etwas anderes.

Aus dem Galicischen von Timo Berger und Heidi Kühn-Bode

MAZÁS DO XARDÍN DE TOLSTOI

galicien | Yolanda Castaño

Eu,
que bordeei en automóbil as beiras do Neretva,
que rebañei en bicicleta as rúas húmidas de Copenhague.
Eu que medín cos meus brazos os buratos de Saraxevo,
que atravesei ao volante a fronteira de Eslovenia
e sobrevoei en avioneta a ría de Betanzos.
Eu que collín un ferry que arribase ás costas de Irlanda,
e á illa de Ometepe no Lago Cocibolca;
eu que non esquecerei aquela tenda en Budapest,
nin os campos de algodón na provincia de Tesalia,
nin unha noite nun hotel aos 17 anos en Niza.
A miña memoria vai mollar os pés á praia de Jurmala en Letonia
e na sexta avenida síntense coma na casa.
Eu,
que houben morrer unha vez viaxando nun taxi en Lima,
que atravesei o amarelo dos campos brillantes de Pakruojis
e crucei aquela mesma rúa que Margarett Mitchell en Atlanta.
Os meus pasos pisaron as areas rosadas de Elafonisi,
cruzaron unha esquina en Brooklyn, a ponte Carlos, Lavalle.
Eu que atravesei deserto para ir ata Essaouira,
que me deslicei en tirolina dende os cumios do Mombacho,
que non esquecerei a noite que durmín na rúa en Amsterdam,
nin o Mosteiro de Ostrog, nin as pedras de Meteora.
Eu que pronunciei un nome no medio dunha praza en Gante
que unha vez suquei o Bósforo vestida de promesas,
que nunca volvín ser a mesma despóis daquela tarde en Auschwitz.
Eu,
que conducín cara o leste até preto de Podgorica,
que percorrín en motoneve o glaciar de Vatnajökull,
eu que nunca me sentín tan soa coma na rue de Sant Denis,
que xamáis probarei uvas coma as uvas de Corinto.
Eu, que un día recollín
   mazás do xardín de Tolstoi,
quero voltar a casa:
o recanto
que prefiro
da Coruña

xusto en ti.

© Yolanda Castaño
from: Varios autores - A Coruña á luz das letras
Iñás-Oleiros: Ed. Editorial Trifolium, 2008
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2015

Äpfel aus Tolstois Garten

allemand

Ich,
die ich mit dem Auto die Ufer der Neretva entlangfuhr,
die ich mit dem Fahrrad die nassen Straßen Kopenhagens aufleckte.
Ich, die mit meinen Armen die Löcher Sarajevos vermaß,
die ich – am Steuer – die Grenze zu Sloweniens überquerte
und in einer Chesna über die Bucht von Betanzos flog.
Ich, die ich eine Fähre nahm, um an der Küste Irlands anzulegen,
und an der Insel Ometepe im Nicaraguasee;
ich, die ich jenes Geschäft in Budapest nie vergessen werde,
noch die Baumwollfelder Thessaliens
oder diese Nacht mit 17 in einem Hotel in Nizza.
Meine Erinnerung umspült meine Füße am Strand von Jūrmala in Lettland
und fühlt sich auf der 6th Avenue zu Hause.
Ich,
die ich beinah umgekommen wäre, als ich in Lima ein Taxi bestieg,
die ich durch das Gelb der leuchtenden Felder von Pakruojis schlenderte
und in Atlanta über dieselbe Straße ging wie Margarett Mitchell.
Meine Schritte führten mich auf Elafonisi über rosafarbenen Sand,
über eine Kreuzung in Brooklyn, die Karlsbrücke, die Calle Lavalle.
Ich, die ich durch die Wüste ging, um nach Essaouira zu gelangen,
die ich vom Gipfel des Mombacho mit einer Seilrutsche in die Tiefe fuhr.
die ich die Nacht, in der ich in Amsterdam auf der Straße schlief, nie vergessen werde
noch das Kloster Ostrog oder die Felsen von Meteora.
Ich, die ich mitten auf einem Platz in Gent einen Namen aussprach,
die ich einmal, gehüllt in Versprechen, den Bosporus durchpflügte,
die ich nach einem Nachmittag in Auschwitz nicht mehr dieselbe war.
Ich,
die ich nach Osten bis in die Nähe von Podgorica fuhr,
die ich im Motorschlitten über den Vatnajökull-Gletscher schoss,
ich, die ich mich nie so allein fühlte wie in der Rue de Sant Denis,
die ich nie mehr Trauben wie die Trauben von Korinth essen werde.
Ich, die ich eines Tages
                                                        Äpfel in Tolstois Garten pflückte,
will nach Hause zurückkehren:
ins Versteck
das ich am liebsten mag
in A Coruña

mitten in dir.

Aus dem Galicischen von Timo Berger und Heidi Kühn-Bode

HISTORIA DA TRANSFORMACIÓN

galicien | Yolanda Castaño

Foi primeiro un trastorno
unha lesiva abstinencia de nena eramos pobres e non tiña nin aquilo
raquítica de min depauperada antes de eu amargor carente unha
parábola de complexos unha síndrome unha pantasma
(Aciago a partes iguais botalo en falla ou lamentalo)
Arrecife de sombra que rompe os meus colares.
Foi primeiro unha branquia evasiva que
non me quixo facer feliz tocándome co seu sopro
son a cara máis común do patio do colexio
a faciana eslamiada que nada en nada sementa
telo ou non o tes renuncia afaite traga iso
corvos toldando nubes unha condena de frío eterno
unha paciente galerna unha privada privación
(nena de colexio de monxas que fun saen todas
anoréxicas ou lesbianas a
letra entra con sangue nos cóbados nas cabezas nas
conciencias ou nas conas).
Pechei os ollos e desexei con todas as miñas forzas
lograr dunha vez por todas converterme na que era.

Pero a beleza corrompe. A beleza corrompe.
Arrecife de sombra que gasta os meus colares.
Vence a madrugada e a gorxa contén un presaxio.
Pobre parviña!, obsesionácheste con cubrir con aspas en vez de
co seu contido.
Foi un lento e vertixinoso agromar de flores en inverno
Os ríos saltaban cara atrás e resolvíanse en fervenzas rosas
borboletas e caracois nacéronme nos cabelos
O sorriso dos meus peitos deu combustible aos aeroplanos
A beleza corrompe
A beleza corrompe
A tersura do meu ventre escoltaba á primavera
desbordaron as buguinas nas miñas mans tan miúdas
o meu afago máis alto beliscou o meu ventrículo
e xa non souben qué facer con tanta luz en tanta sombra.

Dixéronme: “a túa propia arma será o teu propio castigo”
cuspíronme na cara as miñas propias virtudes neste
clube non admiten a rapazas cos beizos pintados de vermello
un maremoto sucio unha usura de perversión que
non pode ter que ver coa miña máscara de pestanas os
ratos subiron ao meu cuarto enluxaron os caixóns da roupa branca
litros de ferralla alcatrán axexo ás agachadas litros
de control litros de difamadores quilos de suspicacias levantadas
só coa tensión do arco das miñas cellas deberían maniatarte
adxudicarte unha estampa gris e borrarte os trazos con ácido
¿renunciar a ser eu para ser unha escritora?
demonizaron o esguío e lanzal do meu pescozo e o
xeito en que me nace o cabelo na parte baixa da caluga neste
clube non admiten a rapazas tan ben adobiadas
Desconfiamos do estío
A beleza corrompe.
Mira ben se che compensa todo isto.

© Yolanda Castaño
from: Profundidade de campo
Espiral Maior: La Coruña, 2007
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2015

GESCHICHTE EINER VERWANDLUNG

allemand

Am Anfang stand eine Verwirrung
eine schmerzhafte Enthaltsamkeit als Kind wir waren arm und ich nicht mal das
war ein rachitisches schwächlich Ding bevor ich da war mittellos und verbittert
eine Parabel von Komplexen ein Syndrom ein Gespenst
(verhängnisvoll: zu gleichen Teilen entbehren und lamentieren)
ein Schattenriff das meine Ketten kappt.
Am Anfang eine fliehende Kieme die
mich nicht glücklich machen wollte deren Atem mich jedoch berührte
Ich bin das gewöhnlichste Gesicht auf dem Schulhof
ein ordinäres Antlitz das Nichts ins Nichts sät
du hast es oder hast es nicht gibs auf schlucks runter
Raben die Wolken verdunkeln bringen ewige Kälte
Geduldige Galerne ein privater Verzicht
(Schülerin einer Klosterschule die werden alle
magersüchtig oder lesbisch
Lesen lernen mit blutigen Ellenbogen Blut in den Köpfen
im Bewusstsein in den Mösen)
Ich schloss die Augen und wünschte mir mit ganzer Kraft
ich könnte mich endlich in die verwandeln die ich war.

Doch Schönheit verdirbt. Schönheit verdirbt.
Schattenriff das meine Ketten verschleißt.
Der frühe Morgen triumphiert und die Kehle birgt Vorahnungen.
Armes Dummchen! Warst davon besessen dich mit Kreuzen zu bedecken
statt mit dem was sie bedeuten.
Ein langsames, atemberaubendes Erblühen von Knospen im Winter
Die Flüsse flossen rückwärts, lösten sich auf in rosa Wasserfälle
Insekten und Schnecken wuchsen mir aus den Haaren
Meine lächelnden Brüste betankten Flugzeuge mit Kerosin
Schönheit verdirbt
Schönheit verdirbt
Mein glatter Bauch kam mit dem Frühling
Schnecken quollen aus meinen winzigen Händen
eine höchste Liebkosung stach mir in die Herzkammer
ich wusste nichts anzufangen mit so viel Licht zwischen so viel Schatten.

Sie sagten mir: „Deine eigene Waffe wird zu deiner Strafe“
sie spuckten mir meine Tugenden ins Gesicht in diesem Club
sind Mädchen mit rot geschminkten Lippen nicht erwünscht
ein schmutziges Meerbeben ein Wucher aus Perversion der
nichts zu tun haben kann mit meiner Wimperntusche die
Mäuse kletterten in mein Zimmer verdreckten Schubladen voll weißer Wäsche
literweise lauern versteckt rostiges Eisen und Pech literweise
Kontrolle literweise Verleumdung kiloweise erhebt sich Misstrauen
allein mit der Spannung meiner hochgezogenen Brauen sollte man deine Hände fesseln
dir eine graue Gestalt verleihen und deine Züge mit Säure auslöschen
Mich selbst aufgeben um Schriftstellerin zu werden?
Sie verteufeln meinen eleganten schlanken Hals und die
Art wie mein Haar im Nacken wächst in diesem Club
sind zurechtgemachte Mädchen nicht erwünscht
Wir trauen dem Sommer nicht
Schönheit verdirbt.
Prüfe genau, ob es sich lohnt für dich.

Aus dem Galicischen von Timo Berger und Heidi Kühn-Bode

[tanto barro pra amassar]

portugais | Criolo

tanto barro pra amassar
na sacola uma ilusão
na cabeça um querer
arma e ódio na mão
7 chaves pra abrir
7 portas meu irmão
odisséia sem ulisses
biqueira, viela e pão
pega a pedra pra jogar
na lua que não se vê
nem são jorge nem dragão
vaidade é ilusão
é a cinza do umbral
é o aço é a dor
é um pai é um irmão
é grana, sangue no chão.
1 alma pra ganhar
2 almas pra perder
3 almas que se vão
4 almas no porão
5 almas vão dizer : calma com esse alçapão
6 almas pra tentar
7 almas dizem não
8 almas pra sofrer
9 almas narrarão
que 10 anjos vão morrer, todos sem arma na mão .

© Criolo
from: inédito/unpublished
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2014

[so viel lehm ist noch zu formen]

allemand

so viel lehm ist noch zu formen
in der tüte ein trugbild
im kopf ein wunsch
in der hand eine knarre und hass
7 schlüssel zum öffnen
7 türen, mein freund
ohne odysseus eine irrfahrt
umschlagsort, gasse und brot
nimm den stein, schieß ihn
zum mond, den man nicht sieht
auch nicht georg* oder den lindwurm
die eitelkeit, ein hirngespinst
ist asche auf der schwelle
ist stahl, ist schmerz
ist vater und bruder
ist kohle, blut auf dem boden.
1 seele, zu gewinnen
2 seelen, zu verlieren
3 seelen, die davonziehen
4 seelen im keller
5 seelen werden sagen: vorsicht mit der falltür
6 seelen, zu verführen
7 seelen, die sagen: nein
8 seelen, die leiden
9 seelen, die erzählen
dass 10 engel sterben und nicht einer mit ner knarre in der hand.


* São Jorge, der Heilige Georg, ist Schutzheiliger von Rio de Janeiro.

aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger

[amor será que existe ?]

portugais | Criolo

amor será que existe ? se o mundo insiste num terreno vil
amor de fotonovela de mulher submissa objeto servil
amor que te amarra calada, que te põe pra baixo causa depressão
macho burro desligado ao virar as costas ela abre o portão
amor pra quem nasce na guerra a criança se apega ao pão e ao fuzil
amor de um país moribundo corrupção é o fundo da alma sem brio
amor de homem que maltrata, que engana e faz casa virar prisão
amor, isso não é amor
é falta de opção
amor palavra badalada se sente magoada por quem nunca a sentiu
amor, faça que essa política leve dignidade há quem nunca sorriu
amor acabe com essas guerras entre os homens, prospera o mal da ambição
amor não se compra ou se vende, o amor tá carente de outra propulsão
amor são marcas do tempo, chuva ,sol, vento, rosto, boca, corpo, quadril
amor é se sentir desejada, protegida, amada, sem ego viril
amor palavra tão falada, por demais insultada, eu te peço perdão
fêmea que nutre e desagua és quem manda e desmanda no pobre rei leão

© Criolo
from: inédito/unpublished
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2014

[liebe – gibt es die?]

allemand

liebe – gibt es die? wenn sich die welt niederen gefilden versteckt
liebe aus den fotolovestorys für unterwürfige frauen, als willfähriges objekt
liebe, die dich zum verstummen bringt, dich runterzieht, zu depressionen führt
dummer macho, wenn du dich umdrehst, und sie das tor aufschließt
liebe für den, der im krieg geboren wird, das kind klammert sich an brot und gewehr
liebe eines siechenden landes, korruption wiegt in der ehrlosen seele schwer
liebe eines mannes, der misshandelt, betrügt und sein zuhause zum knast macht
liebe, das ist liebe nicht
sondern das fehlen einer aussicht
liebe, gehyptes wort, fühlt sich verletzt von dem, der sie nie gefühlt hat
liebe, verleih dieser politik ein wenig würde, es gibt jemand, der nie gelächelt hat
liebe, beende diese kriege zwischen menschen, das übel des eifers floriert
liebe kauft oder verkauft man nicht, der liebe fehlt ein anderer antrieb
liebe wird von der zeit bestimmt, von regen, sonne, wind, gesicht, mund, körper, po
liebe ist, sich begehrt zu fühlen, beschützt, geliebt, ohne männliches ego
liebe, so oft gesagt, viel zu oft geschändet, um verzeihung bitte ich dich
löwin, die ernährt, du herrschst, du beherrschst den armseligen könig

aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger

[o número daquele barraco identifica aquele pobre coitado]

portugais | Criolo

o número daquele barraco identifica aquele pobre coitado
um músculo traz no peito um compasso
bate quase que por milagre um coração maltratado
da banca de jogo do bicho ele fez um armário
casa que se chover vira um aquário
de roupas dadas que quase não cabem
e das que cabem quase se tropeça
e na rua é mão na cabeça e tapa no ouvido
na rua é mão na cabeça e tapa no ouvido
põe número naquele barraco
mapeia e revitaliza aquele pobre coitado
um músculo dá nó peito um compasso
bate quase que por pirraça um coração maltratado
gíria que sugere um rever linguístico
felicidade é mito pra bairros longínquos
do topo de um arranhacéu ele rege um contrato
da casa que se chover e vira um aquário ele tira um barato
riquezas dadas que quase não cabem
e das que cabem se lambuza e tropeça
e na rua é mão na cabeça e tapa no ouvido
na rua é mão na cabeça e tapa no ouvido.
na rua é mão na cabeça e tapa no ouvido..
na rua é mão na cabeça e tapa no ouvido…

© Criolo
from: inédito/unpublished
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2014

[die nummer der hütte identifiziert den armen schlucker]

allemand

die nummer der hütte identifiziert den armen schlucker
ein muskel in der brust gibt den takt vor
fast ein wunder, dass ein misshandeltes herz schlägt
aus dem kiosk des jogo do bicho* baut er nen schrank
ein haus, das zum aquarium wird, wenn es schifft
mit geschenkten kleidern, die fast nicht passen
und die, die passen, über die stolpert er fast
auf der straße, hände hoch und ein satz heiße ohren
auf der straße, hände hoch und ein satz heiße ohren
er nummeriert die hütte
kartiert und wiederbelebt den armen schlucker
ein muskel gibt in der brust den takt vor
schlägt fast trotzig das misshandelte herz
der slang empfiehl, die sprache ganz zu revidieren
das glück, ein mythos für ferne quartiere
oben auf einem wolkenkratzer hat er nur einen mietvertrag
über das häuschen – bei regen ein aquarium –, er lacht
geschenkte reichtümer, die ihm fast nicht passen
und die, die ihm passen, verprasst er und stolpert
auf der straße, hände hoch und ein satz heiße ohren
auf der straße, hände hoch und ein satz heiße ohren.
auf der straße, hände hoch und ein satz heiße ohren..
auf der straße, hände hoch und ein satz heiße ohren…

* wörtlich „Tierspiel“ – ein illegales Lotteriespiel in Brasilien

aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger

[quando o orgulho fere o orgulho ferido]

portugais | Criolo

quando o orgulho fere o orgulho ferido
quando a calda ferve, ferve o inimigo
quando a dança para, aparece o ruído
ruído que tece, lençol, fronha e pele
quando a inveja chega, chega seu atrito
tem arma de fogo, fogo de conflito
quando a guerra para, já morreu foi gente
já não é mais gente o agente disso tudo que tá rindo agora
hospitais fechados, escolas e creches
sem amor, sem nada, dinheiro na frente
pau, foice, enxada nas ventas da mente
e quem pregava a paz, jaz no portão
e beijar sua boca que não seja em vão
vadiar mentiras nesta ilusão
coração escorre no asfalto quente
roupa de quebrada espirra sangue
sangue mata a sede de orgulho ferido
que fere o amigo
amigo quem tem não corre perigo
perigosamente pensar diferente
come calda quente quem fere
e sente ela se aproximar sem explicação
prêmio de quem trabalha é humilhação
mas beijar sua boca que não seja em vão
vadiar mentiras nesta ilusão

© Criolo
from: inédito/unpublished
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2014

[wenn der stolz verletzten stolz verletzt]

allemand

wenn der stolz verletzten stolz verletzt
wenn die calda* hochkocht, kocht der feind
wenn der tanz abbricht, bricht lärm aus
lärm, der laken, gesicht und haut verwebt
wenn neid aufkommt, kommt es zu spannungen
eine feuerwaffe gießt feuer in den streit dann
hört der krieg auf, gingen viele leute drauf
er ist kein mensch mehr, der all das macht und danach lacht
kliniken, schulen, krippen sind geschlossen
ohne liebe, ohne nichts, vor allem andern geld
knüppel, sichel, hacke in den nüstern eines geists
und der, der frieden predigte, liegt tot vor dem tor
seinen mund küssen, sonst kommt mir alles umsonst vor
in jeder illusion lungern die lügen
das herz zerinnt auf heißem asphalt
und von den kleidern der pusher spritzt blut
blut stillt den durst des verletzten stolzes
der den freund verletzt
wer einen freund hat, läuft keine gefahr
gefährlich schräg zu denken
der, der verletzt ist, wird sich einen löffel calda schenken
und sieht sie näherkommen, ohne erklärung
der preis für den, der malocht, bleibt die erniedrigung
seinen mund küssen, sonst kommt mir alles umsonst vor
in jeder illusion lungern die lügen

* Zucker, den man in Wasser aufkocht, etwa für eine Kuchenglasur

aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger

[alguém, alguém tem que pagar pra catraca girar]

portugais | Criolo

alguém, alguém tem que pagar pra catraca girar, pra saúde morrer e pra ração chegar
pro circo não vacilar
e pra farda :
BATER, BATER,BATER
e quem paga a conta amor ?
alguém, algum tem que lucrar quando a cachaça chegar e o povo adormecer quando a bola rolar
pro circo não vacilar
e pra farda :
BATER, BATER,BATER
e quem paga a conta amor ?
o amor é uma nota de 100 no barraco de quem não tem o que comer
enquanto numa mansão
chora um irmão porque amor comprado não é amor que vem do coração.

© Criolo
from: inédito/unpublished
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2014

[einer, einer muss dafür bezahlen]

allemand

einer, einer muss dafür bezahlen, dass sich das drehkreuz* dreht, damit die gesundheit stirbt und futter da ist
dafür, dass der zirkus nicht schwankt
und damit die polypen:
SCHLAGEN, SCHLAGEN, SCHLAGEN
und wer bezahlt die rechnung, liebste?
einer, einer muss davon profitieren, wenn der cachaça** fließt und das volk einschläft, wenn der ball rollt
dafür, dass der zirkus nicht schwankt
und damit die polypen:
SCHLAGEN, SCHLAGEN, SCHLAGEN
und wer bezahlt die rechnung, liebste?
die liebe ist ein hunderter in der hütte von dem, der nichts zu essen hat
während ein bruder
in einer villa weint, weil die käufliche liebe nie von herzen kommt.


* In brasilianischen Bussen ist hinter der Fahrerkabine ein Drehkreuz installiert an dem ein Schaffner kassiert – Anspielung auf die Proteste im Juni 2013, als Zehntausende Brasilianer unter anderem gegen die Erhöhung der Preise im Öffentlichen Nahverkehr auf die Straße gingen.
** Zuckerrohrschnaps

aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger

[sem braços, sem pernas, sem moedas num pote]

portugais | Criolo

sem braços, sem pernas, sem moedas num pote
sem uma boca grande pra dizer acode
estamos aí a sua mercê
ele chegou aqui cheio de ferramentas, desavenças, falsas crenças
em aço, soberba concreto e poder
se vai me ver assim numa caixa de vidro ou em leilão de alma por quilo
aqui jaz a mãe natureza, não quero dizer
e se a janela da alma tem uma trava
limpe seus olhos que tudo se acalma
plural quarta pessoa verbo proteger

© Criolo
from: inédito/unpublished
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2014

[keine arme, keine beine, im becher keine münzen]

allemand

keine arme, keine beine, im becher keine münzen
kein großes maul, um zu sagen, ich würd mir hilfe wünschen
bin zu ihren diensten
er kam mit werkzeug und ärger, dem irrglauben
an stahl, hochmut, beton und macht
wenn du mich so in einer vitrine siehst oder bei der versteigerung meiner seele, kiloweise
zu sagen, hier ruht mutter natur, wird nichts nützen
denn wenn ein riegel das fenster dieser seele versperrt
wasch deine augen, damit sich alles entzerrt
vierte person plural des verbes schützen

aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger

[tomado de emoção forte]

portugais | Criolo

tomado de emoção forte
da cana lascou três doses
chamou apostila de poste e foi a rua remar
numa pureza tão grande
olha o olho lacrimejante
explode a lantejoula no globo ocular
e se a vida é assim tão boa
porque é que a gente chora à toa
quando começa a remar ?
sair missão dos malotes
é roleta russa com a sorte
a faca perfura umbigo
chafariz vai chorar…
e no clássico feroz da cidade
até o mais inocente sabe
que o sonho do gandula é jogar
tomado de emoção forte
eu fiz um piso pra morte sorrir ao me visitar.

© Criolo
from: inédito/unpublished
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2014

[aufgewühlt von sehr starken gefühlen]

allemand

aufgewühlt von sehr starken gefühlen
den rachen er mit drei gläsern cana* spülte
zur laterne latrine sagte und zum rudern rausging
in solcher reinheit
sieht er das auge weinen
platzt im augapfel eine paillette
aber wenn das leben doch so nett ist
warum wir so oft losheulen
wenn wir zu den rudern greifen?
jeder botengang ist russisches roulette
man spielt auf glück
ein messer bohrt sich in den nabel
die fontäne, die dann sprudelt …
und beim grausamen stadtderby
weiß sogar der größte dummi:
der balljunge täumt davon zu spielen
aufgewühlt von sehr starken gefühlen
bau ich ein haus, dass der tod lächelt, wenn er mich besucht.

* hochprozentiger Zuckerrohrschnaps

aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger

[come o que te dão !]

portugais | Criolo

come o que te dão !
ou melhor dão ao cão
anda sem pés no chão a cada choro um refrão
a cada refrão o lamento de um irmão
braços, pernas, boca que impulsionam uma ilusão
sem dentição
o que fizeram dele ?
só tem sal, aqui e por onde meu olho toca e minha coxa roça
só tem sal

© Criolo
from: inédito/unpublished
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2014

[friss, was dir zu schnappen gelang!]

allemand

friss, was dir zu schnappen gelang!
oder vielmehr dem hund gelang
ohne füße auf dem boden dein gang, bei jedem weinen ein refrain
die klage eines bruders bei jedem refrain
arme, beine und mund stoßen eine illusion an
ohne gebiss, mann
was haben sie bloß mit ihm gemacht?
hier und dort, nichts als salz, wohin mein blick reicht, was mein schenkel streift
nichts als salz

aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger

[quando o orvalho seca]

portugais | Criolo

quando o orvalho seca, quando a gula engole, quando o sangue coalha, quando a alma morre
quando o tronco tranca a rua, fecha a flecha e numa COPA bole
tanta GENTE SOFRE quando a terra morre
não tem mais eu não tem mais você

© Criolo
from: inédito/unpublished
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2014

[wenn der tau trocknet]

allemand

wenn der tau trocknet, die völlerei sich verschluckt, das blut stockt, die seele das zeitliche segnet
wenn der stamm die straße stranguliert*, der pfeil pfeift und's in der KRONE** kracht
so viele LEUTE LEIDEN, wenn die erde darbt
es gibt kein ich mehr, und kein du

* auf Portugiesisch ist „tranca rua“ („Wege-Sperrer“) eine Anspielung auf den Senhor de Tranca Rua de Almas – ein Trickster aus der afrobrasilianischen Religion des Umbanda, der über die Wege wacht.
** auf Portugiesisch bedeutet „copa“ sowohl Baumkrone als auch Pokal. Das Gedicht spielt auf die Auseinandersetzungen um die Fußballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien an.

aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger

[olhos nos olhos, sem dar sermão]

portugais | Criolo

olhos nos olhos, sem dar sermão
nada na boca e no coração
seus amigos são
um cachimbo e um cão
casa de papelão
olhos nos olhos sem dar sermão, olha a ocupação
ficou pra você só restou você
uiva um louco solto, sangue em choro pra agradar opressão
não de foice ou faca esquartejada a alma amarga amassa a lata
estoura pulmão
toda pedra acaba toda brisa passa toda morte chega e laça
são pra mais de um milhão
prédios vão se erguer e o glamour vai colher
corpos na multidão
seus amigos são
um cachimbo e um cão
casa de papelão

© Criolo
from: inédito/unpublished
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2014

[auge in auge und ohne stunk]

allemand

auge in auge und ohne stunk
nichts im herzen, nichts im mund
eure freunde in dieser stund
eine pfeife und ein hund
ein papphaus am abgrund
auge in auge und ohne stunk, sieh, der besetzte grund
blieb für dich, nur du bliebst übrig
ein entlassener irrer greint, blutige tränen erfreu'n die unterdrückung
weder die sichel, noch das messer schneiden, die bittere seele zerknüllt eine dose
die lunge platzt und
jeder stein geht zu ende, jede brise verfliegt, jeder tod schwingt die sense
es sind eine million hundertausend und
gebäude werden errichtet, der glamour richtet
körper im verbund
eure freunde in dieser stund
ein pfeife und ein hund
ein papphaus am abgrund

aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger

(o lereru Bungiu)

espagnol | Wingston González

no digo que no muchacha. esta es la istoria del pueblo garinagu. mariposa desgracia robotica negra flamenca posa de piedra el sielo caribeño desir el berbo mas colokial del mundo. el Cadejo en la sima la sima de la sal y en la sima de eya los barcos. señores señoras. el ruido de un helefante. las goletas. LLurumei mas que memoria miedo yaga muchachas bestidas de harina guerreros. Guanaragua. este idioma representa al otro. traducxion señores. no digo fuego y de los libros la sumision emerge. quien podra. quien quemara. la desgracia de la castamarfil de los negros esclabos del mar. ber al orisonte. ber las series. ber Amistad. ber hacia aya aceptarse emcadenados. machetes y la sangre. a parte. bocas blancas bestiales y el letargo de la istoria. LLurumei. los jobenes burrocratas solo ven asia el suelo. solo asia el miedo. ai donde no ay raises. donde no. no ay nada. esta el testigo enterrando las uñas en el fuego sanitario del asul sielo Caribe. ay donde estan los fantasmas que me niegan. pero no las raises. las raises no señores. de eso el agua y el Cadejo. el maldito Cadejo sister. el maldito Cadejo. señores el comienso. parti de las algas. mosu wonigirunei warerun mama garifuna Baudelaire niraü mama garifuna mua
     mama garifuna duna ani/adsuelto audas en una cantina yena de sirenas birgenes. sube sube sube buyei sube chaman sube brujo sube bestia profeta sube loa petro congo muñeca negra. este es el buzon del antricristo. (con calma. quien luego desencaja maldice). este desterrado soy un onbre negro que carece de rais. quien lo diga digo y fue umo mana despues las velas que prendimos ante el altar. señores. esta es la istoria del pueblo garinagu. protejeme bendita madre del Nasareno. no es esta sister la istoria del pueblo garinagu. la de las goletas sobre la piedra sobre la piel sobre el horisonte del onbre blanco. negar. LLurumei. «Africa is a forein place». Leroi. la espada salba la razon señores. el ijo de las entrañas se llama Adan. Adan Gonsales. «el onbre esta solo frente a la lus soñada por Dios». Sarduy libiano. Sarduy mas libiano mar y consiente de esa libiandad es un grabe puente. la orquidia de yerro cambia mi bida. mi negro discurso. amanecio muerto el pohema entre las rayas. bendita la capa negra del Nasareno. bendito el trasero santo de Satuye. las onse. mama. los turistas las palmeras. onse oncas. quieren negras en bikini y una vos que les diga tu plata que les diga tu amor que les diga lo que sea a sincuenta el tienpo. dance hall o reggeton. barroco o reggaeton. poecia o la animal historia del pueblo garinagu. su Dios nesesita un pueblo sin onbligo. uno que camine sobre las agua hacia la miseria. uno que cea el color el tropico el asombro de una ciudad saqueada. un freestayle cual esta maniatica cansion. ese es el onbligo. esta es la idea. la prueba de amor con una cansion de Tego al fondo. quien yega. rayo todos los arboles. eyos no quieren saber que Haiti es patria en America. quien llega.  fock you. me quejo. me quejo. suelo morderme en las fiestas y no bailar. me quejo. como una droga el cuerpo disperso en los cartilagos del niño que mira de lejos el ecceso. paisajes ateos. ellos no son angeles de Etiopia. quieren un muchacho rasta que cante un mito una estrella y un baso de gifiti 

                                             no budu please
                                             no chugu please
                                             no palo mayombe
                                             no garinagu please
no                  no                  no. me esplota el poder. el tema del poder. glacial concejo de onbres me niega: mama garifuna buguya. no sos ijo de onbre.

© Wingston González
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

(oder lereru Bungiu)

allemand

ich sage nicht dass nicht, Mädel. das ist die Gehschichte des Volks der Garínagu. Schmetterling Roboterunheil Flamenco-Schwarze Steinbecken karibischer Himmel das geläufigste Wort der Welt sagen. der Cadejo auf der Spitze die Senke des Salzes und in ihr die Schiffe. Señores. der Lärm eines Elefanten. die Schoner. Yurumein mehr als Erinnerung Angst Wunde Mädchen in Mehl gekleidet Krieger. Wanaragua. diese Sprache steht für den anderen. Übersetsung: Señores. ich sage nicht Feuer und aus den Büchern kriecht die Unterwerfung. wer wird können. wer wird verbrennen. das Unheil der Elfenbeinkaste der schwarzen Sklawen des Meeres. den Horitsont sehen ist die Raihen sehen. Froindschaft sehen. dorthin sehen sich in Ketten zu fügen. Macheten und Blut. außerdem. weiße barbarische Münder und die Lethargie der Geschichte. Yurumein. die jungen Bürokraten schauen nur tsu Boden. nur tsur Angst. dort wo keine Wurtseln sind. dort nicht. da gibt es nichts. dort wo der Zeuge ist und seine Nägel ins heilenden Feuer des azurblauen Karibikhimmels krallt. dort wo die Gespenster sind die mich verleugnen. aber nicht die Wurtseln. die Wurtseln nicht Señores. daraus, aus Wasser und dem Cadejo. Der verfluchte Cadejo Sister. Der verfluchte Cadejo. Señores: der Anfank. ich ging von den Algen aus. mosu wonigirunei warerun mama garifuna Baudelaire niraü mama garifuna mua
     mama garifuna duna ani/frei kühn in einer Taverne voller jungfreulicher Sirenen. geh hinauf hinauf hinauf Buyei: Schamane Hexer Bestie Prophet Loa Petro Kongo schwarze Puppe dies ist der Postkasten des Antichristen. (immer mit der Ruhe. wer nicht mehr passt der flucht). der Geächtete ist ein schwarzer entwurtselter Mann. wer mag das sagen frage ich und war Rauch Manna dann die Kerzen die wir vor dem Altar anzündeten. Señores. das ist die Gehschichte des Volks der Garínagu. beschütze mich gesegnete Mutter des Büßers. das, Sister, ist nicht die Gehschichte des Volks der Garínagu. die der Schoner über dem Stein über der Haut über dem Horitsont des waißen Mannes. verleugnen. Yurumein. „Africa is a foreing place“. Leroi. das Schwert rettet die Vernunft: Señores. der Soon aus dem Leib heißt Adam. Adam González. „der Mensch ist allain vor dem von Gott erträumten Lichd“. ein leichter Sarduy. leichter als das Meer und sich dieser Laichtigkeit bewusst ist er eine schwäre Brücke. die Orchidee aus Aisen verändert mein Leben. meine schwarze Rede; als der Tag anbrach war es tot zwischen den Strahlen das Gädicht. gesegnet der schwarze Umhang des Büßers. gesegnet der heilige Hintern von Satuyé. ellf Uhr, Mama; die Touristen wollen Palmen. elf Unzen. sie wollen Schwarze im Bikini und eine Stimme die ihnen sagt dein Geld die ihnen sagt deine Liebe die ihnen sagt was auch immer bei fümfzig für ainmal. Dance Hall oder Reggaeton. Barock oder Reggaeton. Dichtkunst oder die animalische Geschichte des Volks der Garínagu. der Gott braucht ein Volk ohne Nahbel. eines das übers Wasser geht ins Elend eines das der touristischste Farbtupfer einer geplünderten Stadt ist. ein Freestyle so wie dieses manische Liet. das ist der Nabel. das ist die Idee. der Liebesbeweis mit einem Song von Tego im Hintergrund. wer kommt. Ich ritze in alle Bäume. sie wollen nicht erfahren dass Haiti in Amerika ein Vaterland ist. wer kommt. fuck you. Ich beklage mich. Ich beklage mich. manchmal auf Partys beiße ich mich und tanze nicht. Ich beklage mich. wie eine Droge der Körper verteilt auf die Knorpel des Kindes das aus der Ferne den Eccess betrachtet. gottlose Landschaften. sie sind keine Engel aus Äthiopien, wollen einen Rasta-Jungen, der einen Mythos besingt, einen Stern und ein Glas Giffiti
                                               no vudú please
                                               no chugú please
                                               no palo mayombe
                                               no garínagu please
nicht.    nicht.    nicht. mich sprengt die Macht. das Thema. eisiger Rat der Männer verleugnet mich: mama garífuna buguya. du bist nicht Soon des Mänschen.

___________

Glossar:

Garifuna – Angehöriger der Garinagu oder Name der Sprache
Garinagu – Volk der Garífuna-Sprechenden
lereru Bungiu – Wort Gottes
Cadejo – eine fanstastische Tier, das die Betrunkenen nachts nach Hause führt
Yurumein – Isla de Yurumein
Wanaragua – Tanz, mit dem die Kämpfe der Garínagu gegen die europäischen Invasoren der Insel Yurumein erinnert werden
mosu wonigirunei warerun mama garifuna Baudelaire niraü mama garifuna mua mama garifuna duna ani – wir müssen die Sprache bewahren, Baudelaire ist nicht garífuna, mein Sohn. Die Erde ist nicht garifuna, das Wasser ist nicht garifuna und
Buyei – der Priester in der Garifuna-Religion
Loa Petro – Geist im haitianischen Voodoo-Kult¬¬
Satuyé – Joseph Satuyé, Anführer der Rebellion gegen die britische Kolonialregierung auf der Insel San Vicente 1975
Sarduy – Severo Sarduy ein kubanischer Dichter und Dramaturg
Unze – altes deutsches Wort für Jaguar ([pantera] onca im Original)
Giffiti – alkoholische Getränk der Garifuna
chugú – Ein garifuna-Ritual des Totenkult, das zwischen zwei und drei Tagen dauert
palo mayombe – Eine Spielart der afroamerikanischen Kulte
mama garífuna buguya – Du bist kein Garifuna wie er sein sollte (matrilineare Abstammung, die Mutter muss Garifuna sein)

Aus dem guatemaltekischen Spanisch von Timo Berger

florilegio zombie piedra automática y terrorismo sintáctico

espagnol | Wingston González

i

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ii

sin esquemas sin preámbulos la vida me cierra los ojos. y como vivir es cuestión de memoria el poema fluye espeso como roca antigua en el pie derecho. amor por la roca. la roca mi abuela mi abuela olvidar el tráfico de las cosas the scorpion king o la momiaborrar lo falso. hasta mis oídos sienten la exacta falsedad de su fotografía. o nostalgia de los lejanos de los muy lejanos sin músicas sin drogas sin pretextos. la vida no significa aún lo que creía. lo único significable es la ebriedad apostada en todas partes (cómo explicarlo/ cómo si te preguntas por qué un hombre por qué no amarillo tauro/ concilio del sueño). un muerto saca la mano de entre algo parecido al silencio. algo que no duerme en lenguaje extranjero. sueño extraño ácrata ¿cómo explicarlo/ cómo? si ayer encontré este libro en un prostíbulo. como un cuerpo nadando cocaína vino a mí la metáfora del libro de los muertos. ¿ve? así de fácil irse cuando el cuerpo que se ama llega tan lejos de uno caminando diez pasos hacia atrás y uno adelante (¿cómo saco de mi vida el lenguaje si un autobús es el universo y yo he clavado los pies a un metro cuadrado de tierra?¿cómo?)

© Wingston González
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

Zombie-Anthologie Automatik-Stein und Satzbauterror

allemand

i

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ii

ohne Vorhaben ohne Vorreden schließt mir das Leben die Augen. und da Leben eine Frage der Erinnerung ist fließt das Gedicht zäh wie ein uralter Fels in meinem rechten Fuß. Liebe für die Felsen. der Fels meine Großmutter meine Großmutter vergessen der Handel mit den Dingen the scorpion king oder die Mumie das falsche löschen. sogar meine Ohren spüren die genaue Falschdarstellung seiner Fotografie. oder die Sehnsucht derer in der Ferne, derer in weiter Ferne ohne Musik ohne Drogen ohne Ausflüchte. das Leben bedeutet noch immer nicht, was ich glaubte. das einzig Bedeutsame ist der Rausch auf den alle setzen (wie das erklären/ wie wenn du dich fragst warum ein Mann warum nicht ein gelber Stier/ Rat des Traums). ein Toter zieht die Hand aus etwas wie der Stille. etwas, das nicht ruht in fremder Sprache. seltsamer, anarchistischer Traum wie das erklären/ wie? wenn ich dieses Buch gestern in einem Bordell fand. wie ein schwimmender Körper Kokain es kam mir die Metapher des Buchs der Toten. sehen Sie? so einfach ist es zu gehen wenn der Körper den man liebt sich so weit von einem entfernt zehn Schritte zurück einen vor (wie löse ich eine Sprache aus meinem Leben wenn das ganze Universum ein Bus ist und ich meine Hacken in einen Quadratmeter Boden geschlagen habe? wie?)

Aus dem guatemaltekischen Spanisch von Timo Berger

Gabriela se esconde en su cuarto a ver un fragmento de una película de Lars Von Trier

espagnol | Wingston González

cantata de Marlene al principio de la noche
un golpe divino
de verdad que ahí está el frío sol del orgasmo
de nuevo la lengua anatómica con su problema erótico
escucha la clave/ tac/ tac/ tac/ no las trompetas, la clave
la alegría es la prueba del nueve
las catedrales se quedaron con el ojo cuadrado
ser de allá, de acá, el mito de la felicidad con sus máscaras
el oxígeno a galones ventilando la fiebre estival de las secuencias
de subir a montañas donde la luz estribaba herida en quienes
buscando sus cenizas se pasaban de cervezas y sacaban los machetes
(¡cómo relucían cercanas al cielo sus palabras de sexo grotesco!
allá en lo alto, donde era necesario bajar al cráter para ver
el único televisor a diez kilómetros a la redonda
a 4220 metros sobre el nivel del mar
a lo alto del rancho de los androides
y aquel viejo, que era de una fauna ambigua, parecía una flor
gritar, su carnívora esencia se alimenta de fotografías de 1922
cuando una mujer delgada le susurraba respiro de ti y mi lengua de ti
y pensaba
que para subir al cielo la escalera medía un metro sesenta, apenas
gritar. allá los santos parecen de piedra y contemplan el sol por una pantalla)
cuántos murieron hoy ya no importa
seis hombres desnudos
el infierno es un acto de amor
superprutefaction
ahora todo cae del cielo
ahora todo quiere caer como si fuera una verdad que nos pesca
océano de ropas exquisitas, un olor cuajado, casi astronómico
mitad muriático, detergente para lavar el piso de la cocina
reducto madre, grasa de niños y verse abrillantada suicida
amargada tocando la puerta, de los nichos del sueño
oh eros bonito animal
bonito armatoste para hacer arcoiris alucinógenos
máquinas chillan, y chillan porque un escalofrío se apodera de los árboles en
          el sueño rave de la gloria del rumbero
arrullar la lengua de una fiesta
telégrafos manipulados por princesas de noble estatura repiquetean, y las
          tamboras duelen de la felicidad
escucha la clave/ tac/ tac/ tac/ no las trompetas, la clave
el mito inaugural de la olimpiada
                                                        brrrrrr
                                                                    hr.
                                                                Yv
                                               ­¢
         ¬rrrrrrr w rrrrrrr
 
                                                           OV06_-_graph.jpg

                                                    
l
                                                    a
                                                    s
                                                    m
                                                    á
                                                    q
                                                    u
                                                    i
                                                    n
                                                    a
                                                    s


las máquinas de humo del este del bosque
para que la luna lance sus piedras al deseo
cielo rave
máquinas y superputrefacción que se desagua de un paraíso brasileño
arts magna es un juego que jugábamos, compuesto por un cero, un uno y seis ceros más
arts magna tenía volovanes tenebrosos
una escalera que termina en la oscuridad
voces de niños muertos
de mirarse y mirar se trataba su juego, paisajes solitarios después de la batalla
hablarnos y hablar a la oscuridad su juego, hacer como si no se sintiera ese
          miedo en los cabellos electrizados por una balada y subirse
esas naves al infierno que sólo al final de la escalera engullen todos los sueños
          mordidos por perros de lluvia
óxido

las goletas se acercaban al reírnos o al encender la fiebre de un salmo cantado
          por una hembra que abraza un robot
la patria depende del cristal con el que se le mire pero no, igual que en esta
          película Marlene solía recitarle poemas a los camaleones, cometas,
          comerse a Cavafis
llenar de talco los jardines que desaparecen tras la tarde
sobre ese solar los diamantes tapaban el sol
sobre ese tener uno de ellos y mirarle desde el balcón de juego
dos, cinco, relojes que amanecen fuera y una lluvia que se niega a acercarse a
          la sabana, oh las jirafas, coño, pequeña es la música como para no
          repetir tu luz, la gloria del rumbero, la prueba del nueve, el gas que
          atraviésame, pero más el vino de lo pequeño que es la música para
          repetirse en la luz
qué atrás se quedan las ruinas
de niña mis sueños a menudo me jalaban la almohada para llorar alegres
apagaban la luz
decían, adentro de ti, una hembra gorgotea rumbos

(tocan la puerta, debe ser la fiesta quien a mi cuerpo llama)
una vez  soñé que mi rostro sucio destilaba una luz lejana pero oscura y sorpresiva
¿cómo se llamaba?

oscura
¿y qué decía?

creo
que
(sí,
creo)
creo
que
algo
así

© Wingston González
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

Gabriela, versteckt in ihrem Zimmer, wo sie einen Lars-von-Trier-Films sieht

allemand

Gesang von Marlene bei Einbruch der Nacht
ein göttlicher Schlag
wirklich hier ist die kalte Sonne des Orgasmus
schon wieder die anatomische Sprache mit ihrem erotischen Problem
hör die Claves/ tack/ tack/ tack/ nicht die Trompeten, die Claves
die Freude ist der Neuner-Beweis
die Kathedralen bekamen quadratische Augen
von dort sein, von hier, der Mythos des Glücks mit seinen Masken
Gallonen von Sauerstoff lüften das Sommerfieber der Sequenzen
Berge zu besteigen wo sich das Licht verwundet auf die stützte
die es auf der Suche nach ihrer Asche mit dem Bier übertrieben und
          Macheten zogen
(wie sehr glänzten nahe des Himmels ihre Worte über grotesken Sex!
dort oben, wo man vom Krater herunterklettern musste, um
den einzigen Fernseher im Umkreis von zehn Kilometern zu sehen
auf 4220 Metern über dem Meeresspiegel
auf der Höhe der Ranch der Androiden
und jenen Alten, der aus einer zweideutigen Fauna stammte, aussah wie
          eine Blume
ihn schreien sehen, sein fleischfressendes Wesen ernährt sich von
          Fotografien aus dem Jahr 1922
als eine schlanke Frau ihm zuflüsterte ich atme aus dir und meine Zunge
          kommt aus dir

und ich dachte
dass die Leiter um in den Himmel zu steigen 1,70 Meter maß, gerade mal
schreien. dort scheinen die Heiligen aus Stein zu sein und die Sonne auf
          einem Bildschirm zu betrachten)
wie viele heute gestorben sind ist schon nicht mehr wichtig
sechs nackte Männer
die Hölle ist ein Liebesakt
Überverwesung
jetzt fällt alles vom Himmel
jetzt will alles fallen als wäre es eine Wahrheit die uns packt
Ozean exquisiter Kleidung, ein geronnener Geruch, fast astronomisch
halb Salzsäure, Reinigungsmittel um den Küchenboden zu wischen
Mutters Versteck, Kinderfett und sich selbst sehen: poliert, selbstmörderisch
verbittert an die Tür der Traumnischen klopfen
oh schöner animalischer Eros
schöner Trödel, um halluzinogene Regenbögen hervorzubringen
Maschinen quietschen und quietschen weil ein Schaudern die Bäume
          überkommt im Rave-Traum der Glorie des Rumberos
die Sprache einer Party gurren
Telegrafen knistern manipuliert von edelwüchsigen Prinzessinnen und die
          Trommeln schmerzt das Glück
hör die Claves/ tack/ tack/ tack/ nicht die Trompeten, die Claves
den Eröffnungsmythos der Olympiade
                                                                        brrrrrr
                                                                                     hr.
                                                                    JW
                                                      „¢“
         ¬rrrrrrr w rrrrrrr
                                                                    OV06_-_graph.jpg

                                                    d
                                                    i
                                                    e
                                                    m
                                                    a
                                                    s
                                                    c
                                                    h
                                                    i
                                                    n
                                                    e
                                                    n

die Nebelmaschinen im Osten des Waldes
damit der Mond seine Steine ins Begehren wirft
Rave-Himmel
Maschinen und Überverwesung, die aus einem brasilianischen Paradies sickert
Arts Magna ist ein Spiel, das wir spielten, bestehend aus einer Null, einer
          Eins und sechs weiteren Nullen
Arts Magna hatte dunkle Vol-au-vents
eine Leiter die in die Finsternis reicht
Stimmen toter Kinder
vom sich sehen und sehen handelte ihr Spiel, verödete Landstriche nach
          der Schlacht
vom mit uns Sprechen und in die Dunkelheit Sprechen handelte ihr Spiel,
          so tun als ob man sie nicht spürte diese Angst in den Haaren
          elektrisiert von einer Ballade, und vom an Bord gehen
auf eines jener Schiffe zur Hölle die schon am Ende der Leiter alle Träume
          verschlingen von Regenhunden gebissen
Rost

die Schoner näherten sich, als wir lachten oder das Fieber eines Psalms
          entfachten gesungen von einem Weibchen, das einen Roboter
          umarmte
das Vaterland hängt ab von der Linse durch die man es betrachtet aber
          nein, genau wie in diesem Film Marlene den Chamäleons Kometen
          Gedichte vortrug, Cavafis vernaschte
die Gärten die nach dem Abend verschwinden mit Talkum füllen
auf diesem Grundstück verdecken die Diamanten die Sonne
auf diesem einen von ihnen zu haben und ihn vom Balkon aus im Spiel
          zu betrachten
zwei, fünf, Uhren die draußen erwachen und einen Regen, der sich
          weigert, sich der Savanne zu nähern, oh die Giraffen, scheiße, klein
          ist die Musik, um nicht dein Licht zu wiederholen, der Glanz des
          Rumberos, die Neuner-Probe, das Gas, das mich durchströmt, doch
          eher der Wein des Kleinen, der die Musik ist, um sich im Licht zu
          wiederholen
wie weit bleiben die Ruinen zurück
als kleines Mädchen zerrten meine Träume oft am Kissen, damit ich in
          Freudentränen ausbräche
sie stellten das Licht aus
sagten, tief in dir, gluckern Wege aus einer Frau

(es klopft an der Tür, es muss die Party sein, nach der mein Körper schreit)
einmal träumte ich, dass mein schmutziges Gesicht ein entferntes, aber
          dunkles und überraschendes Licht absonderte
wie hieß das?
dunkel
und was sagte es?
ich glaube
dass
(ja,
ich glaube)
glaube
es war
so
etwas

Aus dem guatemaltekischen Spanisch von Timo Berger

Poema de Cámara a media cuerda para Marilyn

espagnol | Wingston González

I made ONE verse with the south winds
hasta hoy cuelga de mis ojos
cuando la lluvia se parquea en los sentidos
se rompe en silencio
el tiempo se hace una madeja
en el humo de cualquier cigarrillo
/con los versos del sur hice un nuevo viento/

aquí nada hay aparte del deseo
de la certeza de ser siamesas de alguien con quien jamás intimaremos/
pobres fantasmas aferrados
a los buses que pasan en todo sentido
pero en ninguna dirección/
a los vectores de la angustia
que hieden como sonrisas sin tumba
en cualquier cementerio de nombres / en cualquier puerta cerrada/
estás
pero en ningún ocaso/
en ningún alba
en ningún cuerpo

los brassieres
de diamantes incinerados
corren a la velocidad del sueño
lento
con vértigo de carcajadas en los tobillos/ efluvios que aumentan la
ausencia
ANSIAS de arañar la hermosura
cielos acumulados
flores gigantes / jardines enanos
era cierto / para entrar al abismo
          sólo basta con jalar del gatillo

soledad se llama mi único ramo de rosas
alguien llamado tristeza me lo regaló/
sobre mi mesa de noche está sentada
rasurándose siempre
hablando nunca
la visión del vahído que se llama vacío
detrás de los cerros/ AMANECE
ves las noches pasar
con los taxis transportando fantasmas
mar asfaltado donde aguardas por la esperanza
por si algún día
los traileres ebrios sobre ella pasan

adicto al amor
alérgico al mar
alérgico al puerto
sin embargo adicto               al ESCÁNDALO de quimeras
moviéndose en el reloj

este fuego
sobre las venas arde
este y otros
quemando el madero llamado poema/
sister
no sabes lo cerca que está tu ombligo
que la muerte
aquí
o en otra esquina
espera obscena la novela o el zapato sucio/
lo mismo es el tempo o el prostíbulo/
la catedral y la Residencia/
aquí nadie vive
todos EXISTEN
el vacío de saberse ciudadano
entre la democracia del hambre

cerca de aquí
vive un bisbiseo que sabe a rock
a peces que vuelan como maíz recién salido del microondas
city
no ciudad
suena falsa
lo sé
igual que nuestros nombres
igual que el dios que desde algún bolero danza y crece
Mesías, luna o ventana
alumbres las nubes nuestros valses
con luces negras de fin de mundo

alumbran las nubes nuestros valses
cuando cumplas diecisiete
escribirás versos/
          supe que duelen

cuatro pieles borré
hasta que el jardín se me desgastó en el tintero/
ver
como todo se hunde sin que nada puedas CONCEBIR
palparte las sienes
estás vivo / no hay duda
la pasión de no poderse explicar
porqué algo se allana
sin que tu sonrisa pueda abrirse
like a umbrella under the rain

© Wingston González
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

Kammergedicht auf der Mitte des Seils für Marilyn

allemand

I made ONE verse with the south winds
er hängt bis heute an meinen Augen
wenn der Regen in den Sinnen parkt
bricht das Schweigen
die Zeit wird zu einem Knäuel
im Rauch irgendeiner Zigarette
/mit den Versen des Südens machte ich einen neuen Wind/

hier gibt es nichts außer dem Verlangen
der Gewissheit, siamesischer Zwilling von jemandem zu sein, mit dem wir
          nie vertraut werden/
armselige Gespenster geklammert
an die Busse, die in jedem Sinn vorbeifahren
aber in keine Richtung/
an die Vektoren der Angst
die stinken wie ein Lächeln ohne Grab
auf irgendeinem Friedhof der Namen / in irgendeiner verschlossenen
Tür / bist du
aber in keinem Abendrot/
in keiner Morgendämmerung
in keinem Körper

die Brassières
der eingeäscherten Diamanten
rennen mit der Geschwindigkeit der Träume
langsam
mit dem Lachanfall in den Knöcheln/ Ausdünstungen die
die Abwesenheit vergrößern
SEHNSUCHT danach die Schönheit zu zerkratzen
geschichtete Himmel
riesige Blumen / Zwergengärten
es war sicher / um in den Abgrund zu fahren
musste man nur den Abzug ziehen

Einsamkeit heißt mein einziger Strauß Rosen
jemand der Traurigkeit heißt hat ihn mir geschenkt/
auf meinem Nachttisch sitzt
sich ständig rasierend
immer schweigend
die Vision des Schwindels, die sich Leere nennt
hinter den Hügeln/ WIRD ES TAG
du sieht die Nächte vorbeifahren
in Taxis, die Gespenster befördern
asphaltiertes Meer, wo du auf die Hoffnung wartest
darauf ob die betrunkenen Trucker
sie eines Tages plattfahren

süchtig nach Liebe
allergisch auf das Meer
allergisch auf den Hafen
trotzdem süchtig                               nach dem SKANDAL der Chimären
die im Uhrwerk turnen

dieses Feuer
brennt über den Venen
dieses und andere
verbrennen den Pfahl namens Gedicht/
sister
du weißt nicht wie nah dein Nabel ist
dass der Tod
hier
oder in einer anderen Ecke
obszön auf den Roman wartet oder den schmutzigen Schuh/
einerlei die Zeit und das Bordell/
die Kathedrale und die Residenz/
hier lebt niemand
alle EXISTIEREN
die Leere zu erfahren, dass man ein Bürger ist
in der Demokratie des Hungers

in der Nähe von hier
nistet ein Flüstern, das nach Rockmusik schmeckt
nach Fischen die springen wie Mais der gerade aus der Mikrowelle kommt
City
nicht Stadt
das klingt falsch
ich weiß
genauso wie unsere Namen
genauso wie der Gott der auf irgendeinen Bolero tanzt und wächst
Messias, der du Mond oder Fenster
erhellst die Wolken unsere Walzer
mit schwarzen Lichtern vom Ende der Welt

erhellen die Wolken unsere Walzer
wenn du siebzehn wirst
wirst du Verse schreiben/
ich wusste sie tun weh

vier Felle radierte ich aus
bis sich mir der Garten im Tintenfass verbrauchte/
sehen
wie alles versinkt, ohne dass du etwas EMPFANGEN könntest
zwick dir in die Schläfen
du lebst / kein Zweifel
die Leidenschaft des sich nicht erklären könnens
warum etwas sich fügt
ohne dass dein Lächeln sich öffnen könnte
like an umbrella under the rain

Aus dem guatemaltekischen Spanisch von Timo Berger

Torá(x)h II

espagnol | Wingston González

Antes que abril perforara ojos, antes de muerta. Dos días después del abuelo, tres antes de madre. Playa, silencio, no pregunta. Nace otoño, olvido, abuela, polvo lo que nadie extraña. Digo ahora porque dije memoria, algo desaparece, las ruinas de jardines del porvenir. Fogatas, extraña vestimenta. Qué extraña la música; de las palabras; que no conducen a nada. Pregunto por la inflexión; imposible en lo escrito. Noches de sábado, todo llena sala de gaviotas. Digo porque otras palabras cobijan pechos con esperanza de barcos. Digo porque decir trae mareas, trae astronautas. Las pisciformes caras de angustia en novelas victorianas riegan arena sobre inicua televisión de martes. Tambores atados sandalias, etc. Digo porque esparzo ceniza dentro de mí, mar agitado soy en espera de polvo estelar para destruirse. Jardín soy que se forma en medio de un nudo. Instalación soy en el océano hecha por aire.

Acá, de lejos de todo, piel de durazno. Digo a mal. Con rabia digo. De a sorbos, espero viento, en sueño digo. Al pie del silencio germina cada mundo de invierno. Dos días después del abuelo tres antes de madre, calendariopierdesentidoantelaverdad.

Antes que abril perforara ojos, J ve a Platón junto a la hamaca del patio. El ver verbo fulmina como queriendo morir, lluvia, polvo. Como queriendo

             Ya, da igual.

                                       así octubre                     así octubre
                                       -genérica dictadura-   -dictadura-
                                       del fuego                         de mineral
                                       de costillas                     evas muertas
                                       parceladas                     fr agme nt adas
                                       en vocablos                    en nada
                                       insulina                           al ser vacío
                                       Fausto                             un verbo
                                       tierra, chimenea           conspira, contrac
                                       de cielo roto                   nspira, por, pa
                                                                                 ra nosotros
             Ya,
             da igual.

© Wingston González
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

T(h)ora(x) II

allemand

Bevor der April Augen durchstäche, bevor sie eine Tote wäre. Zwei Tage nach dem Großvater, drei vor der Mutter. Strand, Stille, sie fragt nicht. Wird im Herbst geboren, Vergessen, Großmutter, Staub, den niemand vermisst. Sage ich jetzt weil ich Erinnerung gesagt habe, etwas verschwindet, die Ruinen der Gärten der Zukunft. Lagerfeuer, seltsame Kleidung. Wie sonderbar die Musik; von den Worten; die zu nichts führen. Ich frage warum der andere Ton; unmöglich im Geschriebenen. Samstagnachts, alles füllt den Saal mit Möwen. Sage ich, weil andere Worte Brüste mit der Hoffnung der Schiffe bedecken. Sage ich, weil sagen Gezeiten bringt, Mondfahrer. Die fischförmigen Gesichter der Angst in viktorianischen Romanen spritzen Sand auf niederträchtiges Dienstagsfernsehen. Zusammengebundene Trommeln Sandalen, usw. Sage ich weil ich Asche verstreue in mir, ein aufgewühltes Meer bin, wenn ich warte dass der Sternenstaub zerfällt. Bin ein Garten, der mitten in einem Knoten gedeiht. Bin eine Installation in einem Ozean aus Luft.

Hier, weit entfernt von allem, Pfirsichhaut. Sage ich bös. Sage ich wütend. Ich erwarte schluckweise Wind, sage ich im Schlaf. Am Fuß des Schweigens sprießt jedwede Winterwelt. Zwei Tage nach dem Großvater, drei vor der Mutter, einKalenderverliertSinnangesichtsderWahrheit.

Bevor der April Augen durchstäche, sieht J neben der Hängematte im Patio Platon. Das Verb sehen explodiert als wollte es sterben, Regen, Staub. Als wollte es

          Das ist jetzt Wurst.

                              also Oktober                                also Oktober
                              – universelle Diktatur               – Diktatur
                              aus Feuer                                      aus Mineral
                              aus Rippen                                   tote Evas
                              aufgeteilt                                      ze rspl it tert
                              auf Vokabeln                               ins Nichts
                              Insulin                                           ins hohle Sein
                              Faust                                             ein Verb
                              Erde, Schornstein                       konspiriert, gegenk
                              vor zerbrochenem Himmel      nspiriert, wegen, fü
                                                                                      r uns

          Das
          ist jetzt Wurst.

Aus dem guatemaltekischen Spanisch von Timo Berger

Deep Sailent Complete es

espagnol | Wingston González

                        I

canpana animal Babel
es la sangre pabimento del espejo
            canpana; zebras
zebras, niños; soy, señores, un pastor de zebras; de nuves tanbien
            acere
guardapolvo. soy, un ladron de zebras
lebanta la mano lebiatan, conceinte
ha Jesus el Cristo por señor y salbador
, dice una bobita enferma
corasa que libra de todo mal el pecado


trensemos
esta vida, si, ormigas

canpanas nosticas; dance to walk! walk to dance! lets go! cienpre tarde,
            el hangel del Señor, señores, anunsio a Maria, y consibio una condena

canpana, es Babilonia del muro a la plenitut:
7 bueltas dio el pueblo del Dios
para ser el dedo ultimo de el Diablo, para ser salbado, para
            aniyo de chivo
                        funeral: al pueblo ce ba bailando
tropico

Dep silent complet, lenguas zoneras
«salbe mi alma pensando –esta cansion es mentira–»


mi gente teik fire y
esta mas perturbada que el pueblo de el Dios
bailando ante los turistas del muro de gerico

si

                        II

si, si, si, rie la niña, mas con su granisado
mis palabras no tienen fomdo, aja
            mis palabras son superfisie
            mis palabras son
            los ijos mas putitos de el Dios
            mis palabras son
            las tetas de Judas
            mis palabras son
            algodom de asucar callendo sobre la cansion del berano
            mis palabras son
pero no son nada mas que eso
que la Elisa esperando a molerce Henri James
y despues tras el salir coriendo, aja
tras la minima lus sale
sin puertas de control sin aplahusos
a diestra la ziniestra Magdalena
y silenciosas banderas americanas
para hacer de esto un mito perfecto
dijo, dichosas las muñecas negras
            el ronboide
de la poecia es farsa
                        mentira,
                                   manbo

dijo, lla no era rei, lla no soi el rei
lla no sere el rei; ni de comarcas, ni de bacio, lla no soy
Charles Mingus tocando Isabels Teible Dans;
nada de trasportador, nada de arte contenporanio

si llamaras
            contenporanio
al futuro no ay como llamarlo
            tunba
mar del delincuente
piedra fuego
(fuego, claro, alunbra a mi jente)

si

                        III

y al fuego el fuego
el dia despues de mañana

y fuego lo contenporanio
de las piedras de lo que biene, rebelion
agetibo de las balas, de los halaridos
en su metamorfocis a berbo

despues de mañana, despues del desalluno
no llames contenporanio a nada

el presente
            llamara moscas, nada
esta seguro muchacha
nada cegado, destruccion sintactica
sobre la memoria, morena, las ratas
que la poecia es mentira, si, ipocrecia

mas que candorosos, que energicos
alsaba banderas sobre tinbales mi gente
            sabe
para este cistema la mierda,
dise
«Bienabenturao el que escuche este lirikelo»


sale tras el pan y su inpetut
y del pan, la casa mar arbol incandesente
            eso mami         para esa mara
            las palabras
para tipos, como Guillen el malo
como las maracas mas maracas
donde ce baila un sueño en vogueing
donde santo santo es El Señor. para ellos
solo santo es uno

para los bitniks que dan bueltas
a la espiral del sentro del Atlantico

en amor te eccedes, mi gente
              y
              corte/

© Wingston González
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

Deep Seilent Compliet ist

allemand

                                     I

animalische Glokke Babel
das Blut ist Belag des Spiegels
               Glokke; und Tsebras
Tsebras, Kinder; ich bin, Herrschaften, ein Tsebrahirte; auch fon Wollken
               Kunpel
Arbeitskittel, bin, ein Tsebradieb
erheebe die Hand Lewiathan, nimmm
Jesus den Christus als Herrn und Erlöhser, sagt eine dumme Gans
der Harnisch, der von allem Übel die Sünde befreit

täntseln wir
dieses Leben, ja, Amaisen
gnostische Glokkn; dance to walk! walk to dance! lets go! Immer zu
               schpet, der Ängel 
des Herrn, Herrschaften, kündigte Maria an
               und empfing eine Strafe

Glokke, Babylon ist von der Mauer bis zum Überphluss:
7 Runnden drehte das Volk Gottes
um des Teufels letster Finger zu sein, um geretted zu werden, für den
               Rink des Ziegenbocks
                              Begräbnis: ins Dorf geht man tanzent
Tropen

Depp silent komplett, Sprachen des Son
»rette meine Seele mit dem Gedanken – dieses Lieht ist eine Lüge –«

meine Leute täik fire und
sind noch gestörter als das Volk Gottes
das an der Mauer von Jerichoh für Touristen tanzt

JA

                                     II

ja, ja, ja, lacht das Mädchen, auch noch mit ihrem Snow Cone
meine Worte haben keine Tiife, aha
               meine Worte sind Oberfleche
               meine Worte sind
               die miesesten Kinderlein von Gott
               meine Worte sind
               dem Judas seine Brüste
               meine Worte Son
               Zuckervatte, die auf das Lieht des Sommerß fälld
               meine Worte sind
aber sind nicht mehr als das
als die Elisa, die scharf drauf ist, Henri James zu verdräschen
und ihm dann hinterherzurennen, aha
dem mickrigsten Lichd hinterher
ohne Türkontrollen ohne Baifall
zur rechten die linnke Magdalena
und stille Sternenbanner
um daraus einen perfekten Mythos zu stricken
sagte er, selig die schwarzen Puppen
               das Paralelogramm
der Dichtung ist eine Fars
                              Lüge
                                             Manbo

sagte, ich war kein Könich mer, ich bin nicht mer Könich
ich wärde nicht mer der Könich sein; weder der Comarcas, noch des
                                                                                                                      Nichtz

ich bin nicht mer Charles Mingus, der Isabels Täible Dans spielt;
keine Winkelmesser, keine zaitgenössische Kunst
wenn du sie
               zaitgenössischnennst
kannn man die Zukunft nicht als
               Grap
Verbrechermeer
Feuerstein bezeichnen
               (Feuer, klar, erläuchte meine Loite)

JA

                                     III

und dem Feuer das Feuer
am Tag nach Morgen

und Feuer das Zaitgenössische
der Steine, dessen was commt, Rebelljon
Atjektif der Geschosse, des Geschrais
in seiner Metamohrfose zum Werb

nach Morgen, nach dem Vrühstück
nenne nichts zaitgenössisch

die Gegenwart
               ruft die Fliegen herbei, nichts
ist sicher Mädel,
nichts geblendet, syntaktische Zerstörung
der Erinnerung, Morena, die Ratten
dass die Dichtung Lüge ist, ja, Hoichelei

mehr als einfältig, als enärgisch
erhohben sie über Timbales Flaggen, meine Leute
               wissen
für dieses Süstem die Scheiße, sagen sie
»sehlig der, der dieses Liriqueo hört«

rennt dem Brot und seiner Heftigkeit hinterher
und vom Brot, zu Haus Meer Baum, weißglühend
               dies, Mami für diese Bande
               die Worte
für Kerle, wie Guillén den Bösen
wie die rasselnden Maracas
wo ein Traum im Vogueing getanzt wirt
wo heilig, heilig ist der Herr. für sie
ist heilig nur er

für die Bietniks, die Runden um die Spirale
des Tsentrums des Atlantiks drehen

in der Liebe findet ihr euren Eccess, meine Leute
               und
                              Schnitt/

Aus dem guatemaltekischen Spanisch von Timo Berger

Zuerst erschienen in poet nr. 16. Literaturmagazin, hrsg. von Andreas Heidtmann, Leipzig: poetenladen, Frühjahr 2014.

sobre el fondo de una canción de Calle 13

espagnol | Wingston González

nada destruye con tanto ímpetu como la alegría, oh
la alegría que busca con quien jugar
¿y quién juega con nosotros, quién?, nada
¿y quién juega con nosotros, quién?, nada
cantan todos ¿quién juega con nosotros, quién?, nada, nada, nada
aparte de la débil tranquilidad, sí, el azúcar
aparte del júbilo borroso del cine, los eclipsados
aparte la madrugada de héroes peinándole las cabelleras a sus cámaras
                                                                                                           fotográficas

y con todo eso la música,
la música de esta hacienda que se aparea
con la demencia, ñam, la música, sí
de mujeres avivadas por una portilla sublime
detrás de la cual había hace poco un vaso cuya fuente
venía del cielo e iba
a las cuatro vaginas de dios
revestidas de una luz que fluía
de los amores perdidos de los hombres todos, baby

de las cosas todas

y nada más

© Wingston González
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2014

über einen Song von Calle 13 im Hintergrund

allemand

nichts wütet so leidenschaftlich wie die Freude, oh
die Freude, die jemanden zum Spielen sucht
und wer spielt mit uns, wer? nichts
und wer spielt mit uns, wer? nichts
alle singen wer spielt mit uns, wer? nichts, nichts, nichts
außer der ermatteten Stille, ja, der Zucker
außer dem seichten Vergnügen des Kinos, die Lustlosen
außer dem Morgen der Helden, die ihren Fotoapparaten die Mähne kämmen

und zu all dem die Musik,
die Musik dieser Hazienda, die sich paart
mit der Demenz, mampf, die Musik, ja
von Frauen beflügelt von einem erhabenen Tor,
hinter dem vor kurzem noch ein Glas stand, dessen Quelle
im Himmel sprudelte und
zu den vier Vaginas Gottes führte
umhüllt von einem Licht, das aus
den verflossenen Lieben aller Männer strömte, Baby

aus allen Dingen

und weiter nichts

Aus dem guatemaltekischen Spanisch von Timo Berger

[la vida es un fonógrafo]

espagnol | Wingston González

LA VIDA ES UN FONÓGRAFO y hay días en los que sus sonidos no nos
          despejan y sólo hay miedo, miedo/miedo y más miedo: un fonógrafo
y ni así aire sobre sus aguas ni agua sobre sus cielos, la vida repite lo que mi boca
          dice que repita, un fonógrafo, como algo lleno de ternuras inservibles,
          como un invierno perseguido por cíclopes, como símbolos, una
          mitología lsd, como paisajes esotéricos pintados sobre cuerpo poblado de
          un enjambre. la vida como fonógrafo

grande y triste, un fonógrafo
de noche bailable hasta las cuatro de la mañana, así es

dice a mí el extranjero –que la soledad no te perturbe, que nada es real, que
          todo es maldito fingimiento sobre los faros en riveras orladas de
          artefactos metálicos. ¿mirás? allá los campanarios sobrevuelan sobre el
          rosa de los días. como en una película de Godard

cuánta turbación –me dice–. cuántas flores abusando del veneno, los relojes
          derraman verdes colinas sobre nuestros cuerpos

© Wingston González
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

[DAS LEBEN IST EIN PHONOGRAPH]

allemand

DAS LEBEN IST EIN PHONOGRAPH es gibt Tage, an denen uns seine
          Klänge nicht entspannen sondern Angst herrscht, Angst / Angst und
          noch mehr Angst: ein Phonograph
und selbst dann keine Luft über seinen Wassern noch Wasser über seinen
           Himmeln; das Leben wiederholt, was mein Mund sagt: es
          wiederholt, ein Phonograph, ein Ding voller unnützer Zärtlichkeit,
          ein Winter gehetzt von Zyklopen, Symbole einer LSD-Mythologie,
          esoterische Landschaften gemalt auf einen Körper, in dem Bienen
          schwärmen. das Leben ein großer und trauriger

Phonograph, ein Phonograph
einer Nacht mit Tanz bis vier Uhr früh, so ist es

sagte ein Ausländer zu mir – die Einsamkeit soll dich nicht beunruhigen,
          nichts ist wirklich, alles ein vermaledeites Trugbild über den
          Leuchttürmen auf Ufern gesäumt von Metallteilen; siehst du, dort
           überfliegen die Glockentürme das tiefste Rosa der Tage wie in
           einem Film von Godard

wie viel Aufregung – sagt er zu mir – wie viele Blumen, die das Gift
          missbrauchen; die Uhren verschütten grüne Hügel über unsere
          Körper

Aus dem guatemaltekischen Spanisch von Timo Berger

[estacionamentos]

portugais | Nicolas Behr

estacionamentos
de árvores
genealógicas
dinastias
de engravatados
cargos hereditários
dom carimbo
de visconde
nobres funções

© Nicolas Behr
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

[parkplätze]

allemand

parkplätze
von stammbäumen
schlipstragende
dynastien
vererbbare ämter
hochgeborener
vicomte
von stempel
adlige ämter

Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger
Die Übersetzung entstammt der Anthologie: JA Brasília NEIN. Gedichte von Nicolas Behr, Brasilia, 2014.

[brasília foi]

portugais | Nicolas Behr

brasília foi
construída
para ser destruída
aos poucos
exatamente
como estamos
fazendo

© Nicolas Behr
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

[brasília]

allemand

brasília
wurde gebaut
um zerstört zu werden

nach und nach

genau
wie wir es jetzt
machen

Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger
Die Übersetzung entstammt der Anthologie: JA Brasília NEIN. Gedichte von Nicolas Behr, Brasilia, 2014.

[arte]

portugais | Nicolas Behr

arte
para arquiteto
ver

poema
para analfabeto
ler

© Nicolas Behr
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

[kunst]

allemand

kunst
die der architekt
sehen soll

gedicht
das die analphabeten
lesen sollen

Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger
Die Übersetzung entstammt der Anthologie: JA Brasília NEIN. Gedichte von Nicolas Behr, Brasilia, 2014.

[aconteceu na 103]

portugais | Nicolas Behr

aconteceu na 103
o porteiro do bloco I da 103 sul pegou a filha do
síndico do bloco O da
413 norte com o cara
do 302 do bloco D
da 209 sul dentro do
carro do zelador do
bloco J da 513 norte

© Nicolas Behr
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

[es geschah in der 103]

allemand

es geschah in der 103
der pförtner von
gebäude I der 103
süd hat die tochter
des verwalters von
gebäude O der 413
nord mit dem typen
von 302 des gebäudes
D der 209 süd im wagen des
hausmeisters von
gebäude J der 513
nord erwischt

Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger
Die Übersetzung entstammt der Anthologie: JA Brasília NEIN. Gedichte von Nicolas Behr, Brasilia, 2014.

[brasília são as ruínas]

portugais | Nicolas Behr

brasília são as ruínas
de machu picchu
invertidas, cuzco
reconstruida, tiahuanaco
inacabada, pirâmide de
teotihuacán ao contário,
palácio do altiplanalto,
cidade perdida dos candangos
a esfinge fita seu espelho, jk
as linhas do eixo monumental
são continuação
das linhas de nazca

© Nicolas Behr
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

[brasília ist die]

allemand

brasília ist die
umgedrehte ruine
von machu picchu,
das wiederaufgebaute
cuzco, das unvollendete
tiahuanaco, die pyramide
von teotihuacán kopfüber,
der palast des altiplanalto,
die versunkene stadt
der candangos die sphinx starrt
auf ihr spiegelbild, jk
die linien der monumentalachse
setzen die
nazca-linien fort

Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger
Die Übersetzung entstammt der Anthologie: JA Brasília NEIN. Gedichte von Nicolas Behr, Brasilia, 2014.

[nas escavações também foram]

portugais | Nicolas Behr

nas escavações também foram
encontrados clips
pré-históricos,
grampeadores de
sílica, crachás em
plaquinhas de ouro,
carimbos petrificados,
ministros embalsamados
e ofícios em escrita
ainda não decifrada

© Nicolas Behr
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

[bei den ausgrabungen]

allemand

bei den ausgrabungen
wurden auch prähistorische
heftklammern
gefunden, hefter aus
silizium, vergoldete
namensschilder,
versteinerte stempel,
einbalsamierte
minister und
papierbögen beschrieben
mit einer noch nicht
unentschlüsselten schrift

Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger
Die Übersetzung entstammt der Anthologie: JA Brasília NEIN. Gedichte von Nicolas Behr, Brasilia, 2014.

[uma forte tempestade]

portugais | Nicolas Behr

uma forte tempestade
trouxe à luz uma
parte do que poderiam ter sido os ministérios, iniciando
escavações que permitiram identificar também estruturas
habitacionais bastante
complexas, com pessoas
aparentemente vivendo
dentro de grandes
caixas de concreto

© Nicolas Behr
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

[ein schwerer sturm]

allemand

ein schwerer sturm
legte teile von etwas
frei, was wohl
ministerien
gewesen sind, das gab
den anlass
für ausgrabungen,
die es erlaubten
ziemlich komplexe
wohnstrukturen zu
erkennen,
in denen offenbar
menschen in großen
betonkästen lebten

Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger
Die Übersetzung entstammt der Anthologie: JA Brasília NEIN. Gedichte von Nicolas Behr, Brasilia, 2014.

[brasília nasceu]

portugais | Nicolas Behr

brasília nasceu
de um gesto primário:
dois eixos
se cruzando,
ou seja, o próprio
sinal da cruz
como quem pede
bênção
ou perdão

© Nicolas Behr
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

[brasília ist]

allemand

brasília ist
aus einer uralten
geste entstanden:
zwei achsen,
die sich kreuzen,
sich gar
bekreuzigen
wie jemand,
der um segen bittet
oder um vergebung

Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger
Die Übersetzung entstammt der Anthologie: JA Brasília NEIN. Gedichte von Nicolas Behr, Brasilia, 2014.

[SQS415F303]

portugais | Nicolas Behr

SQS415F303
SQN303F415
NQS403F315
QQQ313F405
SSS305F413

seria isso
um poema
sobre brasília?
seria um poema?
seria brasília?

© Nicolas Behr
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

[SQS415F303]

allemand

SQS415F303
SQN303F415
NQS403F315
QQQ313F405
SSS305F413

wär das
ein gedicht
über brasília?
wäre es ein gedicht?
wäre es brasília?

Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger
Die Übersetzung entstammt der Anthologie: JA Brasília NEIN. Gedichte von Nicolas Behr, Brasilia, 2014.

UMA PALAVRA

portugais | Chacal

uma
palavra
escrita é uma
palavra não dita é uma
palavra maldita é uma palavra
gravada como gravata que é uma palavra
gaiata como goiaba que é uma palavra gostosa

© Chacal
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

EIN WORT

allemand

ein
notiertes
Wort ist ein
unausgesprochenes Wort ist ein
ausgesprochen loses Wort, nicht in Watte
gepackt wie Krawatte, ein Gaunerwort
wie Guave ein ausgesprochen geschmackvolles Wort.

Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger

SETE PROVAS E NENHUM CRIME

portugais | Chacal

Havia a mancha de sangue no jaleco
E nenhum corpo
Havia o olhar rútilo, o rosto crispado
E nenhum motivo
Havia o cheiro impregnado no copo
E nenhuma digital
Havia o vírus, o bilhete, a arma branca
E nenhum assassinato
Havia em vão a confissão
E nenhum ilícito
Havia a cadeira de rodas vazia
E nenhum suspeito
Havia um gato emborcado no aquário
E peixe nenhum

© Chacal
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

SIEBEN BEWEISE UND KEINE TAT

allemand

da war ein blutfleck auf der weste
und keine leiche
war ein funkelnder blick, ein zucken im gesicht
und kein motiv
war ein geruch überall am glas
und kein fingerabdruck
war ein virus, ein geldschein, eine stichwaffe
und kein mord
war ein sinnloses geständnis
und keine straftat
war ein leerer rollstuhl
und kein verdächtiger
war ein kater ertrunken im aquarium
und kein fisch

Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger

O OUTRO

portugais | Chacal

só quero
o que não
o que nunca
o inviável
o impossível

não quero
o que já
o que foi
o vencido
o plausível

só quero
o que ainda
o que atiça
o impraticável
o incrível

não quero
o que sim
o que sempre
o sabido
o cabível

eu quero
o outro

© Chacal
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

DAS ANDERE

allemand

ich will nur
was nicht
was nie
was aussichtslos
was unmöglich

ich will nicht
was schon
was war
was bezwungen
was wahrscheinlich

ich will nur
was noch
was anspornt
was unausführbar
was unglaublich

ich will nicht
was ja
was immer
was bekannt
was verlässlich

ich will
das andere

Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger

MEIO ASSIM

portugais | Chacal

tava atrasado.
o metrô ia partir.
corri.
a porta se fechou.
metade de mim foi,
outra ficou.

olhando o relógio
falando no celular.

a outra, tagarela,
levantava leviana
a saia das moças,
uivando intempestiva.

se alguém
encontrar uma delas,
avise a outra
que eu vou ver
se estou na esquina.

© Chacal
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

SO HALB

allemand

hatte mich verspätet.
die metro fuhr gleich los.
ich machte einen satz.
die türen schlossen sich.
die eine hälfte drin.
die andre hälfte blieb.

die eine dieʼs schon war,
versank noch mehr in sich,
wenn sie auf die uhr sah,
in ihr handy sprach.

die andere, recht redselig,
lupfte leicht frivol
die röcke mehrerer mädchen
und kreischte dabei

falls ihr
eine der hälften seht,
sagts der andern sofort:
ich werd sehen
ob ich an der ecke steh.

Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger

VOZ ATIVA

portugais | Chacal

todos têm uma voz
alta, baixa, aguda, grave
rouca, intensa, suave

todos têm uma voz
só que muitos não a usam
com medo de tudo e todos

e assim deixam que outra
que não sua mas de outro
tome então o seu lugar

e saem por aí dizendo coisas
que na real não acreditam
mas que não tem força de evitar

porque sua voz foi vendida
é o novo dono quem fala
e a voz verdadeira, silenciada

ainda assim ela está lá
reprimida inibida sufocada
à espera do dono verdadeiro

torcendo pra que ele quebre
de repente a mordaça do medo
e fale aquilo que sempre quis

então quem falava por ele
baterá rapidinho em retirada
e a voz terá de novo a sua voz

© Chacal
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

AKTIVE STIMME

allemand

alle haben eine hohe stimme
eine tiefe schrille ernste
heisere eindringliche weiche

alle haben eine stimme
nur benutzen viele sie nicht
aus angst vor allem und allen

und lassen so zu dass eine andere
nicht ihre sondern die eines anderen
ihren platz einnimmt

und sie sagen dann dinge
an die sie nicht glauben
haben den mut  nicht, sie zu verneinen

denn ihre stimme wurde verkauft
und der neue besitzer spricht
die wahre stimme verstummt

doch trotz allem ist sie noch da
unterdrückt gedämpft erstickt
wartet sie auf ihren besitzer

sehnt sich danach dass er plötzlich
den knebel der angst zerreißt
und sagt was er immer schon wollte

wer an seiner stelle sprach wird dann schnell
den rückzug antreten und die stimme
gehört wieder dem der spricht

Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Timo Berger

La inmortalidad

espagnol | Luis García Montero

Nunca he tenido dioses
y tampoco sentí la despiadada
voluntad de los héroes.
Durante mucho tiempo estuvo libre
la silla de mi juez
y no esperé juicio
en el que rendir cuentas de mis días.

Decidido a vivir, busqué la sombra
capaz de recogerme en los veranos
y la hoguera dispuesta
a llevarse el invierno por delante.
Pasé noches de guardia y de silencio,
no tuve prisa,
dejé cruzar la rueda de los años.
Estaba convencido
de que existir no tiene trascendencia,
porque la luz es siempre fugitiva
sobre la oscuridad,
un resplandor en medio del vacío.

Y de pronto en el bosque se encendieron los árboles
de las miradas insistentes,
el mar tuvo labios de arena
igual que las palabras dichas en un rincón,
el viento abrió sus manos
y los hoteles sus habitaciones.
Parecía la tierra más desnuda,
porque la noche fue,
como el vacío,
un resplandor oscuro en medio de la luz.

Entonces comprendí que la inmortalidad
puede cobrarse por adelantado.
Una inmortalidad que no reside
en plazas con estatua,
en nubes religiosas
o en la plastificada vanidad literaria,
llena de halagos homicidas
y murmullos de cóctel.
Es otra mi razón. Que no me lea
quien no haya visto nunca conmoverse la tierra
en medio de un abrazo.

La copa de cristal
que pusiste al revés sobre la mesa,
guarda un tiempo de oro detenido.
Me basta con la vida para justificarme.
Y cuando me convoquen a declarar mis actos,
aunque sólo me escuche una silla vacía,
será firme mi voz.

No por lo que la muerte me prometa,
sino por todo aquello que no podrá quitarme.

© Luis Garcia Montero
from: Completamente viernes
Tusquets, 1998

Unsterblichkeit

allemand

Ich hatte keine Götter,
noch spürte ich in mir den eisernen
Willen eines Helden.
Der Stuhl meines Richters
blieb lange leer.
Mich erwartete kein Prozess, Rechenschaft
über meine Tage abzulegen.

Entschlossen zu leben, suchte ich einen schattigen Platz
für den Sommer
ein Lagerfeuer mit der Kraft,
den Winter auszutreiben.
Schweigend durchwachte ich Nächte,
Eile kannte ich nicht.
Und das Rad der Jahre drehte sich.
Ich war mir sicher:
Das Leben hat keine Transzendenz,
weil das Licht stets
in der Dunkelheit verlischt,
ein Schimmer, umgeben von Nichts.

Dann loderten im Wald die Bäume auf
von so viel beharrlichen Blicken,
und das Meer schürzte seine Sandlippen
wie in eine Ecke geflüsterte Worte.
Der Wind öffnete seine Fäuste,
die Gasthöfe ihre Zimmer.
Die Erde war nackt wie nie zuvor,
weil die Nacht
dem Nichts glich,
ein dunkler Schimmer, umgeben von Licht.

Da verstand ich: Unsterblichkeit
gibt es schon vorab.
Eine Unsterblichkeit, wie man sie nicht spürt
auf Plätzen mit Statuen,
in frommen Wolken oder
in der eingeschweißten Eitelkeit der Literaten,
voll Schmeicheleien, mörderisch,
im Geplänkel der Stehempfänge.
Ich denke anders. Mich soll keiner lesen,
für den die Erde noch nie
in einer Umarmung gebebt hat.

Das Glas,
das du auf den Tisch stellst, umgedreht,
bewahrt eine angehaltene, goldene Zeit.
Mir genügt das Leben, mich zu rechtfertigen.
Und wenn sie mich rufen, meine Taten zu erklären,
wird meine Stimme, selbst wenn mich nur
ein leerer Stuhl erwartet, fest sein.

Nicht, weil mir der Tod etwas verspricht, sondern
weil er mir nichts mehr nehmen kann.

Übersetzt von Timo Berger

El amor

espagnol | Luis García Montero

Las palabras son barcos
y se pierden así, de boca en boca,
como de niebla en niebla.
Llevan su mercancía por las conversaciones
sin encontrar un puerto,
la noche que les pese igual que un ancla.

Deben acostumbrarse a envejecer
y vivir con paciencia de madera
usada por las olas,
irse descomponiendo, dañarse lentamente,
hasta que a la bodega rutinaria
llegue el mar y las hunda.

Porque la vida entra en las palabras
como el mar en un barco,
cubre de tiempo el nombre de las cosas
y lleva a la raíz de un adjetivo
el cielo de una fecha,
el balcón de una casa,
la luz de una ciudad reflejada en un río.

Por eso, niebla a niebla,
cuando el amor invade las palabras,
golpea sus paredes, marca en ellas
los signos de una historia personal
y deja en el pasado de los vocabularios
sensaciones de frío y de calor,
noches que son la noche,
mares que son el mar,
solitarios paseos con extensión de frase
y trenes detenidos y canciones.

Si el amor, como todo, es cuestión de palabras,
acercarme a tu cuerpo fue crear un idioma.

© Luis Garcia Montero
from: Completamente viernes
Tusquets, 1998

Liebe

allemand

Wörter verlieren sich
von Mund zu Mund,
in Nebelschwaden, wie Schiffe.
Sie fahren ihre Fracht über die Gespräche,
finden keinen Hafen,
und die Nacht, ein Anker, zerrt an ihnen.

Sie müssen sich ans Altern gewöhnen,
geduldig wie Holz,
verschlissen von Wellen, müssen ertragen,
wie sie aufquellen, langsam leckschlagen,
bis das Meer in ihren schmucklosen Laderaum dringt
und sie zum Kentern bringt.

Weil das Leben in die Wörter dringt
wie das Meer in ein Schiff,
legt es eine Patina auf die Namen der Dinge
und führt den Himmel eines Datums,
den Balkon eines Hauses
zu den Wurzeln eines Adjektivs,
die Lichter einer Stadt, gespiegelt im Fluss.

Wenn die Liebe zwischen Nebelschwaden
in die Wörter einmarschiert, schlägt sie
an ihre Wände, schnitzt die Zinken
einer persönlichen Geschichte,
hinterlässt in der Vergangenheit des Wortschatz'
einen Eindruck von Kälte, von Hitze.
Nächte, die die Nacht sind,
Meere, die das Meer sind.
Einsame Spaziergänge, so lang wie ein Satz.
Angehaltene Züge und Lieder.

Ist die Liebe, wie alles, eine Frage der Worte,
schuf ich eine Sprache auf dem Weg zu dir.

Übersetzt von Timo Berger

Tal vez nos vamos de nosotros mismos, pero queda casi siempre una puerta mal cerrada…

espagnol | Luis García Montero

Cuando cierro la puerta de mi casa
suelen los escalones llenárseme de dudas.
Es posible, tal vez
la luz trabajadora del despacho
se ha quedado encendida,
no sé si corté el agua
y además me parece
que no le di dos vueltas a la llave.

Es como cuando salgo de alguna discusión
y el ascensor se cubre de verdades no dichas.
Van conmigo respuestas decisivas.
Más tarde siento miedo
de aquellos dos minutos de intemperie.
Yo levanté la voz, los demás se callaron
y se rompió la copa.

Es como cuando salgo de una fiesta
y me asalta el temor
de que alguien se haya molestado.
¿Me despedí de ella? ¿Debería
acordarme de él?
¿Entendieron la broma
y la doble intención de mis palabras?
¿Ha llegado a saberse
la pequeña mentira del viernes por la tarde?

Es como cuando salgo de mí mismo,
después de haber nadado entre dos aguas
incluso en la bañera.
Dejo la ropa sucia a los pies de la silla,
una cama deshecha,
los platos sin lavar,
toallas en el suelo, y en el cuarto de baño
un espejo con niebla
donde está todavía
el desnudo sin piel del impostor
que ahora sale a la calle,
y saluda a los otros,
y atiende a quien le llama por su nombre.

Todo es raro y difícil
como sentirse Luis, como vivir en el segundo
izquierda de la noche,
ser español o estar enamorado.

Tal vez nos vamos de nosotros mismos.
Pero queda una luz, un grifo abierto,
la sombra de una puerta mal cerrada.

© Luis Garcia Montero
from: Un invierno propio
Visor, 2011

Kann sein, wir treten aus uns selbst heraus, vergessen aber meistens, die Tür abzuschließen …

allemand

Kaum trete ich aus der Haustür,
kommen mir auf den Stufen Zweifel.
Hab ich vergessen
das unermüdliche Licht im Büro
auszuschalten?
Hab ich den Wasserhahn zugemacht?
Mir kommt es vor, als hätte ich versäumt,
den Schlüssel zweimal rumzudrehen.

So ist es auch, wenn ich im Streit fortgehe
und der Fahrstuhl sich mit ungesagten Dingen füllt.
Nun liegen mir auf einmal alle Antworten auf der Zunge.
Später machen mir die zwei Minuten
Donnerwetter Angst.
Ich wurde laut, die anderen verstummten.
Glas zerbrach.

So ist es auch, wenn ich aufbreche von einer Feier
und mir nicht sicher bin, ob ich nicht doch
jemanden vor den Kopf gestoßen habe.
Hab ich mich von der einen verabschiedet? Hätt ich mich
an den andern erinnern müssen?
Haben sie den Scherz verstanden,
den Doppelsinn meiner Worte?
Ist meine Notlüge von Freitag-
abend aufgeflogen?

So ist es auch, wenn ich heraustrete aus mir selbst,
nachdem ich zwischen allen Stühlen gesessen habe,
sogar noch am Küchentisch.
Ich lege die Wäsche neben den Hocker,
hinterlasse ein zerwühltes Bett,
schmutziges Geschirr,
Handtücher auf dem Boden und im Bad
einen beschlagenen Spiegel.
Vor dem steht immer noch der Nackte,
ohne das Fell des Hochstaplers,
der jetzt das Haus verlässt
und die anderen Leute grüßt,
sich einem zuwendet, der ihn beim Namen nennt.

Alles ist seltsam und vertrackt,
wie sich als Luis zu fühlen oder im zweiten Stock
links neben der Nacht zu wohnen.
Oder Spanier zu sein. Oder verliebt.

Kann sein, wir treten aus uns selbst heraus.
Aber ein Licht brennt noch, ein Wasserhahn tropft.
Der Schatten einer unverschlossenen Tür.

Übersetzt von Timo Berger

La tristeza del mar cabe en un vaso de agua

espagnol | Luis García Montero

               No hay pues mujer más sola,
               más tristemente sola,
               que la que quiere amar a un hombre triste.
                                             Piedad Bonnett

Los hombres tristes,
que tienen en sus ojos un café de provincias,
que no saben mentir como quien dice,
que se esconden detrás de los periódicos,
que se quedan sentados en su silla
cuando la fiesta baila,
que gastan por zapatos una tarde de lluvia,
que saludan con miedo,
que de pronto una noche se deshacen,
que cantan perseguidos por la risa,
que abrazan, que importunan hasta quedarse solos,
que retornan después a su tristeza
igual que a su pañuelo y a su vaso de agua,
que ven como se alejan las novias y los barcos,
esos hombres manchados por las últimas horas
de la ocasión perdida,
se parecen a mí.

© Luis Garcia Montero
from: Un invierno propio
Visor, 2011

Die Traurigkeit der See hat Platz in einem Wasserglas

allemand

               Es gibt wohl keine Frau,
               die einsamer und trauriger wäre
               als die, die einen traurigen Mann liebt.
                                             Piedad Bonnett

Die traurigen Männer,
in ihren Augen ein Kleinstadtcafé,
die wortwörtlich nicht lügen können,
sich hinter ihren Zeitungen verstecken,
auf verchromten Stühlen verharren,
wenn die Feier in Schwung kommt,
statt in Slipper in einen Regenabend schlüpfen,
schüchtern grüßen,
Männer, die eines Nachts aufblühen,
singen und prusten vor Lachen,
die umarmen, rempeln, rülpsen, bis alle andern fort sind,
dann in ihre Traurigkeit zurückfallen,
ihr Stofftaschentuch hervorholen, das Wasserglas,
und zusehen, wie Bräute und Boote davonziehen.
Jene Männer, gezeichnet von den letzten Stunden
einer verpassten Gelegenheit,
sind fast wie ich.

Übersetzt von Timo Berger

Primer día de vacaciones

espagnol | Luis García Montero

Nadaba yo en el mar y era muy tarde,
justo en ese momento
en que las luces flotan como brasas
de una hoguera rendida
y en el agua se queman las preguntas,
los silencios extraños.

Había decidido nadar hasta la boya
roja, la que se esconde como el sol
al otro lado de las barcas.

Muy lejos de la orilla,
solitario y perdido en el crepúsculo,
me adentraba en el mar
sintiendo la inquietud que me conmueve
al adentrarme en un poema
o en una noche larga de amor desconocido.

Y de pronto la vi sobre las aguas.
Una mujer mayor,
de cansada belleza
y el pelo blanco recogido,
se me acercó nadando
con brazadas serenas.
Parecía venir del horizonte.

Al cruzarse conmigo,
se detuvo un momento y me miró a los ojos:
no he venido a buscarte,
no eres tú todavía.

Me despertó el tumulto del mercado
y el ruido de una moto
que cruzaba la calle con desesperación.
Era media mañana,
el cielo estaba limpio y parecía
una bandera viva
en el mástil de agosto.
Bajé a desayunar a la terraza
del paseo marítimo
y contemplé el bullicio de la gente,
el mar como una balsa,
los cuerpos bajo el sol.
                                   En el periódico
el nombre del ahogado no era el mío.

© Luis Garcia Montero
from: Habitaciones separadas
Visor, 1994

Erster Urlaubstag

allemand

Ich schwamm aufs Meer hinaus, spät,
genau in jenem Augenblick,
in dem die Lichter wabern wie die Glut
eines erlöschenden Feuers
und die Fragen im Wasser verbrennen,
die seltsame Stille.

Ich wollte bis zur roten Boje schwimmen,
die sich, der Sonne gleich, auf der anderen Seite
der Boote versteckte.

Weit entfernt vom Ufer, einsam
und verloren in der Dämmerung,
tauchte ich ins Meer,
spürte dieselbe Unruhe, die mich erfasst,
wenn ich in ein Gedicht tauche
oder in eine lange Nacht unbekannter Liebe.

Und plötzlich sah ich in den Wellen
eine Frau
von matter Schönheit, älter schon,
das schlohweiße Haar zum Zopf,
schwamm sie mir entgegen,
löste sich mit ernsten Armzügen
vom Horizont.

Als wir aufeinandertrafen,
hielt sie inne und sah mir in die Augen:
Ich bin nicht gekommen, dich zu holen.
Dich noch nicht.

Marktgeschrei weckte mich,
das Knattern eines Mopeds,
das verzweifelt durch eine Straße heizt.
Es war fast Mittag,
der Himmel klar
eine flatternde Fahne
am Mast des August.
Ich ging zum Frühstück ins Café
an der Strandpromenade
und sah dem Treiben zu.
Das Meer war ein Wasserbassin,
Körper unter der Sonne.
                                Und in der Zeitung
der Name eines Ertrunkenen. Nicht meiner.

Übersetzt von Timo Berger

Figura sin paisaje

espagnol | Luis García Montero

He vendido mi alma dos veces al diablo,
por monedas de niebla y curso clandestino
en países que nadie se ha atrevido a fundar.

Un realista que vive el mundo de los sueños,
un soñador que quiere vivir la realidad.

Mal destino es el tuyo.
Así te va.

© Luis Garcia Montero
from: Habitaciones separadas
Visor, 1994

Figur ohne Landschaft

allemand

Ich verkaufte meine Seele zweimal an den Teufel
für Nebelmünzen und zum Schwarzmarktpreis
in Ländern, die keiner sich zu gründen traut.

Ein Realist, der in der Welt der Träume lebt,
ein Träumer, der die Wirklichkeit erleben will.

Bös ist dein Schicksal.
Du hast es verdient.

Übersetzt von Timo Berger

[Vem ver-me antes que eu morra de amor — o sangue]

portugais | Maria do Rosário Pedreira

Vem ver-me antes que eu morra de amor — o sangue
arrefece dentro do meu corpo e as rosas desbotam
nas minhas mãos. Da minha cama ouço a tempestade
nos continentes; e já quis partir, deixar que o vento
levasse a minha mala por aí; fiz planos de correr mundo
para te esquecer — mas nunca abria a porta.

Vem ver-me enquanto não morro, mas vem de noite —
a luz sublinha a agonia de um rosto e quero que me recordes
como eu podia ter sido. Da minha cama vejo o sol
tatuar as costas do meu país; e já sonhei que o perseguia,
que desenhava o teu nome no veludo da areia e sentia
a vida pulsar nessa palavra como um músculo tenso
escondido sob a pele — mas depois acordava e não ia.

Vem ver-me antes que morra, mas vem depressa —
os livros resvalam-me do colo e o bolor avança
sobre a roupa. Da minha cama sinto o perfume das
folhas tombadas nos caminhos, O outono chegou. E o quarto
ficou tão frio de repente. E tu sem vires. Agora
quero deitar-me no tapete de musgo do jardim e ouvir
bater o coração da terra no meu peito. Os vermes
alimentam-se dos sonhos de quem morre. E tu não vens.

© Maria do Rosário Pedreira
from: O Canto do Vento nos Ciprestes
Lisboa: Gótica, 2001
Audio production: Casa Fernando Pessoa/CML

[Komm zu mir, bevor ich vor Liebe sterbe – das Blut]

allemand

Komm zu mir, bevor ich vor Liebe sterbe – das Blut
wird in meinem Körper kalt und in meinen Händen
verblassen die Rosen. Vom Bett aus höre ich wie ein Sturm
über die Kontinente fegt; und wollte schon aufbrechen, es zulassen
dass der Wind meinen Koffer davonträgt; ich habe
den Plan gefasst, in die Welt zu ziehen
um dich zu vergessen – doch ich habe die Tür nie geöffnet.

Komm zu mir, solange ich noch nicht tot bin, aber komm nachts –
denn die Agonie steht mir im Gesicht und ich will, dass du mich so
in Erinnerung behältst, wie ich einst war. Vom Bett aus sehe ich die Sonne
wie sie die Küsten meines Landes tätowiert; und habe geträumt, dass ich sie verfolge
dass ich deinen Namen in den samtigen Sand zeichne und das Leben
spüre, das in dem Wort wie ein angespannter Muskel pocht
versteckt unter der Haut – aber dann wachte ich auf und blieb liegen.

Komm zu mir, bevor ich sterbe, aber komm schnell –
die Bücher gleiten mir so aus dem Schoß und der Schimmel befällt
meine Kleidung. Vom Bett aus rieche ich den Geruch des
Laubs auf den Wegen. Der Herbst ist gekommen. Und das Zimmer
auf einmal kalt. Und du kommst nicht. Jetzt will ich mich
im Garten auf den Teppich aus Moos legen und das Herz
der Erde an meiner Brust schlagen hören. Die Würmer
verzehren die Träumen dessen, der stirbt. Und du kommst nicht.

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

[Uma girafa com búzios]

portugais | Luís Carlos Patraquim

Uma girafa com búzios
ao pescoço
os lábios nos ramos altos

Rilham

E os espinhos macerados
Concedem à savana
O dorso crepuscular
Em que se fecha

© Luis Carlos Patraquim
unveröffentlichtem Manuskript,
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2008

[Eine Giraffe mit Muscheln]

allemand

Eine Giraffe mit Muscheln
um den Hals
und Lippen, die hinter hohen Zweigen

Kauen

Und die weich gekauten Dornen
überlassen der Savanne
den Rücken der Dämmerung
in den sie sich einhüllt

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

[Se puede, apaciguado y taciturno]

espagnol | Martín Gambarotta

Se puede, apaciguado y taciturno, mear
tartamudeando la banda de sonido que más
se le cante a tus bolas hasta que se vuelva
una deprecación constante
se puede dejar en el suelo lo que otros
podrían tener interés en llegar a levantar
y porque día tras día en este lugar
la luz mengua esquemáticamente
como si de verdad hubiera un jehová
que desde un eje a todo le echa un ojo
se puede tomar impulso sobre
la silla giratoria y
rotar un rato.

© 2008 Ediciones VOX
from: Para un plan primavera
Bahía Blanca/Buenos Aires, Argentina: Ediciones VOX, 2008
Audio production: 2011 Literaturwerkstatt Berlin

[Man kann friedlich und einsilbig pinkeln]

allemand

Man kann friedlich und einsilbig pinkeln
und den Soundtrack summen, der einem
ganz und gar unter die Haut geht, bis er nur
noch ein endloses Wimmern ist
man kann auf den Boden stellen, woran andere
Interesse haben könnten und es mitnehmen
und weil das Licht an diesem Ort
Tag für Tag schematisch schwindet
als hätte es wirklich einen Jahwe gegeben
der von einer Achse aus auf alles einen Blick wirft
kann man sich auf dem Bürostuhl
selbst einen Schubs geben und
ein wenig drehen.

Aus dem argentinischen Spanisch von Timo Berger
Für einen Frühlingsplan/Para un plan primavera. German/Español
Ediciones VOX, Bahía Blanca/Buenos Aires, Argentina 2011

[Os amantes aparecem no verão, quando os amigos partiram]

portugais | Maria do Rosário Pedreira

para J.G.

Os amantes aparecem no verão, quando os amigos partiram
para o sul à sua procura, deixando um lugar vago
à mesa, um bilhete entalado na porta, as plantas,
o canário, um beijo e um livro emprestado: a memória
das suas biografias incompletas. Os amigos

desaparecem em agosto. Consomem-nos as labaredas do sol
e os amantes que chegam ao fim da tarde
jantam e de manhã ajudam a regar as raízes das avencas
que os amigos confiaram até setembro, quando regressam

trazem saudades e um romance novo debaixo da língua.
Levam um beijo, os vasos, as gaiolas e os amantes
deixam um lugar vago na memória, cabelos na almofada,
uma carta, desculpas, e um livro de cabeceira que os
amigos lêem, pacientes, ocupando o seu lugar à mesa.

© Maria do Rosário Pedreira
from: A Casa e o Cheiro dos Livros
Lisboa: Gótica, 1996
Audio production: Casa Fernando Pessoa/CML

[Die Liebhaber tauchen im Sommer auf, wenn die Freunde]

allemand

für J.G.

Die Liebhaber tauchen im Sommer auf, wenn die Freunde
auf ihre Suche in den Süden fahren und einen leeren Platz am Tisch
hinterlassen, einen an die Tür geklemmten Zettel, die Zimmerpflanzen
den Kanarienvogel, einen Kuss und ein geborgtes Buch: das Gedächtnis
ihrer unfertigen Biografie. Die Freunde

verschwinden im August. Die sengende Sonne verzehrt uns
und die Liebhaber, die am späten Nachmittags eintreffen
essen zu Abend und helfen morgens, das Farnkraut zu gießen
die uns die Freunde bis September anvertrauen. Wenn sie zurückkehren

sind sie voller Sehnsucht und eine neue Romanze liegt unter der Zunge.
Sie bringen einen Kuss mit, und Töpfe und Vogelkäfige und die Liebhaber
hinterlassen ein verschwommenes Bild im Gedächtnis, Haare auf den Kissen
einen Brief, Entschuldigungen und eine Bettlektüre, die die Freunde
geduldig lesen, während sie am Tisch ihren Platz wieder einnehmen .

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

[No me dejan otra opción que hablar]

espagnol | Martín Gambarotta

No me dejan otra opción que hablar
porque no me dejan otra opción voy a hablar
porque no me dejan la opción primaveral
la opción botánica, la opción magnesiana, porque
no me dejan otra opción voy a hablar del bolso
debajo de la silla, voy hablar de la silla arriba
del bolso, de la que dejó el bolso debajo de la silla
porque no me dejan la opción que irradia
la opción inimaginable, la opción que irriga, la opción
por demás, en esta instancia, inmanejable
en esta instancia inteligible voy
a hablar de las prefecturas, la invectiva
terráquea, los lustros de ignominia, porque
no me dejan otra opción voy a hablar.

© 2011 Ediciones VOX
from: Für einen Frühlingsplan/Para un plan primavera. German/Español
Bahía Blanca/Buenos Aires, Argentina: Ediciones VOX, 2011
Audio production: 2011 Literaturwerkstatt Berlin

[Man lässt mir keine andere Wahl als zu sprechen]

allemand

Man lässt mir keine andere Wahl als zu sprechen
da man mir keine andere Wahl lässt, spreche ich
da man mir nicht die Frühlingsauswahl lässt
die botanische Wahl die magnesianische Wahl da
man mir keine Wahl lässt, spreche ich von der Tasche
unterm Stuhl, von dem Stuhl über
der Tasche, von der, die die Tasche unterm Stuhl vergaß
da man mir nicht die strahlende Wahl lässt
die unvorstellbare Wahl die verrinnende Wahl,
die Wahl, die zu viel ist, in diesem – nicht beherrschbaren –
in diesem fassbaren Augenblick spreche ich
von den Präfekturen, der Beleidigung
der Weltkugel, dem Jahrfünft der Schmach, da
man mir keine andere Wahl lässt, spreche ich.

Aus dem argentinischen Spanisch von Timo Berger
Für einen Frühlingsplan/Para un plan primavera. German/Español
Ediciones VOX, Bahía Blanca/Buenos Aires, Argentina 2011

[No es que quieran...]

espagnol | Martín Gambarotta

No es que quieran que dejes de rotar en una silla giratoria a una velocidad
distinta que el mundo distante, no presentan objeciones a que te sientas
en una órbita original al girar sobre un eje propio, ni que después abras
pensativo una lata cilíndrica de paté haciéndola rotar en tu mano, ellos
también a veces hacen girar sus globos terráqueos y los detienen con el índice
para elucubrar un rato acerca de la región que señalaron al azar
no tienen problema alguno con tu murmurante desiderata sobre
si lo que gira es la lata de paté o el abrelatas, sobre el pequeño disco dentado
que se desprende del resto de esa lata cuando abierta, no quieren ver
tus planes a la hora de otra primavera adjetivada, ni tienen especial interés
en plantarte un dispositivo de rastreo satelital para seguir tus pasos
por ramblas de balnearios atlánticos donde supo haber
videobares, disquerías, locutorios, ni ubican
a esos automóviles contratados por los motores de búsqueda que salen con cámaras
de trescientos sesenta grados en el techo a fotografiarlo todo, no quieren saber
las canciones que almacena tu pequeño reproductor de acero cromado y plástico
blanco, no están necesariamente al tanto del diagnóstico que dice que lo anómalo
no es estar desconectado de la realidad sino, a un nivel macro, estar demasiado
conectado, ni esperan que se entienda por realidad un lanchón de asalto adentrándo
lentamente en una mesopotamia, que se entienda por realidad camelias
sobreexcitadas por el viento, por realidad a un grupo de hijos etíopes haciendo
que esperan un micro en una circunvalación específica habiendo perdido toda noció
de especificidad, con sus parkas estropeadas, pasándose un cigarro, clavándose
en la yema de los dedos los dientes de la tapita redonda de una botella recién
abierta, no ponen en duda la frágil camaradería nocturna que tejieron hace un rato
comiendo corazones de pollo ensartados en palillos de madera, no contextualizan
ese manifiesto, no teorizan sobre el entumecimiento, no leen todo lo que dice
el vicepresidente de Bolivia, no sintetizan la tenacidad, no acampan a las puertas
de abisinia, ni azuzan leopardos semidomesticados con el tamborileo de
sus panderetas, no queman tabloides, no se duermen con las manos entrelazadas
sobre el pecho mirando propaganda, ni les preocupa que ahora te pasees
con dulce parsimonia, la almohada todavía marcada en la cara, arrastrando los talones
por los pasillos de un supermercado buscando una marca específica de sopa
de fideos instantánea japonesa, y tampoco es que quieran evitar
que prepares, el temperamento hecho un témpano, esa sopa antes de ponerte
a leer un manual para perfeccionar maniobras de evasión, lo que sea
no, no, no, nada de eso, no
simplemente quieren que te mueras.

© 2008 Ediciones VOX
from: Para un plan primavera
Bahía Blanca/Buenos Aires, Argentina: Ediciones VOX, 2008
Audio production: 2011 Literaturwerkstatt Berlin

[Es ist nicht so, dass sie wollten...]

allemand

Es ist nicht so, dass sie wollten, dass du dich weiter auf deinem Bürostuhl mit einer anderen Geschwindigkeit
als die ferne Welt drehst, sie erheben keinen Einspruch dagegen, dass du dich
beim Kreisen um die eigene Achse in einer eigenen Umlaufbahn glaubst, noch dass du danach
gedankenverloren eine zylinderförmige Dose Paté öffnest und sie auf deiner Hand drehst, auch
sie lassen manchmal ihre Globen rotieren und halten sie mit dem Zeigefinger an
um eine Weile über die Region, auf die sie per Zufall zeigen, zu meditieren
sie stören sich nicht an deinen gemurmelten Desiderata
ob sich die Dose Paté oder der Dosenöffner dreht; ob sich die kleine gezackten Scheibe
vom Rest der Dose löst oder die Dose von der Scheibe, sie wollen zu Anbruch
eines weiteren bestimmten Frühlings deine Pläne nicht sehen, noch setzen sie alles daran
dir einen Satellitensender einzupflanzen, um deine Schritte über Promenaden
in Seebädern am Atlantik zu überwachen, wo es bekanntlich
Videobars, Schallplattenläden, Telecafés gab, noch machen sie
diese Fahrzeuge ausfindig, die im Auftrag der Suchmaschinen mit aufs Dach geschraubten
360-Grad-Kameras ausschwärmen, um alles zu fotografieren, sie interessieren sich nicht für
die Songs, die dein winziges Wiedergabegerät aus verchromten Stahl und weißem
Plastik speichert, sie kennen nicht unbedingt die Diagnose, die besagt, dass es nicht anormal
sei, nicht mit der Realität verbunden zu sein, sondern – auf einer Makroebene – zu sehr verbunden zu sein,
noch erwarten sie, dass man unter Realität einen Zerstörer versteht, das langsam
in ein Zweistromland eindringt; dass man unter Realität vom Wind
gepeitschten Klatschmohn versteht; oder eine Gruppe von Söhnen Äthiopiens, die so tun, als warteten sie
an einer bestimmten Umgehungsstraße auf den Bus und dabei jeglichen Begriff von
Bestimmtheit verloren haben, mit ihren gammligen Parkas, den geteilten Zigaretten, den Zacken des Kronkorkens
einer gerade geöffneten Flasche, die sie sich in die Fingerkuppe bohren; sie zweifeln
die brüchige nächtliche Kameradschaft die sie vor einer Weile schon geschmiedet haben
indem sie auf Holzstäbchen aufgespießte Hühnerherzen aßen, nicht an, noch setzen sie
dieses Manifest in einen Kontext oder theoretisieren über den Stillstand, sie lesen auch nicht alles, was
der Vizepräsident von Bolivien absondert, noch sind sie eine Synthese der Beharrlichkeit, noch zelten sie
vor den Toren Abessiniens oder hetzen halb gezähmte Leoparden mit dem Trommelwirbel ihrer
Tamburine auf, noch verbrennen sie Boulevardblätter, noch schlafen sie mit über der Brust
verschränkten Armen vor Werbespots ein, noch interessiert es sie, dass du mit süßem Geiz spazieren
/gehst, den Kissenabdruck noch immer im Gesicht und auf der Suche
nach einer bestimmte Marke japanischer Instand-Suppennudeln die Hacken
durch die Gängen eines Supermarkts schleifst, und es ist auch nicht so, dass sie verhindern wollten
dass du – mit dem Temperament einer Eisscholle – diese Suppe zubereitest, bevor du dich daran machst
ein Handbuch über perfekte Ablenkungsmanöver zu lesen, oder sonst was
nein, nein, nein, nichts von all dem, nein, nein
sie wollen einfach nur, dass du verreckst.

Aus dem argentinischen Spanisch von Timo Berger
Für einen Frühlingsplan/Para un plan primavera. German/Español
Ediciones VOX, Bahía Blanca/Buenos Aires, Argentina 2011

[Lembrava-se dele e, por amor, ainda que pensasse]

portugais | Maria do Ros

Lembrava-se dele e, por amor, ainda que pensasse
em serpente, diria apenas arabesco; e esconderia
na saia a mordedura quente, a ferida, a marca
de todos os enganos, faria quase tudo

por amor: daria o sono e o sangue, a casa e a alegria,
e guardaria calados os fantasmas do medo, que são
os donos das maiores verdades. de outra vez mentira

e por amor haveria de sentar-se à mesa dele
e negar que o amava, porque amá-lo era um engano
ainda maior do que mentir-lhe. E, por amor, punha-se

a desenhar o tempo como uma linha tonta, sempre
a cair da folha, a prolongar o desencontro.
E fazia estrelas, ainda que pensasse em cruzes;
arabescos, ainda que só se lembrasse de serpentes.

© Maria do Rosário Pedreira
from: Poemas de Amor – Antologia da Poesia Portuguesa, Organização e Prefácio de Inês Pedrosa,
Publicações dom Quixote, 2001
Audio production: Casa Fernando Pessoa/CML

[Erinnerte sie sich an ihn, würde sie aus Liebe, obgleich sie]

allemand

Erinnerte sie sich an ihn, würde sie aus Liebe, obgleich sie
an Schlangen denkt, bloß Schnörkel sagen; würde den brennenden
Biss in ihrem Schoß verbergen, die Wunde, das Mal
all der Täuschungen, sie würde fast alles

aus Liebe tun: gäbe ihren Schlaf und ihr Blut, das Heim und die Freude
und würde hüten die stummen Gespenster der Angst, welche die
Besitzer größerer Wahrheiten sind. Und schon wieder Lügen

aus Liebe müsste sie sich zu ihm an den Tisch setzen
und leugnen, dass sie ihn liebte, denn ihn zu lieben, wäre ein
noch größerer Betrug, als ihn zu belügen. Und aus Liebe würde sie

die Zeit als eine törichte Linie zeichnen, die ständig droht
vom Blatt zu schießen, die Entfremdung zu vergrößern.
Und sie würde Sterne malen, obgleich sie an Kreuze denkt;
Schnörkel, obgleich sie sich nur der Schlangen erinnert.

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

[Lê, são estes os nomes das coisas que]

portugais | Maria do Ros

Lê, são estes os nomes das coisas que
deixaste – eu, livros, o teu perfume
espalhado pelo quarto; sonhos pela
metade e dor em dobro, beijos por
todo o corpo como cortes profundos
que nunca vão sarar; e livros, saudade,
a chave de uma casa que nunca foi a
nossa, um roupão de flanela azul que
tenho vestido enquanto faço esta lista:

livros, risos que não consigo arrumar,
e raiva – um vaso de orquídeas que
amavas tanto sem eu saber porquê e
que talvez por isso não voltei a regar; e
livros, a cama desfeita por tantos dias,

uma carta sobre a tua almofada e tanto
desgosto, tanta solidão; e numa gaveta
dois bilhetes para um filme de amor que
não viste comigo, e mais livros, e também
uma camisa desbotada com que durmo
de noite para estar mais perto de ti; e, por

todo o lado, livros, tantos livros, tantas
palavras que nunca me disseste antes da
carta que escreveste nessa manhã, e eu,

eu que ainda acredito que vais voltar, que
voltas, mesmo que seja só pelos teus livros.

© Maria do Rosário Pedreira
from: Nenhum Nome Depois
Gótica, 2004
Audio production: Casa Fernando Pessoa/CML

[Lies, hier sind die Namen der Dinge, die]

allemand

Lies, hier sind die Namen der Dinge, die
du zurückgelassen hast – mich, Bücher, deinen
Geruch überall im Zimmer; die geteilten
Träume und der doppelte Schmerz, Küsse
am ganzen Körper wie tiefe Schnitte
die nie verheilen; und Bücher, eine Sehnsucht
den Schlüssel eines Zuhauses, das nie
unsres war, einen Morgenmantel aus blauem Flanell
in dem ich diese Liste schreibe:

Bücher und ein Lächeln, das sich nicht aufräumen lässt
und Wut – der Topf mit den Orchideen, die
du so sehr geliebt hast – ich wusste nie warum –, und
die ich vielleicht deshalb nie mehr gegossen; und
Bücher und das seit Tagen nicht gemachte Bett

und auf deinem Kissen, ein Brief und so viel
Kummer, so viel Einsamkeit; und in einer Schublade
zwei Karten für einen Liebesfilm, den du nicht
mit mir gesehen hast, und noch mehr Bücher, ein
ausgeblichenes Hemd, das ich zum Schlafen
anziehe, um dir näher zu sein; und, wo man

hinsieht, Bücher, so viele Bücher, so viele
Wörter, die du nie zu mir gesagt hast, vor dem Brief
den du mir an dem Morgen geschrieben hast, und ich

ich, die immer noch glaubt, dass du zurückkommst
zurückkommst, wenn auch nur wegen deiner Bücher.

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

[Dulce cabroncito, impío vástago]

espagnol | Martín Gambarotta

Dulce cabroncito, impío vástago
por si debe sértelo dicho otra vez
acá queda dicho otra vez lo que debe
serte dicho una y otra vez: negociación
para un fin no negociable, negociar
todo por lo innegociable. Inflígete
esta consigna en la carne, grábatela
en la frente con una púa de tocadiscos
calzate otra vez las botas y regresá
a la estrella de la que viniste.

© 2011 Ediciones VOX
from: Für einen Frühlingsplan/Para un plan primavera. German/Español
Bahía Blanca/Buenos Aires, Argentina 2011: Ediciones VOX, 2011
Audio production: 2011 Literaturwerkstatt Berlin

[Niedlicher Mistkerl, gottloser Spross]

allemand

Niedlicher Mistkerl, gottloser Spross
falls es dir nochmal gesagt werden muss
hier wird gesagt, was dir
immer wieder gesagt werden muss: Verhandle
um ein nicht verhandelbares Ende, alles für
das nicht Verhandelbare einsetzen. Präge
dir diese Losung gut ein, ritze sie dir
mit einer Plattenspielernadel in die Stirn
zieh dir die Stiefel wieder an und kehr zurück
auf den Stern, von dem du gekommen.

Aus dem argentinischen Spanisch von Timo Berger
Für einen Frühlingsplan/Para un plan primavera. German/Español
Ediciones VOX, Bahía Blanca/Buenos Aires, Argentina 2011

[circular de adeus]
[trinta de janeiro. os nomes vazios]

portugais | Pedro Sena-Lino

não sei se alguma vez viste a morte
crescer no corpo de alguém

sobe lenta como se fossem as escadas
a chegar-te depressa

ou a memória como uma coisa viva
e impalpável como uma fotografia

© Pedro Sena-Lino
from: deste lado da morte ninguém responde
Quasi, 2005
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2008

[abschiedsschreiben]
[dreißigster januar. die leeren namen]

allemand

ich weiß nicht ob du schon mal gesehen hast
wie der tod in einem körper heranwächst

er steigt langsam auf als wären es die stufen
die dich schnell erreichen

oder die erinnerung wie etwas lebendiges
und nicht greifbares wie eine fotografie

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

[circular de adeus]
[quinze de janeiro. luz de sombras]

portugais | Pedro Sena-Lino

tem nas costas a luz batente
que a vida concede ao fim

agita o mais íntimo das águas
repete os nomes essenciais
e grita com uma invisível voz
a fome do regresso

é deus assim como é mínimo
com a sabedoria dos dias
e a estrada como um fim

© Pedro Sena-Lino
from: deste lado da morte ninguém responde
Quasi, 2005
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2008

[abschiedsschreiben]
[fünfzehnter januar. schattiges licht]

allemand

ein streiflicht fällt auf die küste
geschenk des lebens an das ende

es wiegelt das innerste der wellen auf
wiederholt die essenziellen namen
und schreit mit unsichtbarer stimme
den hunger nach heimkehr heraus

gott ist so und so gering
mit der weisheit der tage
und der weg wie ein ende

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

[Bienvenida]

espagnol | Martín Gambarotta

Bienvenida perdida Eme
a la aldea de los huraños
las hormigas cuentan las horas
las arañas cuentan los años.

© 2008 Ediciones VOX
from: Para un plan primavera
Bahía Blanca/Buenos Aires, Argentina : Ediciones VOX, 2008
Audio production: 2011 Literaturwerkstatt Berlin

[Willkommen]

allemand

Willkommen, verlorene M
im Weiler der Nörgler
die Ameisen zählen die Stunden
die Spinnen zählen die Jahre.

Aus dem argentinischen Spanisch von Timo Berger
Für einen Frühlingsplan/Para un plan primavera. German/Español
Ediciones VOX, Bahía Blanca/Buenos Aires, Argentina 2011

[a infância do mendigo e a promessa do poema.]

portugais | João Maimona

a infância do mendigo e a promessa do poema.
imensas interrogações sobre a sintaxe da felicidade.
a chuva como resposta tardia quando
a benevolência do império dispersa seu esplendor.
há na calçada do mendigo o mar e o poema.
na espuma azul do novo dia há milhares
de candeeiros desenhado a arquitectura
da convalescência com letras maíusculas.
são janelas misteriosas. anunciados
crepúsculos em cartas de Deus dispersas
por colinas ensoleiradas. de súbito
o coração do mendigo alegra-se
por ler cartas com suspiros de liberdade
e a fome de outros mendigos dedica
uma noite de amor aos loucos do palácio
de exílio quando a chuva se despede da catedral.

© João Maimona
from: O Sentido do Regresso e a Alma do Barco
Luanda: Kilombelombe, 2007
Audio production: 2008 Literaturwerkstatt Berlin

[des Bettlers Kindheit und das Versprechen des Gedichts.]

allemand

des Bettlers Kindheit und das Versprechen des Gedichts.
unermessliche Fragen zur Syntax des Glücks.
der Regen als verspätete Antwort, wenn
ein wohltätiges Imperium all seine Pracht in die vier Winde streut.
das Meer oder das Gedicht steht auf des Bettlers Bürgersteig.
im blauen Schaum des neuen Tags modellieren Tausende
von Straßenlaternen die Architektur
der Genesung in Großbuchstaben.
geheimnisvolle Fenster. aus Gottes Karten
zu lesende Dämmerungen, großzügig
über sonnige Hügel verteilt. plötzlich
erfreut sich des Bettlers Herz
nach der Lektüre von vor Freiheit jauchzenden Briefen,
und der Hunger anderer Bettler widmet
den Irren aus dem Exilpalast eine Liebesnacht, während
der Regen die Kathedrale verabschiedet.

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

Qué es el mar

espagnol | Sergio Raimondi

El barrido de una red de arrastre a lo largo del lecho,
mallas de apertura máxima, en el tanque setecientos mil
litros de gas-oil, en la bodega bolsas de papa y cebolla,
jornada de treinta y cinco horas, sueño de cuatro, café,
acuerdos pactados en oficinas de Bruselas, crecimiento
del calamar illex en relación a la temperatura del agua
y las firmas de aprobación de la Corte Suprema, circuito
de canales de acero inoxidable por donde el pescado cae,
abadejo, hubbsi, transferencias de permiso amparadas
por la Secretaría de Agricultura, Ganadería y Pesca; ahí:
atraviesa el fresquero la línea imaginaria del paralelo, va
tras una mancha en la pantalla del equipo de detección,
ignorante el cardumen de la noción de millas o charteo,
de las estadísticas irreales del INIDEP o el desfasaje
entre jornal y costo de vida desde el año mil novecientos
noventa y dos, filet de merluza de cola, SOMU y pez rata,
cartas de crédito adulteradas, lámparas y asiático pabellón,
irrupción de brotes de aftosa en rodeos británicos, hoki,
retorno a lo más hondo de toneladas de pota muerta
ante la aparición de langostino (valor cinco veces mayor),
infraestructura de almacenamiento y frío, caladero, eso.

© Sergio Raimondi
from: Poesía Civil
Bahía Blanca: VOX, 2001
Audio production: Haus für Poesie, 2017

Was ist das Meer

allemand

Das Schleifen eines über Grund gezogenen Schleppnetzes,
Maschen größtmöglichster Öffnung, siebenhunderttausend Liter
Diesel im Tank, Säcke mit Kartoffeln und Zwiebeln im Laderaum,
Arbeitsschichten von fünfunddreißig Stunden, vier Stunden Schlaf,
Kaffee, in Brüsseler Büros ausgeheckte Abkommen, Vermehrung
des Tintenfischs Illex im Verhältnis zur Wassertemperatur
und den Beschlüssen des Obersten Gerichtshofs, Bahnen
aus rostfreien Stahlkanälen, durch die der Fisch rutscht,
Kabeljau, Seehecht, vom Ministerium für Land- und
Viehwirtschaft und Fischerei erteilte Fangkonzessionen; dort:
überquert der Frischfischhändler die gedachte Linie parallel zur
Küste, verfolgt auf dem Monitor des Aufspürgeräts einen Fleck,
der Fischschwarm kennt weder den Begriff Meilen oder Konzession,
noch die wirklichkeitsfremden Statistiken der INIDEP oder das
Auseinanderdriften von Tageslohn und Lebenskosten seit neunzehn-
hundertzweiundneunzig, Filet von Patagonischem Grenadier, SOMU
und Himmelsgucker, gefälschte Kreditbriefe, Lampen und Asia-Pavillon,
Maul- und Klauenseuche auf britischen Schlachthöfen, Hoki-Fisch,
Rückgabe von Tonnen toter Kurzflossenkalmare an die Tiefsee
als ein Schwarm Rotgarnelen auftaucht (fünfmal höherer Wert),
Infrastruktur für Lagerung und Kühlung, 12-Meilen-Zone, eben das.



[INDEP: Instituto Nacional de Investigación y Desarrollo Pesquero. Nationales Institut für die Fischereiforschung und -entwicklung



SOMU: Sindicato Obreros Marítimos Unidos. Gewerkschaft der vereinten maritimen Arbeiter. Darin sind die Besatzungen der verschiedenen Wasserfahrzeuge (Tanker, Frachtschiffe, Schlepper, Hochseefischer), die unter argentinische Flagge fahren, organisiert. - d.Ü.]

Übersetzt von Timo Berger. In: Sergio Raimondi: Zivilpoesie/Poesía civil, Berlin: wissenschaftlicher verlag berlin 2005, ISBN: 3-86573-112-0.

VO5

espagnol | Marina Mariasch

Una lista de nombres
que pudieron ser  hippies
como “Nova” o “Supernova”
para ponerle a tu bebé
que va a nacer

la noche del año nuevo.
Tu papá se acerca y dice:
“¡Hola! ¡Soy el hombre auto, el hombre
autopista!” Lo sabías,
sólo que es distinto
escucharlo de esos labios finitos
que una vez dieron un beso
para que salieras vos.

Amo tus pies
ahora yo digo “vernos”
y volvés con la tos y un poco de fiebre:
no lo haremos-
“antes que nunca” no es otra cosa
que “nunca”.

Hablar de vos
requiere una voz adolescente:
“doméstico” no significa aquí
tenedores y cuchillos.

¿Hay algo que pueda hacer callar
a esa chica? Detesto
oír hablar  a las chicas.

Esparcís a puñados palabras como
“espantoso”, “gigante”, “tremendo”,
“famoso”; preferís evitar
el “muy”, que es tan preciso en pos
del “francamente”, vago
y reticente.
La fotografía

puede seguir colgada en tu habitación
tranquilamente-
pero yo también quiero estar en mi habitación.
No me comprendiste bien en lo tocante
a las expresiones fuertes:

Cargan las bayonetas;
multitudes gritando y aquí
la vergüenza de vivir siempre
bajo protección.

© M.M.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

DU

allemand

Eine Liste mit Namen,
die nach Hippies klingen könnten,
wie «Nova» oder «Supernova»
für dein Kind,
das zur Welt kommt

in der Silvesternacht.
Dein Vater geht zu dir und sagt:
«Hallo. Ich bin der Automann, der Autobahn-
mann!» Das wusstest du,
nur macht es einen Unterschied,
es von den feinen Lippen zu hören,
die eines Tages küssten
damit du entstandst.

Ich liebe deine Füße
jetzt sage ich «uns sehen»,
und du hast wieder Husten und ein wenig Fieber:
wir werden es nicht tun –
«bevor wir nie» ist nichts anderes
als «nie».

Von dir sprechen
bedarf einer erwachsenen Stimme:
«häuslich» bedeutet hier nicht
Gabel und Messer.

Gibt es etwas, was dieses Mädchen
zum Schweigen bringt? Ich hasse es,
die Mädchen reden zu hören.

Du verteilst eine Handvoll Wörter wie:
«schrecklich», «gigantisch», «furchtbar»,
«berühmt»; du ziehst
dem «sehr», das so treffend ist,
ein «überaus» vor,
vage
und zurückhaltend.

Die Fotografie

kann ruhig weiter in deinem Zimmer
hängen –
aber ich will auch in meinem Zimmer sein.
Du hast mich nicht richtig verstanden, was
die starken Ausdrücke betrifft:

Man lädt die Bajonette;
Die Massen schreien und hier
meine Scham, immer
behütet gelebt zu haben.

Übersetzt von Timo Berger

Vladimiro Isou

espagnol | Ezequiel Alemian


El sorpresivo regreso al país de un ex asesor vice presidencial generó una sostenida ola de rumores acerca de la posibilidad de que el gabinete en pleno presente su renuncia a sólo 20 días de haber sido designado.

Rodeado por un grupo de colaboradores armados, el ex asesor descendió de un jet particular minutos después del mediodía.

“Mi dinero es mío. No debo explicaciones a nadie. Todos los que me critican son unos hipócritas. No estaba escondido. No tengo cuentas secretas. He vuelto para salvar mi vida y estar con a mi mujer y mis hijas”, señaló a los pocos medios que, alertados del retorno, se habían hecho presentes en el aeropuerto.

Voceros del oficialismo restaron importancia al regreso, asegurando que “no representa ningún desafío a la gobernabilidad institucional.”

“El Ejecutivo proseguirá con firmeza el desarrollo de su política de aislamiento y marginación, convencido de que sólo una vez que se haya llegado al punto en que todas las tensiones se concentren en una sola letra alcanzará a entenderse el sentido de su empresa”, señalaron.

© E.A.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Vladimiro Isou

allemand


Die überraschende Rückkehr eines Ex-Beraters des Vizepräsidenten löste eine anhaltende Welle von Gerüchten aus, dass möglicherweise das vollständige Kabinett nach nur zwanzig Tagen seiner Ernennung seinen Rücktritt erklären könnte.

Umgeben von einer Gruppe bewaffneter Mitstreiter, stieg der Ex-Berater einige Minuten nach Mittag aus einem Privatjet.

«Mein Geld ist meins. Ich schulde niemandem Erklärungen. Alle, die mich kritisieren, sind Heuchler. Ich habe mich nicht versteckt. Ich habe keine geheimen Konten. Ich bin zurückgekehrt, um mein Leben zu retten und bei meiner Frau und meinen Töchtern zu sein», erklärte er den wenigen Medien, die sich durch die Rückkehr aufgeschreckt am Flughafen eingefunden hatten.

Sprecher der Regierung spielten die Bedeutung der Heimkehr herunter, indem sie versicherten, dass sie «keine Herausforderung für die Regierbarkeit und die Institutionen darstellt».

«Die Regierung wird die Entwicklung ihrer Politik der Isolie-rung und Ausgrenzung energisch vorantreiben, überzeugt, dass der Sinn ihres Unternehmens nur verständlich werde, wenn sie an den Punkt gelangt, an dem sich alle Spannungen in einem einzigen Buchstaben zusammenziehen», so die Verlautbarung*.





[*Der Buchstabe spielt auf Isidoro Isou an. Dem Begründer der Bewegung des Lettrismus, der später mehr oder weniger in den Situationismus überging. Der Lettrismus verfolgte in einer seiner Ausprägungen die Idee, der Abflachung oder Auslöschung des Sinns durch die Beto-nung der graphematischen Aspekte eines Gedichts. - d.Ü.]

Übersetzt von Timo Berger

Vida de hotel

espagnol | Laura Wittner

Fruta pelada en platos blancos:
toronja rosa, naranja sosa,
melón ardiente, guayaba moza.
Plátano verde para tostones,
banana blanca, arrodajada,
deshecha a fuerza de cuchillo y tenedor.
Furioso chorro del café negro
que inunda la taza, mezcla
el sarro multilingüe,
la brisa tempranera,
marina punteada de nada, lisa.
De prisa, de prisa:
iremos corriendo al agua.
Líneas de sol en la guacaleta
que se vuelven redondeles y espirales
por andar confundidas con las hojas.
Quiero hablar, quiero cantar,
quiero cantar hablando
y hablar cantando pero no puedo:
me sale este runrún sureño,
asoberbiado. Soy sobria, soy tonta,
me enrollo el corpiño en una mano y nado.
Escucho mi respiración, él escucha la suya,
pero vamos juntos a ver peces.
Inspirar, exhalar, inspirar, exhalar,
me mira desde el visor y entre nosotros
se pasea el negro y amarillo pez a rayas.
Tras el pez, el pez viene tras nosotros,
frutas, pez y nadadores
enamorados: una disposición ikebanesca,
naturaleza viva, retrato a la acuarela,
modelos para una abigarrada
versión del origami vegetal.

© Laura Wittner
from: La tomadora de café
Bahía Blanca: Vox, 2005
Audio production: Polvo. 9 Poetas argentinos (CD), Voy a salir y se me hiere un rayo, 2004

Leben im Hotel

allemand

Geschälte Frucht in weißer Schale:
rosa Pomeranze, fade Apfelsine,
feurige Melone, unreife Guavenbirne.
Grüne Kochbananen als Toastbelag,
weiße Bananen in Scheiben geschnitten,
von Messer und Gabel zerdrückt.
Ein wütender schwarzer Kaffeestrahl
der die Tasse überquellen lässt, mischt
den vielsprachigen Zungenbelag
unter die Morgenbrise,
die glatte, ununterbrochene Küste
und schnell, schnell:
springen wir zum Wasser.
Sonnenstreifen auf der Guacaleta-Ranke
die zu Kreisen, zu Spiralen werden
weil sie über die Blätter verlaufen.
Sprechen will ich, singen,
will sprechend singen
und singend sprechen, aber ich kann nicht:
aus meinem Mund dringt dieses südliche,
ernüchterte Gemurmel. Ich bin nüchtern, albern,
wickle meine BH in der Hand auf und schwimme.
Höre auf meine Atmung, er auf seine,
aber die Fische beobachten wir gemeinsam.
Ein- und ausamten, ein- und ausatmen,
er sieht mich durch den Sucher und zwischen uns
schwimmt ein gelb-schwarz-gestreifter Fisch hindurch.
Hinter dem Fisch, der Fisch kommt von hinten,
Früchte, ein Fisch und verliebte
Schwimmer: ein Ikebana-Arrangement,
ein lebendiges Stillleben, ein Aquarellbild,
Modelle für eine bunte
Version eines Pflanzen-Origami.

aus dem argentinischen Spanisch übertragen von Timo Berger

Una foto

espagnol | Laura Wittner

De Elizabeth Taylor, su familia,
y Richard Burton usando una cabeza
enorme, del ratón Mickey.
Elizabeth sonríe, posa las manos
sobre el regazo y dulcemente
mira a la cámara como diciendo:
heme aquí, éste es mi matrimonio,
he logrado insertarlo con naturalidad
en el fluir del mundo, y mi marido
se ha puesto, ya lo ven,
esta cabeza tan graciosa,
dentro de la cual también sonríe.
Hoy todo me da electricidad,
o yo le doy electricidad a todo.
Me sacuden descargas,
produzco clicks,
no puedo tocar nada.
También, siento la lengua
como cuando se está pasando la anestesia
pero al no haber anestesia, lo que siento
es que la lengua se me está durmiendo.
¿Qué tengo? No quisiera mirar a la gente tan de cerca
porque la piel me recuerda a otros materiales.
¿Se les abren los poros?
¿Pero a tal punto?
¿A mí me está pasando?
Hace tanto que llueve, que el agua se acumula
en los pasadizos de separación
entre los adoquines chatos,
y que la voz de la vecina
llega rallada por la lluvia,
que el día de hoy,
que iba a guardar como una foto propia,
donde yo misma sonreiría
sugiriendo mis mensajes a la cámara
se apelmazó con otros: forma parte
de una materia descompuesta, subterránea,
que hechizada por una maldición
no conecta, no contacta.

© Laura Wittner
from: Las últimas mudanzas
Bahía Blanca: Vox, 2001
Audio production: Polvo. 9 Poetas argentinos (CD), Voy a salir y se me hiere un rayo, 2004

Ein Foto

allemand

Von Elizabeth Taylor, ihrer Familie,
und Richard Burton, der einen riesigen
Kopf aufhat, den von Mickey Maus.
Elizabeth lächelt, legt ihre Hände
in den Schoß und blickt
sanft in die Kamera, als würde sie sagen:
seht her, dies ist meine Ehe,
ich habe geschafft, sie ganz natürlich
in den Fluss der Welt einzufügen, und mein Mann
hat sich, wir ihr seht,
diesen komischen Kopf aufgesetzt,
in dem er auch noch lächelt.
Heute werde ich von allem aufgeladen,
oder ich lade alles auf.
Ein Schlag durchfährt mich,
ich erzeuge Klicks,
kann nichts anfassen.
Meine Zunge fühlt sich so an
als ob eine Betäubung nachließe
doch weil ich keine Betäubung bekommen habe, fühle ich
nur wie meine Zunge einschläft.
Was fehlt mir? Ich möchte die Menschen nicht aus solcher Nähe sehen
weil mich ihre Haut an andere Materialien erinnert.
Öffnen sich ihre Poren?
Aber wie weit?
Und auch mir?
Es regnet schon so lange, dass sich Wasser sammelt
in den Fugen
zwischen den flachen Pflastersteinen,
und die Stimme der Nachbarin
ist vom Regen zerrieben,
der heutige Tag,
den ich wie eine Fotografie aufbewahren wollte,
auf der ich selbst lächeln würde
und der Kamera meine Botschaften übermitteln,
ist ein Klumpen geworden mit anderen Tagen: Teil
eines zerfallenden, unterirdischen Stoffes
der aufgrund eines Fluches
weder verbindet, noch verbandelt.

aus dem argentinischen Spanisch übertragen von Timo Berger

UN APARATO MUY TRISTE

espagnol | Damián Ríos

Quiero aprovechar un ruido oscuro
quiero aprovechar
la cara
blanca
de una madre
bajo la sombra raleada de una parra.

Son las once y a cada rato subo a la terraza para ver
los patrulleros saliendo del garage de la comisaría;
vacilante, uno llega a la esquina y antes de que el
semáforo se ponga en verde, el rati acelera y prende
la sirena. Algo de viento cruza en lentas ráfagas,
seca el poco de agua que resta de los chaparrones de
tarde. No hace frío y un amigo hablaría de cervezas
pero ahora estoy solo.

Quiero aprovechar
madre
la palabra
la cara
la penumbra de un recuerdo
un resto de ruidos
motores
la huella
la respiración
la boca
abierta
de una rubia sentada
en una cama
una noche
-un invierno-.

Hacia el fondo, hacia el centro, un movimiento en
espiral. Alguien habrá estado, pienso, temprano,
hojeando suplementos de espectáculos; eligiendo
entre avisos diminutos que prometían -gratis-
recitales y teatro. Alguien marcó un número de
teléfono y preguntó que vas a hacer, nada, salir
a comprar cigarrillos. Fumar.
Fumar en aulas
vacías
en paradas
de colectivos
fumar
nerviosos
tranquilos guardar
humo
en los pulmones
después
dejarlo ir.
en una sala
de hospital
una espera
una mujer
busca
fuego
pregunta
por fuego
a enfermeros/camilleros
no hay fuego
dicen
ha dejado de llover
piensa ella
y no hay fuego
no hay
a esta hora
kioscos abiertos
dicen
y ella piensa en muchas cosas
pero lo realmente preocupante es que no hay fuego.

Silencio.
Primero es el sonido largo de una frenada. Un sonido
que va engordando y que durará pocos segundos, y si
bien supongo que no son menos de dos cuadras las que
me separan de esos dos autos que tal vez están a pto
de chocar, igual mi cuerpo se prepara, encogiéndose,
para amortiguar un golpe que, obviamente, no va a
recibir: tengo que escribir eso, Y tengo que escribir,
además, que después paso dos horas mirando la bolsa
de basura que debí haber sacado antes de las diez.

Entonces yo debo cantar
debo aprender
a leer música
por ejemplo
saber
lo que es una nota
un tono
debo aprender lo que no es
entonces yo quiero cantar
aprender a decir
cantando
lo mismo qué
sin música
y sin embargo no puedo
no se lo que es
lo que no es
no sé
no sé porqué a veces me distraigo
cambiando el dial de la radio
que todos sabemos que es
una operación muy triste: hablo
de buscar una linda canción
entre tantas noticias y partidos de fútbol.
Hablo de encontrarla y que se oigan,
detrás, descargas de una tormenta eléctrica.
Hablo de eso, ¿no?

© D.R.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

EIN SEHR TRAURIGER APPARAT

allemand

Ich will ein dunkles Geräusch benutzen
Ich will
das weiße
Gesicht
einer Mutter
im Schatten sich rankender Weinreben benutzen.

Es ist elf, und immer wieder steige ich auf die Terrasse, um
die Streifenwagen aus der Garage des Kommissariats fahren zu sehen;
stockend, einer erreicht die Ecke, noch bevor die Ampel auf
Grün schaltet, beschleunigt der Wagen und stellt die
Sirene an. Einige schwache Windstöße wehen,
es ist spät, nicht kalt, und ein Freund würde von Bier sprechen,
aber jetzt bin ich allein.

Ich will
die Mutter
das Wort
das Gesicht
die Dunkelheit einer Erinnerung benutzen

Reste eines Geräuschs
Motoren
die Spur
die Atmung

der offene
Mund
einer auf einem Bett
sitzenden Blonden
eines Nachts
– im Winter.

Auf den Grund, zur Mitte, ein spiralförmige
Bewegung. Jemand muss da gewesen sein, denke ich, in der Frühe
die Kulturbeilagen durchgeblättert, aus winzigen
Anzeigen ausgewählt haben, die – gratis –
Konzerte und Theateraufführungen versprechen. Jemand strich eine Telefon-
Nummer an und fragte, was wirst du machen, nichts, Zigaretten
holen gehen. Rauchen.

Rauchen in leeren
Sälen
an Bus-
Haltestellen
nervös
rauchen
ruhig den Rauch
in den Lungen
zurückhalten
dann ihn
ziehen lassen.

In einem Saal
im Krankenhaus
wartet eine

eine Frau
sucht nach
Feuer
fragt
die Krankenschwestern
nach Feuer

Es gibt kein Feuer
sagen sie
es hat aufgehört zu regnen
denkt sie
und es gibt kein Feuer
es gibt
jetzt keinen
geöffneten Kiosk
sagen sie
und sie denkt an viele Dinge
aber wirklich beschäftigt sie nur, dass es kein Feuer gibt

Stille...

Zuerst das lange Kreischen einer Bremse. Ein Geräusch,
das anschwillt und wenige Sekunden andauert, und auch wenn
ich davon ausgehe, dass es weniger als zwei Blocks sind, die mich
von jenen zwei Autos trennen, die vielleicht kurz davor sind,
zusammen zu stoßen, stellt sich mein Körper darauf ein, krümmt sich,
um einen Schlag zu abdämpfen, den ich, offensichtlich, nicht
empfangen werde; ich muss dies schreiben. Und ich muss außerdem
schreiben, dass ich danach zwei Stunden die Müll-
beutel ansehe, die ich vor zehn Uhr hätte hinausstellen sollen.

Danach muss ich singen
muss ich lernen
Musik zu lesen
zum Beispiel
um zu wissen
was eine Note ist
ein Ton

Ich muss lernen, was es nicht ist

Danach möchte ich singen.
lernen, im Singen
dasselbe
zu sagen wie
ohne Musik
und trotzdem kann ich es nicht

Ich weiß nicht, was es ist
was es nicht ist
ich weiß nicht

ich weiß nicht, warum ich mich manchmal damit ablenke,
am Rädchen des Radios zu drehen.
Wir wissen alle, dass dies
eine sehr traurige Handlung ist, ich spreche
davon, ein schönes Lied zu chen
unter all den Nachrichten und Fußballspielen.
Ich spreche davon, es zu finden, und dass ihr dahinter
die Entladungen eines elektrischen Sturms hören sollt.
Davon spreche ich, oder?

Übersetzt von Timo Berger

UMA BOTÂNICA DA PAZ: VISITAÇÃO

portugais | Ana Luisa Amaral

Tenho uma flor
de que não sei o nome
 
Na varanda,
em perfume comum
de outros aromas:
hibisco, uma roseira,
um pé de lúcia-lima
 
Mas esses são prodígios
para outra manhã:
é que esta flor
gerou folhas de verde
assombramento,
minúsculas e leves
 
Não a ameaçam bombas
nem românticos ventos,
nem mísseis, ou tornados,
nem ela sabe, embora esteja perto,
do sal em desavesso
que o mar traz
 
E o céu azul de Outono
a fingir Verão
é, para ela, bênção,
como a pequena água
que lhe dou
 
Deve ser isto
uma espécie da paz:
 
um segredo botânico
de luz

© Ana Luisa Amaral
from: Entre Dois Rios e Outras Noites
Campo das Letras, 2007
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2008

Botanik des Friedens: Besuch

allemand

Ich besitze eine Blume
und kenne ihren Namen nicht.

Ihr Duft vermischt sich
auf dem Balkon
mit anderen Gerüchen:
Hibiskus, Rose
Zitronenverbene

Doch das sind Wunder
für einen anderen Morgen:
Denn der Blume
sind erstaunlich grüne Blätter
gewachsen,
winzig und leicht.

Weder Bomben bedrohen sie
noch romantische Winde
Raketen oder Tornados
noch weiß sie, obwohl sie so nah ist
von der Gefahr, welche die salzige
Seeluft bringt

Und der blaue Herbsthimmel
der vorgibt, noch Sommer zu sein
ist für sie ein Segen
wie das bisschen Wasser
mit dem ich sie gieße

Das muss eine Art
Frieden sein:

ein botanisches Geheimnis
des Lichts

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

Todos tenemos la razón

espagnol | Accidents Polipoétics

Todos tenemos la razón.
                        Porque la razón es sagrada.
                        Porque la razón es buena.
                        Porque la razón es definitiva.

                  Todos tenemos la razón.
                        Porque la compramos
                        o porque la tenemos
                        o porque nos lo creemos
                        o porque nadie nos discute
                        o porque no hay nadie en casa.

    Todos, todos, todos tenemos la razón.
                        Altos o bajos. Feos o gordos.
                        Guapos o taxistas. Dioses o policías.


El perro tiene razón cuando riega las esquinas.
Mamá tiene razón porque no tienes trabajo.
Ella no tiene razón porque no tienes dinero.

Tener la razón es fácil:
                        Basta tener hijos, empleados, mujer,
                        camareros, alumnos, soldados, tíos feos,
                        amigos tímidos, animales domésticos,                            
peces de colores.
                        
Qué satisfacción saber que las merluzas
                        nunca te llevan la contraria!.
                                      ¿Por qué?
                        Porque tienes razón.

Todos, todos, todos tenemos la razón,
                        porque la razón es buena, es santa,
                        es el mejor invento desde el agua de seltz.
Y en último caso siempre se puede uno comer la merluza
si esta se atreve a replicar.
 
Porque todos, todos, todos, todos, todos
                                         tenemos la razón.

© Accidents Polipoétics
from: Todos Tenemos la Razón
Barcelona : ed. La Tempestad, 2004
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Alle haben wir recht

allemand

Alle haben wir Recht
                            Denn Recht haben ist heilig.
                            Denn Recht haben ist gut.
                            Denn Recht haben ist endgültig.

                 Alle haben wir Recht.
                            Weil wir es gekauft haben
                            oder weil es uns gehört
                            oder weil wir es glauben
                            oder weil uns niemand widerspricht
                            oder weil niemand zu Hause ist.

Alle, alle, alle haben wir Recht.
    Große und Kleine. Hässliche und Dicke.
    Schöne oder Taxifahrer. Götter oder Polizisten.

Der Hund hat Recht, wenn er die Straßenecken gießt.
Mama hat Recht, weil du keine Arbeit hast.
Sie hat nicht Recht, weil du kein Geld hast.

Recht haben ist einfach:
    Man muss nur Kinder haben, Angestellte, Ehefrau,
    Kellner, Schüler, Soldaten, hässliche Onkel,
    schüchterne Freunde, Haustiere,
bunte Fische.

Wie zufrieden macht es doch, zu wissen, dass dir die Seehechte
    nie widersprechen werden!
Warum?
    Weil du Recht hast.

Alle, alle, alle haben wir Recht,
    weil Recht haben gut ist, heilig ist,
    die beste Erfindung seit dem Aqua Seltzer.
Und im schlimmsten Fall kann man den Seehecht immer noch verspeisen,
sollte er es wagen zu widersprechen.

Denn alle, alle, alle, alle, alle
                       haben wir Recht.

Übersetzt von Timo Berger

Todas las sillas huelen a culo

espagnol | Accidents Polipoétics

Como todas las vacas huelen a paja               
             y todas las flores a abono
             y todas las botas a pie sudado,
             todas las sillas huelen a culo
             como todos los coches huelen a gasolina
             o todas las secretarias a perfume barato.

Todos los cretinos huelen a estiércol,
             como vacas con botas,
             y todos los autobuses huelen a nada,               
             como sombras vetustas de alguien
             que se extravió hace tiempo.

Todas las sillas huelen a culo
             como todas las botellas huelen a vómito,
             vueltas a llenar y vendidas de nuevo
             para la próxima resaca.
             Todos los condones huelen... a algo.
             Y todas las margaritas de los parques             
             huelen a margarita, porque están en el parque.

Todas las neveras y los lavaplatos.
             Todos los televisores y las estufas.
             Todos los ciclomotores y las cocinas.
             Todas las lámparas y los inodoros
             huelen a desinfectante,
             porque justo hace un momento
             acaban de limpiarlos.

Todos los cabellos huelen a laca,
             como todas las medicinas huelen a muerto.
             Todas las personas huelen a mono,                
             como todas las joyas huelen a sudado.
             Todas las sillas huelen a culo,
             como todos los culos huelen... a mierda.

© Accidents Polipoétics
from: Todos Tenemos la Razón
Barcelona : ed. La Tempestad, 2004
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Alle Stühle riechen nach ärschen

allemand

So wie alle Kühe nach Stroh riechen
und alle Blumen nach Dünger
und alle Stiefel nach Schweißfüßen,
riechen alle Stühle nach Ärschen
so wie alle Autos nach Benzin riechen
oder alle Sekretärinnen nach billigem Parfüm.

Alle Kretins riechen nach Misthaufen
wie Kühe mit Stiefeln,
und alle Omnibusse riechen nach nichts,
wie die alten Schatten von einem,
der vor langer Zeit verschwand.

Alle Stühle riechen nach Ärschen
so wie alle Flaschen nach Kotze riechen,
wiederaufgefüllt und wieder verkauft werden,
für den nächsten Kater.
Alle Kondome riechen… nach etwas.
Und alle Margariten im Park
riechen nach Margarite, weil sie im Park sind.

Alle Kühlschränke und Geschirrspüler.
Alle Fernseher und Heizungskörper.
Alle Mopeds und Küchen.
Alle Lampen und Kloschüsseln
riechen nach Desinfektionsmittel,
denn sie wurden gerade vor einem Augenblick
gereinigt.

Alle Haare riechen nach Haarlack,
so wie alle Arzneimittel nach Tod riechen.
Alle Menschen riechen nach Affe,
so wie alle Schmuckstücke nach Schweiß riechen.
Alle Stühle riechen nach Ärschen,
so wie alle Ärsche nach… Scheiße riechen.

Übersetzt von Timo Berger

Tiempo transfigurado

espagnol | Eugenio Montejo

A António Ramos Rosa

La casa donde mi padre va a nacer
no está concluida,
le falta una pared que no han hecho mis manos.

Sus pasos, que ahora me buscan por la tierra,
vienen hacia esta calle.
No logro oírlos, todavía no me alcanzan.

Detrás de aquella puerta se oyen ecos
y voces que a leguas reconozco,
pero son dichas por los retratos.

El rostro que no se ve en ningún espejo
porque tarda en nacer o ya no existe,
puede ser de cualquiera de nosotros,
—a todos se parece.

En esa tumba no están mis huesos
sino los del bisnieto Zacarías,
que usaba bastón y seudónimo.
Mis restos ya se perdieron.

Este poema fue escrito en otro siglo,
por mí, por otro, no recuerdo,
alguna noche junto a un cabo de vela.
El tiempo dio cuenta de la llama
y entre mis manos quedó a oscuras
sin haberlo leído.
Cuando vuelva a alumbrar ya estaré ausente.

© E.M.
from: Tiempo transgurado (Anthología Poética)
Carabobo: Universidad de Carabobo, 2002
Audio production: 2005, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Verwandelte Zeit

allemand

für António Ramos Rosa


Das Haus, in dem mein Vater zur Welt kommen wird,
ist noch nicht fertig,
es fehlt eine Wand, die ich noch nicht gebaut habe.

Seine Schritte, die mich jetzt in der Welt suchen,
kommen dieser Straße näher.
Doch ich kann sie nicht hören, noch sind sie nicht bei mir.

Hinter jener Tür hört man Echos
und Stimmen, die ich meilenweit entfernt wiedererkenne,
doch sie gehören den Bildern.

Das Gesicht, das man nicht im Spiegel sieht,
weil es später zur Welt kommt oder schon nicht mehr existiert,
könnte von jedem von uns stammen
– es ist uns allen ähnlich.

In jenem Grab liegen nicht meine Knochen
sondern die des Urenkels von Zacharias,
der einen Stock benutzte und ein Pseudonym.
Meine Überreste gingen schon lange verloren.

Dieses Gedicht wurde in einem anderen Jahrhundert verfasst,
ich erinnere nicht, ob von mir oder einem anderen,
eines nachts im Schein eines Kerzenstummels,
als die Zeit die Flamme einholte,
und das Gedicht in meinen Händen schwarz wurde,
bevor ich es lesen konnte.
Wenn es wieder hell wird, bin ich schon weg.

Übersetzt von Timo Berger

Tal vez

espagnol | Eugenio Montejo

Tal vez sea todo culpa de la nieve
que prefiere otras tierras más polares,
lejos de estos trópicos.

Culpa de la nieve, de su falta,
-la falta que nos hace
cuando oculta sus copos y no cae,
cuando pospone, sin abrirlas, nuestras cartas.

Tal vez sea culpa de su olvido,
de nunca verla en estas calles
ni en los ojos, los gestos, las palabras.
Tantas cosas dependen noche y día
de su silencio táctil.

Nuestro viejo ateísmo caluroso
y su divagación impráctica
quizá provengan de su ausencia,
de que no caiga y sin embargo se acumule
en apiladas capas de vacío
hasta borrarnos de pronto los caminos.

Sí, tal vez la nieve,
tal vez la nieve al fin tenga la culpa…
Ella y los paisajes que no la han conocido,
ella y los abrigos que nunca descolgamos,
ella y los poemas que aguardan su página blanca.

© E.M.
from: Tiempo transgurado (Anthología Poética)
Carabobo: Universidad de Carabobo, 2002
Audio production: 2005, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Vielleicht

allemand

Vielleicht hat die Schuld an allem der Schnee,
denn er zieht andere Länder vor, näher an den Polen,
fern dieser Tropen

Schuld hat der Schnee, sein Fernbleiben
– er fehlt uns,
wenn er seine Flocken versteckt und nicht fallen lässt
wenn er unsere Briefe zurückschickt, ohne sie zu öffnen.

Vielleicht hat die Schuld seine Vergesslichkeit,
dass er nie gesehen wurde in dieser Gegend,
diesen Augen, Gesten, Worten.
Tag und Nacht hängen so viele Dinge
von seinem berührbarem Schweigen ab.
 
Unser alter kämpferischer Atheismus
und unser belangloses Geschwätz
stammen vielleicht von seinem Fernbleiben,
davon, dass er nicht fällt und sich dennoch ansammelt
in sich türmenden Schichten von Nichts,
bis er auf einmal doch die Wege verwischt.

Ja, vielleicht der Schnee,
vielleicht hat der Schnee die eigentliche Schuld...
Er und die Landschaften, die ihn nie kennen gelernt haben,
er und die Mäntel, die wir uns nie umhängen werden,
er und die Gedichte, die noch auf einer weißen Seite warten.

Übersetzt von Timo Berger

Sueño y reparación

espagnol | Sergio Raimondi

Como ciertos motores de nafta, el operario
se alimenta de sopa, una porción de papas
hervidas, un sangúche de milanesa y dos
frutas que pueden ser naranjas o manzanas.
Todo esto sobre una bandeja de telgopor
envuelto en nylon. Además un vaso plástico
y una serie de jarras con jugo o agua
en forma regular dispersas sobre la mesa.
Si bien el menú no se repite en forma exacta
día a día, semana a semana, mes a mes,
ciertas vitaminas dominan la composición.
El paladar de cada uno de los comensales
se adapta a un sistema de sabores y pesos
que varía según el grado de importancia
de la empresa y la calidad de la licitación.
Quienes se dedican a proveer las raciones
saben sin duda que no conviene generar
somnolencia (usualmente modorra o fiaca),
aunque es posible que un sueño limitado
de entre veinte o treinta minutos, la cabeza
caída sobre el respaldar, sueltos los brazos
a ambos lados de la silla, permita renovar
las fuerzas del cuerpo con un plus de eficacia.
Con una pala en la mano a punto de ser
hundida en el montón de tierra, el operario
se asemeja desde muy lejos a la máquina
que hace lo mismo aunque con rapidez
mayor y en mayor cantidad. El sol, la lluvia
y la acción constante también debilitan
el artefacto e imprimen marcas notables
no sólo en la carrocería sino en el sistema
de transmisión y aún en el motor mismo;
su siempre inminente vejez, sin embargo,
se mide menos por progresivas deficiencias
que por la aparición de un nuevo modelo
de funcionalidad más amplia y costo más bajo.

© S.R.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Schlaf und Reparatur

allemand

Wie gewisse Motoren Benzin, verbraucht
der Arbeiter Suppe, eine Portion gekochter
Kartoffeln, ein Schnitzelsandwich und zwei
Früchte, etwa Orangen oder Äpfel.
Das Ganze auf einem Styroportablett
in Folie eingewickelt. Dazu ein Plastikbecher
und einige, regelmäßig über den Tisch
verteilte Krüge mit Saft oder Wasser.
Auch wenn sich das Menü nicht genau gleich
täglich, wöchentlich, monatlich wiederholt,
dominieren doch bestimmte Vitamine die Auswahl.
Der Gaumen eines jeden der geladenen Gäste
passt sich einer Ordnung von Aromen
und Gewichten an, die je nach Bedeutung
des Unternehmens und Güte seines Auftrags variiert.
Die, die sich um die Lieferung der Mahlzeiten kümmern,
wissen zweifellos, dass es nicht ratsam ist, Schläfrigkeit
hervorzurufen (für gewöhnlich: Hundemüdigkeit und
Schlappheit), obwohl es sein mag, dass ein begrenzter
Schlaf, zwischen zwanzig und dreißig Minuten,
– Kopf auf der Lehne, Arme locker
zu beiden Seiten des Stuhls – die Kräfte des Körpers
mit einem Plus an Effizienz erneuern kann.
Mit der Schaufel in der Hand, kurz davor,
sie in einen Erdhügel zu stecken, gleicht
der Arbeiter, von weitem, der Maschine,
die dasselbe vollbringt, wenn auch mit höherer
Geschwindigkeit und in größerer Menge. Sonne,
Regen und eine ständige Laufzeit schwächen
auch die Maschine und hinterlassen wahrnehmbare Spuren
nicht nur an der Karosserie, sondern an der Kraft-
übertragung und gar am Motor selbst;
ihre immer schon drohende Alterung misst sich
dennoch weniger an ihren zunehmenden Mängeln,
als durch das Erscheinen eines neueren Modells
mit umfangreicheren Funktionen und geringeren Kosten.

Übersetzt von Timo Berger. In: Sergio Raimondi: Zivilpoesie/Poesía civil, Berlin: wissenschaftlicher verlag berlin 2005, ISBN: 3-86573-112-0.

Sueño de la melodía inifinita

espagnol | Ezequiel Alemian


Esa mañana, cuando dejamos el pueblo como todos los días, encontramos que el camino estaba sembrado con estacas de madera. Si bien no tuvimos problemas para cruzar, el correo y la proveeduría, que normalmente llegaban al mediodía, no contaron con tanta suerte y detuvieron la marcha en la entrada del bosque. Los encontramos al caer la tarde, de regreso de las reuniones. Nos encargaron hacer las entregas por ellos.

Al día siguiente pasó lo mismo.

Al tercer día las estacas eran tantas que tuvimos que salir bordeando el bosque y a la vuelta nos negamos a cargar con los paquetes.

Después dejé de salir.

Los que se animaban a cruzar decían que afuera el progreso seguía con su ritmo natural. Por las noches empezaron a asaltarme visiones.

Fueron pasando los años.

Viví en el galponcito que mi padres tenían en el fondo del jardín hasta que fallecieron. Entonces me mudé a la construcción principal.

© E.A.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Traum der unendlichen Melodie

allemand


An jenem Morgen, als wir das Dorf wie jeden Tag verließen, entdeckten wir, dass der Weg mit Holzpfählen übersäht war. Auch wenn wir ohne Probleme durchkamen, waren der Postbote und die Lieferanten, die normalerweise gegen Mittag eintrafen, nicht so erfolgreich und stoppten am Waldrand. Wir begegneten ihnen, als der Abend anbrach, bei der Rückkehr von unseren Terminen. Sie beauftragten uns, ihre Lieferungen zu übernehmen.

Am nächsten Tag geschah dasselbe.

Am dritten Tag waren die Pfähle so zahlreich, dass wir den Waldrand entlanggehen mussten, und auf dem Rückweg weiger-ten wir uns, die Pakete zu tragen.

Danach ging ich nicht mehr hinaus.

Die, die es weiterhin wagten, den Weg zu nehmen, sagten, dass der Fortschritt draußen seinen natürlichen Lauf nahm. In den Nächten überkamen mich Visionen…

Die Jahre vergingen…

Ich lebte in einem kleinen Schuppen im hinteren Teil des Gartens, bis meine Eltern starben. Danach zog ich in das Hauptgebäude.

Übersetzt von Timo Berger

Sueño con serpientes

espagnol | Silvio Rodríguez

Hay hombres que luchan un día
                  y son buenos.
                  Hay otros que luchan un año
                  y son mejores.
                  Hay quienes luchan muchos años
                  y son muy buenos.
                  Pero hay los que luchan toda la vida:
                  esos son los imprescindibles.
                                               Bertolt Brecht

 
Sueño con serpientes, con serpientes de mar,
con cierto mar, ay, de serpientes sueño yo.
Largas, transparentes, y en sus barrigas llevan
lo que puedan arrebatarle al amor.
 
Oh, la mato y aparece una mayor,
oh, con mucho más infierno en digestión.
 
No quepo en su boca. Me trata de tragar
pero se atora con un trébol de mi sien.
Creo que está loca. Le doy de masticar
una paloma y la enveneno de mi bien.
 
Oh, la mato y aparece una mayor,
oh, con mucho más infierno en digestión.
 
Esta, al fin, me engulle. Y mientras por su esófago
paseo, voy pensando en qué vendrá.
Pero se destruye cuando llego a su estómago
y planteo con un verso una verdad.
 
Oh, la mato y aparece una mayor,
oh, con mucho más infierno en digestión.

© Silvio Rodríguez
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2011

Traum von Schlangen

allemand

»Die Schwachen kämpfen nicht.
                  Die Stärkeren kämpfen vielleicht eine Stunde lang.
                  Die noch stärker sind, kämpfen viele Jahre.
                  Aber die Stärksten kämpfen ihr Leben lang.
                  Diese sind unentbehrlich.«
                  Bertolt Brecht

Mir träumt von Schlangen, von Seeschlangen,
von einem ganzen Meer voller Schlangen träumt mir.
Riesige, durchsichtige Nattern, und in ihren Mägen,
was sie der Liebe entreißen konnten.

Oh, ich töte sie und es erscheint eine größere
Oh, die eine noch größere Hölle verdaut.

Ich pass nicht in ihr Maul. Sie will mich verschlingen,
aber verschluckt sich am Kleeblatt meiner Schläfe.
Ich glaube, sie ist verrückt, werfe ihr eine Taube
vor und kann sie vergiften mit meiner Güte.

Oh, ich töte sie und es erscheint eine größere
Oh, die eine noch größere Hölle verdaut.

Und die verschlingt mich. Während ich in ihr spaziere,
frag ich mich, was kommt noch in diesem Schlund?
Aber kaum, dass ich in ihren Magen komme und
mit einem Vers die Wahrheit sage, fliegt sie in die Luft.

Oh, ich töte sie und es erscheint eine größere
Oh, die eine noch größere Hölle verdaut.

aus dem kubanischen Spanisch von Timo Berger

Still Polish

espagnol | Ezequiel Alemian


Un científico que regresa del exterior, donde ha sido becado para desarrollar un proyecto de investigación, se toma unos días para visitar a un ex compañero de estudios, que lleva a cabo tareas rutinarias en un alejado pueblo de provincia.
Después de haber pasado por un largo tratamiento de salud en las montañas, el hermano mayor acude a casa del menor, para disfrutar con él los meses previos de lo que se supone será su recaída final.

Homenajeado por la ciudad que lo ha visto partir treinta años antes, un consagrado director de orquesta vuelve a su lugar de formación, donde es recibido por un conductor joven y desmedidamente ambicioso, que está casado con la hija de la mujer que ha sido amante del renombrado y que, de alguna manera, precipitó su exilio, cuando decidió cortar con la relación.
El adolescente que la madre escondió en un altillo para evitar que lo enviaran al frente es dado por muerto en combate, y el pueblo entero le rinde honores como a un verdadero héroe sacrificado en la defensa de la patria.

Un joven se acaba de recibir de geógrafo y vive con su pobre sueldo de profesor. Debe mantener a una esposa embarazada.

No tiene parientes ricos, no tiene vivienda, tampoco tiene talento para los negocios.
No tiene perspectiva alguna.

© E.A.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Still Polish

allemand


Ein Wissenschaftler kehrt aus dem Ausland zurück, wo er dank eines Stipendiums ein Forschungsprojekt durchgeführt hat-te; er nimmt sich ein paar Tage frei, um einen ehemaligen Stu-dienkollegen zu besuchen, der Routinearbeiten in einem abgele-gen Dorf in der Provinz erledigt.

Nach dessen langwieriger Behandlung in den Bergen, eilt der große Bruder zum Haus des jüngeren, um mit ihm gemeinsam die Monate vor seinem zu erwartenden endgültigen Rückfall zu verbringen.

Geehrt durch die Stadt, die ihn vor dreißig Jahren gehen ließ, kehrt ein anerkannter Orchesterdirigent an den Ort seiner Ausbil-dung zurück, wo er von einem jungen und übermäßig ehrgeizigen Dirigenten empfangen wird, der die Tochter der ehemaligen Lieb-haberin des Berühmten geheiratet hat – und die, wenn man es so will, dessen überstürztes Exil ausgelöst hat, als sie damals ent-schied, die Beziehung zu beenden.

Man erklärt den Jugendlichen, den die Mutter in einer Dach-kammer versteckt hat, um zu verhindern, dass er an die Front ge-schickt wird, zum Gefallenen in der Schlacht, und das ganze Dorf erweist ihm seine Ehre wie einem wahrhaftigen Helden, der sich für die Verteidigung des Vaterlandes geopfert hat.

Ein junger Mann hat gerade sein Geographiestudium beendet und lebt nun von seinem armseligen Gehalt als Lehrer. Er muss eine schwangere Frau unterhalten.

Er hat keine reichen Verwandten, er hat kein Haus, er hat auch kein Händchen für Geschäfte.

Er hat keine Perspektive.

Übersetzt von Timo Berger

Soy-ex

espagnol | Marina Mariasch

Nunca fui sexy

para mi papá:
un gato,
un oso,
un perro,
un león.

¿Me soltás?
¡Destiérrenme!
Ya incendié “cadáveres”,
castigué bebés
y encerré ancianos.

Supe hablar varios idiomas.
Bailar tango, flamenco y folclor
lento
rápido
te tapé en la cama
una noche que hacía calor.
Alguien dice que se comería mi pelo:
-“¡pura proteína!”
Pero: qué pasa-
rá?

Pienso en cruzar
a la terraza de esa vieja
que tiende la ropa al sol.
Pero creo que una piedra es un sapo,
ya estoy de otro color.

Entonces sigo adentro de este jean
donde hasta soy capaz
de abrocharme
los botones de la cream.

Me extraña
producir calor.
Lo extraño-
es algo innato.
Como las manchas
hereditarias
cambian de color.

¿Debería llamarte Canasta?
Cuando dicen no hay
momento mejor para comprar,
¿suponen una recuperación del valor?
Todos los días se cumple el aniversario
de un atentado.

Nunca fui Tweety ni Chilly Willy,
me habría gastado el dedo
en esas esponjitas
para contar dinero.
Se diría que el terror en los animales
es más evidente.

¿Cómo puedo estar llorando en el supermercado?
¡Un exceso de poesía!

Pero hago esfuerzos:
pensar en lo más más feo.
Ya está.

© M.M.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Ich-bin-ex

allemand

Nie war ich sexy

für meinen Papa:
eine Katze,
ein Bär,
ein Hund,
ein Löwe.

Lässt du mich los?
Verbannt mich!
Ich habe «Kadaver» angezündet,
Babys bestraft
und Alte eingesperrt.

Ich konnte mehrere Sprachen sprechen.
Tango, Flamenco und Folklore tanzen
langsam
schnell

Ich deckte dich zu im Bett
eines Nachts, als es heiß war.
Jemand sagt, dass er meine Haare aufessen würde:
– «reinstes Protein!»
Aber: was würde
geschehen?

Ich denke daran hinüberzugehen
auf die Terrasse jener Alten
die ihre Wäsche in die Sonne hängt.
Doch ich glaube, dass ein Stein ein Frosch ist,
schon habe ich eine andere Farbe.

Dann lasse ich weiter diese Jeans an
bei der ich sogar in der Lage bin
die Knöpfe am Bund
zu schließen

Es erscheint mir seltsam,
dass ich Wärme erzeuge.
Das Seltsame –
ist etwas Angeborenes
So wie die vererbten
Flecke
ihre Farbe wechseln.

Sollte ich dich Warenkorb nennen?
Wenn man sagt, es gäbe keinen
besseren Moment um einzukaufen,
legt man eine Wertsteigerung zu Grunde?
Jeder Tag ist der Jahrestag
eines Attentats.

Nie war ich Tweety, noch Chilly Willy
Ich hätte mir den Finger ausgeleiert
an jenen Schwämmchen
fürs Geldzählen.
Man würde sagen, dass die Angst bei den Tieren
offensichtlicher ist.

Wie kann ich im Supermarkt am Weinen sein?
Ein Überschuss an Poesie!

Aber ich strenge mich an:
denken an das Allerhässlichste.
Schon vorbei.

Übersetzt von Timo Berger

SEGREDO

portugais | Fernando Pinto do Amaral

Esta noite morri muitas vezes, à espera
de um sonho que viesse de repente
e às escuras dançasse com a minha alma
enquanto fosses tu a conduzir
o seu ritmo assombrado nas trevas do corpo,
toda a espiral das horas que se erguessem
no poço dos sentidos. Quem és tu,
promessa imaginária que me ensina
a decifrar as intenções do vento,
a música da chuva nas janelas
sob o frio de fevereiro? O amor
ofereceu-me o teu rosto absoluto,
projectou os teus olhos no meu céu
e segreda-me agora uma palavra:
o teu nome – essa última fala da última
estrela quase a morrer
pouco a pouco embebida no meu próprio sangue                           
e o meu sangue à procura do teu coração.

© Fernando Pinto do Amaral
from: Às Cegas
Relógio d’Água, 1997
Audio production: Casa Fernando Pessoa/CML

Geheimnis

allemand

Viele Male starb ich heute Nacht, als ich
auf einen Traum wartete, der mich jäh überkam
und im Dunkeln mit meiner Seele tanzte
so lange du ihren gespenstischen Rhythmus
in die Finsternis meines Körpers führtest
die vollständige Spirale der Stunden, die sich
aus dem Schacht der Gefühle erhoben. Wer bist du
– vorgestellte Verheißung –, die mich lehrt
die Absichten des Windes zu enträtseln
die Musik des Regens am Fenster
in der Februarkälte? Die Liebe
hat mir dein absolutes Gesicht gezeigt
deine Augen auf meinen Himmel gebannt
und flüstert mir jetzt ein Wort zu:
deinen Namen – das letzte gesprochene Geräusch
vom letzten siechenden Stern
allmählich bin ich in mein eigenes Blut getränkt
mein Blut, das nach deinem Herzen sucht.

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

SARJETA (PROVAR O PECADO)

portugais | Kalaf Ângelo

benvindos a Lisboa
ruas, noites, cheiros, madrugadas
becos, cores, espaços, avenidas
11H… a Lisboa para adolescentes curiosos
atraídos pelo fascínio do BA
turistas do pitoresco e seus amarelos sorrisos
rude boys exercitando o B-A-B-A
para fezadas a grande escala
a rua contínua a ser a melhor escola
dealers do Meskal quem os controla?
a lei aparentemente não se rala
o zé povinho fala fala
mas o circo passa
olha aí!? montou a tenda na praça
na figueira das pensões a 10 paus
putas sem dentes
e seus pimpos com caras de maus
mas os ventos do leste
são também os ventos da mudança
pimpos que mais parecem agentes
do KGB
vieram para saciar o apetite luso
por loiras e anoréxicas QB


Vem… prova deste pecado
Só mais um bocado
Vem… por mais um bocado
provar deste pecado…


Benvindos a Lisboa
janelas fechadas, ovelhas negras
segredos, boatos, outras regras
4h na lisboa dos que nunca dormem
taxistas discretos observam
o afundar da moral da nação
no banco de trás
taxistas zelosos evitam pretos
e viagens a bairros sociais
mas o mundo é dos espertos
o medo serve apenas para vender os jornais
que criam manchetes
com as fobias dessa gente
Enquanto o Jet 7 sorri contente
com as linhas na retrete
As mesma linhas paralelas
que separam esses dois mundos
dos inocentes e dos que vivem o sonho das estrelas
do crime, do sexo, das novelas
da política, da música, da bolsa

das construções, da noite, dos diamantes de angola
da sorte, do mundo da bola

Vem… prova deste pecado
Só mais um bocado
Vem… por mais um bocado
provar deste pecado

quero esse corpo nu!


Benvindos a lisboa
meia idade, pitbulls, tascas abertas fora de horas
emigrantes diplomados, silêncios, novas feras
aurora na Lisboa dos madrugadores
quarentões com mulatas nos braços
ou presas exóticas e seus predadores
abandonam a selva nos seus mercedes
cruzam a cidade que agora desperta
para trás deixam, alcoólicos, loucos, freaks
que amanhecem na sarjeta
com a mente noutro planeta
amanhecem no chão desta cidade
que não aparece nas páginas da Time Out
cheiro a vinho, vómitos, mijo nas paredes
imagens do paraíso e anúncios da Stout
poluindo a paisagem e o ar
será que conhecemos esse lugar?
e os corpos que se arrastam como fantasmas
maquilhagens desbotadas
rostos transfigurados, o despertar de comas
gorozan e outras drogas abençoadas
para sobreviver mais um dia na cidade

welcome to Lisbon!

© Kalaf Ângelo
Audio production: 2008 Literaturwerkstatt Berlin

Gosse (koste von dieser Sünde)

allemand

Willkommen in Lissabon
Straßen, Nächte, Gerüche, Morgendämmerungen
Gassen, Farben, Plätze, Alleen
11 Uhr... das Lissabon für neugierige Jugendliche
angezogen vom Reiz des Bairro Alto
Touristen des Malerischen mit ihrem gespielten Lächeln
Rude Boys die das ABC
des Verbrechens in großem Stil erlernen
die Straße ist immer noch die beste Schule
wer kontrolliert sie schon, die Meskal-Dealer?
offensichtlich stört sich das Gesetz nicht an ihnen
das einfache Volk redet und redet
doch der Zirkus zieht weiter
siehst du dort? Er hat sein Zelt errichtet
auf der Praça da Figueira mit den billigen Pensionen
zahnlose Huren
und ihre Zuhälter mit Verbrecherfratzen
doch Ostwinde
sind auch Winde der Veränderung
Zuhälter, die an KGB-Agenten
erinnern
kamen um den Hunger der Portugiesen
nach blonden und magersüchtigen Frauen nach Geschmack zu stillen


Komm ... koste von dieser Sünde
Nur noch einen Happen mehr
Komm ... um noch einen Happen mehr
von dieser Sünde zu kosten …


Willkommen in Lissabon
geschlossene Fenster, schwarze Schafe
Geheimnisse, Gerüchte, andere Gesetze
4 Uhr im Lissabon derer, die nie schlafen
diskrete Taxifahrer beobachten
den Untergang der Moral der Nation
auf der Rückbank
besorgte Taxifahrer meiden Schwarze
und Fahrten in Siedlungen mit Sozialwohnungen
doch die Welt gehört den Scharfsinnigen
mit Angst kann man nur Zeitungen verkaufen
Schlagzeilen machen
mit den Phobien dieser Leute
Während der Jet Set zufrieden grinst
mit den lines auf dem Klodeckel
Dieselben parallelen Linien
die diese zwei Welten voneinander trennen:
die Unschuldigen und die, die den Traum der Stars leben
des Verbrechens, des Sex, der Seifenopern
der Politik, der Musik, der Börse

der Bauarbeiten, der Nacht, der Diamanten aus Angola
des Glücks, der Fußballwelt


Komm ... koste von dieser Sünde
Nur noch einen Happen mehr
Komm ... um noch einen Happen mehr
von dieser Sünde zu kosten …


Ich will diesen nackten Körper!

Willkommen in Lissabon
Menschen mittleren Alters, Pitbulls, After-Hour-Bars
Einwanderer mit Diplom, Stille, neue wilde Tiere
Morgenröte im Lissabon der Frühaufsteher
Vierzigjährige mit Mulattinnen im Arm
oder exotische Beutetiere mit ihren Jägern
verlassen den Urwald in ihrem Mercedes
durchqueren die gerade erwachende Stadt
um Trinker, Verrückte, Freaks hinter sich zu lassen
die in der Gosse die Augen aufschlagen
in Gedanken auf einem anderen Planeten
die auf dem Boden der Stadt erwachen
den man im Time Out-Magazin vergeblich sucht
Gestank von Wein, Erbrochenem, Pisse an den Wänden
Bilder vom Paradies und Bier-Reklame
verschmutzen die Landschaft und die Luft
Kennen wir diesen Ort überhaupt?
und die Körper, die sich wie Gespenster davon schleppen
verlaufenes Make-up
entstellte Gesichter, die aus dem Koma erwachen
Gorosan und andere gesegnete Drogen
um einen weiteren Tag in dieser Stadt zu überleben

Welcome to Lisbon!

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

Relato de posguerra

espagnol | Ezequiel Alemian


La misión había sido un éxito; ahora los soldados se preparaban para volver a casa cargando sus mochilas con avellanas, pasas de uva y café. La vegetación de la zona había sido exterminada por los ácidos derramados en combate, y la tierra arcillosa estaba salpicada con charcos de un líquido amarillento y espeso, nauseabundo, que mataba a los animales y obligaba a los hombres a taparse las narices con bolitas de miga de pan.

La técnica los libraba del veneno pero no de la infección: la mayoría tenía las fosas nasales inflamadas en una ampolla rojiza, brillante, muy sensible, del tamaño de un puño. A veces, cuando hacían mucha fuerza y la sangre se les concentraba en la cabeza, la ampolla reventaba.
...

© E.A.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Nachkriegsbericht

allemand


Die Mission war ein Erfolg; nun bereiteten sich die Soldaten auf ihre Heimkehr vor und packten in ihre Rucksäcke Haselnüsse, Rosinen und Kaffee. Die Vegetation der Zone war durch die Säuren zerstört, die während des Gefechtes verspritzt worden waren, die tonhaltige Erde von Furchen mit einer gelblichen und dicken, ekelerregenden Flüssigkeit durchsetzt, die die Tiere tötete und die Menschen zwang, ihre Nasen mit Brotkügelchen zu verstopfen.

Diese Technik bewahrte sie vor dem Gift, aber nicht vor der Infektion: Die meisten hatten entzündete Nasenhöhlen wie rötlich-glänzende, sehr empfindliche, faustgroße Blasen. Manchmal, wenn sie sich sehr anstrengten und das Blut in ihren Kopf stieg, platzten die Blasen.

Übersetzt von Timo Berger

PT – Filipa Leal

portugais | renshi.eu [GR-LU-IT-EE-SE-HU-PT-GR]

Apontas para o rosto sarcástico do sol de Inverno
e disparas. Há tantos meses que não chove – reparaste?
É o próprio céu a desistir de ti. E mesmo assim tu disparas, só sabes disparar.
Estás enganada, Europa. Envelheceste mal e perdeste a humildade.
Não é contra o sarcasmo que disparas, não é contra o Inverno,
nem sequer contra o insólito, contra o desespero.
Tu disparas contra a luz.
Podes atirar-nos tudo à cara, Europa: bombas, palavras, relatórios de contas.
Podes até atirar-nos à cara um deputado, uma cimeira.
Mas os teus filhos não querem gravatas. Os teus filhos querem paz.
Os teus filhos não querem que lhes dês a sopa. Os teus filhos querem trabalhar.
Há tantos meses que não chove – reparaste?
A terra está seca. Nem abraçados à terra conseguimos dormir.
Enquanto te escrevo, tu continuas a fazer contas, Europa.
Quem deve. Quem empresta. Quem paga.
Mas os teus filhos têm fome, têm sono. Os teus filhos têm medo do escuro.
Os teus filhos precisam que lhes cantes uma canção, que os vás adormecer.
Eu acreditei em ti e tu roubaste-me o futuro e o dos meus irmãos.
Se estamos calados, Europa, é apenas porque, contrários ao teu gesto,
nós não queremos disparar.

© Filipa Leal
Audio production: renshi.eu @ poesiefestival berlin 2012

Portugal – Filipa Leal

allemand

Du zielst auf das sarkastische Antlitz der Wintersonne
und schießt. Seit so vielen Monaten regnet es nicht – hast du es bemerkt?
Selbst der Himmel gibt dich auf. Und dennoch schießt du, kannst nur schießen.
Du täuscht dich, Europa. Bist alt geworden und hast deine Demut verloren.
Du schießt weder auf den Sarkasmus noch auf den Winter,
nicht einmal auf das Unglaubliche, auf die Verzweiflung.
Du schießt aufs Licht.
Du kannst uns alles entgegenschleudern, Europa: Bomben, Worte, Bilanzen.
Du kannst uns sogar einen Abgeordneten entgegenschleudern, ein Gipfeltreffen.
Aber deine Kinder wollen keine Krawatten. Deine Kinder wollen Frieden.
Deine Kinder wollen nicht, dass du ihnen Suppe vorsetzt. Deine Kinder wollen arbeiten.
Seit so vielen Monaten regnet es nicht – hast du es bemerkt?
Die Erde ist trocken. Nicht einmal Arm in Arm mit der Erde gelingt es uns einzuschlafen.
Während ich dir schreibe, rechnest du weiter ab, Europa.
Wer schuldet. Wer leiht. Wer zahlt.
Aber deine Kinder haben Hunger, sind müde. Deine Kinder haben Angst vorm Dunkeln.
Du musst deinen Kindern ein Lied singen, damit sie einschlafen können.
Ich habe an dich geglaubt, und du hast meine Zukunft und die meiner Geschwister geraubt.
Wenn wir schweigen, Europa, dann nur weil wir, im Gegensatz zu dir,
nicht schießen wollen.

Übersetzung aus dem Portugiesischen von Timo Berger

PRAIA DO TOFO

portugais | Luís Carlos Patraquim

Para a Mila e o Calane da Silva
Para a Marília, in memoriam


E ressurgirá das águas, como o pássaro
Do Bhagavad-Guitá, seu riso de pura alegria,
A das árvores que sobem e buscam o fruto mais alto,
depois dos ramos;

Adornada de limos e seixos e de pedrinhas,
As mil capulanas soltas ao vento,
Da inteira absorta beleza de seus peixes,
Ó desnuda sobre as areias,
Marília do longo mar e das viagens,
À tua praia chegada!

© Luis Carlos Patraquim
unveröffentlichtem Manuskript,
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2008

Tofu Beach

allemand

Für Mila und Calane da Silva
Für Marília, in memoriam

Und aus den Wassern wird ihr Lachen aus reiner Freude
Wieder auftauchen wie der Vogel aus der Bhagavad-Gita,
Die Freude der Bäume, die sich recken und bis zu den Früchten
hoch über den Ästen reichen;

Geschmückt von Algen, Kieseln, Schill,
Tausende von Capulana-Tüchern im Wind,
Der Schönheit ihrer Fische anverwandelt,
Du, nackt auf dem Sand, Marília,
aus der Weite des Meeres und von Reisen
Bist du an deinen Strand gelangt!

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

Poema de Amor para bocina solista

espagnol | Accidents Polipoétics

Cuando digo que te  (MOC),
en realidad no te estoy diciendo nada.
Y sin embargo te (MOC),
ciegamente te (MOC),
apasionadamente te (MOC),
insosteniblemente te (MOC).
Con una locura imposible de describir yo te (MOC).

Te (MOC) con todo mi corazón,
que te idolatra a pilas y con corriente alterna.
Porque, créelo, yo te (MOC),
y te (MOC),
y te (MOC),
y te vuelvo a (MOC)
y (MOC)

Porque si no te (MOC) me siento triste y enfermo.
Porque si no puedo (MOC) a ti,
deambulo por las calles, con los ojos inyectados en sangre,
y una sierra eléctrica, como un animal herido que te (MOC).
Porque, si no me dejas que te (MOC), yo moriré,
o algo así. ¡Sí¡

Por eso tengo que decirte que, aunque te (MOC) de verás,
Me resisto todavía a aceptar un compromiso así.
Es por ello que creo que no deberíamos de vernos más,
Lo cual no es obstáculo para que te (MOC)
E incluso quedar un día de estos para (MOC MOC MOC)
En fin, ya sabes... (suave MOC).
 
Tuyo, afectuosamente
y (MOC) hasta el desenfreno,
Tu (MOC)
que te (MOC) mucho.

Postdata: Te (MOC) (MOC) (MOC) (MOC)


Bocina de fútbol: MOOOOCCCCC

© Accidents Polipoétics
from: Todos Tenemos la Razón
Barcelona: ed. La Tempestad, 2004
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Liebesgedicht für solo-hupe

allemand

Wenn ich sage, dass ich dich (MOC),
sage ich dir in Wirklichkeit gar nichts.
Obwohl ich dich (MOC),
dich blind (MOC),
dich leidenschaftlich (MOC),
dich aussichtslos (MOC),
dich mit einem nicht beschreibbaren Irrsinn (MOC).

Dich (MOC) aus ganzem Herzen,
das dich vergöttert mit Batterien und Wechselstrom.
Weil – glaube mir – ich dich (MOC),
und dich (MOC),
und dich (MOC),
und dich wieder (MOC)
und (MOC)

Denn wenn ich dich nicht (MOC), dann fühle ich mich traurig und krank.
Denn wenn ich dich nicht (MOC),
irre ich durch die Straßen, mit Blut in die Augen gespritzt
und einer Motorsäge, wie eine verletztes Tier, das dich (MOC).
Denn, wenn du nicht zulässt, dass ich dich (MOC), werde ich sterben,
oder so was ähnliches. Jawohl!

Deshalb muss ich dir sagen, dass, obwohl ich dich wirklich (MOC),
es mir immer noch widerstrebt, eine solche Verpflichtung einzugehen.
Deswegen denke ich, wir sollten uns nicht mehr sehen,
Was kein Hindernis dafür ist, dass ich dich (MOC)
Und uns sogar mal zu treffen, um zu (MOC MOC MOC)
Du verstehst, was ich meine… (zartes MOC).

Dein, zärtlich
und (MOC) bis zur Zügellosigkeit.
Dein (MOC)
Der dich sehr (MOC).

PS: Ich (MOC) (MOC) (MOC) (MOC) dich.

Fußballtröte: MOOOOCCCCC

Übersetzt von Timo Berger

Poética y revolución industrial

espagnol | Sergio Raimondi

Materia de disputa, la poesía, delicadísima cuestión
para asumir la cual sería necesario un diagnóstico
de los criterios del público lector, ya sean estos
débiles o robustos en su enajenación o conciencia,
un análisis de los modos según los cuales hábitos
y lenguaje reaccionan entre sí y un buen estudio
de los distintos vaivenes entre literatura y sociedad.
De hecho se dice que estos poemas fueron escritos
para iluminar la percepción de quienes pierden,
de a miles congregados en ingentes ciudades,
la sutileza del propio pensar en la uniformidad
de sus ocupaciones e incapaces son ya de reacción
ante lo que no sean estímulos groseros o violentos.
Por eso es curioso que la métrica, considerada
por el poeta como el elemento similar y constante
que organiza todo un nuevo modo de componer,
actúe tal como el regulador que por ese tiempo
Watt introdujo en la máquina a vapor para darle
velocidad de funcionamiento estable y promover
todas las automatizaciones que habrían de venir
máquinas capaces de efectuar tareas ayer realizadas
por hombres y de controlarlas sin su intervención;
por otro lado, Wordsworth presentó a su lector
ideas asociadas en estado de exitación en nombre
de un mecanismo preciso que recupera la emoción
en estado de tranquilidad hasta que la tranquilidad
desaparece y la emoción se renueva. Y yo digo: eso
es energía del vapor de agua que se expande expande
y vuelve a enfriar para explotar y producir, más.

© S.R.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Poetik und industrielle Revolution

allemand

Der Gegenstand des Streits, die Poesie, und die äußerst heikle Frage,
sich ihrer anzunehmen, macht eine Diagnose der Kriterien
des Leserpublikums notwendig, mag dieses auch wankelmütig
oder unerschütterlich sein in seiner Entfremdung oder seinem Bewusstsein,
sowie eine Analyse der Art und Weise, wie Gewohnheiten
und Sprache aufeinander reagieren, und eine gründliche Studie
der Wechselbeziehungen zwischen Literatur und Gesellschaft.
Sicher, es wird gesagt, dass diese Gedichte geschrieben wurden,
um die Wahrnehmung der Tausenden zu erhellen,
die in riesigen Städten zusammengepfercht, die Feinheiten
des eigenen Denkens bei der Gleichförmigkeit
ihrer Beschäftigungen verlieren und unfähig zur Reaktion sind,
wenn ihnen ein plumper oder brutaler Reiz fehlt.
Deswegen ist es merkwürdig, dass die Metrik, die der Dichter
für ein Element der Regelmäßigkeit und Beständigkeit hält,
welches eine ganz neue Art der Komposition organisiert,
so funktioniert, wie der Regler, den zu seiner Zeit
Watt in die Dampfmaschine einbaute, um ihr die Geschwindigkeit
eines stetigen Funktionierens zu verleihen und all die
Automatisierungen zu ermöglichen, die noch kommen sollten,
Maschinen, in der Lage, Aufgaben auszuführen, die gestern
noch Menschen erledigten, und diese auch selbst zu kontrollieren;
andererseits stellte Wordsworth seinem Leser Ideen vor,
die ein erregter Zustand hervorgerufen hatte, einem präzisen Mechanismus
folgend, der die Emotion im Ruhezustand wieder einholt, bis die Ruhe
verschwindet und sich die Emotion erneuert. Und ich sage: Das
ist die Energie des Wasserdampfs, der sich ausdehnt und ausdehnt
und wieder abkühlt, um auszubeuten und zu produzieren, mehr.

Übersetzt von Timo Berger. In: Sergio Raimondi: Zivilpoesie/Poesía civil, Berlin: wissenschaftlicher verlag berlin 2005, ISBN: 3-86573-112-0.

PLAYA GIRON

espagnol | Silvio Rodríguez

Compañeros poetas, Querida
tomando en cuenta
los últimos sucesos en la poesía,
quisiera preguntar --me urge--
qué tipo de adjetivo se debe usar
para hacer la canción de este barco
sin que se haga sentimental,
fuera de la vanguardia o evidente panfleto,
si debo usar palabras
como Flota Cubana de Pesca
y Playa Girón.
 
Compañeros de música,
tomando en cuenta  esas politonales
y audaces canciones,
quisiera preguntar --me urge--
qué tipo de armonía se debe usar
para hacer la canción de este barco
con hombres de poca niñez,
hombres y solamente hombres sobre cubierta,
hombres negros y rojos y azules,
los hombres que pueblan el Playa Girón.
 
Compañeros de Historia,
tomando en cuenta lo implacable
que debe ser la verdad,
quisiera preguntar --me urge tanto--
qué debiera decir, qué fronteras debo respetar.
Si alguien roba comida y después da la vida,
¿qué hacer?
¿Hasta dónde debemos practicar las verdades?
¿Hasta dónde sabemos?
Que escriban, pues, la historia, su historia,
los hombres del Playa Girón.

© Silvio Rodríguez
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2011

Playa Girón

allemand

Genossen Dichter, Liebste,
die letzten Entwicklungen
der Dichtkunst vor Augen,
wollte ich fragen – denn es beschäftigt mich –,
welches Adjektiv soll man benutzen,
um diesem Boot ein Lied zu schreiben,
ohne gefühlsduselig zu werden,
jenseits der Avantgarde, des offensichtlichen Pamphlets.
Ob ich Wörter benutzen darf
wie Kubanische Fischereiflotte
und »Playa Girón«?

Genossen Musiker,
diese polytonalen und mutigen Lieder
in den Ohren,
wollte ich fragen – es beschäftigt mich –,
welche Harmonien soll man benutzen,
um diesem Boot ein Lied zu schreiben,
mit Männern, die eine kurze Kindheit hatten,
Männern, nur Männern auf Deck,
schwarzen und roten und blauen Männern,
Männer auf der »Playa Girón«.

Genossen der Geschichte,
die grausame Wahrheit
vor Augen,
wollte ich fragen – denn es beschäftigt mich sehr –,
was müsste ich sagen, welche Grenzen einhalten.
Wenn jemand Essen klaut und sich danach aufopfert,
was müsste ich tun?
Wie weit sollen wir uns in Wahrheit üben?
Wie weit kennen wir sie überhaupt?
Lassen wir sie doch schreiben, die Geschichte, ihre Geschichte,
die Männer von der »Playa Girón«.


Playa Girón ist ein Ort an der Südküste Kubas in der Schweinebucht, in
deren Nähe 1961 während ihrer Invasion von den USA unterstützte und
ausgerüstete Exilkubaner landeten. Auf dem gleichnamigen Fischerboot
begleitete Silvio Rodríguez 1969 die Fischer bei ihrer Arbeit. (Anmerkung
des Übersetzers)

aus dem kubanischen Spanisch von Timo Berger

Pavana de Lisboa

espagnol | Eugenio Montejo

El Tajo al fondo, azul e inmenso,
mudando a cada instante de horizontes.
El Tajo, casi mar, casi  recuerdo,
según la luz que ondule sobre el agua.
Y a bordo, en cualquiera de sus barcos,
va o viene  todavía
la parte de mi vida más errante.

Desde el castillo de San Jorge,
en la  colina de almenas medievales,
hace ahora más siglos que memorias,
me vi una vez muy  lejos de este mundo,
a muchas  leguas de mi vida,
en una Lisboa de otra galaxia,
idéntica a sí misma, pero nómada,
con  el sólido grito de sus piedras
que gravitaba en un ocaso blanco…

Esta misma Lisboa conmigo a la intemperie,
rodeada de  calles en declive
y el humo  etéreo de sus barcos;
esta misma Lisboa, pero un Tajo distinto,
incapaz de arrancarnos lo que amamos
para llevarlo al África.
Un Tajo que siempre vuelve de retorno
y nos espera entre uno y otro muelle
y nunca parte.

© E.M.
from: unpublished
Audio production: 2005, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Lissabonner Pavane

allemand

Der Tejo, blau und unermesslich, sein Grund,
in jedem Augenblick verändert sich sein Horizont.
Der Tejo, fast Meer, fast Erinnerung,
abhängig vom Licht, das Wellen aufs Wasser zeichnet.
Und an Bord, auf einem seiner Schiffe
kommt und geht noch immer
der rastloseste Teil meines Lebens.

Von der Sankt Georgsburg aus,
auf dem Hügel mittelalterlicher Zinnen,
vor mehr Jahrhunderten als Erinnerungen,
sah ich mich weit von dieser Welt entfernt,
viele Meilen von meinem Leben,
in einem Lissabon einer anderen Galaxie,
mit sich selbst identisch, aber Nomade,
unter dem andauernden Schrei seiner Steine,
die in einem gleißenden Sonnenuntergang ruhten...

Genau dieses Lissabon und ich unter freiem Himmel,
von abschüssigen Straßen umgeben
und dem ätherischen Rauch seiner Schiffe,
genau dieses Lissabon, aber ein anderer Tejo,
unfähig, uns das zu entreißen, was wir lieben,
um es nach Afrika zu bringen.
Ein Tejo, der immer wiederkehrt,
auf uns wartet zwischen den Molen
und niemals aufbricht.

Übersetzt von Timo Berger

Parábola

espagnol | Julián Herbert

Mónica y yo escapamos de los nazis por los pelos
esto lo supe tarde porque
cuando empezó
ya estábamos en el sótano
buscando entre los viejos hacinados a mi madre (todo era
muy judío y –previsible/extrañamente–  yo judío junto con todo)
su cara de india potosina deslavada por la
prostitución o por la osteoporosis
hasta que un San Francisco me informó muy solemne
que mi madre había muerto a mano de los nazis
por puta por judía por india malhadada
a trancos ascendí los escalones del refugio
pero de cobardía: todo ese tiempo supe
que la salida no daba hacia la guerra
que la guerra
se había cancelado con un muro del fondo
en cambio lo que vi fuera del
sótano era un huerto
o un huerto y un jardín y a lo mejor un bosque
en todo caso vegetales tasajeados por la luz del invierno
zumbantes ramas entre las que corrí
llorando claro pero igual
que un personaje: con la mano derecha
cubriéndome los ojos (pensé: ¿será
deveras esto mi dolor? ¿el césped rubio de una
inconexión –la cresta de su lumbre la felpa
de su filo? pensé: yo que bajé a la mina
y aprendí a castrar diamantes
pensé: serán mañana vino o muladar sus huesos)
al final del jardín el huerto el bosque
di con un escalón natural de caliza
una malformación quizá un altar y encima
cabezas nuevamente de judíos
llorando
(con la mano derecha en la cara por supuesto)
rezándole a sus muertos con el odio
hundido entre impurezas de cerdo que agobiaban
la sacra indistinción de la mojada piedra
recordé a la india muerta osteoporosa de mi madre
la puta o potosina
y me incliné a rezar también pero mi idioma
era siempre distinto al de ellos: no había modo de
salvarme
mas siendo yo un legítimo judío (como lo demostraban
el sótano los nazis mi dolor) decidí
no sé si de manera ridícula o innoble
imitar la oración: yahweh elohay bkaa chaaciytiy
howshiy ´eeniy mikaal rodpaiwhatsiyleeniy
agarrado al altar (que a tanto grito y llanto
se había vuelto ya un montículo de arena)
cuando una mano entonces (al principio pensé
que sería San Francisco
mas –previsible/extrañamente– se trataba
del rabino) la mano del consuelo
me azotó con desprecio la nuca y
me increpó: “deberías aprender del italiano
que en lugar de ponerse a llorar el primer día
se tomó todo un año para memorizar
el libro entero” –y me lo señaló: era un
barbudo profesor de matemáticas
sin un rasgo semita pero de hebreo perfecto
que desde cierta altura escandía los salmos
con el talante irresistiblemente abyecto
de un ligero tenor / el italiano
bajó de su curul (o sea la simple roca) y  
–como hacen
los mejores maestros de álgebra–  explicó
sin rabia ni alegría
que el agua es como un pulpo si la tocas en sueños
y que el puro sonido también sabe
como tiene sabor –aunque a silencio–  la boca sin manjar
“ahora voy a rezar por el cadáver de una niña de mi pueblo”
me ordenó
(alguien puso en mi mano la charola con copas)
“y tú vas a danzar al ritmo de mi llanto
sin verter una gota hasta que el vino
o el muladar o el hueso de tu madre se consuma
y descubras que el dolor
el dolor de santidad que cicatriza
no radica en la oración
sino en el baile”

© Julián Herbert
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2009

Parabel

allemand

Mónica und ich entkamen den Nazis um Haaresbreite
das erfuhr ich erst später, denn:
als es losging
waren wir schon im Keller
suchten unter der Menge von Alten meine Mutter (alles war
sehr jüdisch und ich – vorhersehbar/seltsamerweise – Jude mit allem, was dazu gehört)
das Gesicht meiner Mutter, eine Indianerin aus Potosí, ausgemergelt von
Prostitution oder Osteoporose
bis mir der Heilige Franziskus mit ernster Stimme verkündete
die Nazis hätten meine Mutter ermordet
weil sie eine Nutte, eine Jüdin, eine verfluchte Indianerin war
ich sprang die Treppe des Unterschlupfs hinauf
aber als ein Feigling: Die ganze Zeit über hatte ich gewusst
dass der Ausgang nicht in den Krieg führte
dass dem Krieg
mit einer Mauer ein Ende gesetzt worden war
was ich draußen sah
war ein Gemüsebeet
oder ein Beet und ein Garten und vielleicht ein Wald
auf jeden Fall Pflanzen, verbrannt von der Wintersonne
ich rannte über krachende Zweige
unter Tränen, sicher, aber doch wie
eine Figur aus einem Film: meine Augen hinter
meiner rechten Hand verborgen (ich dachte: ist das
wirklich mein Schmerz? der blonde Rasen einer
fehlenden Verbindung – die Krone seiner Flammen der Frotteestoff
seiner Klinge? Ich dachte: Ich, der ich in die Mine hinabgestiegen bin
und gelernt habe, Diamanten zu kastrieren
dachte: Morgen werden ihre Gebeine Wein sein oder ein Haufen Schutt
am Ende des Gartens: das Beet, der Wald
ich stieß gegen eine natürliche Stufe aus Kalkstein
eine Verformung, vielleicht ein Altar und darauf
erneut Köpfe von weinenden
Juden
(mit der rechten Hand vor dem Gesicht, sicher)
sie beteten zu ihren Toten mit ihrem ganzen Hass
eingetaucht in den Schmutz der Schweine
der die heilige Einheit des nassen Steins bedrohte
ich erinnerte mich an die tote Indianerin mit Osteoporose, meine Mutter
die Nutte oder die Frau aus Potosí
und neigte meinen Kopf, um ebenfalls zu beten, doch meine Sprache
blieb anders als ihre: ich fand keinen Trick
um dem zu entgehen
obwohl ich ein echter Jude war (dies bewiesen
der Keller die Nazis mein Schmerz). Ich beschloss
ihr Gebet nachzuahmen – ich weiß nicht auf wie lächerliche
oder niedere Weise: yahweh elohay bkaa chaaciytiy
howshiy `eeniy mikaal rodpaiwhatsiyleeniy
und klammerte mich an den Altar (der von soviel Geschrei und Geheul
schon zu Sand zerfallen war)
als eine Hand (zuerst dachte ich
sie gehöre dem Heiligen Franziskus
aber – vorhersehbar/ seltsamerweise – war es
der Rabbiner), seine Trosthand
die mich voller Verachtung in den Nacken schlug und
rügte: „Du solltest dir ein Beispiel an dem Italiener nehmen
der hat nicht schon vom ersten Tag an geweint
sondern das Buch in einem Jahr
auswendig gelernt” – und zeigte auf ihn: ein
bärtiger Mathematikprofessor
ohne semitische Züge, aber in einem fehlerfreien Hebräisch
der von einer Art Erhöhung herunter die Psalmen aufsagte
auf die unwiderstehlich abscheuliche Art
eines Tenorbuffos / der Italiener
erhob sich von seinem Sitz (d.h. von dem bloßen Felsen) und  
erklärte – wie es
die besten Algebrameister tun –
ohne eine Spur von Ärger oder Freude
das Wasser sei wie ein Krake, wenn man es im Schlaf berührt
und dass der reine Klang auch schmecke
denn er habe Geschmack – wenn auch den der Stille – ein Mund ohne Speise
„jetzt bete ich für den Leichnam eines Mädchens aus meinem Dorf“
und er befahl mir
(jemand legte ein Tablett mit Gläsern auf meine Handfläche)
„du wirst tanzen im Takt meiner Klage
ohne einen Tropfen zu verschütten bis der Wein
oder der Haufen Schutt, die Gebeine deiner Mutter zerfallen sind
Und du entdeckst, dass der Schmerz
der vernarbende Schmerz der Heiligkeit
nicht im Gebet liegt,
sondern im Tanz.”

Übersetzt von Timo Berger

Otra ciudad

espagnol | Laura Wittner

Cuando levanto la vista veo nieve,
nieve refulgiendo desde el televisor.
Como siempre, titilan sobre el mapa
los lugares donde una no está.
Seguro extrañaría el mercado de flores
y  despertar en este piso octavo
que se abre desafiando al viento.
La verdad es que hubo un solo día de nieve
y que hay una posible segunda versión
para las cosas conocidas.
Las valijas están hechas desde siempre
y además están sobre el sofá
en posición de espera.
Ese momento dura, se sostiene,
es una manera de estar:
estar a punto de ser abandonado.
El pozo negro de las valijas hechas,
reverso del desembarco:
el deseo humano por lo incompleto
que se refleja, dicen,  
en la predilección por lo pequeño,
lo breve, el fragmento.

© Laura Wittner
from: La tomadora de café
Bahía Blanca: Vox, 2005
Audio production: Polvo. 9 Poetas argentinos (CD), Voy a salir y se me hiere un rayo, 2004

Andere Stadt

allemand

Wenn ich aufblicke, sehe ich Schnee,
Schnee, der aus dem Fernsehen herüberglitzert.
Beharrlich flimmern auf der Karte
die Orte, wo ich gerade nicht bin.
Sicher würde ich den Blumenmarkt vermissen
und in dieser achten Etage aufwachen
die sich öffnet und dem Wind trotzt.
Eigentlich hat es nur einen Tag lang geschneit
und es gibt eine mögliche zweite Version
für die bekannten Dinge.
Die Koffer sind seit langem gepackt
und stehen auf dem Sofa
und warten.
Dieser Moment dauert, trägt sich selbst,
ist eine Befindlichkeit:
kurz davor, aufgegeben zu werden.
Der dunkle Abgrund der gepackten Koffer,
die Kehrseite der Ankunft:
unser Verlangen nach dem Unvollständigen
spiegelt sich, sagt man,
in der Vorliebe für das Kleine,
das Knappe, das Fragment.

aus dem argentinischen Spanisch übertragen von Timo Berger

ODA A MI GENERACIÓN

espagnol | Silvio Rodríguez

A los veintisiete días de mayo del año setenta
un hombre se sube sobre sus derrotas,
pide la palabra
momentos antes de volverse loco.
No es un hombre,
es un malabarista de una generación.
No es un hombre,
es quizás un objeto de la diversión;
un juguete común de la Historia
con un monograma que dice: “bufón”.
Ese hombre soy yo.
 
Pero debo decir que me tocó nacer
en el pasado y que no volveré.
Es por eso que un día me vi en el presente,
con un pie allá donde vive la muerte
y otro pie suspendido en el aire,
buscando lugar,
reclamando tierra del futuro para descansar.
Así estamos yo y mis hermanos,
con un precipicio en el equilibrio
y con ojos de vidrio.
 
Ahora quiero hablar de poetas,
de poetas muertos y poetas vivos,
de tantos muchachos hijos de esta fiesta
y de la tortura de ser ellos mismos.
Porque hay que decir que hay quien muere
sobre su papel,
pues vivirle a la vida su talla tiene que doler.
Nuestra vida es tan alta --tan alta--
que para tocarla casi hay que morir,
para luego vivir.
 
Yo no reniego de lo que me toca,
yo no me arrepiento pues no tengo culpa,
pero hubiera querido poderme jugar
toda la muerte allá, en el pasado,
o toda la vida en el porvenir que no puedo alcanzar.
Y con esto no quiero decir que me pongo a llorar.
Sé que hay que seguir navegando.
Sigan exigiéndome cada vez más,
hasta poder seguir
o reventar.

© Silvio Rodríguez
from: 1970
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2011

Ode an meine Generation

allemand

Am 27. Mai 1970
klettert ein Mann auf seine Niederlagen,
er verlangt das Wort,
kurz bevor er den Verstand verliert.
Er ist kein Mann,
er ist der Jongleur seines Jahrgangs.
Er ist kein Mann,
vielleicht nur etwas, über das man lacht,
ein Spielball der Geschichte,
»Hofnarr« laut seinem Monogramm.
Dieser Mann bin ich.

Zugegeben, ich wurde in der Vergangenheit
geboren, kehre aber nicht dorthin zurück.
Fand mich eines Tages in der Gegenwart,
mit einem Fuß dort, wo der Tod ruft,
dem anderen in der Luft,
und suchte einen Ort,
forderte von der Zukunft Land, um auszuruhen.
So sind wir, meine Brüder und ich,
mit einem Abgrund im Gleichgewicht
und Glasaugen im Gesicht.

Ich will von Dichtern sprechen,
von toten Dichtern und von lebenden,
von so vielen jungen Söhnen dieser Feier
und von der Qual, man selbst zu sein.
Zugegeben, manche sterben
in ihrer Rolle, dem Leben
auf Augenhöhe zu begegnen ist schmerzhaft.
Unser Leben ist so erhaben – so erhaben –,
um es zu berühren, muss man beinahe sterben
und danach weiterleben.

Ich verleugne mein Schicksal nicht,
bereue nichts, mich trifft keine Schuld,
aber ich hätte gerne mehr riskiert,
all das Sterben dort, in der Vergangenheit,
und all das Leben in der Zukunft, die ich nicht erreiche.
Aber deswegen muss ich jetzt nicht weinen.
Ich weiß, es gilt, erneut das Segel zu setzen.
Verlangt ruhig mehr von mir,
solange ich noch kann
und nicht zusammenbreche.

aus dem kubanischen Spanisch von Timo Berger

Ocio insular

espagnol | Ezequiel Alemian


También el humo tiene su historia, aunque participe del mundo de las cosas relativas e insensibles, y forme un todo con las articulaciones aparentes del carácter, y sea en la madurez de una costumbre donde haya que buscarle un origen a su tiempo.

Ahora es lo que ocurre cuando algo ha sucedido; es lo que tenía que pasar.
El humo es viejo y débil: una suerte de test.

Supongamos que sos impaciente, detallista y melancólica. Que todo lo llevás hasta su definición sádica, temerosa de que otra, eventualmente, haga presa de aquello que a vos se te escapa. Supongamos que en la piel llevás inscripto el fatalismo de un inconsciente analógico: la ciudad se ha vaciado de fábricas, sólo quedan cinco mil lúmpenes a la deriva y el recuerdo de las máquinas en el ritmo de las calles. De pronto, alguien comienza a acumular basura en las esquinas, a colgar desperdicios de los árboles, a dibujar el asfalto y las veredas.

Del otro lado del río, del otro lado del río.

© E.A.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Inseldasein

allemand


Auch der Rauch hat eine Geschichte, obwohl er an der Welt der empfindungslosen Dinge teilnimmt und mit den anschauli-chen Formen der Persönlichkeit ein Ganzes bildet, und vielleicht muss man den Ursprung seiner Existenz in einer lange gepflegten Gewohnheit suchen.

Das Jetzt ist das, was geschieht, wenn sich etwas ereignet hat; es ist das, was passieren musste.

Der Rauch ist alt und schwach: eine Art Prüfung.

Nehmen wir an, dass du eine ungeduldige, detailverliebte Melancholikerin bist. Dass du alles auf eine sadistische Spitze treibst, aus Furcht, eine andere Frau könnte womöglich das einfangen, was dir entgeht. Nehmen wir an, dass du in deiner Haut den Fatalismus eines analogen Unterbewusstseins eingeschrieben trägst: Die Stadt wurde von Fabriken geleert, zurückbleiben nur fünftausend, herumirrende Lumpenproletarier und die Erinnerung an Maschinen im Takt der Straße. Plötzlich beginnt jemand, an den Ecken Müll aufzuhäufen, Abfälle in den Bäumen aufzuhängen, den Asphalt und den Gehsteig zu bemalen.

Vom anderen Ufer, vom anderen Ufer.

Übersetzt von Timo Berger

Obreros

espagnol | Accidents Polipoétics

Obrero menos obrero igual a boina.
                   Raíz cuadrada de boina
              igual a rabito con sabor a badana.
             Un obrero no es igual a otro obrero.
             Medio obrero sólo es la raíz cúbica
                              de una hormigonera.

             Una hormigonera es el espacio máximo,
                              en metros cuadrados,
                        para que vivan 30 obreros
          y las respectivas familias de uno de ellos
                                          (a elegir).

      Una hormigonera sirve para preparar cócteles gigantes.
                                  O para marear a los patos.
                                O para marear a los obreros.
     La mitad de un obrero no es igual a un cuarto de ternera.
       Aunque si el cuarto es grande se vive mejor que en la
                        hormigonera, y eso aunque esté parada.

Obrero más taxi                     Igual a obrero motorizado.
Obrero menos pico                     Igual a obrero con mono.
Obrero dividido por dos                    Igual a carnicería.


      Yo propondría a nuestros buenos mandatarios que
    considerasen al obrero como una especie a extinguir.

Obrero sobre obrero                         Igual a marranada.
Obrero multiplicado por obrero   Igual a fábrica de conservas.
Obrero menos obrero                             Igual a boina,

              a boina de goma para meter cemento

                  cemento de una hormigonera.

© Accidents Polipoétics
from: Todos Tenemos la Razón
Barcelona : ed. La Tempestad , 2004
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Arbeiter

allemand

Arbeiter minus Arbeiter gleich Baskenmütze
                         Quadratwurzel von Baskenmütze
                  gleich Fetzen mit Schafsledergeschmack.
            Ein Arbeiter ist nicht gleich ein anderer Arbeiter.
                 Halber Arbeiter ist nur die Kubikwurzel
                      eines Betonmischers.

                Ein Betonmischer ist die maximale Fläche
                                 in Quadratmetern,
                 damit 30 Arbeiter leben
         und die zugehörigen Familien von einem von ihnen
                                            (zur freien Auswahl).

       Ein Betonmischer dient dazu, riesige Cocktails zu mixen
              Oder den Enten einen Drehwurm zu verpassen.
            Oder den Arbeitern einen Drehwurm zu verpassen.
  Die Hälfte eines Arbeiters ist nicht gleich ein Viertel Kalbsfleisch
     Doch, wenn das Viertel groß ist, lebt man in ihm besser als in
          einem Betonmischer, selbst dann, wenn dieser stillsteht.


Arbeiter plus Taxi                           Gleich motorisierter Arbeiter.
Arbeiter minus Spitzhacke                Gleich Arbeiter auf Entzug.
Arbeiter geteilt durch zwei                     Gleich Schlachterei.


          Ich würde unseren guten Machthabern vorschlagen,
        den Arbeiter als aussterbende Spezies anzusehen.


Arbeiter auf Arbeiter               Gleich Schweinerei.
Arbeiter mal Arbeiter                    Gleich Konservenfabrik.
Arbeiter minus Arbeiter                    Gleich Baskenmütze,

zur Baskenmütze aus Gummi, um Zement hineinzufüllen

                      Zement aus einem Betonmischer.

Übersetzt von Timo Berger

O’ Higgins

espagnol | Accidents Polipoétics

José Eduardo O`HIGGINS nació en la pequeña, aunque hermosa población
de Runten, provincia de Salvamorro, en el Paraguay Oriental.

Hijo de un minero y una telefonista, sus padres eran tan étnicamente
limpios que en Runten, provincia de Salvamorro, en el Paraguay Oriental,
les llamaban, cariñosamente, los puros.

Más de una vez su madre, en un alarde de loca picardía femenina, se había
lanzado a dar consejos, sobre higiene, a los vecinos y curiosos de Runten,
provincia de Salvamorro, en el Paraguay Oriental.

Su padre, Carlos María Pablo Swartz O`Higgins, era conocido en su
profesión como "el topo", por las siestas que se echaba en la mina,
cuando, amparado en la oscuridad de las galerías, apagaba la luz de
carburo, se tiznaba de carbón y fingía ser una piedra.

Murió cuando un minero le confundió con una veta de lignito y lo convirtió
en 27 sacos de carbón para barbacoa.

Su madre aceptó con resignación la pérdida de su marido y aprovechó la
ocasión para cambiar el papel del pasillo.

José Eduardo O`HIGGINS, vecino de Runten, provincia de salvamorro, en el
Paraguay Oriental, era un alma grande y le llamaban el "Mahatma
paraguayo". Ya a los 7 años de edad dio a la caridad una bolsa de trozos
de soldaditos de plástico, diez chicles mascados y el sujetador de su
madre.

Del sujetador nunca más se supo pero, meses después, José Eduardo
O`HIGGINS, vecino de Runten, provincia de salvamorro, en el Paraguay
Oriental, se hizo militar, después general, más tarde presidente, luego
dictador, poco después monarca y ahora emperador y santo patrono, hijo
predilecto de Runten, provincia de Salvamorro, en el jodido Paraguay
oriental.

Está a punto de convertirse en Dios, el dios más joven de Runten,
Paraguay.

© Accidents Polipoétics
from: Todos Tenemos la Razón
Barcelona : ed. La Tempestad, 2004
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

O’ Higgins

allemand

José Eduardo O’HIGGINS wurde in der kleinen, aber schönen Ortschaft
Runten, Provinz Salvamorro, im östlichen Paraguay geboren.

Sohn eines Minenarbeiters und einer Telefonistin, seine Eltern war ethnisch
so rein, dass man sie in Runten, Provinz Salvamorro, im östlichen Paraguay,
liebevoll die Puren nannte.

Mehr als einmal hatte es sich seine Mutter in einem Anfall närrischer
weiblicher Durchtriebenheit erlaubt, den Nachbarn und Neugierigen in
Runten, Provinz Salvamorro, im östlichen Paraguay, Hygieneratschläge zu
erteilen.

Sein Vater, Carlos María Pablo Swartz O’Higgins, war unter seinen Kollegen
als „Der Maulwurf“ bekannt, wegen der Siestas, die er in der Mine hielt,
wenn er im Schutz der Dunkelheit der Galerien das Karbidlicht auslöschte,
sich mit Kohle anschwärzte und so tat, als wäre er ein Stein.

Er starb, als ihn ein Minenarbeiter mit einer Braunkohleader verwechselte
und ihn zu 27 Sack Grillkohle verarbeitete.

Seine Mutter nahm den Verlust ihres Mannes resigniert hin und nutzte die
Gelegenheit, um die Tapete im Flur zu wechseln.

José Eduardo O’HIGGINS, Anwohner aus Runten, Provinz Salcamorro, im
östlichen Paraguay, hatte ein großes Herz, und man nannte ihn den
„Mahatma von Paraguay“. Schon im Alter von sieben spendete er der
Caritas eine Tasche voller Plastiksoldaten in Stücken, zehn gekaute
Kaugummi und den BH seiner Mutter.

Vom BH erfuhr man nie wieder etwas, aber, Monate später, wurde José
Eduardo O’HIGGINS, Anwohner aus Runten, Provinz Salvamorro, im
östlichen Paraguay, Soldat, dann General, später Präsident, dann Diktator,
wenig später König und jetzt Kaiser und Schutzheiliger, der auserwählte
Sohn von Runten, Provinz Salvamorro, im verfluchten östlichen Paraguay.

Er steht kurz davor, sich in Gott zu verwandeln, der jüngste Gott von
Runten, Paraguay.

Übersetzt von Timo Berger

O OSSO CÔNCAVO

portugais | Luís Carlos Patraquim

Ó ímpeto do Espírito,
radícula que o vento despenteia e o músculo imprime
travejado por dentro!

Ó longilínea dilatação do tempo,
barca oblonga onde nascem os rios, lentos,
adornando seu plasma na noite!

Da tua anca de água negra, das cavernas
soltas  no dorso do abismo,
é que te escarvo, osso côncavo,
a fauce rilhando de te lancetar a carne inútil,
o gume da estraçalhada língua, o sibilante enigma,
a curva suspensa e a sombra eléctrica,
ó força, ó inominado!

E de te ver!

Nem linha elíptica, tu a combinatória do que persiste
no desvão das palavras, quando ingénuas convocam
a eternidade, e nem trave rectilínea ou frontispício,
ou ensanguentada testa de fauno,
tu que só aceitas o esterno e o ilíaco
e a lava que se derrama dos pulmões furiosos;

E concebeste o indizível! Como dizer o que há no vazio
em riste dessa curvatura, oscilante eco sem memória
de ventre onde nem a águia se atreve ao vôo
e a serpente se desenrola até à evaginaçãode si?

Não te nomeio. Caminho. E o plano se inclina, grave,
ondulantemente terrível. Névoa ou pele ou pano,
já às raízes se contraem e pulsam, odoríferas, húmidas,
um enxamear de deuses espargindo a poeira;

E tu, intacto, flutuante onde ninguém te disse
e a palavra se acoita, espasmódica,
fetal. Seu silêncio enformando-o, ao osso,
côncavo.

© Luis Carlos Patraquim
unveröffentlichtem Manuskript,
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2008

Der hohle Knochen

allemand

Wucht des Geistes!
Wurzel, das der Wind zerzaust und der Muskel drückt,
von innen gespannt!

Die feingliedrige, gedehnte Zeit,
ein länglicher Kahn dort, wo die Flüsse entspringen, langsam
und in der Nacht ihr Plasma schmücken!

Aus deiner Hüfte aus schwarzem Wasser, aus freien
Höhlen an der Rückseite des Abgrunds,
scharre ich dich heraus, hohler Knochen,
der Schlund schnappt und du stichst das unbrauchbare Fleisch auf,
die Schneide der zerstückelten Sprache, das zischende Rätsel,
die innehaltende Kurve und der aufgeladene Schatten
Kraft, Namenloses!

Und dich zu sehen!

Weder eine elliptische Linie, du, die Kombinatorik, die im Unterschlupf
der Wörter überdauert, während Einfältige die Ewigkeit
anrufen, noch geradliniger Balken oder Fassade,  
oder blutender Faunenkopf,
du, der du nur das Brustbein und den Beckenboden annimmst
und das Lava, das aus tobenden Lungen quillt;

Und du hast das Unsagbare erdacht! Wie das sagen, was im Vakuum ist.
hoch über dieser Wölbung, ein anschwellender Widerhall ohne Erinnerung
an den Schoß, in dem kein Adler zu fliegen wagt
und die Schlange sich aufrollt, bis sie sich selbst einstülpt?

Ich sage deinen Namen nicht. Wandere. Und der Plan neigt sich, schwer,
in schrecklichen Wellen. Nebel oder Haut oder Stoff,
die Wurzeln ziehen sich schon zusammen und zittern duftend und feucht,
Schwärme von Göttern, die Staub verstreuen;

Und du, unberührt, treibend, wo niemand zu dir spricht
und das Wort sucht zuckend Zuflucht wie ein
Embryo. Sein Schweigen formt ihn, den hohlen
Knochen.

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

No está dado el contexto para cortar

espagnol | Martín Gambarotta

No está dado el contexto para cortar
un pomelo pero igual corta el pomelo
y así cambia el contexto dado
con un ademán ficticio produce y no produce
una alteración momentánea que oblitera
el único dato cierto
nunca hubo fruta por cortar.

© Martín Gambarotta
from: Relapso+Angola
Bahía Blanca: VOX, 2005
Audio production: Polvo. 9 Poetas argentinos (CD), Voy a salir y se me hiere un rayo (2004)

Die Bedingung, um eine Grapefruit aufzuschneiden

allemand

Die Bedingungen, um eine Grapefruit zu schneiden,
sind nicht gegeben, trotzdem schneidet er eine Grapefruit
und verändert so die gegebenen Bedingungen
erzeugt oder auch nicht mit einer fiktiven Geste
eine vorübergehende Veränderung, mit der
die einzige sichere Tatsache verschwindet
da lag nie eine Frucht, die man schneiden konnte.

Aus dem argentinischen Spanisch von Timo Berger

¿TAN RÁPIDO LLEGÓ EL 2002?

espagnol | Luis Chaves

El sonido de los refrigeradores
arrulla a las familias
y creen que es la lluvia
o viceversa.  
Para los turistas,
esto que es tu casa
será un video amateur
de palomas que llegan a comer
de sus manos.

No hace mucho tiempo
dormíamos sin soñar
mientras nuestros pies se tocaban.
Sin duda, los primitivos
encontrarían aquí un significado.

Del cine salen los electores
a vivir una película
en que todos son extras
y nada hay en eso de dramático,
como tampoco nada excepcional
en el charco de diesel tornasolado
donde los niños escupen para divertirse.

Allá donde fue tu casa
ya no está la foto blanco y negro
de la hija de un alcohólico.
El árbol que creció con los hermanos
tiene dos iniciales encerradas
en un poliedro
que debió ser corazón.

Llamarnos por nuestros nombres
debería parecernos un milagro
o al menos algo digno
de esas películas para intelectuales.

Herencia de mi madre es hablar poco,
el resto no es culpa de nadie.
Vivo en la que fue su casa
como un turista
y es mi padre ese señor
que alimenta a las palomas.

Nos arrulló varios inviernos la lluvia
o eso queremos creer,
pero es cierto
que dormíamos sin soñar
y que nuestros pies se tocaban.

© Visor
from: Chan Marshall
Visor, 2005
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2011

So bald schon war 2002?

allemand

Das Brummen der Kühlschränke
lullt ganze Familien ein:
Sie verwechseln es mit dem Rauschen des Regens
oder andersherum.
Für Touristen
wird dein Haus zur Location
eines verwackelten Videos
in dem Tauben ihnen aus
den Händen fressen.

Vor nicht allzu langer Zeit
hatten wir einen traumlosen Schlaf
und unsere Füße stießen aneinander.
Die Einfachgestrickten finden ganz sicher
einen Sinn darin.

Aus dem Kino strömt das Wahlvolk
um einen Film zu leben
in dem alle Statisten sind
und das ist nichts dramatisch
genauso wie an der schillernden
Ölpfütze nichts Besonderes ist
in die die Kinder freudig spucken.

Dort, wo dein Haus stand
findet sich nicht mehr das Schwarzweißfoto
von der Alkoholikertochter.
Der Baum, der mit den Geschwistern wuchs
trägt zwei Initialen, umrissen
von einem Vieleck
das wohl mal ein Herz darstellte.

Dass wir uns mit Namen ansprechen
muss uns wie ein Wunder vorkommen
oder ist zumindest
diesem Intelektuellenfilm würdig.

Die Wortkargheit habe ich von meiner Mutter
an allem anderen ist niemand schuld.
Ich lebe in dem, was ihr Haus war
wie ein Tourist
und mein Vater ist der Mann
der die Tauben füttert.

Mehrere Winter lang lullte uns der Regen ein
oder wir bildeten es uns ein
dass wir aber einen traumlosen Schlaf hatten
und unsere Füße aneinander stießen, das ist gewiss.

übersetzt von Timo Berger
in: Luis Chaves: Gedichte. Hochroth Verlag, Berlin, 2012

Mientras me lavo la cara

espagnol | Fabian Casas

Darío, parado, grita y gesticula.
Bajo una frazada marrón
Daniel se ríe y habla de sus novias.
Están borrachos y los que gritan en la cocina,
como diputados,también.
Mi vieja, resucitada,
golpea las ventanas, pidiendo entrar.

Al amanecer, bajo una claridad despiadada;
cigarrillos, libros   desperdigados,
platos con comida.
Camino, despacio, hasta el baño;
sé que la desgracia está sobre nosotros,
no ahora, tampoco el año próximo,
todavía somos jóvenes, pero eso
se pierde enseguida.
No tenemos nada, pienso,
mientras me lavo la cara,
ni un oficio, ni un a herencia,
ni una casa de sólida piedra.

© F.C.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Während ich mir das Gesicht wasche

allemand

Darío schreit und fuchtelt im Stehen.
Unter einer braunen Decke
lacht Daniel und spricht von seinen Bräuten.
Sie sind betrunken und die, die in der Küche
wie Abgeordnete schreien, auch.
Meine auferstandene Mutter
klopft ans Fenster und will reinkommen.

Bei Sonnenaufgang, in einer schonungslosen Klarheit:
Zigaretten, verstreute Bücher,
Teller mit Essen.
Ich gehe langsam bis zum Bad.
Ich weiß, dass das Unglück über uns kommt,
nicht jetzt, auch nicht nächstes Jahr.
Noch sind wir jung, aber das
verliert sich bald.
Wir besitzen nichts, denke ich,
während ich mir das Gesicht wasche,
weder einen Beruf, noch ein Erbe,
noch ein Haus aus festem Stein.

Übersetzt von Timo Berger

Mi amor

espagnol | Eugenio Montejo

En otro cuerpo va mi amor por esta calle,
siento sus pasos debajo de la lluvia,
caminando, soñando, como en mí hace ya tiempo…
Hay ecos de mi voz en sus susurros,
puedo reconocerlos.
Tiene ahora una edad que era la mía,
una lámpara que siempre se enciende al encontrarnos.
Mi amor que se embellece con el mal de las horas,
mi amor en la terraza de un Café
con un hibisco blanco entre las manos,
vestida a la usanza del nuevo milenio.
Mi amor que seguirá cuando me vaya,
con otra risa y otros ojos,
como una llama que dio un salto entre dos velas
y se quedó alumbrando el azul de la tierra.

© E.M.
from: Tiempo transgurado (Anthología Poética)
Carabobo: Universidad de Carabobo, 2002
Audio production: 2005, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Meine Liebe

allemand

In einem anderen Körper geht meine Liebe durch diese Straße,
ich spüre ihre Schritte im Regen,
sie geht und träumt schon seit einiger Zeit in mir...
In ihrem Flüstern erklingen Echos meiner Stimme,
ich erkenne sie wieder.
Sie ist jetzt so alt, wie ich damals war,
eine Lampe, die aufleuchtet, wenn wir uns begegnen.
Meine Liebe, die schöner wird durch das Übel der Zeit,
meine Liebe auf der Terrasse eines Cafés,
weiße Hibiskusblüten in den Händen,
gekleidet, wie es im neuen Jahrtausend üblich ist.
Meine Liebe, die bleiben wird, wenn ich aufbreche,
mit einem anderen Lächeln und anderen Augen,
wie eine Flamme, die von einer Kerze auf eine andere überspringt,
um weiter die blaue Erde zu erhellen.

Übersetzt von Timo Berger

Me levanto a mitad de la noche

espagnol | Fabian Casas

Me levanto a mitad de la noche con mucha sed.
Mi viejo duerme, mis hermanos duermen.
Estoy desnudo en el medio del patio
y tengo la sensación de que las cosas
no me reconocen.
Parece que detrás de mí nada hubiese concluído.
Pero estoy otra vez en el lugar donde nací.
El viaje  del Salmón
en una época dura.
Pienso esto y abro la heladera:
un poco de luz  desde las cosas
que se mantienen frías.

© F.C.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Mitten in der Nacht

allemand

Ich stehe mitten in der Nacht mit viel Durst auf.
Mein Alter schläft, meine Geschwister auch.
Ich bin nackt in der Mitte des Patios
und habe das Gefühl, dass die Dinge mich nicht wieder erkennen.
Es scheint, als wäre nichts hinter mir zu Ende gegangen.
Trotzdem befinde ich mich wieder am Ort meiner Geburt.
Die Reise des Lachses
in einer harten Zeit.
Das denke ich und öffne den Kühlschrank:
Etwas Licht kommt von den Sachen
die sich kalt halten.

Übersetzt von Timo Berger

MÉXICO D.F.

espagnol | Luis Chaves

Esa foto donde ninguno sonríe:

¿quién nos creerá que fue de la época buena?

© Visor
from: Chan Marshall
Visor, 2005
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2011

Mexiko-Stadt

allemand

Das Foto, auf dem niemand lächelt:

Wer ist der Meinung, dass es uns damals gut ging?

übersetzt von Timo Berger

LUGARES COMUNS

portugais | Ana Luisa Amaral

Entrei em Londres
num café manhoso (não é só entre nós
que há cafés manhosos, os ingleses também
e eles até tiveram mais coisas, agora
é só a Escócia e um pouco da Irlanda e aquelas
ilhotazitas, mas adiante)

Entrei em Londres
num café manhoso, pior ainda que um nosso bar
de praia (isto é só para quem não sabe
fazer uma pequena ideia do que eles por lá têm), era
mesmo muito manhoso,
não é que fosse mal intencionado, era manhoso
na nossa gíria, muito cheio de tapumes e de cozinha
suja. Muito rasca.

Claro que os meus preconceitos todos
de mulher me vieram ao de cima, porque o café
só tinha homens a comer bacon e ovos e tomate
(se fosse em Portugal era sandes de queijo),
mas pensei: Estou em Londres, estou
sozinha, quero lá saber dos homens, os ingleses
até nem se metem como os nossos,
e por aí fora...

E lá entrei no café manhoso, de árvore
de plástico ao canto.
Foi só depois de entrar que vi uma mulher
sentada a ler uma coisa qualquer. E senti-me
mais forte, não sei porquê mas senti-me mais forte.
Era uma tribo de vinte e três homens e ela sozinha e
depois eu

Lá pedi o café, que não era nada mau
para café manhoso como aquele e o homem
que me serviu disse: There you are, love.
Apeteceu-me responder: I’m not your bloody love ou
Go to hell ou qualquer coisa assim, mas depois
pensei: Já lhes está tão entranhado
nas culturas e a intenção não era má e também
vou-me embora daqui a pouco, tenho avião
quero lá saber

E paguei o café, que não era nada mau,
e fiquei um bocado assim a olhar à minha volta
a ver a tribo toda a comer ovos e presunto
e depois vi as horas e pensei que o táxi
estava a chegar e eu tinha que sair.
E quando me ia levantar, a mulher sorriu
como quem diz: That’s it

e olhou assim à sua volta para o presunto
e os ovos e os homens todos a comer
e eu senti-me mais forte, não sei porquê,
mas senti-me mais forte

e pensei que afinal não interessa Londres ou nós,
que em toda a parte
as mesmas coisas são

© Ana Luisa Amaral
from: Coisas de Partir
Fora do Texto, 1993
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2008

Allgemeinplätze

allemand

In London bin ich
in ein zwielichtiges Café gegangen (nicht nur bei uns
auch bei Engländern gibt es suspekte Cafés
obwohl ihnen sogar mehr gehörte, heute
nur noch Schottland, ein bisschen Irland und die
Inselchen weiter vorne)

In London bin ich
in ein zwielichtiges Café gegangen, noch schäbiger als eine unserer
Strandbars (das nur für die, die sich keine Vorstellung
davon machen, wie es in England aussieht), es
war äußerst suspekt,
aber sicherlich nicht aus Absicht, es war, wie wir sagen,
zwielichtig, voll gestellt mit Trennwänden, die Küche
verdreckt. Ganz grauenhaft.

Natürlich überkamen mich weibliche
Vorurteile – in dem Café
saßen ja nur Männer und aßen Bacon, Eier, Tomaten
(in Portugal hätten sie an einem Käsesandwich genagt)
aber ich dachte: Ich bin in London, bin
allein, will mehr über die Männer erfahren, denn die Engländer
lassen sich sonst nicht mit uns ein
und so weiter ...

Und so bin ich in ein zwielichtiges Café gegangen, in den Ecken
Baumattrapen.
Und erst drinnen fiel mir eine Frau auf
die irgendetwas las. Und ich fühlte mich
ich weiß nicht warum, stärker, einfach stärker.
Da saß eine Horde von 23 Männern und sie
und ich kam hinzu

Einen Kaffee habe ich bestellt, der für ein so zwielichtiges Café
gar nicht mal schlecht war. Der Mann
der ihn brachte, sagte: There you are, love.
Und ich hatte Lust, ihm zu antworten: I’m not your bloody love oder
Go to hell oder sonst was. Doch dann
dachte ich: Es ist in ihrer Kultur
so tief verwurzelt, er hatte sicher keine Hintergedanken und ich
breche bald auf, mein Flugzeug wartet
was kümmert's mich

Und ich habe den Kaffee, der nicht mal schlecht war, bezahlt
und bin noch eine Weile geblieben, sah mich um
sah die ganze Horde Eier und Speck in sich hineinschaufeln
sah auf die Uhr und dachte, das Taxi
kommt gleich, ich sollte draußen warten.
Und ich aufstand, lächelte die Frau
wie jemand, der sagt: That’s it

und sie sah sich um, sah zum Speck
und zu den Eier, den Männern, die alle aßen
und ich fühlte mich stärker, ich weiß nicht warum
einfach stärker

und dachte, ob in London oder bei uns
im Grunde gibt es
überall das Gleiche

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

LOS OTROS

espagnol | Luis Chaves

San José no fue más
que luces a la distancia:
una constelación administrativa
que de noche disimula el subdesarrollo.

El resto, latas vacías de una cerveza
que despreciaron por tibia;
la bombilla insuficiente
de un carro con puertas abiertas;
el sentimiento que, devaluado,
llamamos afecto.

© Visor
from: Chan Marshall
Visor, 2005
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2011

Die Anderen

allemand

San José war nur eine Handvoll
Lichter am Horizont:
eine administrative Anordnung
die nachts ihre Unterentwicklung überspielte.

Sonst waren da nur leere Dosen, ein Bier
das sie nicht mochten, weil es lauwarm war;
das schummrige Licht
in einem Auto, dessen Türen geöffnet waren;
ein Gefühl, dessen niedrigster Zustand
Affekt genannt wird.

übersetzt von Timo Berger
in Luis Chaves, "Gedichte" (Hochroth Verlag, Berlin, 2012)

Lo que decía no era lo que pensaba

espagnol | Martín Gambarotta

Lo que decía no era lo que pensaba
hasta que cortó un pomelo por la mitad
y expuso el centro de ese mundo a la luz
entonces sí, con la fruta una vez partida
lo que pensaba era lo que decía.

© Martín Gambarotta
from: Relapso+Angola
Bahía Blanca: VOX, 2005
Audio production: Polvo. 9 Poetas argentinos (CD), Voy a salir y se me hiere un rayo (2004)

Was er sagte, war nicht, was er dachte

allemand

Was er sagte, war nicht, was er dachte
bis er eine Grapefruit halbierte
und das Innere dieser Welt ans Licht brachte
dann, nach dem Teilen der Frucht,
war das, was er dachte, doch das, was er sagte.

Aus dem argentinischen Spanisch von Timo Berger

Literatura y Aduana

espagnol | Sergio Raimondi

No por insertar el cardo en el surco del verso
el verso se hará local, el tema no es el tema,
y cuando se habla de importación convendría
desagregar: no es lo mismo traer trilladoras
que tejidos de lana y algodón de Manchester,
porque si lo primero se justificaba en nombre
de la imposibilidad de una producción propia,
lo segundo arruinaba cultivos y artesanía
de antigua data y también, en el trac trac trac,
la canción que se cantaba en la labor de telar.
Se pretendió una literatura útil y nacional
con la intención feroz de quebrar en la lengua
cualquier vestigio que remontara a la colonia
(véanse las románticas declaraciones vertidas
por los jóvenes en la fundación de “El Salón”),
pero el estro económico y sostén del proyecto
vaciaba la posibilidad misma de, por lo menos,
plantear la hipótesis. Otro manifiesto literario
de la época era en este sentido la ley protectora
de Aduanas sellada por Rosas en el treinta y seis,
aunque enconteces poder establecer diferencias
de criterio sin impugnar el todo les hubiera sido
tan imposible como pretender conjugar la sofía
de Minerva con la intelegencia de un rastreador.

© S.R.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Literatur und Zoll

allemand

Nicht durch das Einfügen einer Distel in die Furche des Verses
wird der Vers lokale Literatur, das Thema ist nicht das Thema,
und wenn man von Importen spricht, ist es angebracht
zu unterscheiden: Es ist nicht dasselbe Mähdrescher
einzuführen wie Wolltextilien und Baumwolle aus Manchester
denn während ersteres mit der Unmöglichkeit
einer eigenen Herstellung gerechtfertigt wurde,
zerstörte letzteres alteingesessenes Handwerk und
Pflanzungen und auch das Lied, das beim Track Track Track,
bei der Arbeit am Webstuhl gesungen wurde.
Man forderte eine nützliche und nationale Literatur,
mit der grausamen Absicht, aus der Sprache jegliche,
auf die Kolonie zurückführende Spuren zu tilgen
(vergleiche die von den jungen Romantikern
bei der Gründung des Salons verbreiteten Erklärungen);
aber die Wirtschaft, göttlicher Funke und Stütze des Projekts,
unterhöhlte die bloße Möglichkeit, wenigstens
eine derartige These aufzustellen. In diesem Sinne war
das von Rosas Sechsunddreißig erlassene Gesetz
über Schutzzölle ein anderes literarisches Manifest jener Zeit;
auch wenn es ihnen damals unmöglich gewesen sein mag, Kriterien
zur Unterscheidung aufzustellen, ohne gleich alles in Frage zu stellen
genau so unmöglich wie der Versuch, die Intelligenz
der Minerva mit der Sophie eines Fährtensuchers zu vereinen.

Übersetzt von Timo Berger. In: Sergio Raimondi: Zivilpoesie/Poesía civil, Berlin: wissenschaftlicher verlag berlin 2005, ISBN: 3-86573-112-0.

Lisboa Kuya

portugais | Kalaf Ângelo

ensina-me a ser assim
capaz de fazer do ya
algo mais do que um sim
ninar tudo o que pede para ser pra já
e deixar aconchegar-se a mim
a certeza de que nada mais
terá o mesmo sabor
nem cerejas
nem lisboa

© Kalaf Ângelo
Audio production: 2008 Literaturwerkstatt Berlin

Geliebtes Lissabon

allemand

bring mir bei, so zu sein
dass ich aus einem Yeah
mehr als ein Ja machen kann
alles zum Schlafen zu bringen, was nur vorläufig sein will
und zuzulassen, dass sich die Gewissheit
an mich schmiegt, dass nichts mehr
denselben Geschmack haben wird
weder die Kirschen
noch Lissabon

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

Don Juan derrotado

espagnol | Julián Herbert

Todas mis mujeres quieren estar con otro.
Me abandonan por un adolescente,
alaban a su esposo mientras yo las estrecho,
se van con periodistas,
con autistas,
con rubios bien dotados, con guerreros
y cantantes venidos de ultramar.
Todas son bárbaras, histéricas,
infieles: me acarician
con el filo azorado de un puñal de lencería
y se lanzan a bailar en la inmunda taberna
montadas en los ácidos corceles del calor.

(Siempre bailan con otro:
mi vida es un gazapo entre las pausas de la orquesta.)

Yo las deseo entrecortadamente,
como un caimán imbécil y violento
que gusta de la presa aderezada con veneno.
Yo las deseo en las cornisas más esbeltas del amor.

Abismos sucesivos y dádivas perpetuas,
sus cuerpos se prolongan en mí hasta confundirse:
una compra cortinas,
ésta me pide que por favor la abofetee,
aquélla está sentada en un parque vacío,
la mirada perdida, comiéndose un helado.
Yo les muerdo los cuellos,
les palpo cada legua de la piel,
les hablo con la piedad de un epiléptico
que habla a sus pesadillas.
Ellas no duermen nunca: su único empeño
es la traición.

Celosas. Inconstantes.
Me arrojan de sus vidas como a un príncipe azul
que es echado de la fiesta de disfraces
con nada más que un vaso desechable en la mano.

Todas me engañan. Todas.

En sus brazos,
yendo de unos a otros brazos,
me siento como César, que miraba
–mientras ardían en su pecho los cuchillos–
algunos de los rostros que más amó.

© Julián Herbert
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2009

Don Juan, am Ende

allemand

Alle meine Frauen zieht es zu anderen hin.
Sie verlassen mich für einen Jungspund,
rühmen ihren Gatten, während ich ihren Körper dehne,
sie lassen sich auf Journalisten ein,
auf Autisten,
auf muskelbepackte Blondschöpfe, auf Krieger
und Sänger aus Übersee.
Sie sind alle barbarisch, hysterisch
und untreu: Sie streicheln mich
mit der schüchternen Klinge ihrer Wäsche
und üben erste Tanzschritte in der heruntergekommenen Taverne,
auf glühenden Streitrössern.

(Sie tanzen immer mit einem anderen:
Mein Leben ein falscher Schritt in den Orchesterpausen.)

Ich begehre sie von Zeit zu Zeit,
wie ein tumber, brutaler Kaiman,
der seine Beute giftig gewürzt am liebsten hat.
Ich begehre sie auf den schmalen Simsen der Liebe.

Abgründe, die aufeinander folgen, und nie abreißende Geschenke,
ihre Körper setzen sich fort in mir, bis sie nicht mehr zu unterscheiden sind:
eine geht Gardinen kaufen,
die andere will, dass ich sie bitteschön ohrfeige,
wieder eine andere sitzt in einem menschenleeren Park,
starrt ins Nichts und schleckt ein Eis.
Ich beiße sie in den Nacken,
taste jede Meile ihrer Haut ab;
ich spreche zu ihnen mit der Ehrfurcht eines Fallsüchtigen,
der von seinen Alpträumen spricht.
Sie schlafen nie: Ihre einzige Beschäftigung
ist der Betrug.

Eifersüchtig. Sprunghaft.
Sie verstoßen mich aus ihren Leben wie den blauen Prinzen,
der von einem Maskenball geworfen wird,
mit nichts als einem Plastikbecher in der Hand.

Alle betrügen mich. Alle.

In ihren Armen.
Von den Armen der einen zu den Armen der anderen,
komme ich mir vor wie Cäsar, der ein paar Gesichter erkannte
– während die Messer in seiner Brust brannten –,
die Gesichter seiner Lieblinge.

Übersetzt von Timo Berger

Desde que o Algarve é Algarve

portugais | Kalaf Ângelo

Invade-me um silêncio
Que quase roça o incómodo
Sempre que vejo a arte
Como pretexto para reflexões
Sobre a comunidade afro-tuga1
Num contexto contemporâneo
Acredito que hoje
O papel de um professor
Numa sociedade urbana
É mais importante que o de um músico
Assim como a imagem de uma família
Reunida à hora do jantar
Em bairros como damaia ou cova da moura
Tem mais profundidade
que qualquer pintura ou peça teatral
A arte, provavelmente
Não é o melhor veículo para mostrar
O rosto desta Lisboa mulata.
Mas não deixo de reconhecer
Que exerce um papel fundamental
Para contrariar aqueles que continuam a achar
Que os únicos episódios de interesse
Sobre África e africanos
Continuam a ser os safaris e as catástrofes
Que nos chegam através dos media.
África parece que só nos informa sobre as crises
As últimas cheias
As incontáveis vitímas da última guerra civil
O último genocídio,
As últimas sondagens
Sobre o número crescente de casos de HIV
Ou sobre as últimas pessoas que se afogaram
Ou foram presas quando tentavam atravessar
O estreito de gibraltar
Depois do jantar ou nas tardes do fim de semana
Extensos documentários
Sobre as idílicas paisagens do Serengeti
A fabulosa fauna animal
Ou ainda as sumptuosas dunas do Sahara e do Namibe
As maravilhas da natural África na hora do entretenimento
E o pesadelo social africano
Quando é hora da verdade
De uma certa verdade como disse Pep Subiros
É a verdade que desperta o interesse em buscar
Noutras capitais africanas como:
Paris; Londres e Lisboa
Elementos que me ajudem a compreender África:
Seus filhos; seus heróis; seus sonhos;
suas democracias; suas ditaduras; seus medos
suas Zonas J2; Seus Outros Bairros3 e seus Albertos
Cujos os pequenos nadas, cujas banalidades
Ou a generosidade em partilhar
Os seus sentimentos simples me fazem sorrir
Comove-me esta inocência
Que me lembra também que por mais urbano-global
Que sejam as suas aspirações
O compromisso com o rural-local
Transmitido por outras gerações
Continuam quase intacto
A desenraização desta geração, que tanto se debate
Não está assente no facto
De serem de origem africana
Nem naquele velha história
Dos pais transmitirem a ideia de África.
Está antes assente num simples detalhe
São pretos.
Não há nada de errado em ser Afro-Luso
O perigo está em não ter consciência disso
Os brothers americanos a dada altura
Autodenominaram-se  Afro-Americanos
Porque será?
Porque será que Malcom X defendia
Fervorosamente o regresso dos negros
Para o continente mãe
Mas depois de uma viagem a África
Afirmou que América era a sua casa
Não é a cor da pele nem a saudade
Que nos faz pertencermos a determinado lugar
Nem as obras de arte têm a obrigação
Ou o dever de desencadear revoluções
Ou a pequena revolução cultural
Que tantos “afronomos”4 anseiam
Interessa-me, acima de tudo
Saber se qualquer obra
Ou objecto de arte contribui ou não
Para a evolução cultural
A evolução não dá espaço
Para a nostalgia
O retorno, o retornar
O voltar ou o relembrar torna tudo mais difícil
O nosso passado foi negro ou branco
Dependendo da vista e do ponto
Só a evolução chega a ser verdadeiramente
Multicultural
Multiculturalismo este que observo
Em certos jovens com quem cruzo
Jovens que se parecem com Alberto
Alguns são pulas5 até a alma
Nasceram na Alfredo da Costa6
Vivem em bairros como os Olivais
Falam o criolo de Santiago
Dançam kizomba7 e kuduro8
Mais apaixonadamente que muitos pretos da banda9
Sabem rimar e sem muita pretensões
E se calhar, sem noção disso
Estão a rescrever a história censurada
Deste país que se confunde com África
Desde que o Algarve é Algarve


(1) Afro-tuga = Afro Portugues
(2) Zona J = Complexo de edificios no Bairro de Chelas, Lisboa. = Título de um filme
portugues sobre jovens de ascendência africada que habitavam o Bairro de Chelas.
(3) Outros Bairros = Título de um documentario portugues sobre jovens de
ascendência Africana que habitam nos suburbios de Lisboa.
(4) Afronomos =  Amantes da Africanidade
(5) Pulas = Caucasianos
(6) Alfredo da Costa = Maternidade Alfredo da Costa no centro de Lisboa
(7) Kizomba = Dança de Salão dos bailes africanos
(8) Kuduro = Dança urbana criada por jovens angolanos nas ruas de Angola
(9) Banda = Giria utilisadas para demoniar Angola.

© Kalaf Ângelo
Audio production: 2008 Literaturwerkstatt Berlin

Seit die Algarve die Algarve ist

allemand

Eine Stille überkommt mich
Die fast nicht auszuhalten ist
Immer wenn ich Kunst sehe
Die als Vorwand für Betrachtungen
Zur Afro-Tugiesische Gemeinschaft dient
In einem zeitgenössischen Kontext
Ich bin der Meinung, dass heute
Die Rolle eines Lehrers
In einer städtischen Gesellschaft
Wichtiger ist als die eines Musikers
So wie das Bild einer Familie
Vereint zur Abendbrotzeit
In Vierteln wie Damaia oder Cova da Moura
Mehr Tiefe hat
Als alle Gemälde oder Theaterstücke
Die Kunst ist wahrscheinlich
Nicht das beste Mittel, um das Gesicht
dieses mulattischen Lissabons darzustellen.
Doch ich spreche es ihr nicht ab,
Dass sie eine bedeutende Rolle spielt
Um jene zu widerlegen, die immer noch glauben
Dass die einzigen interessanten Geschichten
Über Afrika und die Afrikaner
Safaris und Katastrophen sind
Die uns über die Medien erreichen
Afrika informiert uns scheinbar nur über Krisen
Die letzten Überschwemmungen
Die zahllosen Opfer des letzten Bürgerkriegs
Den letzten Völkermord
Die letzten Statistiken
Über die wachsende Zahl an HIV-Fällen
Oder über die letzten Menschen, die ertrunken
Oder in Gefangenschaft geraten sind, beim Versuch, die Straße
von Gibraltar zu überqueren
Nach dem Abendessen oder nachmittags am Wochenende
Lange Dokumentarfilme
Über die idyllischen Landschaften der Serengeti
Die märchenhafte Welt der Tiere
Oder auch über die prächtigen Dünen der Sahara oder Namibias
Die Wunder der Natur Afrikas zur Unterhaltungszeit
Und der soziale Alptraum Afrikas
Wenn die Stunde der Wahrheit schlägt
Einer gewissen Wahrheit wie Pep Subiros gesagt hat
Die Wahrheit weckt das Interesse
In anderen afrikanischen Hauptstädten zu suchen, etwa:
Paris, London oder Lissabon
Elemente, die mir helfen, Afrika zu verstehen:
Seine Kinder: seine Helden; seine Träume;
Seine Demokratien; seine Diktaturen; seine Ängste
Seine J-Zonen; Seine Anderen Viertel und seine Albertos
Ihre kleinen Nichtse, ihre Plattitüden
Oder ihre Offenheit
Ihre einfachen Gefühle zu teilen, lässt mich schmunzeln
Diese Unschuld bewegt mich
Erinnert mich daran, dass – so städtisch-global
Ihre Wünsche auch sein mögen –
Die Verbundenheit mit dem ländlich-lokalen
Die ihnen von anderen Generationen auf den Weg gegeben wurde
Fast unverändert bleibt
Die Entwurzelung dieser Generation, über die so viel gesprochen wird
Beruht nicht auf der Tatsache
Dass sie afrikanischen Ursprungs sind
Noch auf dieser alten Geschichte
Der Eltern, die ihnen die Vorstellung von Afrika weitergeben haben.
Sie beruht auf einem einfachen Detail
Sie sind schwarz.
Es ist nichts falsch daran, Afro-Luso zu sein
Die Gefahr liegt darin, es sich nicht bewusst zu machen.
Die amerikanischen brothers haben sich zu gegebener Zeit
Selbst Afro-Amerikaner genannt.
Warum wohl?
Warum hat Malcolm-X sich
Inbrünstig für die Rückkehr der Schwarzen
Auf den Mutterkontinent eingesetzt
Aber nach einer Afrikareise
Bekräftigt, dass Amerika sein Zuhause sei?
Weder die Hautfarbe noch das Heimweh
Lassen uns an einen bestimmten Ort gehören
Auch die Kunstwerke haben weder die Pflicht
Noch die Aufgabe, eine Revolution in Gang zu setzen
Oder eine kleine kulturelle Revolution
Die so viele “Afrophile” herbeisehnen
Vor allem andern interessiert es mich
Zu erfahren, ob irgendein Werk
Oder Kunstgegenstand
Zur kulturellen Entwicklung beiträgt oder nicht
Die Entwicklung lässt keinen Raum
Für Nostalgie
Die Rückkehr, das Zurückkehren
Die Heimkehr oder das Erinnern macht alles schwieriger
Unsere Vergangenheit war schwarz oder weiß
Abhängig von unserem Blickwinkel oder Standpunkt
Nur die Entwicklung kann wahrhaftig
Multikulturell werden
Diese Multikulturalität, die ich beobachte
An einigen Jugendlichen, denen ich begegne
Jugendliche, die so sind wie Alberto
Von denen einige durch und durch kaukasisch sind
Sie wurden im Alfreda da Costa geboren
Wohnen in Viertel wie Olivais
Sprechen das Kreol von Santiago
Tanzen Kizomba und Kuduro
Leidenschaftlicher als viele Schwarze an den Küsten Angolas
Sie können reimen, ohne sich groß anzustrengen
Und sich anpassen, ohne zu wissen, was sie tun
Sie schreiben gerade die verbotene Geschichte
Dieses Landes neu, das mit Afrika verwechselt wird
Seit die Algarve die Algarve ist

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

Desa

espagnol | Marina Mariasch

Mi defecto es dominar
dice la tele.
Se le rompe la nariz y le sangra,
es como Amytiville…
Pero luego:
vendrá la larga noche y después
el desayuno.

En el breakfast, los hermanos se saludan y conversan.
Yo necesito el cereal, y mamá
necesita sus puzzles y papá
necesita lavar todos los autos de la cuadra y así
está bien.

Se pone el sueter ese que no es
el suetercito comprado
con el sudor de la frente
y perderlo es rencor
contra el capitalismo.

Salen juntos, caminan
juntos, pegados, tanto
que no se nota si el ruido
de llaves es del llavero de él
o del de ella.

O ese llavero-corazón
con adentro bolitas de colores
que una vez tiró contra la calle
desde la puerta
y se rompió como un símbolo
y las bolitas rodaron y se metieron
en las canaletas que hay
entre los adoquines.

Come, usa los dedos si es necesario,
come chocolinas y nequik y todo lo negro.
Anoche hizo frío y sangró
la nariz. Pero ahora,
por suerte,  es de nuevo
la mañana.

© M.M.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Frühstück

allemand

Mein Fehler ist es, zu dominant zu sein,
sagt die Glotze.
Sie bekommt einen auf die Nase und blutet,
das ist wie in Amytiville…
Aber dann:
Wird die lange Nacht kommen und danach
das Frühstück.

Beim Breakfast grüßen sich die Geschwister und unterhalten sich.
Ich brauche die Cornflakes, und Mama
braucht ihre Puzzle und Papa
muss alle Autos des Blocks waschen und so
ist alles in Ordnung.

Sie zieht sich den Pullover an,
der nicht der im Schweiße ihres Angesichts
verdiente kleine Pullover ist,
und ihn zu verlieren ist Wut
über den Kapitalismus.

Sie gehen zusammen aus, gehen
zusammen, so dicht,
dass man nicht bemerkt, ob der Lärm
der Schlüssel von seinem Schlüsselbund
oder von ihrem stammt.

Oder die Herzschlüsselanhänger
mit farbigen Kügelchen drinnen
den sie einmal auf die Straße warf
von der Tür aus
und der wie ein Symbol zerbrach
und die Kügelchen rollten und sprangen
in die Rillen zwischen
den Pflastersteinen.

Sie isst, nimmt die Hände, wenn es nötig ist,
isst Schokoladenstäbchen und Nesquik und alles Schwarze.
Gestern Nacht war es kalt und die Nase
blutete. Aber jetzt
ist es zum Glück wieder
Morgen.

Übersetzt von Timo Berger

Del sueño a la poesía

espagnol | Silvio Rodríguez

A Fabelo y Suyú
                                    A Belkis

Un mundo de contrahechos
se esparce en la cartulina,
bordado con punta fina
como los pelos del pecho.
País en que los deshechos
son amados todavía
es la comarca sombría
donde la luz se perdona,
porque allí van las personas
del sueño a la poesía.
 
En un sofá diminuto
posa minúscula gente.
Unos sonríen al lente,
otros cuentan los minutos.
Bichejos de rostro enjuto
se asoman a celosías
y carroñeras harpías
prestan garras al retablo,
mientras hace ronda el diablo
del sueño a la poesía.
 
Un pavorreal se pasea
por un desván en penumbras
y a su paso, que deslumbra,
la oscuridad se voltea.
¿Qué transformó pluma en tea
de apariciones umbrías?
¿Qué pasión, qué melodía
tocó el corazón humano
para conducir la mano
del sueño a la poesía?

© Silvio Rodríguez
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2011

Vom Traum zum Gedicht

allemand

Für Fabelo und Suyú
Für Belkis

Eine Welt aus Nippes und Tand,
die sich auf einen Karton verteilt,
bestickt mit feinem Garn
wie die Härchen im Nacken.
Land, in dem man das Kaputte
immer noch so liebt,
ein düsterer Landstrich,
in dem sich das Licht entschuldigt,
dort schreiten die Menschen
vom Traum zum Gedicht.

Auf einem winzigen Sofa
posieren listige Zwerge.
Manche lächeln in die Kamera,
andere zählen Sekunden.
Es blinzeln durch Jalousien
Chimären mit dürren Visagen,
und gefräßige Harpyien
bohren ihre Krallen in Altäre,
während der Teufel herumzieht
vom Traum zum Gedicht.

Ein blauer Pfau stolziert
durch eine düstere Kammer,
und mit seinem blendenden Auftritt
kippt die Dunkelheit.
Was machte diese Feder zum Kienspan
gespenstischer Schatten?
Welche Weise, welcher Eifer
berührte das Herz der Leute,
um ihre Hand zu leiten
vom Traum zum Gedicht?

aus dem kubanischen Spanisch von Timo Berger

LA NIEVE, LA ELECTRICIDAD

espagnol | Luis Chaves

La ropa tendida
y esas nubes.


Hay un perro nuevo,
me sigue a todas partes
aquí está debajo de la mesa,

cuando llueve con truenos
se clava al piso y no lo mueve nadie.

La casa está igual
menos la cocina,
la ampliamos botando la pared de atrás.
Ahora es más moderna,
tiene mostrador de granito
como en las revistas que mandaste,
cuando mandabas cosas.


Pusimos piedras blancas en el jardín,
hacen camino hasta la puerta.
Antes de llover
o cuando ya casi oscureció
entra el olor de la albahaca.
Eso tampoco ha cambiado,
todos los días
de todos los años,
esté quién esté,
ese aroma entra apenas
a la parte de la casa
que da al jardín
como siguiendo el camino de piedras.
Entra la albahaca
luego llueve
u oscurece.


Tenemos la misma tele
aunque parezca mentira.
Anoche, por cierto,
mientras pensaba en otra cosa
en un programa pasaban
la imagen de unas torres enormes
clavadas en campos verdes
para sacar electricidad del viento.
Todas en fila, formadas,
las hélices enormes y lentas
giraban a destiempo,
perdían la sincronización.


Entonces dejé la otra cosa
y pensé en eso
un buen rato:
cómo sería ir ahí,
el silencio mecánico talvez
al pie de una torre.
Luego me quedé dormida.


Afuera pasan las nubes
en formación,
las piedras del cielo parecen,
piedras rodantes.


Va a llover
y tengo ropa tendida.
Los truenos son el sonido
de la electricidad.
Te dejo esa frase de revista
mientras el perro tiembla,
atornillado al piso.


Puede ser tu lugar
donde están esas torres,
no entendí mucho
era el canal alemán o el francés,
a mí me suenan igual.
Unas praderas extensas,
parches verdes
de gramíneas diferentes
como corrientes de agua
o manchas de diesel
que se juntan
sin mezclarse.


Cómo será tu casa,
la ruta que lleva a la puerta,
la ropa secándose en un balcón.
En la tele veo programas de lugares y viajes
como el de anoche
o uno con gente rodeada de blanco
hundida hasta las rodillas.
Luego el mismo lugar sin gente,
sin otro sonido que el tic tac interno,
el que no viene del televisor.


Daban ganas de estar ahí.
La nieve en la tele,
detrás de la electricidad,
me pregunto cosas,
tu lugar, qué pensarás
antes de que llueva
o anochezca,
cosas así pienso
hasta que me duermo.


Me sigue el perro
pero se queda afuera,
al pie de la puerta.
No entra a este sueño
como de aspas gigantes
en cámara lenta,
la nieve al otro lado
de la electricidad.


Huele a albahaca,
es de noche
o va a llover.


Cuánto pesarán,
me pregunto,
sacando la mano
por el balcón de tu casa,
los copos,
los copos de nieve,
cuánto duran en la mano.

© Editorial Germinal
from: Monumentos Ecuestres
San José: Editorial Germinal, 2011
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2011

Der Schnee, der Strom

allemand

Die aufgehängte Wäsche
und die Wolken.


Ein neuer Hund folgt
mir überall hin
er liegt unter dem Tisch

wenn es blitzt und donnert
krallt er sich fest und keiner kriegt ihn von hier weg.

Das Haus ist gleich geblieben
nur die Küche nicht
wir vergrößerten sie, rissen die Wand hinten ein.
Moderner ist sie jetzt
mit einem Tresen aus Granit
wie in den Zeitschriften, die du schicktest
als du noch schriebst.


Wir verlegten weiße Steine im Garten
einen Weg bis zur Tür.
Vor dem Regen
oder wenn die Sonne fast schon untergegangen ist
liegt der Duft von Basilikum in der Luft.
Ebensowenig geändert hat sich:
Egal an welchem Tag
in welchem Jahr
egal wer gerade da ist
man riecht den Duft nur
in den Zimmern
die zum Garten hin liegen
als würde er dem steinernen Weg folgen.
Also erst das Basilikum
dann regnet es
oder die Nacht bricht herein.


Wir haben noch denselben Fernseher
auch wenn das nach einer Lüge klingt.
Gestern Abend
– ich dachte über etwas anderes nach –
sah in einer Sendung
gigantische Türme.
Sie standen in Reih' und Glied
auf einer grünen Wiese
um aus Wind Strom zu machen.
Riesige, behäbige Rotorblätter
drehten sich wie aus dem Takt gekommen
hatten ihren Gleichklang verloren.


Ich vergaß alles andere
und dachte eine ganze Weile
darüber nach:
Wie wäre es, jetzt dort zu sein?
Am Fuße der Türme
herrscht da eine mechanische Stille?
Darüber schlief ich ein.


Draußen ziehen die Wolken vorüber
in Gebilden
die Steine des Himmels sind
Steine auf Wanderschaft.


Es wird regnen
und meine Wäsche hängt auf der Leine.
Der Donner ist der Sound
des Stroms.
Ich schenke dir diesen Satz aus einer Zeitschrift
während der Hund, in den Boden
geschraubt, zittert.


Vielleicht stehen die Türme
ja bei dir
ich verstand nicht viel
es war der deutsche oder der französische Sender.
Weite Wiesen
mit Flecken
aus verschiedenen Grassorten
die wie Wasserströme
oder Ölpfützen
zusammenfließen
ohne sich zu vermischen.


Wie sieht wohl dein Haus aus
die Straße, die zur Tür führt
die Wäsche, die auf dem Balkon trocknet.
Im Fernsehen verfolge ich Sendungen über Orte und Reisen
wie die von gestern Abend
oder eine über Menschen, die mitten im Weiß
stehen, bis zu den Knien darin eingetaucht.
Dann derselbe Ort ohne Menschen
nur ein Ticken, das von Innen
das nicht vom Fernseher stammt.


Es weckte die Lust, dort zu sein.
Der Schnee im Fernseher
hinter dem Strom
ich frage mich, wie es bei dir ist
was du denkst
bevor es regnet
oder dämmert
darüber denke ich
vor dem Einschlafen nach.


Der Hund trottet mir hinterher
wartet dann aber draußen
am Fuße der Tür.
Er springt nicht in meinen Traum
mit den riesigen Rotorblättern
in Zeitlupe
dem Schnee auf der anderen Seite
des Stroms.


Es riecht nach Basilikum
es ist schon dunkel
oder wird bald regnen.


Wie viel wiegen sie
frage ich mich
und strecke die Hand
auf deinem Balkon aus,
die Flocken
die Schneeflocken
wie lange halten sie sich auf der Hand.

übersetzt von Timo Berger

La naturaleza no es un Banco

espagnol | Sergio Raimondi

Aunque el haz segado de trigo, a la luz última del día,
asemeje su brillo al que tiene el oro, la Naturaleza
no es un banco, y la flexibilidad de la vara no admite
metáfora económica ninguna, salvo cuando restalla.
Y así las grandes cosechas favorecidas por la lluvia
no alcanzaron allá por mil ocho setenta a amortiguar
el déficit provocado por los importantes empréstitos
firmados en Londres que habían permitido extender
el crédito vacante con el que se había creído pagar
la trilladora a vapor. Se importó para exportar, no
para no importar más. Un año o dos sin nubes a la vista,
y la trilladora urgida de algún repuesto, y el número
ingente de la deuda, blancos huesos, seco el junco
del fisco junto al arroyo seco, una escena romántica,
al azar del modélico destino liberal que copia y copia
como la literatura de sus ociosos, mucho, mucho y mal.

© S.R.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Die Natur ist keine Bank

allemand

Auch wenn die geerntete Weizengarbe im letzten Licht
des Tages ähnlich glänzt wie Gold, ist die Natur
keine Bank, auch die Biegsamkeit der Rute erlaubt
keine ökonomische Metapher, außer wenn sie kracht.
Und so reichten die großen, durch den Regen gesteigerten
Ernten um 1870 nicht aus, um das Defizit abzumildern,
das durch umfangreiche, in London gezeichnete Anleihen
entstanden war, mit denen man einen noch offenen Kredit
zur Bezahlung von Dampfmähdreschern ausweiten wollte.
Es wurde importiert, um zu exportieren, nicht, um nicht mehr
zu importieren. Ein Jahr oder zwei ohne Wolken in Sicht
ein Mähdrescher, der dringend ein Ersatzteil benötigte,
und die ungeheure Schuldensumme - blanke Knochen,
trocken die Binsen des Fiskus am trockenen Bach -
eine romantische Szene, ihrer liberalen Bestimmung folgend,
ein Modell, das nachahmt und nachahmt wie die Literatur
seiner Verfechter: sehr und sehr schlecht.

Übersetzt von Timo Berger. In: Sergio Raimondi: Zivilpoesie/Poesía civil, Berlin: wissenschaftlicher verlag berlin 2005, ISBN: 3-86573-112-0.

La mirada fija por dos segundos en una lámpara

espagnol | Martín Gambarotta

La mirada fija por dos segundos en una lámpara
el pomelo que tardó nueve días en cortar, el vaso
de agua que tomó en medio de la noche
la manteca untada por el cuchillo ideal, la inexistencia
del término epitomía que impide decir epitomía del hielo
y lo obligó a decir epítome del hielo, la mano en el hombro
del fotógrafo ácrata, la botella de una bebida impronunciable
que abrió con una cuchara para no volverse chino
y al cerrar los ojos la forma de la lámpara
que bajo sus párpados todavía fosforece.

© Martín Gambarotta
from: Relapso+Angola
Bahía Blanca: VOX, 2005
Audio production: Polvo. 9 Poetas argentinos (CD), Voy a salir y se me hiere un rayo (2004)

Den Blick zwei Sekunden lang auf eine Lampe fixiert

allemand

Den Blick zwei Sekunden lang auf eine Lampe fixiert
die Grapefruit, die er erst nach neun Tagen aufschnitt, das Glas
Wasser, das er mitten in der Nacht zu sich nahm
die Butter vom idealen Messer verstrichen, die Nichtexistenz
des Begriffs Epitomie, die es ihm unmöglich macht, Eis-Epitomie zu sagen
und ihn zwang Epitome des Eises zu sagen, die Hand auf der Schulter
des anarchistischen Fotografen, die Flasche eines unaussprechlichen Getränks
die er mit einem Löffel öffnete, um kein Chinese zu werden
und nach dem Schließen der Augen der Umriss einer Lampe
die selbst durch seine Lider leuchtet.

Anmerkung des Übersetzers:

Epitome ist ein Auszug aus einem größeren Schriftzug;

eine Art von Zusammenfassung, die nur die zentralen Aussagen und
ihre praktischen Konsequenzen enthält.

Herkunft griechisch, zusammengesetzt aus epi „oben”, hier:
„oberflächlich”
und tome „Schnitt”.


Aus dem argentinischen Spanisch von Timo Berger

La literatura será sometida a investigación
(Brecht, 1939)

espagnol | Sergio Raimondi

Se trata de poner en tela de juicio la literatura
con criterios no creados por ella; o sea:
de tensar los versos ante la acción del fuego
y de calificarlos no con lápiz sino con el cuchillo,
por ejemplo, o una sierra cariada o el carozo
de un durazno. Poesía y ferretería, destornillador
y vocal, metonimia a 220, en morsa la metáfora
a ser por el toc ajustada del martillo.
Las herramientas no están terminadas aún.
Y quien cree que se trabaja día a día en ellas,
chispas de la soldadora entre almanaques amarillos,
vidrio y alcohol entre fórmulas erradas,
salsa y serrucho en patios, galpones y cocinas
de casa ubicadas fuera del radio de la urbe
o en el centro mismo de su fragor cotidiano
un poco desvaría y se engaña.

© S.R.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Die Literatur wird der Forschung unterzogen werden (Brecht, 1939)

allemand

Es geht darum, die Literatur eingehend, mittels nicht
von ihr geschaffener Kriterien zu prüfen; das bedeutet:
die Verse im Angesicht der Gewehrläufe zu spannen,
und sie nicht mit dem Bleistift, sondern, zum Beispiel, dem Messer,
zu bewerten, einer zahnlosen Säge oder dem Kern
eines Pfirsichs. Dichtkunst und Eisenwaren, Schraubenzieher
und Vokal, Metonymie bei 220 Volt, Metaphern im Schraubstock,
anzupassen durch das Klopfen des Hammers.
Noch sind die Werkzeuge nicht vollendet.
Und wer glaubt, dass täglich an ihnen gearbeitet wird
- funkensprühendes Schweißgerät zwischen vergilbten Kalendern,
Glas und Alkohol zwischen falschen Formeln,
Bratfond und Fuchsschwanz in Höfen, Hallen und Küchen
der Häuser jenseits der Stadtgrenze
oder gar im Zentrum ihres täglichen Getöses,
der spinnt ein bisschen und macht sich was vor.

Übersetzt von Timo Berger. In: Sergio Raimondi: Zivilpoesie/Poesía civil, Berlin: wissenschaftlicher verlag berlin 2005, ISBN: 3-86573-112-0.

La historia se ha de escribir sobre una playa pavimentada

espagnol | Sergio Raimondi

Lo que habría que ver desde aquí no es la estólida
definición vertical de los galpones hechos ladrillo a ladrillo
sino por lo contrario su dispersión horizontal
luego del efecto de un muy eficaz exlosivo
accionado en condiciones verosímiles de precaución.
El número enorme de metros quadrados que correspondieron
ayer al Estado, y antes de ayer al Cangrejal
deberá convertirse en una amplia expanada de cemento
y vacío: sólo así podrá quedar despejado el paisaje
y recién entonces se podrá imprimir sobre su nada
la imagen del nuevo proyecto de los sueños: contenedores
sobre contenedores sobre contenedores sobre contenedores.
Se trata de ofrecer la ilusión de lo que es posible empezar
de nuevo, y por lo tanto de adecuar, como se hizo
un siglo atrás con este inhóspito lugar desde las exigencias
de la empresa ferrocarril, un pasado equivocado
a un porvenir cuyo esplendor ya ha sido comprabado
en otras latitudes. Es decir: el futuro existe,
si bien por ahora está a 12 a 16 horas de avión

© S.R.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Die Geschichte soll auf einen gepflasterten Strand geschrieben werden

allemand

Was man von hier aus sehen sollte, ist nicht der stolaförmige
senkrechte Schnitt der Hallen, Ziegel um Ziegel hochgezogen,
sondern, im Gegenteil, ihre waagerechte Streuung
nach der Explosion eines sehr wirkungsvollen Sprengstoffs,
gezündet unter wahrscheinlichen Sicherheitsbedingungen.
Die riesige Anzahl von Quadratmetern, die gestern dem Staat
vorgestern den Krabbenbänken gehörte
muss sich nun in eine weitläufige und leere Zementplatte
verwandeln: Nur so wird die Gegend leer sein
und erst dann wird man auf das Nichts das Bild
des neuen Traum-Projekts stempeln können: Container
auf Containern auf Containern auf Containern.
Es kommt darauf an, die Illusion zu wecken, dass ein Neuanfang
möglich ist, und deshalb, wie es schon vor einem Jahrhundert
mit diesem – nach den Anforderungen der Eisenbahngesellschaft
unwirtlichen Ort geschah, eine verfehlte Vergangenheit
auf eine Zukunft auszurichten, deren Pracht sich in anderen Breiten
schon gezeigt hat. Das heißt: die Zukunft existiert, wenn auch,
im Augenblick, 12 oder 16 Flugstunden entfernt.

Übersetzt von Timo Berger. In: Sergio Raimondi: Zivilpoesie/Poesía civil, Berlin: wissenschaftlicher verlag berlin 2005, ISBN: 3-86573-112-0.

La ama de casa

espagnol | Ezequiel Alemian


¿Cuántos días puedo pasar sin hablar?

Sin poner la estufa. Sin comer algo caliente. Sin ordenar la casa. Sin escuchar los mensajes que se acumulan en el contestador. ¿Cuántos días más puedo pasar sin coger?

Sin pagar las cuentas de los servicios. Sin retomar los cuadernos. Sin definir mi situación en el trabajo.

¿Cuántos días puedo estar sin pensar? Sin leer los diarios. Sin ducharme. Sin llamar por teléfono a V.

Sin hundirme en la mierda.

Sin hundirme otra vez en la mierda, ¿cuántos días más puedo pasar sin lavarme las manos?

¿Hasta que vengan los profesores de piano y de baile, a buscar la plata de las clases que todavía no les pagué? ¿Hasta que vaya a la feria a vender los juguetes de mis hijos? ¿Hasta que aprenda a escribir con los dedos, en las paredes?

Malestares hepáticos y forúnculos, mientras tanto, serán capaces de tejer la mentira de esta pose: ¿cuántos días más podré aguantar antes de volver a hundirme en la mierda de las imágenes?
Pose de feto en formol, inmenso, sobre un pedestal de madera oscura, iluminado desde el techo por un riel de spots incandescentes y exhibido a la voracidad del público de martes a domingo, de 13:00 a 18:00 horas.

© E.A.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Die Hausfrau

allemand


Wie viele Tage kann ich verbringen, ohne zu reden?

Ohne die Heizung anzustellen. Ohne etwas Warmes zu essen. Ohne das Haus aufzuräumen. Ohne die Nachrichten anzuhören, die sich auf dem Anrufbeantworter ansammeln. Wie viele Tage kann ich noch ohne Sex verbringen?

Ohne die Strom- und Wasserrechnungen zu bezahlen. Ohne mir wieder meine Hefte vorzunehmen. Ohne auf der Arbeit meine Situation zu erklären.

Wie viele Tage kann ich ohne Denken verbringen? Ohne Zeitung zu lesen. Ohne mich zu duschen. Ohne V. anzurufen.

Ohne in der Scheiße zu versinken.

Ohne schon wieder in der Scheiße zu versinken, wie viele Tage kann ich noch verbringen, ohne mir die Hände zu waschen?

Bis ich gelernt habe, mit den Fingern, auf die Wände zu schreiben?

Leberbeschwerden und Eiterpickel wären einstweilen in der Lage, die Lüge dieser Pose zu untermalen: Wie viele Tage kann ich noch verbringen, ohne in der Bilderscheiße zu versinken?

Pose des Fötus in Formalin, riesig, auf einem Sockel aus dunklem Holz, von der Decke mit Halogenstrahlern beleuchtet und der Gier des Publikums dargeboten, dienstags bis sonntags, 13 bis 18 Uhr.

Übersetzt von Timo Berger

DE COSTADO

espagnol | Damián Ríos

1

Un negocio,
el vidrio
que refleja la vereda de enfrente
entibiándose en el sol
y pareciera
que me voy a acordar de algo,
un papel escrito
quemándose en un pasillo hace
tres años, dos nombres,
pero no.
Creo que todo tiene
que ver: una pared amarilla
manchada por la sombra,
la música que sale de un equipo negro

                        -CD-                -SCAN-
       -SOUND-            -MODE-              -PAUSE-

en cada posición
una palabra, una función,
eso es.


2

Un negocio,
el reflejo de un perro dando
vueltas,
la música que sale
y encima una voz  que atraviesa
el perro sin tocarlo.

Colores claros en los muebles,
el tránsito en una avenida
a eso de la una,
un miércoles,
y un pensamiento o algo
como el aire que flota
en un globo
que flota en el aire.

Al vidrio
no le importa lo que está
del otro
de este lado.
El vidrio es vidrio, transparencia.
Un perro es uno
dando vueltas y a cada punto
iluminado
le corresponde,
al tiempo, un punto
en el reflejo

pero apenas me muevo
el color
en el perro desaparece.


3

Tengo maneras de evocarme.
Una es con olor a medias,
charcos de agua
vieja disimulados entre los pastos
manchados de verde y barro
alrededor de un tronco.
Otra es con partidos
de truco, ajedrez hasta el dolor
de cabeza.

Las partidas eran largas
y yo casi siempre andaba con alguna

las piezas eran de plástico,
el tablero de cartón.
Una vez soñé que resolvía una
con elegancia: la luz entraba
por la ventana junto a la heladera
iluminando
mi torre brillante
en un rincón del tablero.

La elegancia no estaba
en la posición
de las piezas, estaba en el movimiento
de mi mano,


                    así.


4


Barro alrededor de un tronco.
El color del pasto
igual al de las hojas para dibujo
y en la zanja
el color de las piedras corriéndose
abajo del agua.

Hay
un viento
que me embolsa
       
ya no hay.

Pasa un taxi,
la luz roja del cartelito de libre
cruza a la altura del velador
por toda la vidriera.
A veces me sale
quedarme así:
                    la idea
de un recuerdo

un cartelito de libre,
muebles sin uso acomodados
para gustar,
mis primos en pata con el agua hasta las rodillas
o el color del bulevar
donde empieza el asfalto
temblando en el
solazo.                             

5

Está
el olor de los pastos recién
cortados en la vereda,

ya no está.


Un vidrio que empaño
con el aliento para dibujar

redondel        cuadrado       viborita

Una casa
al otro lado de la calle,
los ladrillos pintados a la cal.

La casa de la Piru,
el papá
trae un ruido en una pierna
el ruido llega con él
a la nochecita
y se escucha desde la cocina.
El Pincén no lo torea.
La Piru tiene todo el pelo negro.

6

El redondel quiere
decir que estoy
contento. El cuadrado,
que quiero ser
tu novio. La viborita
quiere decir que no te entiendo.


Siempre te estoy mirando
de costado, el tajo
rosa de tu bincha en el pelo
esa vez que me estaba poniendo
las botas para ir al otro lado
y ella me preguntó adónde vas.
Al otro lado, le dije.

7

Hay tres que tocan
una canción,
eso es lo que hacen:
tocar una canción
y hay dos que dicen que eso está
bien,

entonces hay que hablar de eso
incluso ahora que toda la luz puesta
en los dos lados del vidrio
deja pensar que es verdad
se diría que al final algunas cosas
van a quedarse quietas.

© D.R.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Von der Seite

allemand

1

Ein Geschäft:
im Schaufenster
spiegelt sich die andere Straßenseite,
sich langsam in der Sonne erwärmend,
und fast hätte mich das,
an etwas erinnert,
an ein beschriebenes Blatt Papier,
das in einem Flur verbrannte,
vor drei Jahren, zwei Namen,
aber nichts.
Ich glaube, dass alles miteinander
zusammenhängt: eine gelbe Wand
befleckt von einem Schatten,
Musik aus einer schwarzen Stereoanlage:

        -CD-     - SCAN-
-SOUND- -MODE- -PAUSE-

in jeder Position
ein Wort, eine Funktion,
das ist es.


 
2

Ein Geschäft, ein
Schaufenster, das Spiegelbild
eines herum-
streunenden Hundes,
Musik dröhnt nach draußen
und noch eine
Stimme,
die den Hund durchdringt,
ohne ihn berühren.

Hellgestrichene Möbel,
der Verkehr auf einer Hauptstraße
gegen ein Uhr,
ein Mittwoch,
und ein Gedanke oder etwas
wie die Luft
in einem Ballon
in der Luft:
dem Schaufenster
ist es gleich, was es ist,
was sich auf der anderen, auf dieser Seite befindet
Das Fenster ist Glas, Transparenz.
Ein Hund ist ein Hund,
ein Streuner, und jedem Licht-
Punkt
entspricht
gleichzeitig
ein Punkt im Spiegelbild

aber kaum mache ich eine Bewegung
verschwindet die Farbe des Hundes.


 
3

Meine Arten, mich zu erinnern:
mit dem Geruch von Strümpfen,
mit Furchen von stehendem Wasser
im Gras versteckt,
mit grünen, schlammigen Flecken
an einem Baumstamm.
Oder mit Truco-
Partien, mit Schach bis
der Kopf schmerzt.

Die Spiele dauerten lange,
und fast geisterte mir
eine im Kopf herum.
Die Figuren waren aus Kunststoff,
das Brett aus Pappe.
Einmal träumte ich, dass ich eine
geschickt beenden würde: das Licht schien
durch das Fenster neben dem Kühlschrank herein
und beleuchtete
meinen glänzenden Turm
in einer Ecke des Spielbretts.

Die Eleganz befand sich nicht
in der Stellung der Figuren,
sie war
in der Bewegung
meiner Hand,

so.


 
4

Schlamm an einem Baumstamm.
Die Farbe des Grases
gleicht der des Zeichenpapiers
und im Kanal
die Farbe der Kieselsteine,
die langsam von der Strömung
vorangetrieben werden.

Der Wind
wickelt mich ein.

Jetzt schon nicht mehr.

Ein Taxi fährt vorbei,
das rote Licht des Freischilds
kreuzt auf der Höhe des Tischlämpchens
das ganze Schaufenster.
Manchmal gelingt es mir,
so zu werden:
   die Idee einer Erinnerung,
ein Freischild,
nicht benützte Möbel, nur dafür gemacht,
um zu gefallen, meine barfüßigen
Cousins, bis zu den Knien im Wasser
oder die Farbe des Boulevards,
an der Stelle, wo der Asphalt
in der glühenden Sonne zu
flimmern beginnt.


 
5

Der Geruch von
frisch geschnittenem Gras auf der Straße,

und schon nicht mehr.

Ein Fenster beschlägt durch meinen
Atem, ich zeichne:

Kreis Quadrat Schlangenlinie

Ein Haus
auf der anderen Straßenseite,
Kalk getünchte Ziegelsteine,

Das Haus der Piru,
der Papa und sein polterndes Holzbein,
der Lärm kommt
am frühen Abend und bleibt eine Weile in der Küche,
Pincén rührt sich nicht,
die Piru hat ganz schwarzes Haar.


 
6

Der Kreis meint,
dass ich
zufrieden bin. Das Quadrat,
dass ich dein Freund
sein will. Die Schlangenlinie
meint, dass ich dich nicht verstehe.

Immer betrachte ich
von der Seite den rosaroten
Einschnitt einer Spange in dein Haar.
Einmal zog ich mir
die Stiefel an, um
auf die andere Seite zu wechseln und sie fragte mich:
wohin gehst du? Auf die andere Seite,
sagte ich.


 
7

Drei spielen ein Lied,
das ist es, was sie tun: ein Lied
spielen
und zwei sagen,
das ist gut.
So müsste man es sagen
aber nicht jetzt: bei soviel Licht
auf beiden Seiten
des Schaufensters kann man nur denken, es
stimmt doch: gegen Ende
fangen die Dinge an, sich zu beruhigen.

Übersetzt von Timo Berger

interlúdio em forma de Pessoa

portugais | Pedro Sena-Lino

fumando inexplicavelmente versos
é que me conheço fumo
dos grandes invisíveis humanos

conheço a névoa das substâncias
mas um corpo líquido é que penso
tenho desejo de mim ao passar pelas ruas de ontem
queria ter-me entrar por mim como um verso
uma espada consciente de carne
que me dissesse que existo e sou agora
o vazio mais visível dos meus sonhos

é dessa fome que traço um caminho bífido
mais ou menos raso de raiz angústia
quando ardem versos e caminho pelas ruas de hoje
tocando apenas nos gestos avenidas de ontem
como se reconstitui um corpo de amante perdido
de pé nas escadarias dos sonhos mortos

tenho um essencial desejo dessa natureza
viva e morta que ubiquamente é eu
fumo-me para me encontrar entre essa neblina
entre a circunstância dos dedos e das rugas
consumo-me burlescamente ultraliricamente
o que me sai do genital celeste
a minha vida a existir é um vício textual
uma vontade de partículas incendiadas
pelo cego sentido que comanda tudo

(à porta do azul o anjo chamou-me
com contrários sentou-me num livro de vidro
abriu-me o livro pelas costas sussurrando
«entra no livro e come»
o mistério das asas arde na garganta
como o pó que a viva palavra levanta

o amor chegou vinha duma ópera de gluck
entrou-me pelas imaginações com sede
bebedor de distâncias e deixou-me depois
da sublime carne das fendas interiores
um corpo apenas é este o meu caminho)

tenho passado assim o coração dos becos
lembro-me do prazer da roupa suja
da noite íntima e quente de eu ser usado
pelo meu próprio sonhado outro
minha vida verdadeira saudade de pedra
onde eu sou maximamente nada
a cruz a morte e a salvação

ler a minha vida assim tão medievalmente geométrica
tão em tesão essencial da morte
dá-me o prazer carnívoro de me escrever
de me deitar rasgado pelo texto fora
comendo os braços de mágoas e a pedra em sangue
numa brutal obsessão mística por mesmo mim
escrevendo-me noutro corpo que me leia

alimento-me da minha própria fome
grito-me engenho-me
trituro-me em todos os versos
na carne abandonada de mim eu tenho fome
no rosto dividido de mim eu tenho fome
do corpo percebido de mim eu tenho fome

mas é desta avenida eu que caminho que me alimento
neste acto pétreo gnóstico de mim este
masoquimisticamente sobre-viver-me
é este o meu ciclo alimentar e assassino
essa palavra de eu me morder na boca

na carne final de que me vivo
na língua de pedra dos grandes invisíveis
eu como o meu total milagre
biofágico vivo

© Pedro Sena Lino
from: Biofagia
Quasi, 2003
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2008

zwischenspiel in form von Pessoa

allemand

einfach so verse rauchen
so kenne ich mich und rauche
große unsichtbare menschen

ich kenne den nebel der substanzen
denke aber an einen flüssigen körper
und begehre mich, wie ich auf den straßen des gestern spaziere
möchte mich durch mich eintreten sehen wie einen vers
ein schwert, das sich des fleisches bewusst ist
und mir sagt, dass ich existiere und jetzt
die himmelschreiende leere meiner träume bin

vor hunger zeichne ich einen gespaltenen weg
der fast ebenerdig an der wurzel der angst verläuft
wenn verse auflodern und ich auf den straßen des heute spaziere
berühre ich nur in gesten die avenidas des gestern
als ob ich den körper einer verlorenen geliebten wiederfände
am fuße der treppenhäuser gestorbener träume

ich habe ein essenzielles begehren nach dieser lebenden
und toten natur die überall ich ist
ich rauche um mir selbst in der wolke zu begegnen
in den umständen der finger und der falten
ich vollende grotesk und äußerst lyrisch
das was aus dem himmelsgenital herausquillt
mein leben die existenz ist wortwörtlich ein laster
der wille der teilchen die durch den verblendeten sinn
der alles befehligt entfacht wurden

(an der blauen tür rief mich der engel
setzte mich unter meinem protest an ein buch aus glas
klappte mir von hinten die seiten auf und flüsterte
»trete in das buch hinein und iss«
das rätsel der flügel brennt in meiner kehle
wie der staub aufgewirbelt von dem lebendige wort

die liebe traf ein kam in einer oper von gluck
drang durch die fantasie in mich mit dem durst
von einem der entfernungen schlürft und hinterließ mir
nach dem erhabenen fleisch den inneren rissen
einen körper nur das ist mein weg)

ich bin so durch das herz der gassen gelaufen
erinnerte mich an die freude an schmutziger kleidung
an eine innige und heiße nacht in der ich missbraucht wurde
von dem von mir selbst erträumten anderen
mein leben wahrhaftige steinerne sehnsucht
wo ich allerhöchstens nichts bin
das kreuz der tod und die erlösung

mein leben so mittelalterlich geometrisch zu lesen
so in der essenziellen spannung des todes
verschafft mir das fleischliche vergnügen mich zu schreiben
mich draußen vom text zerrissen hinzulegen
und die arme des kummer zu verspeisen und den blutigen stein
in einer brutalen mystischen obsession für mich selbst
schreibe ich mich ein in den anderen körper der mich liest

ich zehre an meinem eigenen hunger
rufe mich errichte mich
zerreibe mich in allen versen
in meinem verlassenen fleisch habe ich hunger
in meinem gespaltenen gesicht habe ich hunger
in meinem gespürten körper habe ich hunger

aber von der avenida auf der ich spaziere ernähre ich mich
von einem steinernen gnostischen akt das
masochistische mich-selbst-überleben
ist meine nahrungskette und ich ermorde
das wort vor lauter mir auf die lippen beißen

ins endgültige fleisch das mich lebt
in die steinerne zunge der großen unsichtbaren
ich verzehre mein totales lebendiges
biophagisches wunder

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

Jet set, trash and no star

espagnol | Ezequiel Alemian


Un la-bo-ra-to-rio. Práctico, portátil y personal. Se puede armar en un altillo, en el lavadero o en el cuarto de servicio. También en el baño del cuarto de servicio. Incluso intentamos instalarlo en un placard.

Corrimos contra un pared la escalera de madera, la escalera de metal y la caja de la máquina de escribir, y contra la otra pared las revistas viejas, los discos y los zapatos. Pasamos un trapo húmedo por el piso, mezclando las cabezas con la ropa que colgaba de la barra.

Nuestra especialidad iba a ser la química, con alguna incursión en la física, si llegaba a darse el caso. Las pruebas iniciales las hicimos con sangre: primero con una muestra seca y después con una gota que le sacamos del  pulgar con un pinchazo de aguja, rápido y firme. Después decidimos pasar al azufre (a las barras). (Para hacer bombas).

En Irán, antes, cuando alguien se compraba un auto, los vecinos acostumbraban degollar sus aves de corral para derramar la sangre sobre el chasis del vehículo.

Era la época del Sha Reza Pahlevi.

Komeini arengaba desde Iraq: “¡Despertad, gentes!”.

© E.A.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Jet set, trash and no star

allemand


Ein La-bo-ra-to-rium. Praktisch, tragbar und persönlich. Man kann es in einer Dachkammer aufbauen, in der Waschküche oder im Dienstmädchenzimmer. Auch im Bad des Dienstmädchenzimmers. Wir haben sogar versucht, es in einem Schrank einzurichten.

  Gegen die eine Wand schoben wir die Holzleiter, die Metallleiter und den Kasten der Schreibmaschine und gegen die andere die alten Zeitschriften, die Schallplatten und die Schuhe. Wir wischten den Boden mit einem feuchten Lappen und mischten die Köpfe unter die Kleider, die von der Stange hingen.

Unser Fachgebiet sollte die Chemie sein, mit dem einen oder anderen Abstecher in die Physik, wenn es der Fall verlangen sollte. Die Anfangsversuche führten wir mit Blut durch: Zuerst mit einer trockenen Probe, danach mit einem Tropfen, den wir ihm aus dem Zeigefinger mit einem schnellen und sicheren Nadelstich entnahmen. Danach entschieden wir uns, zum Schwefel (zu den Briketts) überzugehen. (Um Bomben zu bauen).

Wenn sich jemand im Iran ein neues Auto kauft, schlachten die Nachbarn für gewöhnlich ein Huhn und verspritzen das Blut über der Karosserie des Fahrzeugs.

Wir befinden uns in der Ära von Sha Reza Pahlevi.

Komeini hält aus dem Irak eine flammende Rede: «Wacht auf ihr Völker!»

Übersetzt von Timo Berger

Gengis Khan

espagnol | Julián Herbert

Bailábamos abrazados cuando irrumpieron los jinetes
pisoteando el jardín japonés de la entrada.
Sujetaron al pianista por el cuello
y le abrieron el cráneo, musitando:
Play it once, Sam.
Los martinis secaban la garganta
y no hubo un recipiente de vísceras o quesos
que no fuera volcado. Hacia la medianoche,
Gengis Khan bajó de su aposento
vestido de drag-queen y comiendo pastel.
Poco a poco, la fiesta se animó:
manos cortadas en la mesa de Monopoly
y en el Sony una porno situada en Año Nuevo.

Todo un poquito demasiado teatral.

Todo, menos el gallo:
el gallo que, en el patio de la casa,
cortaba con el pico pedazos de tomate
y caminaba alrededor de su vasija
como un guerrero tártaro en torno de la turba.

© Julián Herbert
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2009

Dschingis Khan

allemand

Wir tanzten eng umschlungen, als die Reiter hereingaloppierten
und am Eingang den Japanischen Garten niedertrampelten.
Sie packten den Pianisten am Kragen
und schlugen ihm die Schädeldecke ein, summten:
Play it once, Sam.
Die Martinis hinterließen staubtrockene Kehlen
und keine Schale mit Kutteln oder Käse,
die nicht umgestoßen wurde. Gegen Mitternacht
stieg Dschingis Khan aus seinem Gemach,
verkleidet als Drag-Queen mit einem Stückchen Torte.
Langsam kam die Party in Schwung:
abgehackte Hände auf dem Monopolytisch
und im DVD-Player ein Neujahrsporno.

Alles ein bisschen zu theatralisch.

Alles, außer dem Gockel:
der Gockel, der im Patio des Hauses
mit seinem Schnabel Paradeiser in Stücke hackte,
um seinen Napf hüpfte
wie ein Tartarenkrieger um die tobende Meute.

Übersetzt von Timo Berger

Fugitivos, como los años

espagnol | Ezequiel Alemian


La única forma de retener el tiempo es ahorrando.

Un día, un peso.

Lo que no se gasta hoy, se gastará mañana. El rendimiento del ahorro no se traduce jamás en una ganancia de tiempo. La cantidad de tiempo no varía. Se lo puede gastar o conservar en potencia.
El placer está hecho de tiempo vivido.

El ahorro es enemigo del placer.

La planificación financiera acerca a los hombres a la muerte, reduce sus experiencias al ámbito de las especulaciones y separa los deseos del cuerpo cotidiano. La gente muere más joven que nunca. En forma de herencia, inyectan a los sobrevivientes la cobardía de no haber cedido.
El dinero produce soledad.

Existen dos clases de cruceros para solos y solas: los que eligen los partidarios de los juegos y los que eligen los partidarios del deporte. Transatlánticos no quedan más: el impulso inicial que cobijaban los pasajeros durante varias semanas se ha ido decantando con el paso de las décadas, y ahora está especializado en generaciones.

¿Cogen?

¡Los próximos serán un joystick!

Sólo me excitan la violencia y la perversión.

© E.A.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Flüchtige wie die Jahre

allemand


Nur durch das Sparen kann man die Zeit festhalten.

Ein Tag, ein Peso.

Was man heute nicht ausgibt, gibt man morgen aus.

Der Ertrag des Sparens verwandelt sich nie in einen Zeitgewinn. Die Menge an Zeit verändert sich nicht. Man kann sie ausgeben oder für die Zukunft bewahren.

Die Lust besteht aus gelebter Zeit.

Das Sparen ist der Feind der Lust.

Die Finanzplanung bringt die Menschen dem Tod näher, beschränkt ihre Erfahrungen auf das Gebiet der Spekulation und trennt die Begierden vom Alltag. Die Menschen sterben jünger als je zuvor. Als Hinterlassenschaft bekommen die Überlebenden die Feigheit gespritzt, nicht nachgegeben zu haben.

Geld erzeugt Einsamkeit.

Es gibt zwei Klassen von Kreuzfahrtschiffen für Singles: die einen werden von Liebhabern der spielerischen Annäherung und die anderen von denen der körperlichen Ertüchtigung bevorzugt. Überseedampfer gibt es keine mehr: Der Anfangsimpuls, den die Passagiere früher mehrere Wochen lang hüteten, hat sich mit den Jahrzehnten verflüchtigt und auf Generationen verteilt.

Wird gefickt?

Die Nächsten werden Joystick sein!

Mich erregen nur noch Gewalt und Perversion.

Übersetzt von Timo Berger

Franciscano

espagnol | Julián Herbert

A mi manera, Francesco,
también me desnudé en una plaza.
Yo también con papá, en Atlixco. Estaba amaneciendo
y los chanates masticaban maldición
desde los árboles –en su lengua de esfinges.
La plaza un gran estante de artesanías de esfinge
negras. Y el cielo su mercado:
un piso de alquitrán al que señoras
estaban arrojando cubetas de jabón.
Papá me abrazó y dijo, citando a Malcolm Lowry:
“Hijo mío, bebimos
esta noche hasta la sobriedad”.
Quise matarlo, quise
darle un beso en la boca.

Edipo ante la esfinge: ¿cuál es el animal,
el animal que dice “no durará la pena”?

No durará la pena de su cuello en mis manos,
del sabor de su boca bajándome hasta el pecho,
del sabor a milagro del vacío,

[yo sería sin él ese milagro:
ese beso que nunca me di]

no durará, no durará la pena,
así sea porque el mal se parece a los sueños
y el ahorcado rara vez sobrevive a su dolor
–es ahí donde reside la ternura del verdugo–
y en la casa del verdugo llaman todos
a la soga por su nombre [yo te llamo papá,
yo te advierto que este amor es para siempre];
y por eso, aterrado, Edipo ante la esfinge
preguntando de nuevo: ¿cuál es el animal?...

Quise matarlo, quise
darle un beso en la boca. Pero
no durará, por eso no valía
la pena.

A mi manera, Francesco, tengo nada:
tengo en el brazo un tatuaje carmesí.
A veces digo que es una salamandra,
a veces que una iguana;
hoy es un camaleón.

A mi manera, Francesco, deseo todo.

Es así como pude renunciar.

© Julián Herbert
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2009

Franziskaner

allemand

Auf meine Weise, Franziskus,
habe auch ich mich ausgezogen, auf einem Platz.
Moi aussi, in Atlixco mit Papa. Die Sonne ging auf
und die Dohlengrackel pfiffen schon in ihrer Sphinxensprache
das Pech von den Bäumen –.
Der Platz war eine große Auslage voll schwarzer Sphinx-
figuren. Und der Himmel ihr Markt:
ein Teerboden, über den die Hausfrauen
kübelweise Seifenwasser schütteten.
Papa schloss mich in die Arme und zitierte Malcolm Lowry:
„Mein Sohn, wir trinken
heute Abend, bis wir wieder nüchtern sind”.
Ich wollte ihn töten, ich wollte
ihn küssen. Auf den Mund.

Ödipus vor der Sphinx: Welches Tier
sagt: „Der Schmerz währt nicht lange?”

Die Marter seines Nackens in meinen Händen wird nicht lange währen,
des Geschmacks seines Mundes, der mir die Kehle hinunterläuft,
des Geschmacks nach dem Wunder der Leere,

[ohne ihn wär ich jenes Wunder:
jener Kuss, den ich mir nie gegeben habe]

sie währt nicht, sie währt nicht lang, die Qual,
denn das Böse ähnelt den Träumen,
und selten überlebt der Gewürgte seinen Schmerz
– genau darin liegt die Zärtlichkeit des Henkers –
und im Haus des Henkers nennen alle
den Strick bei seinem Namen [ich rufe dich, Papa,
ich warne dich: diese Liebe währt ewig];
und deswegen fragt Ödipus wieder
die Sphinx, ängstlich: Welches Tier…?

Ich wollte ihn töten, ich wollte
ihn küssen auf den Mund. Aber
es währt nicht lange, es wird der Mühe
nicht wert sein.

Auf meine Weise, Franziskus, besitze ich nichts:
auf dem Arm ein karminrotes Tattoo.
Manchmal sage ich, es sei ein Salamander,
manchmal ein Leguan;
heute ist es ein Chamäleon.

Auf meine Weise, Franziskus, will ich alles.

So habe ich es geschafft, allem zu entsagen.

Übersetzt von Timo Berger

Festa de monarquia

portugais | João Maimona

não seria útil olhar de novo para o sol?
a mão que ofereci ao relevo do tempo
canta com as monarquias que dançam.
da música as sílabas fazem
imenso dezembro não anunciado.
na noite de ontem no centro
da lagoa entre dois barcos
estava um verde incêndio
anunciando a grande avenida
onde as palmeiras procuravam
saber se não seria útil
a pedra olhar ainda para o sol.
era a festa que se transformava
em festa

© João Maimona
from: Festa de monarquia
Luanda: Kilombelombe, 2001
Audio production: 2008 Literaturwerkstatt Berlin

Feier der Monarchie

allemand

wäre es nicht von Nutzen, wieder zur Sonne zu blicken?
die Hand, die ich dem Relief der Zeit reichte,
singt mit den tanzenden Monarchien.
und aus der Musik formen die Silben einen
gigantischen unerwarteten Dezember.
gestern Nacht im Zentrum der
Lagune flackerten zwischen zwei
Booten grüne Flammen auf, die
die Grande Avenida ankündigten,
wo die Palmen sich danach streckten
zu erfahren, ob die Steine
noch zur Sonne blicken sollten.
es war eine Feier, und sie wurde
zu der Feier.

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

Ezeiza

espagnol | Fabian Casas

Mi primo ya no es un gigante
en el crepúsculo de esta terraza
donde estamos sentados.
Dos casas más allá,
con broches en los labios
y pañuelo azul en la cabeza
una mujer cuelga la ropa.

Desde que se fue el libretista
el color whisky del pelo de mi primo
empezó a clarear
y en alguna feria americana
los jóvenes modernos
deben estar probándose
su vieja melena, sus pantalones oxford,
los suecos que yo a veces le robaba
para mirarme en el espejo...

Príncipes violentos de los setenta
¿Qué podemos hacer por ustedes?
No se convirtieron en políticos
ni se exiliaron, ni están
con dos enes en el pecho debajo de la tierra...

Ustedes,
que se colgaron de los árboles de Gaspar Campos
y fueron a esperar al Duce a Ezeiza,
tuvieron que soportar
que el viejo no les trajera la revolución
sino la peste.

"Pero no éramos -dice mi primo-
estetas de la muerte o fanáticos del dolor.
Simplemente buscábamos Tao..."

A la gente le gusta pensar
que la vida cambia. Y muchos viven pendientes
de cosas que no le van a suceder nunca.
Ahí está la vereda cubierta de arroz
del Registro Civil; el libro donde dice:
"Antes vine como el Cordero,
ahora he vuelto como el León".
Relatos, fábulas para un pueblo construído
de agua y de fe.
                           La silla de mi primo está vacía.
El viento agita los árboles en la calle.
Es cierto. Todo terminó más rápido
que un día de franco.
Después pasó el tiempo,
viajamos con las tribus del norte hacia el sur.
Algunos se reprodujeron.
Otros aprendimos que el miedo
es la distancia que existe
entre el dolor y la nada.
Yo crecí y me convertí en el líder.
En cuanto al Guerrero del camino,
nunca más lo volví a ver.
Ahora él vive
sólo
en mi memoria.

© F.C.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Ezeiza

allemand

Mein Cousin erscheint mir nicht mehr als Riese
in der Dämmerung dieser Terrasse,
auf der wir sitzen.
Zwei Häuser weiter,
die Klammern im Mund
und ein blaues Tuch um den Kopf gewickelt,
hängt eine Frau Wäsche auf.

Als der Librettist weg war,
begann das whiskyfarbene Haar meines Cousins,
grau zu werden
und auf irgendeinem Flohmarkt
probiert die Jugend von heute
gerade seine frühere Mähne,
seine Oxfordhosen, seine Plateauschuhe aus,
die ich ihm manchmal klaute,
um mich im Spiegel zu betrachten...

Gewalttätige Prinzen der Siebziger:
Was können wir für Euch tun?
Ihr seid weder Politiker geworden,
noch habt ihr euch ins Exil abgesetzt, noch liegt
ihr mit zwei N auf der Brust unter der Erde...

Ihr,
die ihr im Garten von Gaspar Campos in die Bäume hingt
und auf den Duce in Ezeiza wartetet,
musstet ertragen
dass euch der Alte nicht die Revolution
sondern die Pest brachte.

“Aber wir waren nicht“ – sagt mein Cousin
Ästheten des Todes oder Fanatiker des Schmerzes.
Wir suchten einfach nur Tao...“

Den Leute denken gerne
dass sich das Leben ändert. Und viele leben in der Abhängigkeit
von Dingen, die niemals passieren.
Dort ist der Gehsteig von Reis bedeckt
vorm Standesamts; das Buch, in dem steht:
„Vorher kam ich als Lamm,
jetzt kehre ich zurück als Löwe“.
Erzählungen, Fabeln für ein Volk
aus Wasser und Glaube.
Der Stuhl meines Cousin ist leer.
Der Wind schüttelt die Bäume auf der Straße.
Das ist gewiss. Alles ging schneller vorüber
als ein freier Tag.
Und dann die Zeit,
wir reisten mit den Stämmen des Nordens gen Süden.
Einige vermehrten sich.
Andere lernten, dass die Angst
die Entfernung
zwischen dem Schmerz und dem Nichts ist.
Ich wuchs auf und wurde zu einem Anführer.
Was meinen Kampfgefährten anbelangt,
ich sah ihn nie wieder,
jetzt lebt er
nur
in meiner Erinnerung.

Übersetzt von Timo Berger

Extraños ruidos en la tolva

espagnol | Sergio Raimondi

La psicología laboral lo sabe: ante niveles importantes
de exigencia y soledad las formas de protestas alcanzan
grados alarmantes de sutileza. Tan sólo un ejemplo:
el manejo de la soda caústica es de suma peligrosidad
durante el embolsado y la calidad de los guantes debe ser
más que eficaz. Los operarios de Solvay – Indupa se niegan
a usar el mismo par de una día para otro y por allí
o por allá, al final de la jornada, lejos de sí los arrojan.
La empresa presupuestó la compra de doscientas guantes
semanales para los doscientos embolsadores y sin duda
no es lo mismo comprar doscientos que comprar mil.
Por eso ahora cada lunes las manos de caucho se entregan
con un sello interno, y una reglementación ha fijado
la multa correspondiente a quien los abandone. Es decir:
ahora los guantes poseen apellido y número de legajo
pero no la herramienta  que el operario como al descuido
desliza en la bolsa de soda en perlas y que el vigilante
deberá dar por perdida con consiguiente multa para él.
Días más tarde, al realizarse la descarga de los vagones
en el muelle, el responsable de los silos de almacenamiento
oirá primero el golpe seco del hierro y luego el estallido
de los metales con que ha sido construida la hermosa tolva.

© S.R.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Seltsame Geräusche im Mühltrichter

allemand

Die Arbeitspsychologie weiß: Proteste gegen extrem hohe
Anforderungen und gegen die Einsamkeit können beunruhigend
heimtückische Formen annehmen. Nur ein Beispiel: Der Umgang
mit Ätznatron während des Abfüllens ist äußerst riskant
und die Beschaffenheit der Handschuhe muss höchsten Ansprüchen
genügen. Die Arbeiter von Solvay-Indupa weigern sich,
dasselbe Paar länger als einen Tag zu verwenden und hier und da
werfen sie es am Ende eines Arbeitstags, fern ihres Platzes, weg.
Das Unternehmen hat für die zweihundert Verpacker den Kauf
von zweihundert Handschuhen wöchentlich veranschlagt und
keinesfalls ist es dasselbe, zweihundert zu kaufen als tausend.
Deswegen werden die Kautschukhände nun jeden Montag
mit einem internen Stempel ausgegeben und eine Verordnung
regelt die Geldstrafe für den, der sie liegen lässt. Das bedeutet:
Die Handschuhe besitzen jetzt Namen und Aktennummer, nicht
 aber das Werkzeug, das der Arbeiter, wie aus Nachlässigkeit
in den Sack mit Natronkügelchen fallen lässt, und das der Vorarbeiter
mit der für ihn anfallenden Geldbuße als „verloren“ angeben muss.
Einige Tage später, wenn die Wagenladungen in die Mühle
gekippt werden, wird der Verantwortliche für die Speichersilos
zuerst den trockenen Aufschlag von Eisen und dann das Bersten
der Metalle hören, aus denen der schöne Mühltrichter gebaut wurde.

Übersetzt von Timo Berger. In: Sergio Raimondi: Zivilpoesie/Poesía civil, Berlin: wissenschaftlicher verlag berlin 2005, ISBN: 3-86573-112-0.

Esto no es un poema de amor

espagnol | Accidents Polipoétics

Las letras del televisor, el recibo de la luz,
los pantalones de pana, el colegio de los niños,
doce cajas de condones, el sofá y los dos sillones,
la contribución urbana, empapelar el pasillo,
reparar la pianola, doce tiestos de geranios,
el recibo de la luz, la factura del teléfono.
No me digas que me quieres,
¿Quién puso esa conferencia a Australia?

El regalo de tu madre, pasar por el tinte,
doce quilos de patatas, unos zapatos de cuero,
la declaración de la renta, el gato de porcelana,
llamar al fontanero, reparar las goteras,
el ingreso de la nómina, cambiar la tapicería,
pedir hora al odontólogo, hoy no se ha hecho la cama.
No me digas que me quieres,
Hoy no se ha hecho la cama.

Todos esos papeles, no hay ni un libro en su sitio,
hay una mancha en mi traje, no me cosiste la manga,
no encuentro las zapatillas, dile a tu hijo que calle,
hoy no me siento con fuerzas, no queda papel de water,
no queda papel de water.
No me digas que me quieres,
no queda papel de water.

          E                    Esto es un poema
          S                    de amor masticable.
          T                    Esto es un poema
          R                    de amor bailable.
          I                    Esto es un poema
          B                    de amor recambiable.
          I                    Esto es un poema
          L                    de amor intercambiable.
          L                    Esto es un poema
          O                    de amor retornable

© Accidents Polipoétics
from: Todos Tenemos la Razón
Barcelona : ed. La Tempestad, 2004
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Das ist kein Liebesgedicht

allemand

Die Schrift auf dem Fernseher, die Stromabrechnung,
die Hosen aus Kord, die Schule der Kinder,
zwölf Schachteln Kondome, das Sofa und die zwei Sessel,
die Gemeindeabgaben, den Flur tapezieren,
das Piano reparieren, zwölf Töpfe Geranien,
die Stromabrechnung, die Telefonrechnung.
Sag mir nicht, dass du mich liebst.
Wer hat diese Konferenz nach Australien verlegt?

Das Geschenk deiner Mutter, bei der Reinigung vorbeigehen,
zwölf Kilo Kartoffeln, Schuhe aus Leder,
die Steuererklärung, die Katze aus Porzellan,
den Klempner anrufen, die Dachrinne reparieren lassen,
die Lohnzahlung, die Polsterbezüge wechseln,
einen Zahnarzttermin ausmachen, heute ist das Bett nicht gemacht.
Sag mir nicht, dass du mich liebst.
Heute ist das Bett nicht gemacht.

Dieser ganze Papierkram, nicht ein einziges Buch ist an seinem Platz,
auf meinem Anzug ist ein Fleck, du hast meinen Ärmel nicht genäht,
ich finde die Turnschuhe nicht, sag deinem Sohn, er soll still sein,
heute habe ich keine Kraft, es gibt kein Klopapier mehr,
es gibt kein Klopapier mehr.
Sag mir nicht, dass du mich liebst,
es gibt kein Klopapier mehr.


R
 Das ist ein kaubares
E Liebesgedicht.
 Das ist ein tanzbares
F Liebesgedicht.
 Das ist ein auswechselbares
R Liebesgedicht.
 Das ist eine austauschbares
A Liebesgedicht.
 Das ist ein Mehrweg-
I Liebesgedicht.

N

Übersetzt von Timo Berger

ELEGIA DO NILO

portugais | Luís Carlos Patraquim

Azul e branco e o deus crocodilo na margem
Diante das ruínas de Karnak,
como sobes, visto daqui, das águas obscuras
Onde Ogum verteu suas lágrimas e cantou
O sulco vindouro, persistente e duro caminhante
De sul para norte sobre as areias, rasgando a volúvel pele
Dos deuses.

Reis e templos, em tuas margens ordenaram o mundo
Entre cada ciclo solar, suspensos do fim;
E louvo a cidade dos que partiram, o fluxo da pedra
que ainda sustém a geometria do eterno
emergindo da tua indiferença;Tu, que escondes os gatos
imóveis e os sabes para sempre espíritos soltos, eriçados; e te deleitas,
vendo-os na ronda dos desenhos enigmáticos, anichando-se junto aos
Sarcófagos que extrapolam de Ti, como se o teu leito derramado
Tivesse soerguido, da solidão granular, o perfil oblongo
Da cabeça de Nefertiti e Te espojasses na beleza efémera
Dos esponsais da Carne;

Ó matéria perecível que as ânforas guardam, aguardam,
Nós que perdemos o divino selo das libações inaugurais e salmodiamos,
No medo litúrgico da palavra esquecida, o simulacro do Livro
E a salvação dos mortos;
O que subia deles, extirpadas as vísceras, iluminados pelo ouro e a água
De que eras a substância!

Desceram as noites e o desmundo bebeu nas tuas margens
Enquanto Tu cantavas e era de ti o canto
Moldando a forma, lacerando as cidades e erguendo-as,
Com nossos pés descalços sobre a erva, acocorados
E breves, uma inscrição de sangue diluindo-se
Até ao mar.

© Luis Carlos Patraquim
unveröffentlichtem Manuskript,
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2008

Nil-Elegie

allemand

Das Blau und das Weiß und der Krokodilgott am Ufer
Vor den Ruinen von Karnak,
wie du, von hier gesehen, aus den dunklen Wassern steigst
In die Ogoun seine Tränen vergoss und
Die künftige Furche besang, den ausdauernden, strengen Wanderer,
Der von Süden nach Norden den Sand, die verletzliche Haut
Der Götter, aufreißt.

An deinen Ufern ordneten Könige und Tempel die Welt
Nach dem Lauf der Sonne und kennen kein Ende;
Und ich preise die Stadt, aus der die vielen Steine kamen,
Die bis heute die Geometrie der Ewigkeit schultern,
Die aus deiner Gleichmut aufstieg; du, der du die Katzen versteckst,
Die sich nicht rühren und, wie du weißt, struppige Freigeister sind; du siehst sie
Gerne umgeben von rätselhaften Fundamenten, sich neben Sarkophage einnisten,
Die auf dich verweisen, als ob deinem weitläufigen Flussbett
Das längliche Profil der Nofretete, aus körniger Einsamkeit,
Geschuldet sei, und Du dich nun in der vergänglichen Schönheit
Fleischlicher Gelüste wälztest;

Verderblicher Saft, den die Amphoren bewahren, sie warten,
Wir, die wir das göttliche Siegel der ersten Trankopfer verlieren und
In der liturgischen Angst des vergessenen Wortes, das gefälschte Buch besingen
Und die Erlösung der Toten;
Was von ihnen aufstieg, ohne Eingeweide, erleuchtet von Gold und Wasser,
Deren Substanz Du warst!

Die Nächte brachen an und die Nichtwelt trank an deinen Ufern
Während du deine Lieder sangst
Und die Form hervorbrachtest, Städte zerstörtest und bautest,
Wir, mit nackten Füßen auf dem Gras, kurz,
in der Hocke, eine blutige Inschrift, die davonrinnt
Bis zum Meer.

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

EL PERRO DE LOS VECINOS

espagnol | Luis Chaves

El perro de los vecinos mordió una vez al dueño. Lleva tres años encadenado al portón del garaje. Hoy volví de noche y vi ese bulto negro dormir con los ojos abiertos.

Venía de verte después de varios meses de incomunicación. Mentí cuando hablé de progreso, como antes mentía sobre la fidelidad. En la mesa contigua había más cervezas que personas y en la nuestra, cuando te inclinabas, me cegaba desde atrás un reflector.

Ahora pienso en la mirada hueca del que ya no es una mascota y en que no soy peor que mis vecinos.

Un día voy a liberar a ese perro. Un día seré yo el del resplandor en la cabeza.

© Visor
from: Chan Marshall
Visor, 2005
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2011

Der Hund der Nachbarn

allemand

Der Hund der Nachbarn hat vor drei Jahren sein Herrchen gebissen. Seitdem wird er ans Garagentor gekettet. Heute kam ich nach Hause und sah das Häuflein mit offenen Augen schlafen.

Ich hatte dich eben, nach Monaten, in denen wir voneinander nichts hörten, wiedergesehen. Ich log, als ich von Fortschritt sprach, so wie ich früher bei der Treue log. Auf dem Nachbartisch standen mehr Bierflaschen als auf dem unseren. Wenn du dich nach vorne beugtest, strahlte mich ein Scheinwerfer von hinter dir an.

Jetzt denke ich an den hohlen Blick desjenigen, der schon kein Haustier mehr ist und dass ich nicht schlechter bin als meine Nachbarn.

Eines Tages befreie ich den Hund. Eines Tages bin ich der mit dem Lichtschein um den Kopf.

übersetzt von Timo Berger

EL NECIO

espagnol | Silvio Rodríguez

Para no hacer de mi icono pedazos,
para salvarme entre únicos e impares,
para cederme lugar en su Parnaso,
para darme un rinconcito en sus altares
me vienen a convidar a arrepentirme,
me vienen a convidar a que no pierda,
me vienen a convidar a indefinirme,
me vienen a convidar a tanta mierda.
 
Yo no sé lo que es el destino:
caminando fui lo que fui.
Allá Dios, que será divino:
yo me muero como viví.
 
Yo quiero seguir jugando a lo perdido,
yo quiero ser a la zurda más que diestro,
yo quiero hacer un congreso del Unido,
yo quiero rezar a fondo un hijonuestro.
Dirán que pasó de moda la locura,
dirán que la gente es mala y no merece,
mas yo partiré soñando travesuras
(acaso multiplicar panes y peces).
 
Yo no sé lo que es el destino:
caminando fui lo que fui.
Allá Dios, que será divino:
yo me muero como viví.
 
Dicen que me arrastrarán por sobre rocas
cuando la Revolución se venga abajo,
que machacarán mis manos y mi boca,
que me arrancarán los ojos y el badajo.
Será que la necedad parió conmigo,
la necedad de lo que hoy resulta necio:
la necedad de asumir al enemigo,
la necedad de vivir sin tener precio.
 
Yo no sé lo que es el destino:
caminando fui lo que fui.
Allá Dios, que será divino:
yo me muero como viví.

© Silvio Rodríguez
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2011

Der Narr

allemand

Um meine Ikone nicht zu zerschlagen,
um mich zu retten unter Einäugigen und Blinden,
um mir einen Platz in ihrem Parnass zu überlassen,
um eine Ecke für mich auf ihrem Altar zu finden,
laden sie mich ein, alles zu bereuen,
laden sie mich ein, mit den Siegern zu sein,
laden sie mich ein, mich zu verleugnen,
laden sie mich zu so viel Schwachsinn ein.

Was das Ziel ist, weiß ich nicht:
Ich zog los und war, der ich war.
Dort ist Gott und bleibt auch göttlich:
So wie mein Leben wird mein Tod.

Ich will weiter auf das falsche Pferd setzen,
ich will mehr zur Linken stehen als zur Rechten,
ich will ein vollständiges Sohnunser beten,
ich will einen UNIDO-Kongress* einberufen.
Sie sagen, Verrücktheit sei nicht mehr in Mode,
die Leute seien böse und verdienten es nicht,
doch ich breche auf und erträume mir Streiche
(vielleicht vermehre ich dabei Brot und Fisch).

Was das Ziel ist, weiß ich nicht:
Ich zog los und war, der ich war.
Dort ist Gott und bleibt auch göttlich:
So wie mein Leben wird mein Tod.

Sie sagen, sie werden mich über Felsen schleifen
– geht einmal die Revolution vor die Hunde –,
werden mir die Augen und den Schwanz ausreißen,
über meine Hände trampeln und auf meinen Mund.
Hat die Torheit mit mir etwas in die Welt gesetzt?
Die Torheit dessen, was heute als töricht gilt:
die Torheit, es aufzunehmen mit jedem Feind,
die Torheit eines Lebens ohne Preisschild.

Was das Ziel ist, weiß ich nicht:
Ich zog los und war, der ich war.
Dort ist Gott und bleibt auch göttlich:
So wie mein Leben wird mein Tod.


* UNIDO: Organisation der Vereinten Nationen für
industrielle Entwicklung (Anmerkung des Übersetzers)

aus dem kubanischen Spanisch von Timo Berger

El infierno de mimbre

espagnol | Julián Herbert

Aburrido de que las vacas deban ser divertidas,
de los zafiros en derribo y la frambuesa congelada,
de lo sublime como psicosis con licencia de manejo,
de los concursos de belleza poética,
de los concursos de belleza política,
de Aldebarán y de otros nombres
igualmente tendenciosos,
aburrido de pasear (con papelitos en la mano)
por galerías llenas de escombro,
aburrido del gran Mall metafísico,
de la pájara pinta o la pájara pantera,
aburrido de ser hijo de Orfeo
y cantar todo esto en un orfelinato,
aburrido de bajar al infierno de mimbre
en busca de una aguja.

© Julián Herbert
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2009

Die Strohhölle

allemand

Gelangweilt von Kühen, die lustig sein sollen,
von Saphiren unter der Abrissbirne und Himbeeren tiefgefroren,
vom Erhabenen als Psychose mit Führerschein,
von poetischen Schönheitswettbewerben,
von politischen Schönheitswettbewerben,
von Aldebaran und anderen Namen
mit demselben Beigeschmack,
gelangweilt von Spaziergängen mit Zetteln in der Hand
durch Ladengalerien voller Schutt,
gelangweilt von der großen metaphysischen Mall,
vom Stieglitzreigen, der Schneeleopardenschnepfe,
gelangweilt davon, Orpheus’ Sohn zu sein,
und das alles in einem Waisenhaus zu singen,
gelangweilt vom Abstieg in die Strohhölle
auf der Suche nach einer Nadel.

Übersetzt von Timo Berger

El grillo incomprendido

espagnol | Sergio Raimondi

Como si le hubiera hecho difícil soportar
la fama de su cotidiana capacidad musical,
el grillo que habita la casa desde hace días
se niega a frotar la textura ondeada de un ala
contra el afilado borde de la otra en el ejercicio
que vaya a saber desde cuándo es conocido
como “canto”, y se vuelve así algo temerario,
ya que por la semejanza de color, la inmovilidad
al encenderse la luz del baño, la falta de lentes
de quien se levanta en mitad de la noche
y la ausencia, como decía, de su sonido habitual
se confunde con facilidad con una cucaracha.

© S.R.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Die unverstandene Grille

allemand

Als fiele es ihr nun schwerer, dem Ruf ihrer alltäglichen
musikalischen Fähigkeiten gerecht zu werden,
weigert sich die Grille, die seit Tagen im Haus lebt,
die geriffelte Struktur des einen an der scharfen Kante
des anderen Flügels zu reiben - ein Vorgang, der,
niemand weiß wie lange schon, als „Gesang“ bekannt ist,
und so erscheint sie auf einmal ein wenig tollkühn,
denn durch ihre ähnliche Farbe, ihr Erstarren, wenn im Bad
das Lichts angeht, das Fehlen der Brille bei dem,
der mitten in der Nacht aufsteht, und das Ausbleiben ihres,
wie gesagt, gewohnten Klanges, lässt sie sich leicht
mit einer Kakerlake verwechseln.

Übersetzt von Timo Berger. In: Sergio Raimondi: Zivilpoesie/Poesía civil, Berlin: wissenschaftlicher verlag berlin 2005, ISBN: 3-86573-112-0.

El canto del gallo

espagnol | Eugenio Montejo

A Adriano González León


El canto está fuera del gallo;
está cayendo gota a gota entre su cuerpo,
ahora que duerme en el árbol.
Bajo la noche cae, no cesa de caer
desde la sombra entre sus venas y sus alas.
El canto está llenando, incontenible,
al gallo como un cántaro;
llena sus plumas, su cresta, sus espuelas,
hasta que lo desborda y suena inmenso el grito
que a lo largo del mundo sin tregua se derrama.
Después el aleteo retorna a su reposo
y el silencio se vuelve compacto.
El canto de nuevo queda fuera
esparcido a la sombra del aire.
Dentro del gallo sólo hay vísceras y sueño
y una gota que cae en la noche profunda,
silenciosamente, al tictac de los astros.

© E.M.
from: Tiempo transgurado (Anthología Poética)
Carabobo: Universidad de Carabobo, 2002
Audio production: 2005, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Der Hahnenschrei

allemand

für Adriano González León

Der Schrei ist außerhalb des Hahns;
er fällt Tropfen um Tropfen auf seinen Körper,
wenn dieser, wie jetzt, im Baum schläft.
In der Nacht tropft der Schrei ohne Unterlass
aus dem Schatten in seine Adern und Flügel.
Er füllt den Hahn stetig
wie einen Krug;
füllt seine Federn, seinen Kamm, seine Sporne,
bis dieser überläuft und der Schrei ins Unermessliche anschwillt
und ohne Feuerpause in die Welt vordringt.
Dann beruhigt sich der Flügelschlag wieder
und die Stille verfestigt sich.
Der Schrei ist nach draußen entlassen,
in die Schatten der Luft gestreut.
Der Hahn spürt nur noch Eingeweide und Müdigkeit
und einen Tropfen, der durch die tiefe Nacht fällt,
leise wie das Ticken der Sterne.

Übersetzt von Timo Berger

El buey

espagnol | Eugenio Montejo

El buey que lleva mis huesos por el mundo,
el que arrastra mi sombra,
uncido a las estrellas, a yugos siderales,
va arando el tiempo, no la tierra,
por eso es sabio, profundo, demorado,
al tardo paso de las nubes.
Es mi buey, mi maestro cuadrúpedo,
por quien he conocido en la quietud
el habla porosa de las piedras
y cierta obediencia práctica a las cosas,
casi taoísta.
Es mi buey, la parte móvil de mi estatua,
lento de sol a sol sobre las horas;
el que ara el tiempo, no los campos,
el que graba con surcos en mi rostro
las semanas, los meses y los años.

© E.M.
from: Tiempo transgurado (Anthología Poética)
Carabobo: Universidad de Carabobo, 2002
Audio production: 2005, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Der Ochse

allemand

Der Ochse, der meine Knochen um die Welt trägt,
der meinen Schatten hinter sich herzieht,
im Gespann der Sterne, dem siderischen Joch,
er pflügt die Zeit, nicht die Erde,
darum besitzt er Weisheit, Tiefsinn, verspätet sich
mit dem langsamen Vorbeiziehen der Wolken.
Er ist mein Ochse, mein vierbeiniger Meister,
durch ihn habe ich die Stille kennen gelernt,
die poröse Sprache der Steine
und diesen praktischen Gehorsam gegenüber den Dingen,
fast Tao.
Er ist mein Ochse, der bewegliche Teil meiner Statue,
der langsam von Tag zu Tag die Stunden,
der die Zeit pflügt, nicht die Felder,
der Furchen in mein Gesicht zieht
für die Wochen, Monate und Jahre.

Übersetzt von Timo Berger

Cuando se corta por primera vez

espagnol | Martín Gambarotta

Cuando se corta por primera vez
un pomelo en un lugar desconocido
con un cuchillo de punta redonda
y poco filo, más apto en realidad
para untar manteca, el pomelo se vuelve
más extraño que el mundo que lo rodea
de modo que mirarlo detenidamente
por demasiado tiempo antes de partirlo
es una invitación al pánico.

© Martín Gambarotta
from: Relapso+Angola
Bahía Blanca: VOX, 2005
Audio production: Polvo. 9 Poetas argentinos (CD), Voy a salir y se me hiere un rayo (2004)

Wenn man zum ersten Mal eine Grapefruit

allemand

Wenn man zum ersten Mal eine Grapefruit
schneidet, an einem unbekannten Ort
mit einem Messer mit runder Spitze
und kurzer Schneide, im Grunde eher geeignet
um Butter zu streichen, erscheint die Grapefruit
fremder als die Welt, die sie umgibt
derart dass – wenn man sie vor dem Teilen
zu lange aufmerksam ansieht –
sie einlädt, in Panik zu verfallen.

Aus dem argentinischen Spanisch von Timo Berger

Crows

espagnol | Marina Mariasch

Dame la mano y vamos
ya dame la. Por la calle del bar El globito
pasan abrazados, parecidos entre sí.
Escuchan Counting Crows, grupos así
que la gente olvidará en serio.
Ella se duerme a la noche pensando
nombres de nena. Él, es poeta y dice:
Quisiera no escribir
malas palabras en el poema. Quisiera
verte la cara brillando, brillando.
Y así se duerme él.
Cuando llegó con el walkman
hecho pedazos y una parte en tres
descangallada supe que
escuchaba Counting Crows
grupos así, que la gente olvidará
¡en serio! Supe
que años más tarde, en una salida casual
con chicas bien vestidas alguien diría:
"La vida es fascista" y en el fondo,
de fondo, se escucharía Counting Crows
y ustedes, ellos, se mirarían sabiendo que
o tal vez, en un viaje en auto,
a Rosario por ejemplo, pasarían
por la experiencia
de ver un perro descangallado
al borde de la autopista
que hiere y es herida a la vez y pasarían
por la radio un tema de los Counting y tardarían
poco en mirarse por el espejo
retrovisor como en la salida
tardarían poco en emocionarse y mirar la salida
recordando el tiempo de las malas palabras
en los poemas y también recordando pensar
en las posibles derivaciones sexuales de esa amistad.
Quiero escribir los versos más bailables
esta noche. Quiero verte bailar como un
perro, entero.

© M.M.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Crows

allemand

Gib mir die Hand und los
na gib sie mir. Durch die Straße der Bar El Globito gehen
sich Ähnelnde Arm in Arm.
Sie hören Counting Crows, Gruppen also,
welche die Leute vergessen werden, echt.
Nachts denkt sie sich Namen für Mädchen aus
und schläft dabei ein. Er ist Dichter und sagt:
Ich möchte keine
Schimpfwörter im Gedicht schreiben. Ich möchte
dein Gesicht strahlen sehen, strahlen.
Und so schläft er ein.
Als er mit seinem Walkman ankam
der auseinander gebrochen war, ein Teil in drei,
völlig zertrümmert, wusste ich,
dass er Counting Crows hörte.
Gruppen also, welche die Leute vergessen werden,
echt! Ich wusste,
dass Jahre später, bei einer zwanglosen Verabredung
mit gut gekleideten Mädchen, jemand sagen würde:
«Das Leben ist faschistisch» und im Grunde
würde man den Counting Crows im Hintergrund zuhören,
und ihr, sie, würden sich ansehen und wissen, dass...
oder vielleicht, auf einer Autoreise
nach Rosario zum Beispiel, würden sie
die Erfahrung machen
einen platt gefahrenen Hund
zu sehen am Rande der Autobahn,
die verletzend ist und verletzt wird zugleich und im Radio würde
ein Lied von den Countings gespielt und sie bräuchten kaum Zeit,
um sich im Rück-
Spiegel zu betrachten wie bei der Verabredung
bräuchten sie nicht lange, um sich zu begeistern und den Ausgang anzuschauen
und sich dabei an die Zeit der Schimpfwörter
in den Gedichten zu erinnern und auch an die Gedanken an die möglichen sexuellen Abweichungen ihrer Freundschaft.
Ich will die tanzbarsten Verse schreiben
heute Nacht. Ich will dich tanzen sehen wie ein
Hund, ganz.

Übersetzt von Timo Berger

Cortó un pomelo transversalmente, partió

espagnol | Martín Gambarotta

Cortó un pomelo transversalmente, partió
la mañana en gajos raros, la carne
rosada expuesta por primera vez  
hirió con énfasis su mundo intraducible
generando una pausa acá
en el contexto de la fruta acuchillada.

© Martín Gambarotta
from: Relapso+Angola
Bahía Blanca: VOX, 2005
Audio production: Polvo. 9 Poetas argentinos (CD), Voy a salir y se me hiere un rayo (2004)

Er schnitt eine Grapefruit längs, teilte

allemand

Er schnitt eine Grapefruit längs, teilte
den Morgen in seltsame Scheiben, das rosafarbene
zum ersten Mal gezeigte Fruchtfleisch
verletzte eindringlich seine unübersetzbare Welt
und erzeugte eine Pause –
im Zusammenhang mit der erstochenen Frucht.

Aus dem argentinischen Spanisch von Timo Berger

CARDIOLOGIA

portugais | Fernando Pinto do Amaral

Talvez na sua vida o maior estímulo
fosse a curiosidade.
Era o motor de tudo: aproximava-se
de todas as mulheres que conhecia,
mas só lhe interessavam os seus corações.

Cultivava com método essa obsessão
e tal como as crianças costumam fazer
aos brinquedos preferidos,
também ele queria vê-los por dentro,
saber ao certo como funcionavam,
desfíbrar lentamente cada esperança,
dissecar com um rigor quase científico
cada angústia ou desejo inconfessável
até saborear o gosto sempre novo
de cada uma dessas células

Após cada experiência, observava
aqueles corações já desmontados
e, por não conseguir juntar as peças
guardava-as uma a uma no seu peito.
Era um lugar seguro
e com tantos pedaços de outras vidas
na sua pulsação descompassada
podia enfim acreditar
que tinha também ele um coração.

© Fernando Pinto do Amaral
from: Pena Suspensa
Lisboa: Dom Quixote, 2004
Audio production: Casa Fernando Pessoa/CML

Kardiologie

allemand

Vielleicht war die Neugier
der größte Antrieb seines Lebens.
Sie spornte ihn an, sich den Frauen
die er kannte, zu nähern
dabei reizten ihn nur ihre Herzen.

Seine Obsession lebte er methodisch aus:
Wie ein Kind, das immer wissen will
wie sein liebstes Spielzeug
von innen aussieht, strengte er sich an
herausfinden, wie es funktionierte
in Zeitlupe jede Hoffnung auftrennen
mit beinah wissenschaftlicher Exaktheit jede Angst
jedes heimliche Begehren sezieren
bis er den immer neuen Geschmack
der einzelnen Zelle verspürte

Nach jedem Experiment betrachtete er
die zerlegten Herzen und verwahrte sie
weil er sie nicht wieder zusammensetzen konnte
einzeln in seiner Brust
ein sicherer Ort
und mit so vielen Stücken von anderen Leben
an seinem unregelmäßigen Puls
konnte er sich endlich weismachen
dass auch er ein Herz besäße.

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

BLOGUE

portugais | Fernando Pinto do Amaral

Mantivera no fim da adolescência
aquilo a que chamava simplesmente
o seu diário íntimo:
páginas manuscritas onde ardiam
rastilhos de mil sonhos que rasgavam
as mordaças da angústia social,
a timidez tão própria da idade.

Nessa caligrafia cuja cor
fora ainda a do sangue
colheu a energia necessária
para atravessar como um sonâmbulo
o ordálio daquela juventude,
o seu incandescente calendário
de amizades vorazes, tão velozes
como os amores que julgava eternos
e outras feridas mal cauterizadas.

Hoje quase não volta a essas páginas:
estamos no século XXI
e em vez do diário de outros tempos
mantém agora um blogue
onde todos os dias extravasa
recados, atitudes, confissões,
coisas no fundo tão inofensivas
como o fogo que outrora lhe acendia
as frases lancinantes
 – embora hoje em dia quando escreve
tenha por um momento a ilusão
de que as suas palavras continuam
a propagar ainda o mesmo vírus,
e a alimentar, quem sabe, os mesmos
sonhos
sempre que alguém desconhecido as ler
como quem só assim então escutasse
um segredo na noite do mundo.

Mas, apesar de todo o entusiasmo
que o mantém acordado por noites sem fim,
ele adivinha que também virá
um dia a abandonar sem saber como
o seu actual vício solitário
e dentro de alguns anos, ao reler
as frases arquivadas no computador,
talvez tudo isso lhe pareça então
fruto de gestos tão adolescentes
como os que antigamente preenchiam
esses cadernos amarelecidos
e hoje sepultados para sempre
em esquecidas gavetas de outro século.

© Fernando Pinto do Amaral
from: Pena Suspensa
Dom Quixote, 2004
Audio production: Casa Fernando Pessoa/CML

Blog

allemand

Er hatte in seiner späten Jugend
ein, wie er es nannte
intimes Tagebuch geführt:
von Hand beschriebene Seiten, auf denen
die Zünder Tausender Träume loderten, welche
die Knebel der Angst vor den Andern verzehrten
die jenem Alter so eigene Schüchternheit.

In Schönschrift und mit
blutroter Tinte
sammelte er die notwendige Kraft
um schlafwandlerisch die Prüfung
der Jugend zu durchstehen
ihren weiß glühenden Kalender
alles einnehmender Freundschaften, die so rasch
vergehen wie für ewig gehaltene Lieben
und andere schlecht vernarbte Wunden.

Die Seiten schlägt er heute nur selten auf:
Wir schreiben das 21. Jahrhundert
und anstelle eines Tagebuchs aus einer anderen Zeit
betreibt er jetzt einen Blog
auf dem er sich jeden Tag auslässt
Notizen, Kommentare, Geständnisse
Dinge, die im Grunde so harmlos sind
wie das Feuer, das widerborstige Sätze  
früher in ihm entfachten
– auch wenn er heute beim Schreiben
für einen Moment lang der Illusion erliegt
seine Worte würden immer noch denselben Virus verbreiten
und vielleicht dieselben
Träume nähren
immer dann, wenn sie ein Unbekannter liest
der nur so der Nacht der Welt
ein Geheimnis ablauscht.

Aber trotz all der Begeisterung
die ihn endlose Nächte wach hält
sieht er voraus, dass er eines Tages
und ohne den Grund zu kennen
sein derzeitiges einsames Laster aufgibt
und – in ein paar Jahren, wenn er die
im Rechner gespeicherten Sätze wieder liest –
ihm all das vielleicht wie die Frucht
so jugendlicher Gesten vorkommen mag
wie die, die früher die heute vergilbten
Kladden füllten, die auf ewig in
vergessenen Schubladen eines
anderen Jahrhunderts begraben sind.

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

Blindaje 2001

espagnol | Ezequiel Alemian


Ahora. FMI, 34,5%. ¿Qué se puede esperar a partir de enero, tras el anuncio del blindaje financiero de 40.000 millones de dólares que consiguió el gobierno? Se inicia. BID, 6,3%. ¿Qué sector va a liderar la reactivación económica? Una nueva. Banco Mundial, 6,3%. El Gobierno ya habló de reactivación en varias ocasiones y la economía sigue estancada. Etapa. Canjes de títulos del Tesoro, 17,6%. Está todo dicho en la carta de intención. ¿Por qué ahora la gente les tiene que creer? (Tenemos muchas ofertas. Sí. No. Es totalmente independiente. Es un compromiso más fuerte. Lo que escribieron lo pueden escribir, tranquilamente. Lo tenemos previsto) En la política. Bancos Privados, 25,2%. Económica. AFJP, 7,5%. ¿Cuáles? La etapa. España, 2,5%. ¿Cómo va a hacer para cambiar el mal humor de la gente? Del crecimiento. Vencimientos de deuda externa, 14.260 millones. ¿Cuándo se aplicarán las reformas estructurales que anunció el Gobierno? Sin riesgos. Déficit fiscal, 6.914 millones. ¿Cuándo saldrá la reforma del sistema jubilatorio? No tengo nada que agregar. ¿Eso quiere decir que saldrá por decreto de necesidad y urgencia? El país crece.



Presidencia de la Nación


© E.A.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Blindaje 2001

allemand


Nun. IWF, 34,5 %. Was ist ab Januar zu erwarten, nach der Ankündigung der Blindaje, der Hilfskredite über 40 Milliarden Dollar, die die Regierung in den Verhandlungen herausgeschlagen hat? Es geht voran. Interamerikanische Entwicklungsbank, 6,3 %. Welcher Sektor wird die wirtschaftliche Erholung bringen? Eine erneute. Weltbank, 6,3 %. Die Regierung hat schon zu verschiedenen Zeiten von Erholung gesprochen, doch die Wirtschaft stagniert weiter. Etappe. Umschuldung der Staatsanleihen, 17,6 %. Es steht alles in der Absichtserklärung. Warum sollten die Leute es jetzt glauben? (Wir haben viele Angebote. Doch. Nein. Es kommt nicht darauf an. Es geht um ein stärkeres Engagement. Was sie ge-schrieben haben, können sie ruhig schreiben. Das haben wir vorhergesehen.) In der Politik. Private Banken, 25,2 %. Wirtschaftliche. AFJP (Rentenkassen), 7,5 %. Welche? Die Etappe. Spanien, 2,5 %. Wie wird er es anstellen, um die schlechte Stimmung der Leute zu ändern? Vom Wachstum. Fällige Posten der Auslandsschuld, 14,25 Milliarden. Wann werden die Strukturreformen durchgeführt, die die Regierung angekündigt hat? Ohne Risiko. Staatsdefizit, 6,914 Milliarden. Wann wird die Reform des Rentenwesens kommen? Ich habe dem nichts hinzufügen. Soll das heißen, dass sie per Not-dekret kommen wird? Das Land wächst.



Präsidialamt der Nation.





[Die so genannte Blindaje, die finanzielle „Panzerung“, wurde im Dezember 2000 von der argentinischen Regierung unter Fernando De la Rúa mit den Internationalen Finanzinstitutio-nen ausgehandelt. Um die argentinische Finanzkrise abzuwenden, sagten diese dem Land Hilfskredite zu, die günstigere Konditionen garantierten als die Kredite, die Argentinien zu der Zeit auf dem freien Markt bekam. Es handelte sich gleichzeitig um eine Art Garantie, die den privaten Gläubigern suggerierte, IWF und Weltbank würden im Fall einer Zahlungsunfä-higkeit Argentiniens für dessen Verpflichtungen geradestehen. - d.Ü.]

Übersetzt von Timo Berger

Berlín, 1921

espagnol | Ezequiel Alemian


“A principios de junio llegó la orden de que la población debía abandonar la ciudad. Tres días después, a la mañana temprano, la población fue sacada de la ciudad. El pueblo fue dividido en grupos fuera de la urbe. Luego, en caravanas, se lo puso en marcha.”
“¿Cuántos días caminaron?”

“No sé. Mis padres fueron asesinados el mismo día que dejamos la ciudad.”

“¿A dónde los llevaban?”

“Hacia el sur.”

“¿Quién custodiaba la caravana?”

“Gendarmes, jinetes y soldados, a ambos lados, a lo largo del camino.”  

“¿Cómo tuvo lugar la muerte de sus padres y hermanos?”

“Cuando el grupo se alejó un poco de la ciudad, nos hicieron detener y los gendarmes empezaron a saquear para obtener el dinero y los objetos de valor.”

“¿Cómo fueron asesinados sus padres?”

“Durante el saqueo, desde el frente de la caravana se abrió fuego sobre nosotros.  En ese instante uno de los gendarmes se llevó a mi hermana arrastrándola. Mi madre comenzó a gritar: ‘¡Que me quede ciega...!’ Mi hermana fue arrastrada y violada. Me golpearon. Entonces vi cómo le partieron la cabeza a mi hermano de un hachazo.”

“¿Quién le partió la cabeza a su hermano de un hachazo?”

“Apenas los gendarmes empezaron la masacre, se les unió la turba; en ese instante mataron a mi hermano...”

© E.A.
Audio production: Timo Berger / M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Berlin, 1921

allemand


«Anfang Juni kam der Befehl, dass die Bevölkerung die Stadt verlassen muss. Drei Tage später, am frühen Morgen, wurde die Bevölkerung aus der Stadt getrieben. Die Bewohner wurden au-ßerhalb der Stadt in Gruppen aufgeteilt. Danach mussten sie in Karawanen losmarschieren».

«Wie lange marschierten sie?»

«Ich weiß es nicht... Meine Eltern wurden an dem Tag, als wir die Stadt verließen, ermordet».

«Wo brachte man sie hin?»

«In den Süden».

«Wer bewachte die Karawanen?»

«Gendarmen, Reiter und Soldaten, zu beiden Seiten, den ganzen Weg über».

«Wie ereignet sich der Tod ihrer Eltern und Geschwister?»

«Als die Gruppe sich ein wenig von der Stadt entfernt hatte, hielt man uns an, und die Gendarmen begannen zu plündern, um das Geld und die Wertgegenstände zu bekommen»“.

«Wie wurden ihre Eltern ermordet?»

«Während der Plünderung wurde vom Kopf der Karawane das Feuer auf uns eröffnet. In diesem Augenblick schnappte sich einer der Gendarmen meine Schwester und zog sie mit sich fort. Meine Mutter fing zu schreien an. ‚Lieber werde ich blind…!’ Meine Schwester wurde mitgerissen und vergewaltigt. Ich wurde ge-schlagen. Dann sah ich wie sie meinem Bruder mit einem Axthieb den Kopf spalteten».

«Wer zerschlug ihrem Bruder den Kopf mit einem Axthieb?»

«Kaum hatten die Gendarmen mit dem Massaker angefan-gen, hat sich ihnen der Pöbel angeschlossen, in jenem Augenblick töteten sie meinen Bruder…»





[1921 begegnet ein Armenier in Berlin zwei Türken, die den Genozid an den Armenier in der Türkei angeführt haben, bei dem der Armenier seine ganze Familie verloren hat. Er erschießt die beiden auf der Stelle. Die deutsche Justiz spricht den Armenier frei. Das Gedicht zitiert Teile seiner Aussage vor Gericht. - d.Ü.]

Übersetzt von Timo Berger


¿Adónde van?

espagnol | Silvio Rodríguez

¿Adónde van las palabras que no se quedaron?
¿Adónde van las miradas que un día partieron?
¿Acaso flotan eternas,
como prisioneras de un ventarrón,
o se acurrucan entre las hendijas,
buscando calor?
¿Acaso ruedan sobre los cristales,
cual gotas de lluvia que quieren pasar?
¿Acaso nunca vuelven a ser algo?
¿Acaso se van?
¿Y adónde van…?
¿Adónde van?

¿En qué estarán convertidos mis viejos zapatos?
¿Adónde fueron a dar tantas hojas de un árbol?
¿Por dónde están las angustias
que desde tus ojos saltaron por mí?
¿Adónde fueron mis palabras sucias
de sangre de abril?
¿Adónde van ahora mismo estos cuerpos
que no puedo nunca dejar de alumbrar?
¿Acaso nunca vuelven a ser algo?
¿Acaso se van?
¿Y adónde van…?
¿Adónde van?

¿Adónde va lo común, lo de todos los días:
el descalzarse en la puerta, la mano amiga?
¿Adónde va la sorpresa
casi cotidiana del atardecer?
¿Adónde va el mantel de la mesa,
el café de ayer?
¿Adónde van los pequeños terribles encantos
que tiene el hogar?
¿Acaso nunca vuelven a ser algo?
¿Acaso se van?
¿Y adónde van…?
¿Adónde van?

© Silvio Rodríguez
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2011

Wohin gehen sie?

allemand

Wohin gehen all die Worte, die nicht geblieben sind?
Wohin all die Blicke, irgendwann einmal geworfen?
Tanzen sie vielleicht ewig
als Spielball einer Windbö
oder kauern sich in eine Ritze
auf der Suche nach Wärme?
Kullern sie vielleicht über die Scheiben,
wie Regentropfen, die hereinwollen?
Werden sie womöglich nie wieder etwas bedeuten?
Gehen sie vielleicht fort?
Und wohin gehen sie?
Wohin gehen sie?

Was ist wohl aus meinen alten Schuhen geworden?
Wo landeten die ganzen Blätter dieses Baums?
Wo sind die Ängste,
die mir entgegenschlugen aus deinen Augen?
Wo sind meine Wörter hin, besudelt
vom Aprilblut?
Wohin gehen die Körper,
die ich immer wieder zurück ins Leben rufen muss?
Werden sie nie mehr etwas bedeuten?
Gehen sie vielleicht fort?
Und wo gehen sie hin?
Wohin gehen sie?

Wohin geht das Gewöhnliche, die Routine:
die Schuhe vor der Tür, die vertraute Hand?
Wohin geht die fast alltägliche
Überraschung, dass der Abend anbricht?
Wohin die Tischdecke,
der gestrige Kaffee?
Wohin der kleine, furchtbare Zauber,
den nur das Zuhause hat?
Werden sie nie mehr etwas bedeuten?
Gehen sie vielleicht fort?
Und wohin gehen sie?
Wohin gehen sie?

aus dem kubanischen Spanisch von Timo Berger

“mashairi [for upendo]”

portugais | Kalaf Ângelo

o que quê gera esta geração
acção / estagnação?
do que se alimentam?
como amam
o deserto, o oceano
deus e aborígenes: memoria
e genes: contradição e génese
minha lemba: minha eva
minha sede: minha erva
o exudu que me leva
ao meio, os meios
as urbano - dependências
lisboa - pessoa - negreiros
amo-os desalmadamente
tanto quanto os negros
cujo passado se confunde
com mitos e ausências de amanhas
observo-vos diante: face
o atlântico: as américas
navios negreiros: algodão
imaculado dos campos
dos campos cacau e açúcar
para o ritmo: respiro fundo
- respiro mundo
no tempo: espaço: calma de ninguém
atlântizo o meu horizonte
faço uso da minha luso mestiçagem
o meu estandarte
de vénus a marte
a abordagem é universular
queres ser minha ursa
o brilho guia
incenso: cheiro: óleo de calendula
até o nascer do dia
voltar para casa
nos lábios o sabor e a melodia
que se assobia…
vamos falar de love
enquanto não chove
ke qui bô tá kantâ (o quê que estas a cantar)

vamos fazer mulatos
dar-lhes vidas nos canticos
tua voz minha voz, outras vozes
dom e nozes
que deus dê sorrisos
para os dentes e olhos
quero ver os sisos
que se solta dos gestos
destes actos
a tua nudez num cálice
que se cale o mundo
não sou filho do se!
se fossemos sereias, se!
belo o nu, sexo
sou ângulo sexonico
anglo, a-n-g-o-l-a no verso / convexo
na forma de dar
recebo, interiorizo, desconverso
se te trago
tristeza nas palavras
é o desejo de ser vago
é apenas um querer mudar de assunto
questões para quê
o acto de explicar é vulto
matabixo é mbora farinha musseque
(pequeno almoço é farinha de mandioca)
ta claro, ta dia, ta manha
ta céu sem nuvem
ta estrela marte no céu
ta nice, ta luz, tchafina (bonito)
meu poema afaga
em si a tua melanina
engrossa a vaga
para o kalulu (guisado), rama: meia chama
para apurar - diásporar
canta a saga, me manga
me morde a pele me sangra o poema
se me ama

© Kalaf Ângelo
Audio production: 2008 Literaturwerkstatt Berlin

»mashairi [for upendo]«

allemand

was erzeugt diese Generation
Aktion / Stagnation?
wovon ernähren sie sich?
wenn sie lieben
die Wüste, den Ozean
Gott und die Ureinwohner: Erinnerung
und Gene: Widerspruch und Genese
meine Lemba: meine Eva
mein Durst: meine Weide
der Exodus bringt mich
ins Zentrum, die Zentren
die städtischen Abhängigkeitsverhältnisse
Lissabon – Pessoa – Sklavenhändler
ich liebe euch auf grausame Weise
genau so wie die Schwarzen
deren Vergangenheit sich mischt
mit Mythen und dem ausbleibenden Morgen
ich sehe euch direkt an: dem Atlantik
zugewandt: die Amerikas
Sklavenhändlerschiffe: makellose
Baumwolle von den Feldern
Kakao und Zucker von den Feldern
zum Rhythmus: Ich atme tief ein
– Ich atme Welt ein
in der Zeit: im Raum: die Ruhe von Niemandem
ich atlantisiere meinen Horizont
mache Gebrauch von meinem portugiesischen Mulattensein
mein Banner
von der Venus bis zum Mars
meine Methode ist das universalisieren
willst du mein Großer Bär sein
der Sternenglanz weist den Weg
Weihrauch: Duft: Ringelblumenöl
bis der Tag anbricht
der Weg nach Hause
auf den Lippen der Geschmack und die Melodie
die gepfiffen wird...
lass uns von love sprechen
solange kein Regen fällt
was ist es, das du singen wirst?

lass uns Mulatten machen
ihnen in Gesängen Leben geben
deine Stimme, meine Stimme, andere Stimmen
ein Geschenk und Nüsse
Gott soll ein Lächeln schenken
für Zähne und Augen
ich will die Weisheitszähne sehen
die aus den Gesten hervorschießen
diesen Handlungen
deine Nacktheit in einem Kelch
die Welt soll verstummen
ich bin kein Sohn des Wenn!
Wenn wir Sirenen wären, wenn!
Schön oder nackt, Sex
ich bin Angel Sexisch
Anglo, A-n-g-o-l-a im Vers / Konvers
in der Art des Gebens
empfange, verinnerliche, verstumme ich
wenn ich dir
Traurigkeit bringe in den Worten
ist es das Verlangen, frei zu sein
ist es einfach der Wunsch, das Thema zu wechseln
warum gibt es Fragen
nach Erklärungen zu suchen, bringt nichts
Maniokmehl zum Frühstück
Es ist hell, es ist Tag, es ist Morgen
Der Himmel ist wolkenlos
Der Mars steht am Himmel
Es ist nice, es ist Licht, es ist hübsch
mein Gedicht streichelt
das Melanin in dir
verdickt die Leere
zu einem Eintopf, Kräuter: auf halber Flamme
um noch abzuschmecken – in die Diaspora zu streuen
die Saga singt, macht Witze über mich
beißt mich in die Haut, bringt das Gedicht zum Bluten
als liebte es mich

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

“empty”

portugais | Kalaf Ângelo

todos os assuntos vão desaguar em África
perpetuam-se clichés: desenganos: certezas: nova África
e assim se celebra na diáspora esta África

em suma chegou o fim duma
quem ta cachudo se apruma
rumo a discoteca
onde os corpos ébanos se assanham
agitam-se copos. coxas: ânimos se exaltam
mano puxa fusca
a faca... Maka

todos os assuntos vão desaguar em África
perpetuam-se clixes: desenganos: certezas: novas Áfricas
e quem morreu hoje na diáspora era filho teu! África

brodas lhe vuzaram bue de balazos
violências urbanas não são meros acasos
quem aqui educa
culturalmente falando: os nossos mulatos
dos nossos outros bairros dos nossos completos fatos
esta geração no que não nos toca
wassaluka

todos os assuntos vão desaguar em África
perpetuam-se clichés: desenganos: certezas: novas Áfricas
e o sonho adiado da diáspora: o regresso à mãe África.

© Kalaf Ângelo
Audio production: 2008 Literaturwerkstatt Berlin

“empty”

allemand

Alle Themen werden nach Afrika führen
Klischees bleiben bestehen: Enttäuschungen: Gewissheiten: neues Afrika
und so feiert die Diaspora dieses Afrika

mit einem Wort: das Schicksal klopft an die Tür
mit den Taschen voller Geld, putzt man sich raus hier
auf dem Weg zur Diskothek
wo Ebenholzkörper heiß laufen
Gläser aneinander schlagen. Schenkel: Gemüter aufbrausen
zieht einer ’ne Knarre
ein Messer... macht Trouble

Alle Themen werden nach Afrika führen
Klischees bleiben bestehen: Enttäuschungen: Gewissheiten: neue Afrikas
und wer heute in der Dispora starb, war auch ein Kind von dir! Afrika

Die brothers füllten ihm den Bauch mit Blei
städtische Gewalt ist kein Zufall
wer erzieht hier
kulturell gesprochen: unsere Mulatten
aus unseren anderen Vierteln, aus unserem „Alle Fakten über“
diese Generation, in dem, was uns nicht betrifft
Ballaballa

Alle Themen werden nach Afrika führen
Klischees bleiben bestehen: Enttäuschungen: Gewissheiten: neue Afrikas
und der aufgeschobene Traum der Diaspora: die Rückkehr zur Mutter Afrika.

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

Atención a la vida

espagnol | Eugenio Montejo

Atención a la vida,
a lo que dice en esta rama aparte,
indescifrable en apariencia,
sin embargo tan útil a los hombres
y a los pájaros.


Más perspicacia ante su tránsito
pues la vida no duerme;
quien mueve la mano bajo lámpara
sabe que es tinta suya cada letra.

No olvidemos las nubes
donde vagan sus duendes disolutos,
ni sus errantes antinomias
cuando parece veloz y va despacio.

Sigámosla en la voz del sapo ronco,
el tatágata de la acequia,
que tanto charla  acerca  de la lluvia,
pero no confundirse:
-se refiere a las piedras.


Atención a su sangre, a los colores
que  ella opone a la muerte,
y  a la poción que instila en nuestras venas
para que nadie advierta nunca
que aquí mismo nos trajo hace ya tiempo.

© E.M.
from: unpublished
Audio production: 2005, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Das Leben achten

allemand

Lasst uns das Leben achten,
das, was es uns in diesem einzigartigen Zweig sagen will,
in seiner Erscheinung unergründlich
und doch für die Menschen und Vögel
so nützlich.

Mehr Scharfblick, wenn er es vorbeigeht,
denn das Leben schläft nicht;
wer die Hand im Lampenschein hin und herschwingt,
weiß, dass jeder Buchstabe aus seiner Tinte besteht.

Lasst uns die Wolken nicht vergessen,
in denen seine zügellosen Kobolde herumtollen,
auch nicht seine rastlosen Widersprüche,
wenn es eilig erscheint und doch langsam vorangeht.

Lasst es uns in der Stimme eines heiseren Frosches verfolgen,
dem Buddha des Bewässerungsgrabens,
der soviel über den Regen sagt,
aber täuschen wir uns nicht:
– von den Steinen spricht er.

Lasst uns sein Blut achten, die Farbe,
die es dem Tod entgegensetzt,
und die Arznei, die es in unsere Adern träufelt,
damit niemand je erfährt,
dass es uns schon vor langer Zeit hierher brachte.

Übersetzt von Timo Berger

Aritmetica

espagnol | Accidents Polipoétics

La aritmética fue inventada un día de lluvia por un señor que no tenía nada
mejor que hacer que contar las gotas que caían de su viejo sombrero de
rabino escéptico.

La aritmética fue inventada por un señor que quería comprar un autobús
de segunda mano y sólo tenía mil pesetas de las de entonces.

La aritmética fue inventada por un señor que tenía una cuñada aburrida y
patizamba, que caminaba de dos en dos, y resoplaba de cuatro en cuatro,
al subir los veinte peldaños de la escalera de su casa.

La aritmética fue inventada por un señor que se subió a la cima del mundo
y dijo: seis mares, tres árboles, doce postes de teléfono, un coche y treinta
sobrinos en el paro. Hay que recordar que en aquellos tiempos el mundo
era mucho más pobre y no había ni jabón.

La aritmética fue inventada por un señor que se cortaba las uñas de los
dedos de los pies y no sabía si el pie era suyo, el de su mujer, o el de un
pariente que dormía, desde hacía tres años en el sofá-cama del comedor
de su domicilio en Somosaguas.

La aritmética fue inventada por un señor que repartía panes de a kilo y
que necesitaba saber lo que era un kilo para descubrir el pan, pues el
negocio, sin kilos y sin panes, le iba francamente mal.

La aritmética la inventó un sabio monje tibetano que dormía en una
pensión del barrio chino haciéndose el mongol cada vez que la patrona le
pedía el alquiler y él sufría una repentina crisis de amnesia.

La aritmética fue inventada por un señor barbudo, feo y esponjoso, que
vivía en una cueva de renta limitada, en la calle del Diplodocus Contento, y
que necesitaba un sistema para averiguar cuántas veces se había casado
y cuántos hijos había esparcido por el mundo.

La aritmética la inventó un señor llamado Adán, al fundar la primera
empresa de exportación de manzanas Golden Imperial.

La aritmética, una ciencia con futuro.

© Accidents Polipoétics
from: Todos Tenemos la Razón
Barcelona: ed. La Tempestad, 2004
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Arithmetik

allemand

Die Arithmetik wurde an einem Regentag von einem Herrn erfunden, der
nichts Besseres zu tun hatte, als die Tropfen zu zählen, die von dem alten
Hut eines skeptischen Rabbiners fielen.

Die Arithmetik wurde von einem Herrn erfunden, der einen gebrauchten
Omnibus kaufen wollte und nur Tausend von den damals gültigen Peseten
hatte.

Die Arithmetik wurde von einem Herrn erfunden, der eine gelangweilte und
x-beinige Schwägerin hatte, die immer zwei Stufen auf einmal nahm, und
alle vier schnaufte, wenn sie die zwanzig Treppenstufen bis zu ihrer
Wohnung erklomm.

Die Arithmetik wurde von einem Herrn erfunden, der auf die Spitze der Welt
kletterte und sagte: sechs Ozeane, drei Bäume, zwölf Telefonmasten, ein
Auto und dreißig Neffen ohne Arbeit. Man muss sich daran erinnern, dass
die Welt zu jener Zeit viel ärmer war, und es nicht einmal Seife gab.

Die Arithmetik wurde von einem Herrn erfunden, der sich die Fußnägel
schnitt und nicht wusste, ob der Fuß ihm gehörte, seiner Frau oder einem
Verwandten, der seit drei Jahren auf dem Ausziehsofa im Esszimmer seines
Hauses in Somosaguas schlief.

Die Arithmetik wurde von einem Herrn erfunden, der Brot kiloweise
verkaufte und der erst wissen musste, was ein Kilo war, um das Brot zu
entdecken, denn, ehrlich gesagt, sein Geschäft lief schlecht, ganz ohne
Kilos und ohne Brot.

Die Arithmetik wurde von einem weisen tibetanischen Mönch erfunden, der
in einer Pension in Chinatown schlief und sich jedes Mal dumm stellte,
wenn die Wirtin kam, um von ihm die Miete zu kassieren, und begann, an
einem plötzlichen Gedächtnisverlust zu leiden.

Die Arithmetik wurde von einem bärtigen, hässlichen, aufgedunsenem
Herrn erfunden, der in einer Höhle mit reduzierter Miete in der Straße Zum
Zufriedenen Diplodocus wohnte, und der ein System brauchte, um
herauszubekommen, wie oft er geheiratet und wie viele Kinder er in alle
Welt verstreut hatte.

Die Arithmetik wurde von einem Herrn Adam erfunden, als er das erste
Exportunternehmen für Äpfel der Sorte Golden Imperial gründete.

Die Arithmetik, eine Wissenschaft mit Zukunft.

Übersetzt von Timo Berger

ANOTACIONES PARA UNA CUMBIA

espagnol | Luis Chaves

Afuera, las nubes
con forma de nubes.
Adentro, preguntas aleatorias:
¿cómo le llama una madre
al hijo que, ya adulto,
cambia de nombre?

Abrir el tubo
y que dos segundos de agua tibia
sean la única noticia
del día de sol que no disfrutamos.

Treinta y dos años con el mismo nombre
¿no será un exceso?
Demasiado tiempo para esta sola certeza:
jamás ninguna nube
será mejor que aquel globo
con figura de ratón.

Un nuevo jugo
anuncia la llegada del verano.
Los pies, el agua tibia,
la sal de Inglaterra,
sin embargo, nada anuncian.
Se fue otro bisiesto
sin mayor novedad.
De lo bueno, ma,
nos quedó lo malo.

© Visor
from: Chan Marshall
Visor , 2005
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2011

Anmerkungen zu einer Cumbia

allemand

Draußen, die Wolken
in Form von Wolken.
Drinnen, willkürliche Fragen:
Wie nennt eine Mutter
den Sohn, der, schon erwachsen
seinen Vornamen ändert?

Den Hahn aufdrehen
die zwei Sekunden lauwarmen Wassers
die einzige Kunde
des Sonnentags, den wir verpassten.

Zweiunddreißig Jahre derselbe Name –
ist das nicht übertrieben?
Zu viel Zeit für diese eine Gewissheit:
Niemals wird eine Wolke
besser sein als der Luftballon
mit der Maus drauf.

Ein neuer Saft
verkündet den Sommeranfang.
Die Füße, das lauwarme Wasser
das Salz aus England
aber verkünden nichts.
Ein weiteres Schaltjahr ist um
ohne viel Brimborium.
Vom Guten, Mann
blieb uns das Schlechte.

übersetzt von Timo Berger
in: Luis Chaves: Gedichte. Hochroth Verlag, Berlin, 2012

Algún día

espagnol | Accidents Polipoétics

Algún día... un cáncer, un infarto, un accidente de tráfico.
Algún día... un disparo en la sien, un líquido inflamable, una espina de
pescado.      
Algún día... un coche bomba usado, una lata en mal estado, un tubo de
pastillas.
Algún día... un salto desde el ático, un accidente aéreo, una soga al cuello.
Algún día... un barco que se hunde, un tiburón hambriento, esas clases
que debiste tomar de natación.
Algún día... un corte digestivo, el cotidiano Sida, una bala de goma.
Algún día... un ataque de risa, un bollo mal tragado, un exceso de hastío.
Algún día... una broma de mal gusto, un ataque de caspa, un piojo
asesino.
Algún día... una suegra huraña, una araña venenosa, dos martinis de
estricnina.
Algún día... un susto en plena noche, los dedos en el enchufe, una
sobredosis de supositorios.
Algún día... atados a la hoguera, acostados en la guillotina, desnudos en el
paredón.
Algún día... de traje en el patíbulo, de bruja en la pira, casado por la
Iglesia.
Algún día... llegará la hora de consultar la hora y decir: ya es la hora.
Algún día... una viuda que llora, un huérfano que hereda, un enemigo
alegre.

Algún día... despertarás con la noticia de que alguien ha muerto.

                        Quizás tú mismo.

© Accidents Polipoétics
from: Todos Tenemos la Razón
Barcelona: ed. La Tempestad, 2004
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Eines Tages

allemand

Eines Tages… ein Krebs, ein Herzinfarkt, ein Verkehrsunfall.
Eines Tages… ein Schuss in die Schläfe, eine leicht entzündliche Flüssigkeit,
eine Fischgräte.
Eines Tages… eine Zweite-Hand-Autobombe, eine Dose in schlechtem
Zustand, ein Pillenröhrchen.
Eines Tages… ein Sprung aus dem Dachgeschoss, ein Flugzeugabsturz,
eine Schlinge um den Hals.
Eines Tages… ein Schiffsbruch, ein hungriger Hai, ach die Schwimmstunden,
die du hättest besuchen sollen.
Eines Tages... ein Kreislaufkollaps, das Alltag gewordne HIV, ein
Gummigeschoss.
Eines Tages… ein Lachanfall, ein verschluckter Klumpen, ein Übermaß an
Ekel.
Eines Tages… ein schlechter Scherz, ein Schuppenanfall, ein mörderischer
Floh.
Eines Tages… mürrische Schwägerin, eine giftige Spinne, zwei Martini mit
Strychnin.
Eines Tages… ein Schreck mitten in der Nacht, die Finger in der Steckdose,
eine Überdosis Zäpfchen.
Eines Tages… auf den Scheiterhaufen gefesselt, auf die Guillotine gelegt,
nackt an eine Wand gestellt.
Eines Tages… im Anzug im Hinterhof, als Hexe auf den Holzscheiten, eine
kirchliche Heirat.
Eines Tages… wird der Moment kommen, um auf die Uhr zu schauen und zu
sagen: Es ist soweit.
Eines Tages… eine weinende Witwe, eine erbende Waise, ein fröhlicher
Feind.

Eines Tages… wirst du mit der Nachricht aufwachen, dass jemand
gestorben ist.

Vielleicht du selbst.

Übersetzt von Timo Berger

Ala de colibrí

espagnol | Silvio Rodríguez

A Cintio Vitier y a Fina García Marruz
                                             A Luly

Hoy me propongo fundar un partido de sueños,
talleres donde reparar alas de colibríes.
Se admiten tarados, enfermos, gordos sin amor,
tullidos, enanos, vampiros y días sin sol.
 
Hoy quiero patrocinar el candor desahuciado,
esa crítica masa de Dios que no es pos ni moderna.
Se admiten proscritos, rabiosos, pueblos sin hogar,
desaparecidos, deudores del banco mundial.
 
Por una calle descascarada,
por una mano bien apretada.
 
Hoy voy a hacer asamblea de flores marchitas,
de desechos de fiesta infantil, de piñatas usadas,
de sombras en pena del reino de lo natural
que otorgan licencia a cualquier artefacto de amar.
 
Por el Levante, por el Poniente,
por un deseo, por la simiente.
 
Por tanta noche, por el sol diario.
En compañía y en solitario.
 
Ala de colibrí,
liviana y pura.
Ala de colibrí
para la cura.

© Silvio Rodríguez
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2011

Kolibriflügel

allemand

Für Cintio Vitier und Fina García Marruz
Für Luly

Heute will ich eine Partei der Träume gründen,
Reparaturwerkstätten für Kolibriflügel.
Mitmachen dürfen Trottel, Kranke, ungeliebte Dicke,
Lahme, Zwerge, Blutsauger und bewölkte Tage.

Heute will ich die verstoßene Unschuld beschützen,
diese kritische Masse Gott, die weder »post« ist noch »modern«.
Mitmachen dürfen Geächtete, Wütende, heimatlose Völker,
Verschwundene, sogar Schuldner der Weltbank.

Für eine aufgeplatzte Straße,
für einen festen Handschlag.

Heute rufe ich die verwelkten Blumen zur Versammlung,
die Reste eines Kindergeburtstags, die aufgerissenen Pakete,
die siechenden Schatten aus dem Reich der Natur,
die jeder Liebesmaschine eine Lizenz erteilen.

Für den Ostwind, für den Westwind,
für ein Samenkorn, für einen Herzenswunsch.

Für die tiefe Nacht, für den Sonnenschein.
In Begleitung und ganz allein.

Ein Kolibriflügel
leicht und pur.
Ein Kolibriflügel
für die Kur.

aus dem kubanischen Spanisch von Timo Berger

Acalmia ruidosa. Em quatro sinos

portugais | João Maimona

1. instante inicial

eis a história das sílabas igualmente
os confins das linhas de água.
a alegria peregrina percorre cidadelas
como as sentinelas do mar: as águas
vêm dar à beleza das sílabas
como se houvesse um luminoso
reencontro: era o instante inicial.


2. primeiro instante intermédio

esperava que a paisagem pintasse
noites vizinhas. e insígnias rebuscando
cacimbos numa desconhecida povoação.
porém, apareceram riozinhos esverdeados
iluminando armadilhas, angústias
e telas infernais: a nação comum
encerrando torturas sobre as lágrimas.


3. segundo intermédio

parecia um reino de pasto fascinante
suficiente para enriquecer estômagos estranhos.
precioso? os rios não diziam o contrário.
e desfilava maldita miséria insuficiente
para desencantar a plenitude humana.
em reino que raspava a fortuna
crescia a flor do dia frequentando
abraços virgens. Ricos em sonhos enfeitiçados.


4. instante final

teria o solo da eternidade outras cinzas?
onde adormece o abrigo crescem
um insondável silêncio e delicadas
folhas cuja cor saúda a origem da sombra:
todas as cinzas pronunciavam a eternidade.
era a repetição dos passos e imagens.
imagens estáticas do milénio anterior.

© João Maimona
from: Festa de monarquia
Luanda: Kilombelombe, 2001
Audio production: 2008 Literaturwerkstatt Berlin

Laute Pause. Viermal schlagen die Glocken

allemand

1. der Anfang

dies ist die Geschichte der Silben und auch
die Grenze der Wasserlinie.
die pilgernde Freude wandert durch die Zitadelle
wie ein Wächter des Meeres: die Wellen
bringen die Schönheit der Silben mit sich
als gäbe es eine hellerleuchtete
Widerbegegnung: das war der Anfang


2. das erste Zwischenspiel

wartete darauf, dass die Landschaft die benachbarten
Nächte zeichnete. und Insignien, die in dieser
unbekannten Herausforderung immer wieder nach der Pfeife griffen.
dennoch tauchten grün schimmernde Flüsschen auf
und beleuchteten Fallen, Ängste
und höllische Leinwände: die allen gemeinsame Nation,
die Folter in Tränen einschloss.


3. das zweite Zwischenspiel

schien ein Königreich herrlicher Weiden zu sein,
genug, um fremde Mägen zu füllen.
auch kostbar? die Flüsse behaupteten nicht das Gegenteil.
und die verfluchte Misere stolzierte vorbei,
um die Vollkommenheit des Menschen zu entzaubern.
in dem vom Glück gestreiften Königreich
wuchs die Blume des Tages und warf sich
in jungfräuliche Arme. reich an verwunschenen Träumen.


4. der letzte Augenblick

kennt der ewige Grund andere sterbliche Überreste?
wo die letzte Ruhe schläfrig macht, wachsen
eine unergründliche Stille und zarte
Blätter, deren Farbe den Ursprung des Schattens grüßt:
alle Überreste sprachen von Ewigkeit.
es war die Wiederholung der Schritte und Bilder.
statische Bilder des vergangenen Jahrtausends.

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

A IMAGEM NA VARANDA

portugais | Luís Carlos Patraquim

Ao José Cabral e António Cabrita

Respiras, suspenso no desvão das lajes,  
com a perna manca selando as pontes da minha cidade
- a que não há;

E abres o compasso, medindo o lanço do salto
E o arco por onde escorre o som aquífero
Das profanações geológicas da alma,
Os mil xistos da delirosa flânerie
Por que se estira a imagem na varanda.


Ei-la, desencordoando o escuro
E os muitos metros do tempo que falta
Para o tabuleiro entre as margens,
a pele arroxeando-se e um algodão convulso
apondo seu alado novelo
à gravidade branca das coisas.

© Luis Carlos Patraquim
unveröffentlichtem Manuskript,
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2008

Das Bild auf dem Balkon

allemand

Für José Cabral und António Cabrita

Du atmest und hältst im gefliesten Schlupfwinkel inne
versiegelst das Bein nachziehend die Brücken meiner Stadt
– die es nicht gibt;

Du öffnest den Zirkel, misst die Weite des Sprungs
Und den Bogen, durch den der Klang des Wassers fließt
der geologischen Entweihung der Seele,
Tausendfacher Schiefer einer wahnsinnigen Flanerie.
Zerrspiegel, in dem das Bild auf dem Balkon erscheint.

Hier ist es und löst den Knoten der Dunkelheit
Und die vielen Meter Zeit, die bis zu
dem Brett zwischen den Rändern fehlen,
die Haut verfärbt sich purpurn und flatterndes Kattun
streift sein beflügeltes Knäuel über
die blanke Schwerkraft der Dinge.

Aus dem Portugiesischen von Timo Berger

Van a por nosotros

espagnol | Accidents Polipoétics

Límpiate los dientes, lávate los pies, cósete el jersey, píntate las uñas,
cámbiate las pilas, cómete los mocos, bébete la espuma, cásate con ella,
cásate con ella, cásate con ella, toma precauciones, piensa en tu futuro.
Van a por nosotros.

Las hordas internacionales de madres y delegados y funcionarios y
chinchillas y hurones moralistas que desean llevarte, cogidito de la mano a
la jubilación.

Bébete el jarabe, cómprate un buen coche, deja de fumar, no juegues a
eso, cambia de trabajo, mejora tu imagen, vete a por las gambas, cósete
la manga, cósete la manga, cósete la manga, rézale a la imagen. Van a por
nosotros.

Con sus pies de rey y sus escuadras y sus reglas y sus compases y sus
trajes de domingo.

Péinate los pelos, límpia tus zapatos, huele a gasolina, di que sí a tu jefe,
mira las noticias, no duermas la siesta, deja esa sonrisa, siéntete culpable,
acábate la sopa, acábate la sopa, acábate la sopa, hazte responsable. Van
a por nosotros.

Se acabó la juventud. Basta de holgazanear. Hay que concienciarse. Viva el
Complejo de Edipo. Yo tengo la culpa.

Paga tus facturas, traje con chaleco, duerme con pijama, santifica el lunes,
funda una familia, por qué no adelgazas, vaya facha traes, lávate las
manos, píntate los labios, por qué dices eso, por qué dices eso, por qué
dices eso, todo está ya escrito. Van a por nosotros.

Edison y Washington y Einstein y Freud y Hitler y Kennedy y Newton y Sergio y Estibaliz y Copernico y Von Braum y don Santiago Ramón y Cajal. Van a por nosotros.

Por nuestros pecados.                Por nuestros pecados.
Por nuestros pecados.                Por nuestros pecados.
                                     Van a por nosotros.

     Cada año más cerca.
     Cada día más claro.
     Cada sorbo más dulce.
     Cada recuerdo más lejos.

Van a por nosotros, Van a por nosotros.
Van a por nosotros, van a por nosotros,
a por nosotros todos.

© Accidents Polipoétics
from: Todos Tenemos la Razón
Barcelona : ed. La Tempestad, 2004
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Sie kommen auf uns zu

allemand

Putz dir die Zähne, wasch dir die Füße, näh dir den Pulli, mal dir die
Fingernägel an, tausche deine Batterien aus, schlucke den Rotz runter,
trink den Schaum, heirate sie, heirate sie, heirate sie, triff Vorsorge, denk
an deine Zukunft. Sie kommen auf uns zu.

Die internationalen Horden von Müttern und Abgeordneten und Beamten
und Chinchillas und moralistischen Frettchen, die dich mitnehmen möchten,
fest an die Hand genommen bis zur Rente.

Schlucke die Arznei, kaufe dir ein gutes Auto, hör auf zu rauchen, spiele
das nicht, wechsle die Arbeit, verbessere dein Image, geh die Garnelen
holen, näh dir den Ärmel, näh dir den Ärmel, näh dir den Ärmel, bete zur
Jungfrau Maria. Sie kommen auf uns zu.

Mit ihren königlichen Füßen und ihren Truppen und ihren Regeln und ihren
Kompassen und ihren Sonntagskleidern.

Kämm deine Haare, putze deine Schuhe, es riecht nach Benzin, sag ja zu
deinem Chef, sieh die Nachrichten, schlafe keine Siesta, lass das Lächeln
stehen, fühl dich schuldig, iss die Suppe auf, iss die Suppe auf, iss die
Suppe auf, übernimm Verantwortung. Sie kommen auf uns zu.

Die Jugend ist vorbei. Genug gefaulenzt. Man muss sich bewusst werden.
Es lebe der Ödipuskomplex. Ich habe Schuld.

Zahl deine Rechnungen, Anzug mit Weste, schlafe im Pyjama, heilige den
Montag, gründe eine Familie, warum nimmst du nicht ab? Wie siehst du
denn aus! Wasch dir die Hände, schmink dir die Lippen, warum sagst du
das? Warum sagst du das? Warum sagst du das? Alles steht schon
geschrieben. Sie kommen auf uns zu.

Edison und Washington und Einstein und Freud und Hitler und Kopernikus
und Sergio und Estibaliz und Von Braun und Don Santiago Ramón und
Cajal. Sie kommen auf uns zu.

Wegen unserer Sünden. Wegen unserer Sünden.
Wegen unserer Sünden. Wegen unserer Sünden.
                                 Sie kommen auf uns zu.

Jedes Jahr näher.
Jeden Tag deutlicher.
Jeder Schluck süßer.
Jede Erinnerung entfernter.

Sie kommen auf uns zu. Sie kommen auf uns zu.
Sie kommen auf uns zu. Sie kommen auf uns zu,
auf uns zu, alle.

Übersetzt von Timo Berger

Mac Donald’s

espagnol | Julián Herbert

Nunca te enamores de 1 kilo
de carne molida.
Nunca te enamores de la mesa puesta,
de las viandas, de los vasos
que ella besaba con boca de insistente
mandarina helada, en polvo:
instantánea.
Nunca te enamores de este
polvo enamorado, la tos
muerta de un nombre (Ana,
Claudia, Tania: no importa,
todo nombre morirá), una llama
que se ahoga. Nunca te enamores
del soneto de otro.
Nunca te enamores de las medias azules,
de las venas azules debajo de la media,
de la carne del muslo, esa
carne tan superficial.
Nunca te enamores de la cocinera.
Pero nunca te enamores, también,
tampoco,
del domingo: futbol, comida rápida,
nada en la mente sino sogas como cunas.
Nunca te enamores de la muerte,
su lujuria de doncella,
su sevicia de perro,
su tacto de comadrona.
Nunca te enamores en hoteles, en
pretérito simple, en papel
membretado, en películas porno,
en ojos fulminantes como tumbas celestes,
en hablas clandestinas, en boleros, en libros
de Denis de Rougemont.
En el speed, en el alcohol,
en la Beatriz,
en el perol:
nunca te enamores de 1 kilo de carne molida.

Nunca.

No.

© Julián Herbert
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2009

Mac Donald’s

allemand

Verlieb dich nie in zwei Pfund
Hackfleisch.
Verlieb dich nie in den gedeckten Tisch,
in die Speisen, die Gläser,
die sie geküsst hat mit ihrem sturen Mund
aus gefrorenem Mandarinen-Pulver:
Instant.
Verlieb dich nie in dieses
verliebte Pulver, das tote
Husten eines Namens (Ana,
Claudia, Tania: ganz gleich welcher,
er wird vergehen), eine Flamme,
die verlischt. Verlieb dich nie
in das Sonett eines anderen.
Verlieb dich nie in blaue Strümpfe,
in die blauen Venen unter den Strümpfen,
in das Fleisch der Schenkel, dieses
so flüchtige Fleisch.
Verlieb dich nie in die Köchin.
Aber verlieb dich nie
– auch nicht –
in Sonntage: Fußball, Fastfood,
nichts anderes im Sinn als Stricke in Form einer Wiege
Verlieb dich nie in den Tod,
seine jungfräuliche Lüsternheit,
seine hinterhältige Grausamkeit,
seine Hebammenhände.
Verlieb dich nie in Hotels, in
die einfache Vergangenheit, in Brief-
köpfe, in Pornofilme,
in Augen, die wie himmlische Gräber glänzen,
in Gaunersprachen, in Boleros, in Bücher
von Denis de Rougemont.
Auf Speed, auf Alkohol,
auf Beatriz,
in einem Schmortopf:
Verlieb dich nie in zwei Pfund Hackfleisch.

Niemals.

Nie.

Übersetzt von Timo Berger