Ron Winkler 
Translator

on Lyrikline: 74 poems translated

from: anglais, hébreu, hongrois, birman, arabe, norvégien, coréen, roumain to: allemand

Original

Translation

Let Our Voices Ring

anglais | Efe Paul Azino

Let our voices ring
soft and strong
a million rainbow tongues
pushing our songs through the wind
let our stories dance out in step with the moon
let them boom from hamlets in Soweto
rise through the sprawls of Cairo
straddle the contradictions of Lagos
let them tell of sweat and fear:
of backs bent to carry dreams too heavy for legs to bear
of old men whose visions of the future tether us to the past
let our voices come accompanied by Djembes, talking drums and all that jazz
let our stories speak of sex:
of probing tongues & grinding thighs against the Nairobi heat
of love that rises from the ashes of defeat
in Kigali
tapestries of our humanity
woven into beautiful colors of difference and diversity
this is who we are
children of histories punctuated by conferences
divided by cartographers in Berlin
defended by storytellers in Makarere
united by this struggle to prove, and be
something more than the soft underbelly
of a world perched on the edge of a knife
and it's to these voices we turn, time and again
to remind us that we get past the pain
that we have once chiseled out beauty from mountains of self-doubt
through the dark tunnels of despair these stories will lead us out
in Twi, in Swahili, in Yoruba
whatever the languages of our imaginations
let our voices never stop ringing
let our feet dance up spirits
let our pens conjure the ancient wisdom of the ancestors
excavate memories to find the civilizations we once built
before the barbarians barged through the doors
for we are a people too,
a universe of multiple dreams written into history
written out of war
written to the sound of thunder,
written in lightning
written, by million rainbow voices that never stop ringing

© Efe Paul Azino
from: For Broken Men Who Cross Often
Farafina Books, 2015
Audio production: Haus für Poesie, 2016

Unsere Stimmen sollen züngeln

allemand

Unsere Stimmen sollen züngeln

sanft und stark

millionenfacher Regenbogenzungenschlag

pusht unsere Stimmen durch den Wind

unsere Verse sollen tanzen, zum Mond per Pas de deux

sollen in Soweto aus den Townships strömen

sich durch den Moloch Kairo wühlen

Lagos meistern, das sich selbst verneint

sollen von Angst erzählen, von Schweiß

und Träumen so schwer, dass sie den Rücken krümmen

von Alten, deren Perspektiven uns ans Gestern fesseln

unsere Stimmen sollen klingen per Djemba, Buschtrommel und Tangel oder Tingel

Sex sollen unsere Verse feiern:

forsche Zungen, forschend unsere Glieder in Nairobi (heiß)

die Liebe, die aus Krisen-Aschen steigt

in Kigali

Tapisserien unserer Humanität

gewirkt im Farbenzauber von Verschiedenheit und Anderssein

das ist es, was wir sind

Erben der von Konferenzen durchgetakteten Geschichte

von Kartografen in Berlin zergliedert

doch in Makarere von Mund zu Mund bewahrt

vereint durch unseren Fight um Gültigkeit

sollten wir mehr sein als der weiche Unterleib

einer Welt auf Messers Schneide

diesen Stimmen neigen wir uns zu

um uns zu sagen: Schmerz war jetzt genug

wir konnten Schönheit mal aus den Gebirgen unserer Zweifel meißeln

unsere Verse werden uns aus diesen dunklen Depressionskanälen leiten

in Twi, Swahili, in Yoruba

oder jeder anderen Sprache, die ihr in euch habt

unsere Stimmen sollen nie verklingen

unsere Tänze sollen Geister aus dem Boden swingen

unsere Stifte sollen Ahnenweisheit neu heraufbeschwören

Wissen über all die Zivilisationen eruieren

die wir hatten, bevor Barbarenscharen sie uns nahmen

denn auch wir sind ja ein Volk

ein Universum vielfältiger Träume, dem Lauf der Dinge eingeschrieben

geschrieben vor dem Hintergrund von Krieg

geschrieben auf den Beat von Donnerschlägen

geschrieben mitten in Gewittern

geschrieben von Millionen Regenbogenstimmen, ewig züngelnd

Ins Deutsche übersetzt von Ron Winkler

Basquiat asks the Poet about Death

anglais | Nick Makoha

At a rooftop party, the night is the night, and we are watching death.
Or should I say Bruce Willis is walking barefoot in a skyscraper? I wish
I had taken a picture. The host, some news caster you would recognise
from TV, has hired a firm to project the film onto the hotel wall across
the street. My date has just returned from the bathroom. I am her plus
one. Pointing to the open bar, I can feel the suns heat reflecting off
the building. She has me speaking in my fourth language but my thoughts
have us undressed in my first. By the pool a waiter asks Are you ready
to order? You recommend the pad Thai with chicken for two and
if they are out of that you say we will go for the snapper with a snake
bean salad. DJ Shadow is connecting speakers to his decks when
his left elbow knocks the Blood Orange Champagne Mule to the concrete
Even falling has its grace. Bruce Willis is at the top of the Nakatomi building
ready to face a paradox - terrorists intend to blow it up – a building burning
is a way of saying - you’re not welcome here. The waiter returns with our
cutlery – I can see my country in the steel with only weeks to go before
it is bankrupt. As if one needed the reminder of how I can be in two places at once.






Who knows what running water thinks or its afterthought?

© Nick Makoha
Audio production: Haus für Poesie, 2022

Basquiat befragt die Dichter*in zum Tod

allemand

Auf einer Dachterrassenparty schauen wir Tod, die Nacht ist jene Nacht. Oder sag

ich besser, Bruce Willis läuft barfuß durch den Wolkenkratzer? Ich hätte mal

ein Foto machen sollen. Der Gastgeber, man kennt ihn aus dem Fernsehen,

ein Nachrichtenfrontmann, hat eine Firma beauftragt, den Film auf der Hotelfassade

vis-à-vis zu screenen. Mein Date kommt eben aus dem Bad zurück. Ich bin ihr plus

one. Ich zeig zur aufgebauten Bar und fühl die vom Bauwerk abgegebene Sonnenwärme.

Sie lässt mich in meiner vierten Sprache sprechen, meine Gedanken aber ziehen

uns in meiner ersten Sprache aus. Am Pool fragt ein Kellner Wollen Sie schon

bestellen? Du bist sehr für das Pad Thai mit Huhn für zwei Personen und sollte das

schon aus sein, sagst du, nehmen wir Schnapper mit Spargelbohnensalat. DJ Shadow

verklinkert gerade die Lautsprecher mit seinen Decks, als sein linker Ellbogen

den Blood Orange Champagne Mule zu Boden kickt. Selbst das Stürzen ist nicht

ohne Grazie. Bruce Willis ist auf dem Dach des Nakatomi-Gebäudes – Terroristen planen

es zu sprengen – bereit, sich einem Paradox zu stellen – ein brennendes Gebäude

ist eine Art zu sagen – du bist hier nicht willkommen. Der Kellner kommt mit unserem

Besteck – ich sehe im Metall mein Land, dem vor dem Bankrott nur ein paar Wochen

bleiben. Als bräuchte esdiese Erinnerung, wie ich an zwei Orten zugleich sein kann.






Wer weiß schon, was fließendes Wasser denkt oder nachträglich gedacht hat?

Aus dem Englischen von Ron Winkler

Codex 1

anglais | Nick Makoha

In this story of falling a cigarette is brought back to life.
The body inhales. The sky is full of night. Soon it will be
dry season and the hills will rust but tonight, the night
keeps moving the way that birds do toward migration.
What does living do for any of us? The winds have found
some clouds to play with as trees rehearse the gesture
of surrender. Do birds think that cities are our version
of the natural world? Have you seen my city on fire?
Flames throwing themselves at buildings the way the sea
throws itself on the rocks. The furnace is the cities costume.
This world is a desperate element. I suffer the shame
of asking what happens in the voids. What shape does
the soil take when roots vanish? The visible making itself
known by the invisible. Rain falls through the trees
as the dark brick of our old lives is the pitch of the moment.

© Nick Makoha
Audio production: Haus für Poesie, 2022

Kodex 1

allemand

In dieser Story, wo es ums Fallen geht, wird einer Zigarette wieder Leben eingehaucht.

Der Körper inhaliert. Der Himmel ist von Nacht erfüllt. Es naht die Zeit

der Trockenheit und die Hügel werden rosten; doch heute Nacht bewegt die Nacht

sich so wie es die Vögel tun im Vorfeld ihrer Migration. Was ist dasLeben

für uns alle individuell? Die Winde haben ein paar Wolken aufgetrieben,

mit denen sie spielen, während parallel die Bäume die Geste proben,

wie man sich ergibt. Denken die Vögel, dass die Städte unsere Variante

von Natur sind? Hast du meine brennende Stadt gesehen?

Flammen, die sich auf Gebäude stürzen wie das Meer

sich auf die Felsen wirft. Einäscherung ist das Kostüm der Stadt.

Diese Welt ist ein verzweifelt Ding. Ich leide unter der Scham

zu fragen, was in den Leeren geschieht. Wenn die Wurzeln weg sind,

welche Form nimmt dann der Boden an? Das Sichtbare macht sich

kenntlich durch das Unsichtbare. Durch die Bäume fällt ein Regen,

während der dunkle Ziegel unseres alten Lebens das Pech des Momentanen ist.

Aus dem Englischen von Ron Winkler

11:42

anglais | Nick Makoha

In most versions           of this story,
we begin                    at the airport lounge
in Athens.                   Each of his men here
has a past.                  The minister of foreign
affairs, the IDF sniper and the expat are all plausible targets. All believers
in the conscious world and the world to come but they have no covenant.

© Nick Makoha
Audio production: Haus für Poesie, 2022

11:42

allemand

In den meisten                             Versionen dieser Story

beginnen wir                             in der Lounge des Airports

von Athen.                                 Jeder seiner Männer hier

hat eine Vergangenheit.         Die Ministerin für Auswärtiges,

der IDF-Scharfschütze und der Expat sind allesamt plausible Ziele. Sie alle glauben

an die vernunftgemäße und die kommende Welt, sind aber nicht verbündet.

Aus dem Englischen von Ron Winkler

The Long Duration of a Split Second

anglais | Nick Makoha

                                                                   After Forensic Architecture work
                                                                   relating to Al-Qia’an's killing.


Umm al-Hiran - 2017

Because all language lacks fluency in this pretence the sky itself was wilderness.
A camera with its crooked frame was the first eye searching for answers. In this
margin of the day, a helicopter unsure of how to get out of the world glided down
through cloud cover and became a second infrared eye. Its purpose to separate
people from trees and hills, still warm with the day's heat, from the shadows. Men dressed
for war used torches like fireflies to follow the echoes. Inside a whisper - revenge,
inside revenge - a language - inside the language - an algorithm of how to turn a collage
of startling images into a village of some importance. A car horn shrieked like an unfed
child to introduce the theory of infinite endings. Within that horn an eruption and within
that eruption an other. Then fourteen seconds of darkness - before the camera


                      reproduced men in the motion of battle.


He who conforms to loss of land must be the right enemy. It is easier to divide the world this way. A disobedient tribe explain their extinction in the desert. To begin the story again, what was once a village on a rock they will call it Jerusalem. But who discovered you? Outside the thermal frame, a woman’s voice cries after four gunshots made visible by a cloud of hot air invent a new kind of time. Paradise and violence are the same road, one cannot exist without the other, both gladly accept loss. A bullet has found its currency spiralling up towards a moving vehicle whose engine has died. Getting away is what a road is for. A car door opened to the wilderness and so this hill became a portrait of death. A fatal bullet turned the driver the shape of someone else as the flowers blamed themselves.

© Nick Makoha
Audio production: Haus für Poesie, 2022

Die lange Dauer eines Sekundenbruchteils

allemand

                                                    Nach gerichtsmedizinischer Untersuchung

                                                    im Zusammenhang mit der Ermordung von Al-Qia‘an.


Umm al-Hiran – 2017

Da alle Sprache in dieser Vermeintlichkeit kein Fließen kennt, war der Himmel selbst die Wildnis.

Eine Kamera mit schiefem Rahmen war das erste Auge, das nach Antwort suchte. An dieser

Tagesgrenze glitt ein Helikopter, der nicht wusste, wie er die Welt verlassen sollte, durch

die Wolkendecke und wurde ein zweites Auge, infrarot. Sein Zweck, die Menschen von den Bäumen und den noch tageshitzewarmen Hügeln abzugrenzen, von den Schatten. Männer in Kriegsgewand bewegten Stablampen wie Glühwürmchen und folgten so den Echos. Im Inneren eines Flüsterns – Rache, im Inneren der Rache – eine Sprache – im Inneren der Sprache – ein Algorithmus, wie man aus einer Collage alarmierender Bilder ein Dorf von einiger Bedeutung formt. Schrill die Hupe eines Autos, wie ein Kind, das Hunger leidet, um einzuführen in die Theorie der unendlichen Enden. Im Inneren der Hupe eine Eruption und im Inneren der Eruption die nächste. Dann vierzehn Sekunden Dunkelheit – bevor die Kamera


Männer in der Dynamik eines Kampfes zeigte.


Als der wahre Feind muss jener gelten, der sich abfindet mit Landverlust. Die Welt zu spalten, fällt auf diese Weise leichter. Ein aufmüpfiges Volk erklärt seine Auslöschung in der Wüste. Um die Geschichte aufs Neue zu beginnen: Was ein Dorf auf einem Felsen war, wird nun Jerusalem genannt. Aber wer hat dich entdeckt? Außerhalb der Thermofenster schreit eine Frauenstimme nach vier Schüssen, die in einer Wolke heißer Luft erkennbar sind und eine neue Art von Zeit erfinden. Das Paradies und die Gewalt teilen sich die Straße, das eine kann ohne die andere nicht sein, beide nehmen gern Verlust in Kauf. Eine Kugel hat ihr Soll erfüllt: wird sich in ein Fahrzeug schrauben, das mit abgesoffenem Motor weiterrollt. Eine Straße ist gedacht, um zu entkommen. Eine Autotür ging auf in dieser Wildnis und der Hügel wurde zu einem Sinnbild für den Tod. Eine Kugel, tödlich, gab dem Fahrer eines anderen Gestalt, so wie man Blumen Schuld an sich zuschreibt.

Aus dem Englischen von Ron Winkler

UTOPIC

anglais | Claudia Keelan

The press of being/of more than on
      Oh Celebrators
the world winding towards nothing/
           may I say nothing
Rue de Fleurus
                                         Hope of the pear
Because the is no eating
QUEL Q’UN;
Maintenant, oui      there is hope
& Now      there is no room for
far away emotion
What is social moves
with delayed hooks
toward compromise

Imagine his head wounds
    Oh Christendom
Impresario dying exile
Take notes:
In the wind the dog’s cries
are the dying Martin

The emotion away from emotion
a service not a method

A generation slipping nouns
If you say it that way
Noose  March Law

© Claudia Keelan
from: Utopia
Alice James Books, 2000
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2009

Utopistisch

allemand

Der Druck aus mehr als nur aus sich/ zu sein

Oh, die ihr preiset,

die Welt wirbelt in Richtung Nichts/

darf ich erwidern: Nichts

Rue de Fleurus

Die Hoffnung Birne

Weil es nichts zu essen gibt

QUEL Q’UN:

Maintenant, oui es gibt Hoffnung

& Jetzt es gibt keinen Raum für

Fernweh

Was sozial ist, bewegt sich

Haken schlagend

Richtung Kompromiss


Stell dir seinen wunden Kopf vor

Oh Christenheit

Impresario Exil, das stirbt

Notiere:

Die Schreie der Hunde im Wind

sind Martin, wie er stirbt


Das Weh fern von Weh

Hingabe, nicht Methode


Eine Generation, der Nomina entgleiten

Wenn du das so sagst

Schlinge   Marsch   Gesetz

Übersetzt von Ron Winkler

Our Mother Died Expecting

anglais | Efe Paul Azino

We travelled through the dirt road, silently,
beckoned by grim and desperate voices.
We greet death profiteers and dried-eyed wailers
as they usher us into the one-room shack,
where our mother died facing the door,
expecting.
We have come from the city’s aspirational end
to redeem the dust she left behind.
She, from that tribe of women who traded sweat,
to buy us access into spaces that promised
a portion of the city where desire lived.

All mother required was that we came back,
in city-sleek machines to whisk her away in full glare
of eyes and hearts awaiting their turn.
She waited,
expecting.

We sent hope when money wasn’t available to go,
she sent prayers, boasting to anyone who cared to know
about her sons who went after the rainbow,
soon to return with pots of gold.

In the city, we rode storms.
We rode them continually,
leaving us too tired to reap the golden fruits of opportunity
they said the city grew.
We hustled to the drumbeats of our mother’s expectations,
modern day messiahs bearing the cross of an entire lineage,
on our university-certified shoulders, charged with redemption.
The last time we spoke over the phone, it was Christmas,
all I had to my name was a wallet pregnant with hope
and pockets, bogus with shame,
I promised to come see her in the New Year,
a promise I remember, standing here
eyes and hearts, scanning the 10 by 8 contraption
That holds her scant remains.
I can barely breath, afraid to choke on the lingering expectations
Of her spirit,
So I stand in this house of death.
I who have come from the city with my dreams
To redeem the only thing that’s left.

© Efe Paul Azino
from: For Broken Men Who Cross Often
Farafina Books, 2015
Audio production: Haus für Poesie, 2016

Mutter war so voll Erwartung, als sie starb

allemand

Wir folgten einer Schlackestraße, still,

herbeigeholt von panischen, betrübten Stimmen.

Grüßten alle, die von Toden profitieren, dazu die Verweinten,

sobald sie uns in die Einzimmerhütte führten,

wo Mutter starb, mit starrem Blick zur Tür,

so voll Erwartung.

Wir kamen vom florierenden Ende dieser Stadt,

die Asche zu erlösen, die sie hinterlassen hat.

Sie, eine aus der Legion von Frauen, die im Schweiße ihres Angesichts

schwer schufteten, so dass wir fähig waren zu zahlen

für Gegenden der Stadt, wo Wünsche lebbar waren.


Wir mussten Mutter nur zurückzukommen versprechen,

in mondänen Schlitten, um sie zu entführen, angestrahlt

von Augen, Herzen, die wie wir ihr Glück zu schmieden suchten.

Sie wartete

so voll Erwartung.


Wir schickten Zuversicht, wenn Geld nicht greifbar war,

sie schickte Gebete, prahlte gegenüber allen, die es hören wollten,

mit ihren Söhnen, die nach dem Regenbogen strebten

und schon bald mit Händen voller Gold zurück sein würden.


In der Stadt mussten wir durch Krisen,

immer wieder Krisen,

was uns zu müde machte, die goldenen Früchte aller Chancen abzuernten,

die in der Stadt so gut gedeihen, wie es heißt.

Wir stehen im Stress des Trommelwirbels der Erwartungen von Mutter –

zeitgenössische Messias, die im Auftrag der Erlösung das Kreuz

des Stammbaums auf ihren uni-diplomierten Schultern schleppen.

Bei unserem letzten Telefongespräch, zu Weihnachten,

besaß ich nichts als mein mit Hoffnungen gefülltes Portemonnaie

und ein paar Taschen voller Fake.

Ich garantierte ihr, zu ihr zu kommen – im neuen Jahr,

ich weiß das noch sehr gut – und jetzt steh ich da

und Herz wie Augen schauen zu dem kleinen Kästchen,

das ihre Überreste aufgenommen hat.

Ich kann kaum atmen, fürchte, dass mir die Erwartungen ihrer

immer noch präsenten Seele den Hals abschnüren.

Und steh so in diesem Haus des Todes –

ich, der mit seinen Träumen aus der Stadt gekommen ist

um das bisschen zu erlösen, das geblieben ist.

Ins Deutsche übersetzt von Ron Winkler

SandBoy

anglais | Lee Mokobe

When we were younger
All the girls on the street
Were told to eat sand to help fill out their breasts
I filled my mouth with the Lord’s dust
And prayed for small pecs
And one day I woke with melons
Weighing heavy on my chest
And wondered
How could I have swallowed all that
Earth in my sleep
And isn’t that what it meant
To be woman
To be filled with dirt
And still blossom
To feed on earth and call it this body
And how this body is earth too
And that I did not want to be either
That I want to rip my chest open
And pour all this
Every grain of it
Back where it belongs
I did not ask for all of it
Just some
And ain’t that funny
How this body is at the mercy of this soil
That we are nothing but it
And can’t I be something that grows less
Like soot
Something that stains
So they can’t call me girl or woman
But call me earth
And body
And just
Me.
Sand filled.
Mistaken.
Unsatisfied.
Boy.
With sand for chest.

© Lee Mokobe
Audio production: Haus für Poesie, 2019

SandJunge

allemand

Als wir noch klein waren
Bequatschte man die Mädchen auf
Der Straße, Sand zu essen, damit sich ihre Brüste füllen
Ich füllte mir den Staub des Herrn in den Mund
Und sandte Gebete für ein flaches Dekolleté
Und erwachte eines Tages mit Melonen
Schwer auf meiner Brust
Und fragte mich
Wie hatte ich schlafend all die Erde
Schlucken können
Und ist das nicht genau das, was es bedeutet
Frau zu sein
Mit Dreck gefüllt zu werden
Und trotzdem zu blühen
Sich von der Erde zu ernähren und Leib dazu zu sagen
Und wie dieser Leib auch Erde ist
Und ich wollte nichts von beiden sein
Wollte mir die Brust aufreißen
Und alles auskippen
Noch das letzte Sandkorn dorthin
Zurück, woher es kam
Ich hab das alles nicht erbeten
Nur ein wenig davon
Das ist echt nicht zum Lachen
Wie dieser Leib der Gnade dieser Erde ausgeliefert ist
Dass wir nichts sind als das
Und kann ich nicht etwas sein, das langsamer gedeiht
Wie Ruß
Etwas, das Flecken macht
So dass sie mich nicht zu den Mädchen oder Frauen zählen können
Sondern Erde nennen
Und Leib
Und einfach
Mich
Mit Sand gefüllt
Verkannt.
Bekümmert
Junge.
Mit Sand als Brust.

Aus dem Englischen von Axel Schock und Ron Winkler

Growing Pains

anglais | Lee Mokobe

In the four years of being openly trans
I have formed a whole new language on grief
And how to let dying things go
Or how living things die suddenly
And the first to go was my name
It went quietly
It did not put up a fight
The people around me did not let themselves mourn it
They were in denial
So they kept it, sometimes
Letting a name that is not mine sit in their mouths
And frowned when I was filled with acceptance
As if to say “why can't you hold this dead
Name for us, so we may live”
The second to go was the title
A silly little thing it was
For it, I was apologetic
Said a thousand ‘I’m sorry’s”
For every time the word “he”
Revived me
That it was not everyday that
Titles just find homes in bodies like mine
And so they would have to teach their teeth
How to chew on this
Like it was bark and I was not worthy of
Any roots that were of manhood
And I am realizing there is no vocabulary
Wide enough to hold me
So let me reintroduce myself
My name is Lee
I am a transboy
And I am still afraid
To be the grim reaper’s favorite guest to inhabit
To perpetually wait to die at the hand of a country,
A person or myself
That I have avoided eye contact with my country
For quite some time now
Because I know what kind of kindle
My bones would make
How flammable this body is
In the hands of men
Like my uncle
Who use the word “she” like an inside joke
Who ask you to pass the folk
In between suggesting that you
Find a man or a boy who will
Teach you how to be woman
And how everyone laughs and draws a crowd
Them pointing just to say
Look how this abomination has given itself a voice
But sometimes I forget
That I am an orphan in a foreign land
I forget to get sea sick on my ocean of tears
And instead dive into my transness
Like it is a glass of water in the middle of the desert
I am stronger
With every hair strand that finds its way
On to my face
And how i am thankful for it's arrival
No matter how long it took for it to claim me as its own
And every week
A wednesday of a night
I dread the coming of a needle to my thigh
Or ass
And how sometimes growing can be painful
And that this puberty is the one I needed
Sometimes I forget that I am even trans
Because sometimes
Becoming a man is uneventful.
It just an act of endurance.
Of how much pain you can take
There is no act of initiation.
Just choice.
Just today I cannot give in to this body.
I will shape it.
Make it what I most fear on any other day.
To become a man is to hate every single moment of change.
Of effort.
Of why did it take this long to come to this conclusion.
It wasted breathe on proving I’m worthy of a masculine pronoun.
That I am he.
Him.
Who learnt how to be boy from street soccer.
To not score a goal is to be loser.
Is to have your boyhood in question.
So I became MVP.
Most valuable player.
Chase the ball or balls as hard as I can.
Disregard the the pace of the game.
Pay attention to my speed. How fast I can keep up with the other players.
Becoming a man is keeping up with cis men.
And choosing to lie about it
And saying my identity is unique
That it pushes the boundaries
That it is not box.
But me also, I want the same box.
The same body. Walk. Speech. Mind.
To be man, no prefix.
And in unlearning this I have found
Myself
Not being to scared to speak
To not look at my life with sadness
But with hope
Because there are people who see me
And name my breath a triumph
Who have abandoned their prejudice To make room for my kind of beautiful
And I owe it to myself to take up space
To make noise
To shatter boundaries
I owe it to my home
To make it better
This does not make me activist
It makes me human
To want my rights without clauses or fineprint
I am refusing to die quietly.
I am a transgender south african. And I
exist.

© Lee Mokobe
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Aufwachsen in Schmerzen

allemand

In den vier Jahren, die ich offen trans bin
Hab ich einen völlig neuen Wortschatz für das Leid entwickelt
Und wie man Sterbendem entsagen kann
Oder wie Lebendiges im Handumdrehen vergeht
Zuallererst verging mein Name
Ging leise
Hat sich nicht gewehrt
Die Leute um mich rum verboten sich darum zu trauern
Sie belogen sich gern selbst
Und hielten deshalb an ihm fest, hatten
Zuweilen einen Namen, der nicht meiner war, auf ihren Lippen
Und runzelten, wenn sie sich einließen auf mich, die Augenbrauen
Wie um zu sagen: „Warum kannst du diesen toten Namen nicht
Um unser Willen tragen und wir können leben“
Das Nächste, das verging, war das Pronomen
Ein dummes kleines Ding war das
Seinetwegen hatte ich Gewissensbisse
Sprach jedes Mal
Wenn mich das Wörtchen „er“ elektrisierte
Ein tausendfaches „Tut mir leid“
So ein Pronomen wird nicht automatisch heimisch
In einem Körper wie dem meinen
Und so würden sie ihren Zähnen beibringen müssen
Wie man es zurechtkaut
Als sei es Rinde und ich keine jener Männlichkeit
Hervorbringenden Wurzeln wert.
Und mir wird klar, es gibt keine Sprache
Groß genug, um mich zu fassen
Also lasst mich euch noch einmal vorstellen
Ich heiße Lee
Ich bin ein Transboy
Und ich hab noch immer Angst
Das Lieblingsopferlamm des Sensenmanns zu sein
Ständig in Erwartung, durch die Hand einer Regierung, eines Menschen
Oder meiner selbst zu sterben
So dass ich nun schon länger Blickkontakt
Mit meinem Land vermeide
Weil mir bewusst ist, was für Flammen
Meine Glieder schlagen würden
Wie leicht entzündlich mein Leib wär
In den Händen von Gestalten
Vom Schlage meines Onkels
Die das „sie“ wie einen Witz für Insider verwenden
Die dir anempfehlen, geh unter
Leute und finde irgendwen
Ob Jüngling oder Mann
Der dir beibringt, eine Frau zu sein
Und wie alle grölen und Leute um sich scharen
Und mahnend auf dich zeigen
Schaut, die Ausgeburt will wirklich eine Stimme haben
Doch gelegentlich vergesse ich
Dass ich eine Waise bin in einem fremden Land
Ich vergesse, dass ich seekrank bin auf meinem Ozean aus Tränen
Und tauche dafür in meine Transness ein
Als wäre sie das Glas voll Wasser mitten in der Wüste
Ich werde stärker
Mit jeder neuen Strähne, die sich ihren Weg
In mein Gesicht bahnt
Und wie ich dankbar bin für ihr Erscheinen
Ganz gleich, wie lange es gedauert hat, mich als ihr eigen anzunehmen
Und jede Woche
Am Mittwoch einer Nacht
Graut mir vor der Nadel, die in meinen Oberschenkel jagt
Oder in den Arsch
Und wie schmerzvoll das Heranwachsen mitunter sein kann
Und dass diese Pubertät die war, die ich brauchte
Oft vergesse ich gar trans zu sein
Denn oft ist es ereignislos
Ein Mann zu werden
Ist nur eine Frage von Geduld
Und von wie viel Schmerzen du ertragen kannst
Es gibt keine ausdrückliche Initiation
Nur die Wahl
Gerade heute kann ich diesem Körper nicht nachgeben
Ich werde ihn gestalten
Mach ihn zu dem, was mir an allen anderen Tagen am meisten Panik macht
Ein Mann zu werden heißt noch die leiseste Veränderung zu hassen
Oder Anstrengung
Oder warum es so irre lang gedauert hat bis zu dem Entschluss
Was es an Atem kostete um zu beweisen, dass ich des männlichen Pronomens würdig bin
Dass ich er bin
Er und jener
Der beim Kicken auf der Straße lernte, wie man Junge ist
Kein Tor schießen heißt Verlierer sein
Heißt sein Jungssein anfechtbar zu machen
So wurde ich ein MVP
Wertvollster Spieler auf dem Platz
Jag mit vollster Kraft den Ball oder die Bälle
Lass mir das Spieltempo egal sein
Es gilt nur meine eigene Dynamik. Wie mir gelingt mit allen anderen mitzuhalten
Mann werden heißt mit Cismännern mithalten
Und was das angeht bedenkenlos zu lügen
Und zu sagen: meine Art zu sein ist ganz für sich allein
Sie verschiebt den Grenzbereich
Sie ist nicht Hülle
Sondern ich, dieselbe Fülle
Selber Körper, selbe Sprache, selber Gang und Geist
Träumend, Mensch zu sein und präfixfrei
Und mich davon trennend fand ich
Mich
Nicht mehr zu schüchtern um zu sprechen
Mein Leben nicht mehr voller Trauer zu betrachten
Sondern voller Hoffnung
Weil es Leute gibt, die mich begreifen
Und meinen Weg als Sieg verbuchen
Die ihre Vorurteile aufgegeben haben, um Platz zu schaffen für Schönheit meiner Art
Und ich schulde mir, den Raum auch zu besetzen
Um für Lärm zu sorgen
Um Grenzen zu zerstören
Ich schulde das der Heimat
Damit sie besser wird
Ich bin deswegen noch längst kein Aktivist
Sondern einfach Mensch
Der seine Rechte ohne Klauseln oder Kleingedrucktes wahrnehmen will
Ich weigere mich, still zu sterben
Ich bin südafrikanischer Transgender. Und ich existiere.

Aus dem Englischen von Axel Schock und Ron Winkler

On coming out

anglais | Lee Mokobe

the first time i uttered a prayer
was in glass stained cathedral.
i was kneeling long after the congregation was on its feet.
i dipped both hands in holy water.
traced the trinity across my chest.
my tiny body drooping like a question mark
all over the wooden pew.
i asked jesus to fix me.
when he did not answer.
i befriended silence in the hope
that my sin would burn inside my mouth.
would dissolve like sugar on tongue.
but shame lingered as an aftertaste.
and in an attempt to reintroduce me to sanctity
my mother reminded me of the miracle i was.
that i could grow up to be anything i want.
i decided to be a boy.
it was cute.
had a snapback, toothless grin.
used skinned knees as streetcred.
played hide and seek with what was left of my girl.
i was it.
the winner of a game that other kids couldn’t play.
i was the mystery of an anatomy.
a question asked but not answered.
tightroping between awkward boy and apologetic girl.
and when I turned 12.
the boy phase wasn’t deemed cute anymore.
it was met with nostalgic aunts who missed seeing
my legs in the shadow of skirts.
who always reminded me that with my kinda attitude
would never bring a husband home.
That I exist for hetersexual marriage and childbearing.
i swallowed their slurs along with the insults.
naturally I did not come out of the closet.
the kids at my school opened it without my permission.
they called me by a name i did not recognize.
said “lesbian.”
but I was more boy than girl.
more ken than barbie.
it had nothing to do with hating my body.
i just love it enough to let it go.
i treat it like a house.
and when your house is falling apart.
you do not evacuate.
you make it comfortable enough to house all your insides.
you make it pretty enough to invite guests over.
you make the floorboards strong enough for you to stand on.
my mother fears I have named myself after fading things.
as she counts the echos left behind by
Mya Hall. Leelah Alcorn. Blake Brockington.
worries that I will die without a whisper.
that I will turn into “what a shame” conversations at the bus stops.
she claims I have turned myself into a mausoleum.
that I am a walking casket.
news coverage has turned my identity into a spectacle.
Caitlyn Jenner on everyone's lips.
while the brutality of living in this body becomes
an asterisk at the bottom of equality pages.
no one ever thinks of us as human.
because we are more ghost than flesh.
people are afraid that my gender expression is a trick.
that it only exists to be perverse.
that it ensnares them without their consent.
that my body is a feast for their eyes and hands.
and when they have fed off my queer.
they will regurgitate all the parts they did not like.
they will put me back in the closet.
hang me with their other skeletons.
i will be the best attraction.
you see how easy it is, to talk people into coffins.
how easy it is to misspell their names on gravestones.
people wonder why there are still boys rotting
their girl away in high school hallways.
they are afraid of becoming another hashtag in a second.
afraid of classroom discussions becoming like judgement day.
and now oncoming traffic is embracing more
transgender children than parents.
i wonder how much time it will take before
the trans suicide notes start to feel redundant.
how fast we will see that our bodies become lessons
about sin way before we learn how to love them.
like God didn't save all this breathe in mercy.
like my blood is not the wine that washed over jesus’s feet.
my prayers are now getting stuck in my teeth.
maybe i am finally fixed or maybe.
finally God has listened to my prayers.

© Lee Mokobe
Audio production: Haus für Poesie, 2019

coming out

allemand

mein debütgebet sprach ich
in der farbglaskathedrale.
ich kniete noch, als die gemeinde längst schon aufgestanden war.
ich tunkte beide hände ins weihwasser.
skizzierte die dreieinigkeit auf meine brust.
mein kinderkörper ein erschlafftes fragezeichen
auf dem holz der kirchenbank.
ich bat jesus, mich zu heilen.
als er nicht reagierte
schloss ich freundschaft mit der stille, hoffend
meine sünde würde in meinem mund vergehen.
sich auf meiner zunge auflösen wie zucker
doch es blieb ein beigeschmack von scham.
um mich zurückzuführen auf den pfad der wahrheit
erinnerte mich mutter an das wunder, das ich sei.
dass ich alles werden könnte, was ich wollte.
ich wollte ein junge sein.
er war voll süß.
grinste zahnlos unter seiner basecap.
verkaufte aufgeschürfte knie als straßencredibility.
spielte verstecken mit was von meinem mädchen übrig war.
ich war er.
sieger eines spiels, das andere kinder nicht beherrschten.
ich war alchemie einer anatomie.
eine frage ohne antwort.
gratwandern zwischen unbeholfenem jungen und verlegenem mädchen.
und als ich zwölf geworden war
galt meine jungsphase nicht mehr als süß.
„es“ wurde altmodischen tanten zugeführt, die vermissten
meine beine unter rockschatten zu sehen.
und immer predigten, dass ich mit meiner attitüde
nie einen bräutigam nach hause bringen würde.
dass für mich hetero-ehe und geburt von kindern vorgesehen sei.
ich schluckte ihre kränkungen und mäkeleien.
selbstverständlich blieb ich hinter meiner mauer.
die rissen dann schon über meinen kopf hinweg die kids an meiner schule ein.
sie labelten mich mit was mir fremd war.
sagten „lesbe“.
aber ich war mehr junge als ein mädchen.
mehr ken als barbie.
es ist ja nicht so, dass ich meinen körper hasste.
weil ich ihn liebe, lass ich ihn gewähren.
ich verstehe ihn als haus.
und dein haus, das räumst du nicht
auch wenn es risse zeigt.
du machst es wohnlich für alle deine inneren aspekte.
du machst es schön, um einzuladen zu können.
du machst die böden dort stabil, um darauf stehen zu können.
mutter fürchtet, dass ich mir namen gab von dingen, die verschwinden.
während sie dem echo lauscht
von mya hall. leelah alcorn. blake brockington.
sich aufregt, dass ich sang- und klanglos sterben werde.
dass ich in warteschlangen zu einem „diese-schande“-tuscheln werde.
sie mokiert, ich hätte mir ein mausoleum antrainiert.
ich sei ein sarg auf beinen.
newsfeeds haben meine identität zum spektakel hochgejazzt.
caitlyn jenner ist in aller munde.
während die härte des in-diesem-körper-lebens
fußnote bleibt in gleichstellungsessays.
niemand sieht uns je als menschen.
denn wir sind mehr gespenst als fleisch.
die leute fürchten, mein genderausdruck sei ein trick.
dass er nur da sei, um sich pervers auszuleben.
dass er sie gegen ihren willen verführe.
dass mein körper köder sei für ihre augen, hände.
und wenn sie sich an meiner queerness gütlich getan haben
kotzen sie alles aus, was sie nicht mochten.
drängen mich zurück hinter die mauer.
zu ihren anderen skeletten.
ich werde die größte attraktion sein.
du siehst, wie leicht es ist, jemanden ins grab zu reden.
wie leicht es ist, namen falsch auf grabsteine zu schreiben.
man fragt sich, warum töten jungs auf high-school-korridoren
noch immer ab, was mädchen ist in ihnen.
sie haben angst, dass man sie kurzerhand zum hashtag macht.
angst vor höllenfeuerdiskussionen im klassenzimmer jeden tag.
demgegenüber gibt es mehr und mehr
transgenderkids als bei ihren eltern.
ich bin gespannt, wie lange es noch dauern wird
bis transmenschen sich nicht mehr in den tod getrieben sehen.
wie schnell wir merken, unsere körper sind lektionen
in sünde lang bevor wir lernen sie zu lieben.
als hätte gott nicht alle kraft für gnade aufbewahrt
als sei mein blut nicht jener wein, der über jesu füße spülte.
meine gebete bleiben jetzt zwischen meinen zähnen.
vielleicht bin ich endlich heil oder vielleicht
sind meine gebete endlich zu gott vorgedrungen.

Aus dem Englischen von Axel Schock und Ron Winkler

דור שני

hébreu | Yael Globerman

1
הָאִישׁ שֶׁכִּמְעַט לֹא הָיָה יוֹשֵׁב לַשֻּׁלְחָן.
הָאִשָׁה שֶׁבְּקֹשִי הִגִּיעָה מַגִּישָׁה לוֹ עוּגַת שְׁזִיפִים.                                   
זֶה הַבַּיִת שֶׁלִי: טוֹב פֹּה. בָּטוּחַ.                                                       
אִמָּא נִשְׁעֶנֶת עַל אַבָּא. אַבָּא נִשְׁעָן עַל צֵל.                          
בַּלַּיְלָה הֵם פּוֹסְעִים לְחַדְרִי עַל קְצוֹת אֶצְבָּעוֹת
בְּתִּלְבֹּשֶׁת כַּוְרָנִים, מוֹשְׁחִים אֶת רַקוֹתַי בְּשַׁעֲוָה.    
אֲנַחְנוּ מִשְׁפָּחָה מְאֹד חַמָּה.
הָרִצְפָּה בּוֹעֶרֶת מִתַּחַת לַרַגְלַיִם.                           

אֲנַחְנוּ מַאֲמִינִים בְּקִירוֹת. פּחוֹת מַאֲמִינִים בְּגַג.
צָרִיךְ לִבְנוֹת אוֹתוֹ כָּל בֹּקֶר מֵחָדָשׁ. אֲנַחְנוּ בּוֹנִים.
בָּאֲרוֹן הַתְּרוּפוֹת יֵשׁ תַּחְמֹשֶׁת וּבַבַּנְק שֹׁחַד לַשּׁוֹמֵר          
שֶׁמַּעֲבִיר אוֹתָנוּ, לַיְלָה לַיְלָה, אֶת הַגְּבוּל.                
שְׁתִּיקָה הִיא הַגֹּפֶר שֶׁסּוֹתֵם אֶת הַפְּרָצוֹת, אוֹטֵם אֶת הָרִצְפָּה.           
אֲנִי שׁוֹמַעַת מַשֶׁהוּ עָמֹק נוֹהֵם:                                                                                        
יָם קַיָּם מִתַּחַת לִיְסוֹדוֹת הַבַּיִת.

2.
הַבַּיִת הַזֶּה מָלֵא אַהֲבָה. אַבָּא חָזָק וְאִמָּא יָפָה.
גֶּרְשְׁוִּין הָיָה יָכוֹל לִכְתֹּב עָלֵינוּ שִׁיר עֶרֶשׂ.
מַה יַעֲזֹר הַצַּעַר הַזֶּה
לְאָן לְהוֹלִיךְ אֶת הַצַּעַר הַזֶּה
אֵיפֹה אוֹשִׁיב אוֹתוֹ כְּשֶׁיַּגִּיעַ        
מָה אֶתֵּן  לוֹ לֶאֱכֹל

© Yael Globerman
Audio production: Haus für Poesie, 2016

Zweite Generation

allemand

Der Mann, den es nur gerade so gab, setzt sich an den Tisch.
Die Frau, der es nur knapp gelungen war, serviert ihm Pflaumenkuchen.
Das ist mein Zuhause: Gut ist es und sicher.
Mutter findet Halt an Vater. Vater findet Halt an einem Schatten.
Nachts schleichen sie in Imker-Outfit auf Zehenspitzen in mein Zimmer
und reiben mir die Schläfen mit Bienenwachs ein.
Bei uns in der Familie herrscht große Wärme.
Der Boden brennt unter unseren Füßen.

An Mauern glauben wir. An ein Dach glauben wir weniger.
Es muss jeden Morgen neu errichtet werden. Wir errichten.
Der Arzneischrank ist voller Munition und auf der Bank
ist Schmiergeld für den Schlepper,
der uns jede Nacht über die Grenze bringt.
Zum Kalfatern der Fugen und der Böden nimmt man Schweigen.
Ich höre etwas in der Tiefe brodeln.
Da ist ein Meer unter dem Fundament des Hauses.

***

Das Haus ist voller Liebe. Vater ist stark
und Mutter eine Schönheit.
Wir könnten ein Wiegenlied von Gershwin sein.
Was soll ich mit diesem Kummer
Wo führe ich den Kummer hin
Wo soll er sitzen, wenn er kommt
Was geb ich ihm zu essen

Deutsche Fassung von Ron Winkler
VERSschmuggel, hebräisch, deutsch, 2015

שוב

hébreu | Yael Globerman

Audio production: Haus für Poesie / 2016

Erneut

allemand

Erneut stellt die Erde Fragen
Und der Himmel antwortet mit weißer Weste.
Eine Wolke, ein wundervoller Wedel,
bewegt die Fragen hin und her,
macht Platz für etwas, das du nicht finden kannst.
Es sind die Kleinigkeiten, die dich flatterig machen.
Sie liegen nicht mehr in der Luft.
Alles ist verzeihlich, doch nicht die zugeknallte Tür.
Alles leuchtet ein, doch nicht das Türenschlagen,
auf das nichts folgt als absolute Stille.
Seit Tagen nun sind alle deine Fragen
wie Gewehrsalven — eher um abzuschrecken
als um zu erfahren. Erschöpft und stur
türmen die Gedanken Sandsäcke übereinander,,
bis auf ein paar Schießscharten lückenlos an jeder Wand.
Doch der Idiot von der Security checkt
an der Herz-Schleuse aus irgendeinem Grund
nur die, die rausgehen.

Deutsche Fassung von Ron Winkler
VERSschmuggel, hebräisch, deutsch, 2015

גרפיטי

hébreu | Yael Globerman

Audio production: Haus für Poesie / 2016

Graffiti

allemand

Es war eine Nacht heftiger Graffiti:
eine unvertraute Gasse in einer unvertrauten Stadt,
und du führtest mich,
ein Fremder mit einem Kreideblock zwischen den Zähnen.
Auf den Wänden überdimensionierte Frauen,
rote Dekolletés tiefgründig wie Geldscheinautomaten
und Augen wie Tapetentüren.
In einem Schaufenster übertrugen
zehn Flachbildschirme den Rücken eines Diebs.
Jemand stürzte aufs Gesicht,
jemand stand auf mit schiefem Grinsen
und sagte: Komm zu mir.
Für eine ganze Weile
machte der Wind mit seinen großen Gesten weiter.
Das leichte Rauschen von Reifen auf Asphalt.
Ein Bus, ganz hinten saß ein Mädchen,
das Gesicht mit dem Fenster dicht an dicht.
Regen schlug seine kleinen Fäuste an die Scheiben,
wie eine Frau, die auf die Brust eines Mannes eindrischt,
ohne wirklichen Effekt.

Deutsche Fassung von Ron Winkler
VERSschmuggel, hebräisch, deutsch, 2015

Több gondosságot, ha agrártámogatás kéne!

hongrois | Sándor Tatár

                                                                     Hommage à Bonaventura

A földgolyót, nagytiszteletű Kertész Uram, egészen
belepte már a civilizáció nevű penész,
s a férgek, igen, de mennyire, a férgek is
furkálóznak benne, nemigen hatolva ugyan mélyebbre
a héjánál, de annál észvesztőbb szaporaságban
nyüzsögnek a felszínén – bár irtják egymást
megátalkodott-derekasan, most már ennek ellenére mindenütt
van belőlük légiónyi.
Csak ahol ez elhanyagolt (mostoha)gyümölcs
héja kékes és vizenyős, ott elviselhetőbb a féregsűrűség
(ámbár nem intakt ez a vizenyő sem: a sós tócsákban
hajóroncsok).
Hát ez, kedves Jehova, a biogazdálkodás átka.
Egyáltalán: a laissez faire engedékenysége (vagy tán
a közönyösség, ha nem egyenesen
a kaján cinizmus?!) meg bírja bosszulni magát.
Hadd hozzuk szíves tudomására: Nem fejőstehén
az égi kassza, hogy az önhibájukból (már akár a
szakértelem hiánya az ok, akár alapjaiban hibás
maga a koncepció is) bajba jutott gazdáknak
mindegyre csak a hónuk alá nyúljon!
Azt javaslom, szép csendben felejtsük el ezt a
balul kiütött projektet a „föld”-del; ha jót akar, ne próbáljon
ennek a rendbehozására pénzt szerezni. – Töviről-hegyire
el kéne mesélnie, hogy mást ne mondjak,
hogy miképp jutott ennyire ebek harmincadjára.
Hát annyira tiszta Kertész Uram lelkiismerete!?
Abszurdum! Sétáljon és kontempláljon nyugodtan
a kert más részein, és süssön ki valami újat.
Elhiszem, hogy zavarja, amíg még létezik, a „föld”,
ez a corpus delicti, de ne törődjön vele, és (főleg)
ne próbálja meg eltüntetni; azon rajta veszthet.
Higgye el, ez a rothadozó gyümölcs
nem húzza már sokáig.
Legyen ő a betanulás selejtje. A tanulópénz.

© Sándor Tatár
from: Litera, Első nyilvánosság, 2004 április 5.
http://www.litera.hu/hirek/tatar-sandor-versei
Audio production: Petőfi Irodalmi Múzeum, 2016

Mehr Umsicht beim Beantragen höherer Agrarsubventionen!

allemand

                                                                              Hommage à Bonaventura

Der Schimmel Zivilisation, hochverehrter Herr Gärtner, überzieht
den ganzen Erdball schon,
und auch die Würmer, ja, die Würmer, benagen ihn – und wie;
auch wenn sie die Schale kaum
durchdringen, in wahnsinnsgroßer Zahl drängeln sie sich
auf der Oberfläche – zwar liquidieren sie einander tüchtig-stoisch,
dennoch sind sie Legion,
allüberall.
Nur wo die Schale des verkommenen, vernachlässigten Obstes
bläulich-nass ist, nur dort ist die Würmerdichte aushaltbar
(obwohl auch dieses Ödem keineswegs unversehrt ist: Schiffwracks
in salzhaltigen Pfützen).
Nun ist das, lieber Herr, der Fluch der Biobespielung.
Überhaupt: die Geräumigkeit des Laissez-faire (oder vielleicht
Gleichgültigkeit, wenn nicht gar schadenfreudiger Zynismus?!)
kann sich rächen.
Wir erlauben uns, den HErrn über Folgendes in Kenntnis zu setzen:
Der Himmel ist keine Melkkuh und kann Bauern,
die selbstverschuldet (egal, ob ihnen Kompetenz fehlt oder
ob ihr Konzept grundlegend falsch war) in Schieflage
geraten sind, nicht stets unter die Arme greifen!
Ich schlage vor, dieses gescheiterte Projekt „Erde“
insgeheim zu vergessen; wollen Sie noch Schlimmeres
abwenden, sollten Sie keinesfalls versuchen,
Geld für die Sanierung zu beschaffen. – Täten Sie es, dann sollten Sie gewiss,
nur um mal darauf hinzuweisen, bis ins Einzelne darlegen,
wie das Ganze überhaupt so auf den Hund hat kommen können.
Ist das Gewissen des Herrn Gärtners wirklich derart rein!?
Wohl nicht!       Machen Sie einen Spaziergang in einem anderen Teil
des Gartens und ertüfteln Sie was Neues.
Ich glaube Ihnen gern, dass es Sie stört, dass es die „Erde“ gibt,
solang es sie noch gibt,
dieses Corpus delicti, aber kümmern Sie sich nicht drum, und (vor allem)
versuchen Sie nicht, es aus der Welt zu schaffen; das könnte Ihnen
zum Verhängnis werden.
Glauben Sie mir, dieses vergammelte Stück Obst
ist bald hinüber.
Man halte es für die Ausschussware, die beim Anlernen produziert wird.
Für Lehrgeld.

Nachdichtung: Ron Winkler (nach Lineaversion von Péter Zalán)

Így adakoznánk mi

hongrois | Sándor Tatár

Magányunkat, szorongásainkat a női perselybe
ejtjük. (Rendeltetési helyére
kerül a sperma.)
Boldogok vagyunk, ha elfogadják.
Pedig valahol pontosan tudjuk (előbb-utóbb
megtudjuk), hogy ezzel nem veszik el tőlünk
(nem gonoszságból nem, hanem, mert
erre még ők sem képesek).
Nálunk marad.

És mégis...

Majdnem olyan, mintha
sírt ásnánk a szelekbe.    Tágasat, ahogyan
Celan mondja.     Valami olyasmire vágyunk,
hogy tartson össze, de ne fojtson meg;
mi magunk is legyünk, de
váltson is ki önmagunkból;
legyen erősszárú növény, megingat-
hatatlan kőzet, de ruganyos
s melengető állati hús is.
Ölelése igazodjék
pillanatnyi szükségletünkhöz.
– Ennél kevesebbel, úgy érezzük,
nem érhetjük be, pedig szánalmasan kevés,
amit mindezért adni tudunk:
magányunk, szorongásaink
a női perselyben...
Majd pedig (s még ez a jobb: jobb, mint ha
szavakra próbálnánk váltani)
szégyenkezően-, esetleg dühödten-hálás tekintetünk.

© Sándor Tatár
Audio production: Petőfi Irodalmi Múzeum, 2016

Das soll unsre Spende sein (?)

allemand

Unsere Furcht und Einsamkeit füllen wir in die Tiefe
der Frau. (Das Sperma landet
an seinem Bestimmungsort.)
Wir sind glücklich, wenn sie es annimmt.
Dabei wissen wir nur zu genau (wir erfahren es
über kurz oder lang), dass sie uns damit nichts abnimmt
(nicht aus Bosheit, sondern weil
nicht einmal sie dessen fähig ist).
Es bleibt bei uns.

Und dennoch …

Es ist fast, als würden wir
ein Grab in den Lüften graben. Ein weites, wie
Celan sagt. Wir lechzen nach etwas,
das uns zusammenhält, doch nicht erstickt;
damit wir wir selbst sind, aber
es soll uns auch von uns selbst erlösen;
soll eine Pflanze sein mit stabilem Stängel, unver-
wüstlicher Stein, zugleich aber auch pralles,
wärmendes, tierisches Fleisch.
Mögen ihre Lenden sich fügen, unseren aktuellen Bedürfnissen.
– Mit weniger, und davon sind wir überzeugt,
können wir nicht zufrieden sein, auch wenn es erbärmlich wenig ist,
was wir dafür geben können:
die eigene Einsamkeit und Bangigkeit
in der Tiefe der Frau …
Dann ein (und das ist wohl auch besser: besser,
als wenn wir Worte bemühen würden)
verschämter, vielleicht wütender Blick des Danks.

Nachdichtung: Ron Winkler (nach einer Lineaversion von Péter Zalán)

One for the Tribe

anglais | Efe Paul Azino

This is for the storytellers
watchers at the temple of language
those whose heads brush against the sun
whose hearts weave tales from our laughter
and spin our sorrows into songs
this is for the dreamers
who first spoke today's clichés
hunched over blank papers
peering into the empty pages
of computer screens like crystal balls
waiting for the spirits to whisper
those who have mostly found truth in sadness
Brooding windows to the soul of the human condition
this is for those navigating silences
who need solitude to breath
who refuse peace and quiet
in the face of injustice
who chose gulags
when the only option of freedom
was in a city under jackboot
those who smuggled out their truths
on toilet paper and wrote back from exile
Telling us There Was a Country
its dream aborted under Half of a Yellow Sun
where would be without the bards
who showed us the Path of Thunder
and unravelled the House of Hunger?
But Weep Not Child, The Beautiful ones Are Not Yet Born
this is for the post - colonial pens
writing rainbows across a dark sky
and eclipsing single stories



Those who pitch their voices against the noise
Frame a new age with language
paint a better world for themselves and for us
given nothing but alphabets
pay no mind to the rumours
the stories are still alive
in books, in bits and bytes
in the conscience of a world dancing
to the rhythm of its own delusions
This, right here, is for the tribe
for those who come out of their heads
to drink at festivals
who still write to convince parents
they can be something better than lawyers
who still write because the urge
is stronger than death
this is for the last ones left
recipients of the torch
pouring sentences to keep the flame burning
those who do this for something
more than prizes
who write past rejection letters
as long as the universe holds
there will be stories to tell
and this is for the tellers
for the chosen and the few
for the trusted and the true
for the howlers at the moon
for those gathered here tonight in this room
my tribe, smile,
this one is for you

© Efe Paul Azino
from: For Broken Men Who Cross Often
Farafina Books, 2015
Audio production: Haus für Poesie, 2016

An den Tribe

allemand

Das geht an die Storyteller
Wächter am Tempel unserer Sprache
deren Gedanken in die Sonne ragen
deren Herzen aus unserem Lächeln Märchen stricken
und unsere Sorgen zu Songs verschnurren
das geht an die Träumer
die zuerst die neuesten Klischees entlarvten
sich über blanke Seiten beugen
und wie in Kristallkugeln
in flimmernde Computer spähen
und warten, dass die Geister sprechen
und die ihre Wahrheit meist im Trauern fanden
Fenster formten hin zum Kern der Condition humaine
das geht an die, die Stillen navigieren
die Einsamkeit zum Atmen brauchen
die sich dem Ducken und Duldung entziehen
angesichts der Ungerechtigkeit
und in den Gulag gehen
weil Freiheit in der Stadt nichts anderes heißt
als unter Kampfstiefeln zu stehen
das geht an die, die ihre Wahrheiten auf Klopapier
kassiberten und uns vom Exil aus schrieben:
There Was a Country
Land lädierter Träume unter Half of a Yellow Sun
wo wären wir ohne Barden
die uns den Path of Thunder zeigten
und Licht ins House of Hunger brachten?
Weep Not, Child, nein nein, The Beautiful ones Are Not Yet Born
das geht an die postkolonialen Edelfedern
die Regenbögen in den düsteren Himmel schreiben
und eindimensionale Narrative ausradieren



die ihre Stimmen gegen den Krach entfachen
ein neues Zeitalter durch Sprache schaffen
eine bessere Welt für sich und uns konfigurieren
mit nichts als dem Alphabet
ohne auf Gerüchte irgendwas zu geben
die Geschichten leben immer noch
in Büchern, Bits und Bytes
im Bewusstsein einer Welt
die zum Rhythmus ihrer eigenen Truggebilde tanzt
das hier geht an den Tribe
an die, die aufbrechen aus ihren Köpfen
um auf Festivals zu trinken
die weiter schreiben, um ihre Eltern zu bewegen
mehr zu sein als Advokaten, besser
schreiben, weil die innere Notwendigkeit
den Tod verlacht
das geht an die, die übrig sind
die Fackelträger, die Worte nachgießen
damit die Flamme nicht verlischt
die das für etwas tun
das mehr ist als bloß Preise
die sich von Absagen nicht schrecken lassen
solange das Universum hält
wird es Geschichten zu erzählen geben
also geht das an die Erzähler
die erlesenen und raren
die redlichen und wahren
die sich in Lunatismen offenbaren
die, die sich heute hier versammelt haben
mein Tribe, finde Zeit
zu lächeln, das hier geht an dich

Ins Deutsche übersetzt von Ron Winkler

Justice Has Been Kidnapped

anglais | Efe Paul Azino

Justice has been kidnapped in my country,
no one’s willing to pay her ransom.
She was absent at the tribunal when the verdict was given,
so the marauders were declared winners,
though we know the votes were phantom.
Chaos convulses the land;
the tranquillity’s been shattered,
We can’t piece together the peace.

Justice has been kidnapped
somebody please call the police!
But my friends mock my naiveté,
poets that they are, they blaspheme,
claiming the patriotic men in uniform
are part of the conspiracy.

Justice has been kidnapped in my country
and no one’s willing to pay her ransom.
When was she last seen? Errr, I can’t remember.

She was missing in the years of IBB
when Dele Giwa was blown to pieces.
She was absent when Abacha reigned
and Justice Auta hit the gavel,
Saro Wiwa was hung (to hell with the critics).

Justice has been missing in my country for so long,
the Fourth Republic gave us a made-up version of her,
but she was promiscuous and so wrong,
worst of all she could see.

Distinguishing between foes and friends of the government,
working through the hands of the EFCC.
Which reminds me; Nuhu Ribadu was acclaimed her champion,
that dispensation’s faithful man.
Until wiki leaked, and we heard him sing like a canary,
humming a different tune before the Americans.
Justice has been missing since the First Republic
when Awo was thrown in prison for treason,
Since the soil in Oloibiri bled oil,
and the windfall from the boom stressed divisions.

Believe now, justice has been lost since Nigeria was found.
A friend said he saw her at Mile 12, lately,
when a pickpocket was mobbed and set ablaze,
maybe that was Justice, but I’m still not sure,
because I see sticky-fingered politicians
and government officials roaming free, even on TV,
sitting in the assemblies were they make laws.
Justice come home we miss you.
Justice come back we need you.
Justice we weep for you, everyday.
Even the Church can’t remember what you look like
though for you they fast and pray.

Activists, youths: blog, tweet,
even march on the streets in protest for you,
but I don’t trust them
for, while their leaders get famous,
I still don’t see Justice free among us.
I wrote a poem for you Justice,
but I fear that’s the best I’m willing to do.
I guess I’m just as guilty,
just as guilty as the politicians
and the rest of the society,
who speak like they love you, but won’t dare to bleed
to see you freed.

Justice has been kidnapped in my country,
and for her freedom,
we’re not willing to pay the cost.
But until she’s found
we, my people, will remain lost.
Justice has been kidnapped in my country,
and nobody, not even you,
is willing to pay her ransom.

© Efe Paul Azino
from: For Broken Men Who Cross Often
Farafina Books, 2015
Audio production: Haus für Poesie, 2016

Die Gerechtigkeit wurde entführt

allemand

Die Gerechtigkeit wurde entführt in meinem Land
und niemand ist bereit, das Lösegeld zu zahlen.
Sie fehlte bei Gericht, als man das Urteil sprach,
bei dem ganz offensichtlich Phantomstimmen votierten
und das die Plünderer zu Siegern machte.
Chaos krampfte Koliken ins Land;
die Stille ist erschüttert,
den Frieden heil zu kriegen, ist uns zu viel.

Die Gerechtigkeit wurde entführt,
ruf doch wer die Polizei!
Meine Freunde – Dichter eben – lästern, wie blauäugig ich sei
und geben sich blasphemisch,
behaupten, unsere uniformierten Patrioten
seien Teil eines Komplotts.

Die Gerechtigkeit wurde entführt in meinem Land
und niemand ist bereit, das Lösegeld zu zahlen.
Wann ward sie zuletzt gesehen? Hmm, weiß ich gar nicht mehr.

Sie war verschwunden in den Jahren von IBB,*
als Dele Giwa weggeblasen wurde.
Sie fehlte, als Abacha uns den Ton angab
und Justice Auta den Richterhammer führte,
Saro Wiwa an den Galgen kam (zur Hölle mit den Renitenten).

Die Gerechtigkeit fehlt dem Land so lange schon,
dass die Vierte Republik ein Fake an ihre Stelle setzte –
willkürlich und unwirklich
und zudem noch kultiviertes Schielen.

Ich sortiere Freund und Feind in der Regierung,
checke die Leute vom EFCC.**
Wobei mir einfällt, Nuhu Ribadu war der Champion der Gerechtigkeit,
der sich Fairness auf die Fahnen schrieb
bis zum Wikileak, wonach er wie ein Goldfink sang,
mit neuer Melodie für seine Amerikaner.
Die Gerechtigkeit fehlt seit der Ersten Republik,
als man Awo wegen Hochverrats wegsperrte.
Seit der Boden in Oloibiri Öl ausblutete
und die Gewinne aus dem Boom das Land zu spalten drohen.

Glaub mir, die Gerechtigkeit ist verschwunden, seit man Nigeria fand.
Ein Freund glaubt, sie zuletzt bei Meile 12 gesehen zu haben,
wo ein Taschendieb gefoltert und dann angezündet wurde,
vielleicht war das Gerechtigkeit, bin mir nicht ganz sicher,
denn ich seh langfingrige Politikerdarsteller
und Vertreter der Regierung frei herumschwirren, selbst im Fernsehen,
und Sitzungen abhalten, wo sie Gesetze dekretieren.
Gerechtigkeit komm wieder, wir vermissen dich.
Gerechtigkeit komm heim, wir brauchen dich.
Gerechtigkeit, wir weinen um dich, Tag für Tag.
Selbst die Kirche kann sich nicht erinnern, wie du aussiehst,
gleichwohl betet man und fastet deinetwegen.

Aktivisten, junge Leute: bloggen, tweeten,
gehen auch auf die Straße, um für dich zu demonstrieren,
aber ich traue dem nicht ganz,
denn während ihre führenden Köpfe Prominenz erlangen,
ist die Gerechtigkeit immer noch nicht frei.
Ich hab ein Gedicht für dich geschrieben, Gerechtigkeit,
fürchte aber, mehr kann ich nicht tun.
Ich schätze, ich bin genauso schuld,
genauso schuld wie die Politikerdarsteller
und der ganze Rest,
wo alle kundtun, dich zu lieben, doch nicht wagen
Wunden zu ertragen, um dich zu befreien.

Die Gerechtigkeit wurde entführt in meinem Land,
wir sind aber nicht bereit,
den Preis für ihre Freiheit zu bezahlen.
Doch bevor man sie nicht findet,
bleiben wir, das ganze Volk, verloren.
Die Gerechtigkeit wurde entführt in meinem Land
und niemand ist bereit
das Lösegeld zu zahlen – nicht mal du.


* Ibrahim Badamasi Babangida, kurz IBB, war von 1985 bis 1993 Militärdiktator in Nigeria.

** Economic and Financial Crimes Commission: nigerianische Strafverfolgungsbehörde, die gegen Wirtschaftskriminalität ermittelt

Ins Deutsche übersetzt von Ron Winkler

Yesterday we ran

anglais | Efe Paul Azino

Yesterday we ran
Thoughts flew about like shrapnel
Tables overturning, shattering flower vases screaming
Our determination to remain in this land
7,000 miles away from the desperation that drove us here
The desperation that stalks us still, in this, illusion
Yesterday we ran
As they kicked down the door screaming:
"Black motherfuckers,
Scumbag African monkeys, today you return to your jungle"
We ran
I bolted through the backdoor, flung myself down the flight stairs
And leaped under the stars
My feet etching my resolve into the concrete:
'I am not going back to Africa!'
Not today.
Not until I bag a foreign passport that bears my name,
Knit my soul to a wrinkled skin if I have to.
You won't catch me today
You won't crack my skull against your prison bars,
You won’t empty my blood on the pavement
Like you did them students,
My journey does not end in your detention camp
You won't catch me today.
Yesterday we ran
I dashed past the flower shop, the devil on my heels
Into the jewellery store, hell in my lungs
And there she stood, a frail brown-skinned woman
Frightened, puzzled, knowing.

As my mind scrambled to unravel the mystery
her eyes held, empathy or trouble? She screamed
"Here! He's in here, the African is in here!"
I ran;
Crashed into her show glass and ruptured my tendon

When will the running stop?
I had no time to weigh living on the run
Against the knowledge that I do have a home
Where my legality isn’t in question
But I ran from it, ran into this place that demands I keep running
Running, down a black alley, into the sewer.
They won't find me here.
36 hours later, at peace with the surrounding darkness,
I listen to the rats and my protesting stomach,
Drinking in the stench around me
Yesterday we ran
And Chuma jumped through the window
Four-storey down
What do I tell his wife back home?

© Efe Paul Azino
from: For Broken Men Who Cross Often
Farafina Books, 2015
Audio production: Haus für Poesie, 2016

Gestern rannten wir

allemand

Gestern rannten wir,
Gedanken flogen wie Schrapnells
Und Tische kippten, Vasen brachen, Schreie,
Unser Entschluss, in diesem Land zu sein,
7000 Meilen weit von der Verzweiflung, die uns hierhin trieb,
Die Verzweiflung, die uns noch immer stalkt – in dieser Fantasie,
Gestern rannten wir,
Als sie die Tür eintraten, schreiend:
»Schwarze Motherfucker,
Scheiß Afroaffen, heute geht’s zurück in euren Dschungel«
Rannten wir,
Ich hetzte durch die Hintertür, spurtete die Außentreppe runter
Und machte einen Satz unter die Sterne,
Meine Füße kratzten meinen Entschluss in den Asphalt:
›Ich gehe nicht zurück nach Afrika!‹
Nicht heute.
Nicht bis ich einen Pass erbeute, der meinen Namen trägt,
Schmiege mich zur Not an weiße Rentnerinnenhaut.
Ihr werdet mich heute nicht erwischen,
Ihr werdet meinen Kopf nicht gegen Gitterstäbe kicken,
Ihr werdet mein Blut nicht wie irr vergießen
Wie unter den Studenten,
Meine Reise endet nicht in eurem Internierungslager,
Ihr werdet mich heute nicht erwischen.
Gestern rannten wir,
Den Teufel dicht im Nacken flitzte ich vorbei am Blumenladen
Zum Juwelier, meine Lunge reine Hölle,
Und plötzlich stand sie vor mir, zierlich, braune Haut,
Erstaunt, erschrocken, wissend.

Während ich zu dechiffrieren suchte, was ihre Blicke hießen –
Anteilnahme oder Angst – begann sie schon zu schreien:
»Hier! Er ist hier drin, der Afrikaner ist hier drin!«
Ich rannte;
Zerbrach dabei ihre Vitrine und zerschnitt mir eine Sehne.

Wann wird Schluss sein mit dem Rennen?
Mir blieb null Zeit, mein Leben auf der Flucht
Gegen das Wissen abzuwägen, dass ich ein Zuhause habe,
Wo meine Legalität nicht angezweifelt wird.
Aber ich rannte davor weg, rannte hierher, wo ich weiter rennen muss,
In eine dunkle Gasse rennen, in die Kanalisation.
Hier wird man mich nicht finden.
36 Stunden später, im Einklang mit der Dunkelheit ringsum,
Höre ich die Ratten und meinen knurrenden Magen,
Trinke den Gestank, der mich umgibt,
Noch gestern rannten wir
Und Chuma sprang direkt durch die Scheibe
Vier Etagen,
Was sag ich seiner Frau zu Hause?

Ins Deutsche übersetzt von Ron Winkler

Dreams Die in Malaysia

anglais | Efe Paul Azino

It’s been three years since I came back
the first time to beaming relatives
who gathered at the arrival lounge,
hugging self-consciousness tighter than
the swollen luggage I carried.
The one which held the antidote to a poverty,
three generations deep, the poverty I fled from
less than a decade ago. They welcomed me,
then with generous grins and backslapping,
scrambled to retrieve my luggage.
Today, the brave one who ventured returns
to be received by a clan of grief and sighs.

I remember the night of my first flight;
armed with a student visa afraid, my anxieties,
wouldn’t make it past the metal detectors.
My heart trying to skip out of my chest,
as we cut through the sky,
scorning distance, compressing time.
Welcome to Klia2.

I melted into a confluence of muddied river,
a black thread in a kaleidoscopic tapestry
of 1.8 million others.
I didn’t come to see the Lake Gardens
Or the Petronas Towers
I didn’t come to eat knowledge,
I came to beat fear.

Teeth cut in virtual shadow spaces
Twelve credit cards later, the skinny Nigerian
came into his own. A prince needs a palace
So I erected one back home, erected hope,
on the ancient bones of deprivation.
Greed soared on the wings of familial respect
and expectations,
So I climbed on a stack of plastic cards
And reached for bigger things.

8kg of Syabu. Doha to Sepang. But the food packets
wouldn’t be silent. So a decade later I travel back home
one last time. We cloned cards and ferried substances
sold our kidneys and hawked the rivers of pleasure
between our legs, we crossed 7,000 miles to
outmanoeuvre our demons. Some will always
return to the laughter and respect of family
others will come back someday, like me, in an oblong panel

© Efe Paul Azino
from: For Broken Men Who Cross Often
Farafina Books, 2015
Audio production: Haus für Poesie, 2016

Träume sterben in Malaysia

allemand

Vor drei Jahren jetzt kam ich das erste Mal zurück:
zu strahlenden Verwandten, die sich
in der Ankunftshalle eingefunden hatten
und deren eigene Verlegenheit sie stärker fesselte
als meine vielen Sachen. Koffer,
die ein Antidot enthielten gegen die drei Generationen fette Armut,
eine Armut, die ich vor fast einer Dekade
hinter mir zu lassen suchte. Man nahm mich in Empfang,
lachte freigiebig und schlug mir auf den Rücken,
bevor man sich dann doch um meine Koffer stritt.
Der tatendurstig ausgezogen war, ist heimgekehrt,
begrüßt von einem Clan aus Ahs und Ohs.

Ich weiß noch, wie ich bewehrt mit dem Studentenvisum
am Abend meines ersten Fluges bangte,
dass meine Ängste es nicht durch den Metalldetektor schaffen.
Mein Herz schlug quasi durch die Rippen,
als wir die Wolkenschicht durchbrachen,
Entfernungen zum Besten hielten, Zeit zusammenpressten.
Willkommen in Klia2.

Ich mündete ins Fließen dieses Schlammstroms,
schwarz eingewirkt in die kaleidoskopische Tapisserie
der 1,8 Millionen anderen.
Ich ging nicht, die Lake Gardens anzusehen
oder die Petronas Towers.
Ging nicht, mir Wissen anzufressen,
sondern um etwas zu vergessen: meine Angst.

Ich stieß mir Hörner ab in virtuellen Schattenwelten,
zwölf Kreditkarten danach hatte der spillerige Nigerianer
es zu was gebracht. Und ein Prinz braucht einen Palast.
Also baute ich einen in der Heimat, baute Hoffnung
auf den uralten Knochen der Entbehrung.
Respekt und Erwartungen seitens der Familie
verliehen der Gier allmählich Flügel,
also erklomm ich einen Plastikkartenstapel
und griff nach Sternen.

8 kg Syabu. Von Doha nach Sepang. Doch Bananenkisten
halten nicht so still. Eine Dekade später jette ich also ein letztes Mal
nach Hause. Wir klonten Karten und schmuggelten Substanzen,
verkauften unsere Nieren und verhökerten die Freudenflüsse
zwischen unseren Beinen, kreuz-und-querten 7000 Meilen,
um unsere Dämonen auszutricksen. Manche kehren immer wieder
heim zum Lachen und Respekt in ihren Familien, andere,
so wie ich, kommen eines Tages länglich eingeschreint zurück.

Ins Deutsche übersetzt von Ron Winkler

Backwards

anglais | Warsan Shire

The poem can start with him walking backwards into a room.
He takes off his jacket and sits down for the rest of his life,
that’s how we bring Dad back.
I can make the blood run back up my nose, ants rushing into a hole.
We grow into smaller bodies, my breasts disappear,
your cheeks soften, teeth sink back into gums.
I can make us loved, just say the word.
Give them stumps for hands if even once they touched us without consent,
I can write the poem and make it disappear.
Step-Dad spits liquor back into glass,
Mum’s body rolls back up the stairs, the bone pops back into place,
maybe she keeps the baby.
Maybe we’re okay kid?
I’ll rewrite this whole life and this time there’ll be so much love,
you won’t be able to see beyond it.

You won’t be able to see beyond it,
I’ll rewrite this whole life and this time there’ll be so much love.
Maybe we’re okay kid,
maybe she keeps the baby.
Mum’s body rolls back up the stairs, the bone pops back into place,
Step-Dad spits liquor back into glass.
I can write the poem and make it disappear,
give them stumps for hands if even once they touched us without consent,
I can make us loved, just say the word.
Your cheeks soften, teeth sink back into gums
we grow into smaller bodies, my breasts disappear.
I can make the blood run back up my nose, ants rushing into a hole,
that’s how we bring Dad back.
He takes off his jacket and sits down for the rest of his life.
The poem can start with him walking backwards into a room.

© Warsan Shire
from: unpublished
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2015

Rückwärts

allemand

Die erste Zeile des Gedichts kann zeigen, wie er rückwärts in ein Zimmer geht.
Er zieht die Jacke aus und setzt sich für den Rest des Lebens hin,
so holen wir uns Dad zurück.
Ich kann das Blut wieder in meine Nase laufen lassen, ein Strom von Ameisen vor ihrem Bau.
Wir reifen zu kleineren Körpern, mein Busen schwindet,
deine Wangen glätten sich, die Zähne schlüpfen in das Fleisch zurück.
Ich kann uns geliebt sein lassen, sag einfach das Wort.
Ihnen Stümpfe geben anstatt Händen, falls sie uns auch nur einmal unerlaubt berührten,
ich kann das Gedicht schreiben und verschwinden lassen.
Stief-Dad spuckt den Schnaps zurück ins Glas,
Moms Körper rollt die Treppe wieder rauf, der Knochen renkt sich heil,
vielleicht muss sie das Baby nicht verlieren.
Vielleicht sind wir okay, Kiddo?
Ich schreibe dieses Leben neu und diesmal voll mit Liebe,
dass du nicht hindurchschauen kannst.

Du kannst nicht hindurchschauen,
ich schreibe dieses Leben neu und diesmal voll mit Liebe.
Vielleicht sind wir okay, Kiddo,
vielleicht muss sie das Baby nicht verlieren.
Moms Körper rollt die Treppe wieder rauf, der Knochen renkt sich heil,
Stief-Dad spuckt den Schnaps zurück ins Glas.
Ich kann das Gedicht schreiben und verschwinden lassen,
ihnen Stümpfe geben anstatt Händen, falls sie uns auch nur einmal unerlaubt berührten.
Ich kann uns geliebt sein lassen, sag einfach das Wort.
Deine Wangen glätten sich, die Zähne schlüpfen in das Fleisch zurück,
wir reifen zu kleineren Körpern, mein Busen schwindet.
Ich kann das Blut wieder in meine Nase laufen lassen, ein Strom von Ameisen vor ihrem Bau,
so holen wir uns Dad zurück.
Er zieht die Jacke aus und setzt sich für den Rest des Lebens hin.
Die erste Zeile des Gedichts kann zeigen, wie er rückwärts in ein Zimmer geht.

Aus dem Englischen von Ron Winkler

Conversations About Home (at the Deportation Centre)

anglais | Warsan Shire

Well, I think home spat me out, the blackouts and curfews like tongue against loose tooth. God, do you know how difficult it is, to talk about the day your own city dragged you by the hair, past the old prison, past the school gates, past the burning torsos erected on poles like flags? When I meet others like me I recognise the longing, the missing, the memory of ash on their faces. No one leaves home unless home is the mouth of a shark. I've been carrying the old anthem in my mouth for so long that there’s no space for another song, another tongue or another language. I know a shame that shrouds, totally engulfs. Allah Ceebta, I tore up and ate my own passport in an airport hotel. I’m bloated with language I can't afford to forget.

*
They ask me how did you get here? Can’t you see it on my body? The Libyan desert red with immigrant bodies shot in the face for trying to enter, the Gulf of Aden bloated with immigrant bodies. I wouldn’t have put my children on the boat unless I thought the sea was safer than the land. I hope the journey meant more than miles because all of my children are in the water. I want to make love but my hair smells of war and running and running. Look at all these borders, foaming at the mouth with brown bodies broken and desperate. I’m the colour of hot sun on my face, my mother’s remains were never buried. I spent days and nights in the stomach of the truck, I did not come out the same. Sometimes it feels like someone else is wearing my body.

*
I know a few things to be true. I do not know where I am going, where I have come from is disappearing, I am unwelcome and my beauty is not beauty here. My body is burning with the shame of not belonging, my body is longing. I am the sin of memory and the absence of memory. I watch the news and my mouth becomes a sink full of blood. The lines, the forms, the people at the desks, the calling cards, the immigration officers, the looks on the street, the cold settling deep into my bones, the English classes at night, the distance I am from home. But Alhamdulilah all of this is better than the scent of a woman completely on fire, or a truckload of men who look like my father, pulling out my teeth and nails, or fourteen men between my legs, or a gun, or a promise, or a lie, or his name, or his manhood in my mouth.

*
I hear them say, go home, I hear them say, fucking immigrants, fucking refugees. Are they really this arrogant? Do they not know that stability is like a lover with a sweet mouth upon your body one second and the next you are a tremor lying on the floor covered in rubble and old currency waiting for its return. All I can say is, I was once like you, the apathy, the pity, the ungrateful placement and now my home is the mouth of a shark, now my home is the barrel of a gun. I'll see you on the other side.

© flipped eye
from: Teaching my Mother How to Give Birth
flipped eye, 2011
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2015

Gespräche über die Heimat (im Auffanglager)

allemand

Ich muss das schon so sagen, die Heimat hat mich ausgespuckt, die Stromausfälle, Ausgangssperren wie eine Zunge, die an lose Zähne stößt. Gott, weißt du, wie schwer es ist über den Tag zu reden, da dich deine eigene Stadt an den Haaren zerrte, vorbei am alten Knast, vorbei am alten Schulgelände, vorbei an Rümpfen, die wie Flaggen auf Pfählen brannten? Traf ich andere wie mich, erkannte ich die Sehnsucht, die Verluste, den Alp von Asche im Gesicht. Man verlässt die Heimat nicht, außer die Heimat ist ein Haigebiss. Mein Mund beheimatet die alte Hymne schon so lang, dass kein anderer Song dort landen kann, keine andere Zunge oder andere Sprache. Ich kenne eine Schande, die einen ganz umfängt, versenkt. Allah Ceebta, ich zerriss und aß den eigenen Reisepass in einem Flughafenhotel. Ich bin aufgebläht von einer Sprache, die ich nicht vergessen kann.

*
Man fragt mich wie bist du hierher gelangt? Könnt ihr es nicht an meinem Körper sehen? Die Libysche Wüste rot von ins Gesicht geschossenen Körpern der Migranten, die versuchten einzureisen, der Golf von Aden aufgebläht von Körpern von Migranten. Ich hätte meine Kinder nicht auf das Boot gelassen, wenn ich nicht gedacht hätte, das Meer sei sicherer als das Land. Ich hoffe, die Reise war mehr als nur Entfernung, denn alle meine Kinder sind im Wasser. Ich hab Lust auf Sex, aber mein Haar riecht nach Krieg und Flucht und Fliehen. Schau all diese Grenzen mit einem Schaum vor ihren Mündern aus geschundenen und gesunkenen braunen Körpern. Ich bin die Farbe heißer Sonne direkt in mein Gesicht, die Überreste meiner Mutter wurden nie beerdigt. Ich brachte Tage zu und Nächte im Magen eines Trucks, ich kam nicht als dieselbe wieder raus. Manchmal fühlt es sich an, als trüge jemand anders meinen Körper.

*
Ich weiß ein paar wahre Sachen. Ich weiß nicht, wohin ich gehe, woher ich komme ist Verschwinden, ich bin unwillkommen und meine Schönheit ist hier keine Schönheit. Mein Körper brennt unter der Scham, dass man mich ablehnt, dass er sehnt. Ich bin die Sünde des Erinnerns und der Mangel an Erinnerung. Ich seh die Nachrichten und mein Mund wird eine Spüle voller Blut. Das Anstehen, die Formulare, die Leute an Schreibtischen, die Telefonkarten, die Einreisebeamten, die Blicke auf der Straße, die Kälte, die tief in meinen Knochen nistet, der Abendunterricht in Englisch, die Entfernung, die mich von der Heimat trennt. Doch Alhamdulillah, all das ist besser als der Geruch einer in Flammen stehenden Frau, oder eine Truckladung von Männern, die aussehen wie mein Vater und mir die Zähne und die Nägel ziehen, oder vierzehn Männer zwischen meinen Beinen oder ein Gewehr oder Versprechen oder eine Lüge oder sein Name oder seine Männlichkeit in meinem Mund.

*
Ich hör sie sagen geh nach Hause, ich hör sie sagen scheiß Migranten, Flüchtlingspack. Sind sie echt so arrogant? Wissen sie nicht, dass Stabilität ein süßer Mund ist über deinem Körper, von einer Sekunde zur anderen aber bist du ein Zucken auf dem von Dreck und alten Münzen übersäten Boden, darauf wartend, dass er zurückkommt. Alles was ich sagen kann, ist, dass ich mal wie du war, die Apathie, das Bedauern, die Undankbarkeit, und jetzt ist meine Heimat ein Haigebiss, jetzt ist meine Heimat ein Gewehrlauf. Wir sehen uns dann auf der anderen Seite

Aus dem Englischen von Ron Winkler

The House

anglais | Warsan Shire

i
Mother says there are locked rooms inside all women.
Kitchen of lust, bedroom of grief, bathroom of apathy.
Sometimes, the men— they come with keys,
and sometimes, the men— they come with hammers.

ii
Nin soo joog laga waayo, soo jiifso aa laga helaa,
I said Stop, I said No and he did not listen.

iii
Perhaps she has a plan, perhaps she takes him back to hers
only for him to wake up hours later in a bathtub full of ice,
with a dry mouth, looking down at his new, neat procedure.

iv
I point to my body and say Oh this old thing? No, I just slipped it on.

v
Are you going to eat that? I say to my mother, pointing to my father who is lying on the dining room table, his mouth stuffed with a red apple.

vi
The bigger my body is, the more locked rooms there are, the more men come with keys. Anwar didn’t push it all the way in, I still think about what he could have opened up inside of me. Basil came and hesitated at the door for three years. Johnny with the blue eyes came with a bag of tools he had used on other women: one hairpin, a bottle of bleach, a switchblade and a jar of Vaseline. Yusuf called out God’s name through the keyhole and no one answered. Some begged, some climbed the side of my body looking for a window, some said they were on their way and did not come.

vii
Show us on the doll where you were touched, they said.
I said I don’t look like a doll, I look like a house.
They said Show us on the house.
Like this: two fingers in the jam jar
Like this: an elbow in the bathwater
Like this: a hand in the drawer.

viii
I should tell you about my first love who found a trapdoor under my left breast nine years ago, fell in and hasn’t been seen since. Every now and then I feel something crawling up my thigh. He should make himself known. I’d probably let him out. I hope he hasn’t bumped in to the others, the missing boys from small towns, with pleasant mothers, who did bad things and got lost in the maze of my hair. I treat them well enough, a slice of bread, if they’re lucky a piece of fruit. Except for Johnny with the blue eyes, who picked my locks and crawled in. Silly boy chained to the basement of my fears, I play music to drown him out.

ix
Knock knock.
Who’s there?
No one.

x
At parties I point to my body and say This is where love comes to die. Welcome, come in, make yourself at home. Everyone laughs, they think I’m joking.


© Warsan Shire
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2015

Das Haus

allemand

i
Mutter sagt, in allen Frauen gibt es verschlossene Zimmer.
Triebeküche, Apathieboudoir, Kummerschlafgemach.
Manche Männer kommen mit ihren Schlüsseln
und manche Männer kommen mit ihren Hämmern.

ii
Nin soo joog laga waayo, soo jiifso aa laga helaa,

ich sagte Stopp, ich sagte Nein, er hörte nicht auf mich.

iii
Vielleicht hat sie einen Plan, vielleicht nimmt sie ihn mit zu sich,
nur damit er Stunden später in einer Wanne voller Eis erwacht,
mit trockenem Mund auf seine neue, saubere Prozedur starrt.

iv
Ich zeig auf meinen Körper und sag Oh, das alte Ding? Nein, bin gerade reingeschlüpft.

v
Willst du das denn essen?
Das frag ich Mutter, zeig auf Vater, der auf dem Esszimmertisch liegt, in seinem Mund ein roter Apfel.

vi
Je größer mein Körper ist, desto mehr verschlossene Zimmer hat er, desto mehr Männer kommen mit ihren Schlüsseln. Anwar steckte ihn nicht ganz hinein, ich überlege immer noch, was er in mir geöffnet haben könnte. Basil kam und zögerte drei Jahre an der Tür. Johnny mit den blauen Augen kam mit einem Beutel voller Werkzeug, das er bei anderen Frauen benutzt hatte: eine Haarnadel, eine Flasche Bleiche, ein Klappmesser und ein Glas Vaseline. Yussuf rief den Namen Gottes durch das Schlüsselloch, niemand antwortete. Manche bettelten, manche kletterten an meiner Seite, suchten ein Fenster, manche sagten, sie wären unterwegs und kamen nicht.

vii
Zeig uns an der Puppe
, sagten sie, wo man dich berührt hat.
Ich sagte Ich seh nicht aus wie eine Puppe, ich seh aus wie ein Haus.
Sie sagten Zeig es uns an dem Haus.
In etwa so: zwei Finger in der Marmelade.
In etwa so: ein Ellbogen im Badewasser.
In etwa so: eine Hand im Schubfach.

viii
Ich will dir was erzählen: Vor neun Jahren traf meine erste Liebe auf eine Falltür unter meiner linken Brust, fiel hinein und ward nicht mehr gesehen. Hin und wieder fühle ich in meinen Oberschenkel etwas krabbeln. Er sollte sich zu erkennen geben. Wahrscheinlich ließe ich ihn wieder raus. Ich hoffe, er und die anderen kamen sich nicht ins Gehege: Die vermissten Kleinstadtjungs, die tolle Mütter haben, die Mist verzapften und im Labyrinth meines Haars verloren gingen. Ich versorge sie angemessen, eine Scheibe Brot und wenn sie Glück haben, ein Stückchen Obst. Abgesehen von Johnny mit den blauen Augen, der meine Schlösser knackte und in mich hinein schlich. Kleiner Idiot im Keller meiner Ängste angekettet, ich hör Musik, um ihn zu übertönen.

ix
Klopf klopf.
Wer da?
Niemand.

x
Auf Partys zeig ich auf meinen Körper und sag Das ist, wohin die Liebe zum Sterben geht. Hallo, komm rein, fühl dich wie zu Hause. Alle lachen, denken, das sei ein Scherz.

Aus dem Englischen von Ron Winkler

Her Blue Body Full of Light

anglais | Warsan Shire

Can you believe I have cancer? Yosra asks,
a mug of tea between her hands,
almost laughing, hair cut close to her scalp.
I imagine the cancer auditioning
inside her body, tiny translucent slivers
of light weaving in and out and of her abdomen
and uterus, travelling up and through her throat,
needlepoints of light, fireworks glimmering down, the body
burning into itself, deep sea blue inside
her body, her ribcage an aquarium,
the cancer spreading and spreading, deep space,
her throat a lava lamp, sparklers beneath breastbone—
a lightshow, a million tiny jellyfish, orchestral womb,
kaleidoscopic ovaries, disco ball heart,
her skin glowing and glowing,
lit from the inside

© Warsan Shire
from: unpublished
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2015

Ihr blauer Körper voller Licht

allemand

Kannst du glauben, dass ich Krebs hab? Fragt mich
Yosra, eine Tasse Tee in Händen,
beinah lachend, das Haar fast bis an die Wurzeln abgeschnitten.
Ich stell mir vor, wie der Krebs in ihrem Körper vorspielt,
klitzekleine transparente Strahlennadeln,
die ihren Bauch durchdringen, Abdomen, Uterus,
weiter nach oben wandern, in den Hals,
Nadelspitzen ganz aus Licht, Feuerwerk entfachend, der Körper
brennt in sich hinein, Tiefseeblau im Inneren
ihres Körpers, ihr Brustkorb ein Aquarium,
der Krebs, der weiter wuchert, weiter, ferner Weltraum,
ihr Hals eine Lavalampe, Wunderkerzen unter dem Brustbein –
eine Lightshow, eine Million von klitzekleinen Quallen,
ein orchestraler Schoß, kaleidoskopische Ovarien, Diskokugelherz,
ihre Haut strahlt und strahlt,
entflammt von innen her.

Aus dem Englischen von Ron Winkler

Midnight in the Foreign Food Aisle

anglais | Warsan Shire

Dear Uncle, is everything you love foreign
or are you foreign to everything you love?
We’re all animals and the body wants what it wants,
I know. The blonde said Come in, take off
your coat and what do you want to drink?
Love is not haram but after years of fucking
women who cannot pronounce your name,
you find yourself in the foreign food aisle,
beside the turmeric and the saffron,
pressing your face into the ground, praying
in a language you haven’t used in years.

© Warsan Shire
from: unpublished
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2015

Mitternacht im Gang für exotisches Essen

allemand

Lieber Onkel, ist alles, was du liebst, exotisch,
oder bist du exotisch für alles, was du liebst?
Alle sind wir Tiere und der Körper verlangt, was er verlangt,
ich weiß. Der Blonde sagte Komm rein,
zieh deinen Mantel aus und was willst du trinken?
Liebe ist nicht haram, aber nachdem du seit Jahren Frauen fickst,
die deinen Namen nicht aussprechen können,
findest du dich nun im Gang für exotisches Essen,
neben Kurkuma und Safran,
drückst dein Gesicht auf den Boden und betest
in einer Sprache, die du seit Jahren nicht benutzt hast.

Aus dem Englischen von Ron Winkler

The Ugly Daughter

anglais | Warsan Shire

Knows loss intimately,
carries whole cities in her belly.

As a child, relatives wouldn't hold her.
She was splintered wood and sea water,
she reminded them of the war.

On her fifteenth birthday you taught her
how to tie her hair like rope
and smoke it over burning frankincense.

You made her gargle rosewater
and while she coughed, said
Macaanto, girls shouldn't smell
of lonely or empty.

You’re her mother.
Why did you not warn her?
That she will not be loved
if she is covered in continents,
if her teeth are small colonies,
if her stomach is an island,
if her thighs are borders?

Who wants to lie down
and watch the world burn
in their bedroom?

Your daughter's face is a small riot,
her hands are a civil war,
a refugee camp behind each ear,
a body littered with ugly things

but God,
doesn't she wear
the world well.

© flipped eye
from: Teaching my Mother How to Give Birth
flipped eye, 2011
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2015

Die Hässlichtochter

allemand

Weiß von Verlust sehr gut,
birgt ganze Städte in ihrem Bauch.

Als Kind wollten die Verwandten sie nicht halten.
Sie war gesplittert Holz und Meereswasser,
sie erinnerte die anderen an den Krieg.

Ihr Haar zu einem Seil zu flechten, anzuschmoren
und mitsamt Weihrauchqualm zu rauchen,
war dein Geschenk an ihrem fünfzehnten Geburtstag.

Rosenwasser hast du sie gurgeln lassen,
und wenn sie hustete, da sagtest du Macaanto,
Mädchen sollten nicht
nach einsam oder öde riechen.

Du bist ihre Mutter.
Warum hast du sie nicht gewarnt?
Dass man sie nicht lieben wird,
wenn Kontinente sie bedecken,
wenn ihre Zähne kleine Kolonien sind,
wenn ihr Magen eine Insel ist,
wenn ihre Schenkel Grenzen sind.

Wer will sich niederlegen
und die Welt brennen sehen
in ihrer beider Schlafraum?

Deiner Tochter Antlitz ist ein kleiner Aufruhr,
ihre Hände sind ein Bürgerkrieg,
Flüchtlingscamps hinter den Ohren,
ein Körper mit Hässlichkeiten vollgemüllt,

aber bei Gott,
trägt sie die Welt
nicht sehr versiert?

Aus dem Englischen von Ron Winkler

Souvenir

anglais | Warsan Shire

I think I brought the war with me
on my skin, a shroud
circling my skull, matter under my nails.
It sits at my feet while I watch TV.
I hear its damp breath in the background
of every phone call. I feel it sleeping
between us in the bed. It lathers
my back in the shower. It presses
itself against me at the bathroom sink.
At night, it passes me the pills, it holds
my hand, I never meet its gaze.

© Warsan Shire
from: unpublished
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2015

Souvenir

allemand

Ich glaub, ich hab den Krieg mit mir gebracht
auf meiner Haut, als Flor
um meinen Schädel, Schmutz unter den Nägeln.
Wenn ich Fernsehen schau, hockt er mir zu Füßen.
Ich hör sein klammes Keuchen im Hintergrund
jedes Telefonats. Ich kann spüren, wie er im Bett
zwischen uns schläft. Er seift
mir unter der Dusche den Rücken ein. Er presst sich
vor dem Waschbecken an mich.
Abends reicht er mir die Pillen, hält
meine Hand, nie kreuzt mein Blick den seinen.

Aus dem Englischen von Ron Winkler

Our Blue Bodies

anglais | Warsan Shire

I have dreamt of you suspended
in amniotic fluid, your hair fanned
out and alive, long again, before the cancer.
Undying, our movements synchronised,
us, tied together at the navel,
umbilical cord and all its length tugging
at me, far as it might extend. Gregory Porter climbing
through there will be no love that’s dying
here
— his voice, and how it soothes you from
beyond the distant wall of this maybe womb,
the faint rhythm of a bigger heart
above us.

© Warsan Shire
from: unpublished
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2015

Unsere blauen Körper

allemand

Ich hab geträumt von dir, Fruchtwasser
kapselte dich ein, dein Haar lebte, war wieder lang,
noch vor dem Krebs, ein Schwebeschweif.
Unsterblich, unsere Bewegungen synchron,
wir, verbunden durch den Nabel,
die Nabelschnur zurrte an mir, soweit es ging,
in ihrer ganzen Länge. Gregory Porter stieg
durch there will be no love that’s dying
here
– seine Stimme, und wie er dich besänftigt
von jenseits dieses eventuellen Mutterleibs,
der gedämpfte Rhythmus eines größeren Herzens
über uns.

Aus dem Englischen von Ron Winkler

Why I Write

anglais | Kosal Khiev

I write 4 men, women,and children. any1 who ever felt alone, any1 who ever felt disowned,i write for the bones buried in a country call home,
i write for u the listener so listen up
take a step back and imagine the bigger picture
cuz i write the real so feel me
i write for inner city street kids
struggling to find their place in a world to concern with race
i write for the momz and pops shops
strugglng to stay atop cuz the dopeboyz got the block on lock
cant compete with the drama
so i write soap operas
about single mothers and brothers
about the struggle and hustle
the bustling city where empty bellies rumble
like silent earthquakes we shake
hungry like young lions
we defying the the odds
prayin to God Lord give us the strength to carry on
so i write to redefine the stars
naw,none of that hollywood glitz and glamour
or them stones that shimmer and glimmer
but
some of that earthy residue that comes thru when one is being true
so i write to the few
hoping i get trickled down to the masses
i wanna spark the world and get reborn in its ashes
i wanna unfog their glasses and make em see the sons and daughters they abandoned to be bastards
know that we grow like mollasses
i point to the north like davie jones compass
just follow the sounds of trumphets and listen up
i write for love
for wind chimes when they dangle and jangle
moving passionately like two doing the tango
i write for the sweet taste of mangos
cuz this is that tropical heat
sun blistering
skin glistening
while drinkin coconuts under the cabana
while i listen to the sound of ur sleep
beauty like the everglades
i write to the beat drums of runaway slaves
engrave in the ecthings of oaktrees
so even when time pass we last like classic oldies
weathering the elements
yeah
i write for the essence of soul
for the old
cuz experience is wisdom and wisdom is gold
Behold
i write for the gorillas in the congos
for the nomads in the jungles following the rythm of the bongos
yeah
i write for the warriors stretched out in the far corners of asia
malaysia,cambodia,afghan,iran,iraq,and deep africa
i write for the souls lost i attica
i write for california
the golden state where we holding weight
struggling to hold on to faith
cuz they steady packing us in prisons til we're old and grey
so i write for those in blue thats doing all day
tehachapi,new folsom,corcoran,pelican bay
all the way to susanville,high desert,and back down this way
calipat,lancaster,soledad,ironwood
and so many more built into cesspools
so i write about wats less cool
less fake
so less take a moment of silence for the fallen and press pause
okay
thats enough
lets get back to the cause
lets get back to these walls
built to separate and generate hate
built to execute and induce waste
so i write from a place of pure bass
all the five elements put together to produce faith
i write for men women and children
anyone whoever felt alone
anyone whoever felt disowned
i write for the bones in a country i call home
i write for u the listener so listen up
take a step back and imagine the bigger picture.
i write the real so feel me

© Kosal Khiev
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

warum ich schreib

allemand

ich schreib für männer frauen kinder
alle die 1samkeit kennn
alle die man verstoßn hat, gehasst
ich schreib für die vergrabnen gerippe in was ich heimat nenne
ich schreib für dich der zuhört also hör zu
geh n schritt zurück und sieh den größeren zusammenhang
denn ich schreib vom echtn, also lass mich berichtn
ich schreib für innere street kids
auf ihrem irrweg durch eine welt die sich um rasse dreht
ich schreib für die müttrrr und vätrrr und spätrrr-
am-tag-läden die es quält weil verrohte drogenbarone hier regiern
ich kanns nicht exn, das drama
schreib einfach meine soap balladen
über single-moms und brothers
über zumutungen und tumulte
das taumeln der stadt und das in leeren mägen
die kleinen in-dir-drin-erdbeben
hungrig wie junge löwen
trotzn wir dem miesen
bittn gott um power uns zu stärkn
ich schreib und bestimme neue sterne
nicht stars, nicht so n hollywood glitzer und glamour
oder bling-bling das flickert und schimmert
sondern
die art schlacke die du an der hacke hast bist du offn
ich schreib für die paar die hoffn
und wünsch mir durchzudringn zu den massen
ich will die welt entflammt sehn und auferstehn aus ihrer asche
ich will brillen entschliern dass ihre träger die bastarde sehn: söhne und töchter, von ihnen verlassn
wissn dass wir wachsn wie melasse
ich zeig nach norden wie n davie jones kompass
lausch und folge den trompeten
ich schreib der liebe wegen
ich schreib der windspiele wegen, die klimpern und klackern
ich schreib wegen der süße des mangogeschmacks
weil das tropische hitze ist und hat
stechende sonne
die wohlige wonne
wenn ich unter palmwedeln kokosnuss trinke
wenn ich dich höre wie du im schlaf liegst
schön wie ein kleiner hafen
ich schreib zum herzschlag fliehender sklaven
ritz unsre namen in hickories
so dass wir die charts überdauern wie evergreens
die elemente überstehn
yaah
ich schreib für die essenz der seele
und super alte phänomene
denn erkenntnis ist weisheit und weisheit va bene
also wähle
ich schreib für die gorillas im kongo
für die nomaden der dschungel im rhythmus der bongos
yaah
ich schreib für die krieger da draußen in asien, in afrika
malaysia, kambodscha, afghanistan und iran und irak
ich schreib für die verlorenen seelen von attica
ich schreib für california
den goldenen staat, in dem wir uns verwalten
versuchen am glauben festzuhalten
weil man uns in knästen kaserniert bis wir die dummen sind und alten
also schreib ich für die deren kluft in blau gehalten ist
tehachapi, new folsom, pelican bay und corcoran
und susanville, high desert, es kotzt mich an
und ironwood, lancaster, soledad, calipat
und zig andere aus nem pissbau-masterplan
also schreib ich über was weniger cool ist
weniger fake
wir denken kurz an die verlorenen, drückn auf bedauern
okay
jetzt zurück zu dem harten rauen
jetzt zurück zu diesen mauern
die da sind um zu trennn und hass aufzubaun
die da sind um hinzurichtn und müll aufzuschichtn
also schreib ich was aus purem bass
alle fünf elemente vereint zu nem glaubenspalast
ich schreib für männer, frauen, kinder
alle die 1samkeit kennn
alle die man verstoßn hat, gehasst
ich schreib für die gerippe in was ich heimat nenne
ich schreib für dich der zuhört, also hör zu
mach n schritt zurück und sieh n größeren zusammenhang
denn ich schreib vom echtn, also lass mich berichtn.

Übertragen von Ron Winkler

Love U I

anglais | Kosal Khiev

I'm swimming thru butterflies cause ur eyes reminded me of sunlight..
Reflected moonbeams filled with dreams of sunshine..
See her surface serves purpose so her worth is nine times eternity..
Earth merge with dirt she's worthy of love..
Pure joy..
Surely she hugs with love full of pure joy..
Sublime noise..
See her tongue caress my words so I immerse myself with her worth..
She's earth and I'm the dirt..
Curse to seep in soil that men toil..
I rose and grew and bloomed like daisy's til the temper of men boils..
Til the crack of a gat coils and I'm left in the fields to spoil..
Now I'm uprooted..
Sooted in ashes of battle clashes screaming take me backwards but I'm moving towards fields of better pastures..
So let me ask ya..
Why paths cross if we weren't meant to happens..
Gun clapping made my life tragic screaming out what the heck happened..
But even as the waves comes crashing it recedes back into peaceful action..
Flowing currents got me dreaming of her inner souls passions..
Ambitions to be a winner..
A sinner in seek of redemption I question..
Thoughts seems lost til I find it's direction..
Til every word quoted is noted for your ears alone I mention less my words get cut off by henchmens..
So this is my extension..
Mind heart body And soul plus a spiritual dimension written thru a pen..
Forgive me for my sins I'm flawed..
Pieces of my gems..
Collect these pieces y'all...
This is my thesis written for the broken hearts..
I heed callings..
So I'm free falling in hopes I would grow wings and blossom..
Sung from the bottom so my song can be sung when falling..
Catch my words I'm scrawling..
I'm in a dream state..
Kept within a box I slept til my dreams ached..
Wept til I was sobbing like breaking waves slowly changing into my mamas face..
Now I'm breaking waves slowly chasing for her warm embrace..
See if you can trace my hatred..
Discover the origin of love I came with..
We were strangers until fate changed it..
Now I'm pouring out my soul and painting it..
Go ahead and frame it..
Capture my essence..
Realign my sentence..
Love u I..
I love you without conditions..

© Kosal Khiev
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

liebe dich ich

allemand

ich schwirr durch schmetterlinge, weil deine augen wie sonnen flimmern ..
mondlicht, in dem die verheißung sommer schimmert ..
dein grund ein kuvert frankiert mit dem wert neun mal ewigkeit ..
ein traum, nicht abraum, wie für liebe bereit ..
prickelnd neu ..
ihre umarmungen werden liebe sein, prickelnd neu ..
ihr herzgeräusch ..
wie ihre smartheit mich weiht so weid ich mich an ihrer schönheit ..
sie der traum, ich der abraum ..
schlechter boden, in dem andere anbauen ..
ich spross und blühte und gedieh wie klee, bis es mit mir durchging ..
bis mit dem klickn der verficktn knarre mein drama anfing ..
jetzt hab ich null halt ..
hab noch knalltrauma von all der geballten gewalt schrei hört damit auf ich brauche mehr rückhalt ..
so lass mich dich fragn ..
warum wir uns trafn, wenn nicht unseretwegen ..
eine scheiß schießerei und ich war voll gearscht, ging daneben ..
aber früher oder später verpufft jede flashbackwelle zu nebel ..
stromschläge und stromschnellen: sich zu sehnn nach deimm seelenleben ..
ich will zu dir empor ..
1 sünder der alles verlor und jetzt fragen stellt ..
zeichen verbleichen, doch ich hab eine spur ..
bis all meine ideen nur noch an dich gehn und nicht an freakige figuren
denn das ist meine natur ..
geist herz leib und über-ich fließn durch meinn stift ..
vergib mir meine sünden – meine liebe nicht ..
mein geborstenes edel-ich ..
sammel es auf stück für stück ..
das ist meine arbeit über gecracktes glück ..
ich hör zu wenn wer zu mir spricht ..
ich stürz durchs nichts und wünsch flügel und blüten auszutreiben ..
ich sing vom stürzen für die die stürzend bleiben ..
fang es ein, mein schreiben ..
ich bin in sehnsüchte verrannt ..
in eine zelle verbannt lag ich von alpträumen übermannt ..
schluchzte wellen wie wogen in denen langsam das bild meiner mutter erstand ..
jetzt such ich in den wellen über land ihre wiegende hand ..
schau ob du meinn hass verfolgn kannst ..
find die quelle der liebe, aus der ich kam ..
wir waren fremde, dann drehte das schicksal dran ..
jetzt schütt ich mein herz aus, skizzier es ..
mach weiter und publizier es ..
bring meine seele heim ..
richte meine sätze neu ein ..
liebe dich ich ..
ich liebe dich ohne was zu verlangn ..

Übertragen von Ron Winkler

EARTHY

anglais | Kosal Khiev

I felt it in waves
emotionally captured
i was enraptured for days
memory vividly rendering me amazed
i was kept in a haze
like that first day u came my way
my heart fluttered
my speech stuttered
i.i.i.i was utterly dazed
but somehow i mustered the courage
and though i was nervous
i said what i had to say
excuse me miss
ur smile is bliss
and i would really like to know ur name
she smiled and i sat
and those were our first exchange
on went that night if i could remember it right
we went on talking about family,friends and life
like we've known each other a lifetime before that night
so hours went by and the place was dwindling
the chemistry was kindling
the attraction was part passion
man u can feel the adrenaline
intoxicated by ur mere presence
i took drink after drink from ur pure essence
until i got lost in ur earth colors
got me thinking about ur birth mother
must be mother earth
cuz u got that earth color
earthy
soil rich with life giving minerals
that down to earth type
intelligent and spiritual
i knew it off top when u talked about ur upbringing
had it hard but u kept on singing
that jazzy sound
billy holiday,sade,alicia keys,alyiah
one in a million
those were the feelings u had me feeling
so every word u speaking is deeply heard
im that listen type girl
listen and observe
hard working when u need to get served
and i dont mind getting sweaty
im mentally prepared
counteract ur move for move
im mentally there
venacular spectactular
street raised and self taught
not overly confident but a walk that street bought
my swaggs in the soul i carry
not the sole on my feet
but the soul that dares me
push me to my limits
even if it scares me
so bear with me
bear witness
our spirit is connected
intimately woven like ancient messages
unbroken through the ages
we became faceless strangers
until fate intervened
i just happened to look up and i was swimming in the eyes of a queen
her skin tone was of a golden hue
hazelnut
with a balcony view
i was lost in ur sunset
we just met but i was sun drenched
thats how much light u brought with u
thats how much life u brought with u
historically grounded
i was dumbfounded by ur absolute roundness
cuz ur take on the world is my exact duplicate
its in need of a change
and thats the truth i spit
so on and on
we went on talking that night
went on talking about family friends and life
like we've known each other a lifetime before that night..

© Kosal Khiev
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

erdig

allemand

ich spürte es bis hinterm nabel
war wie im rausch
ich war wie flausch für tage
eine erinnerung flashte mich mehr als nur vage
und ein duft war meine wetterlage
wie den tag als ich dich erstmals sah
mein denken ganz verlottert
die stimme ganz verstottert
ich wawawawar wie neben mir
doch irgendwas verschaffte mir courage
und wenn ich auch nervös war
sagte ich was mir am herzen lag
entschuldigen sie
ihr lächeln ist eine fantasie
ich wüsste sehr gern wie sie heißen
sie lächelte und ich war da
und wollte nicht mehr von ihr weichn
der abend ging weiter, baute sich auf
so vertraut sprachn wir über familie und freunde
als würdn wir uns ewig kennn und genau
die stunden rasten, das licht schwand
dein ich stahl mir den verstand
dein zauber war auch leidenschaft
mann ich spürte adrenalin
injiziert von deimm reinen wesen
ich nahm drink um drink von deiner zarten seele
bis ich mich in deiner erdfarbe verlor
die mich denkn ließ wer dich gebar
war sicher mutter erde
denn das ist erdfarbe an dir
irden und erdig
fruchtbarer boden um leben zu gebn
grundgeeicht
schlau und spirituell
das war gleich klar als du von deiner jugend sprachst
du hattest es hart aber bewahrtest dir das singen
die jazz faszination
billy holiday, sade, alicia keys, aaliyah
one in a million
das warn die gefühle die ich mit dir fühlte
jedes wort von dir erreicht mich sehr
ich höre zu, bin fair
kann gut zuhörn und dich nicht störn
wenn du wen brauchst lass ich dich nicht im stich
keine hürden nirgends scheu ich nicht
ich bin mental drauf eingestellt
und synchronisier mich auf dich ein
ich bin mental bereit
vernakulär spektakulär
straßengewandter autodidakt
kaum zuversicht, aber ein ich, die katarakte
der straßen brachten mir charakter
meine seele ist nicht ohne mist
ist eine seele die mich fordert
bring mich an meine grenzen
selbst wenn du das nicht vorhast
berenn mich
und bekenn dich
unsere gedanken sind eins
sind verwoben wie alte zeichen
unangetastet von den zeiten
wir waren gesichtslose fremde
bis das schicksal uns fing
ich sah dich an und sah: ich schwamm in den augen einer königin
deine haut wie gold ein stück
und haselnuss
so wundervoll der ausblick
auf den sonnenaufgang deiner selbst
dein licht flutete mich schnell
so viel sonne hattest du am start
so viel wonne hattest du am start
bewandert war ich
deine perfekte art haute mich von den beinen
und dein konzept vom leben gleicht dem meinen
es braucht veränderung
um diese wahrheit komm ich nicht rum
mehr und weiter
sprachn wir in jener nacht
sprachn immer weiter über familie und freunde, sacht
als hätten wir schon jahre über jahre zusammen verbracht.

Übertragen von Ron Winkler

Moments In Btween The Nights

anglais | Kosal Khiev

There are times in my life moments in btween the nights where i've laid bathe in my own grief
the streets are only memories
stories told with a glazy stare
knowing full well with a full heart that i should be there
not here
but thats neither here nor there
im aware in these moments
im alone
cold in a zone
a part of a world where tragedies happen everyday
i pray for peace
some type of solace but release is six years away
so its safe to say
til that day comes ill be a vacant body
a hollow tomb forced to witness mans doom
meanwhile
echoes of a life keeps bouncin off my eyeballs
so what is seen seems like a dream
but im way off
thats me as a teen
then the scene takes off
whats replace is a face who i can hardly wait to embrace
so much love
but then love slowly fades to hate
resentment lends a hand to our untimely break
so late is the hour when i reach back
and think back to what was ours
better yet
what was mine
but these are times in my life
moments in between the nights
where i must reflect on what was lost
and check in with my thoughts
i've checked in with my chips of sin and this is the life i had bought
my thoughts keeps going back
i cant help it
my thoughts keeps going black
i cant help it
i keep getting these attacks at night when my mind wanders back
flipping memories and i can still see that they're still fresh and intact
my conscience weighs on my back
regrets and shame weighs on my name like chains
and im at this point in my life where im tired of these nights filled with empty silence
and these days filled with senseless violence
so blinding are my thoughts when they rage behind my eyelids
as they flutter
visions of my death within my iris and there i was
laying in the gutters
what was once a quick glimps of my demise remains shut to these eyes
now what is visualize is a life i must rise to
dreading the moment where i must open my eyes to
another day i must fight through
the same nightmares i close my eyes to
cuz these are times in our lives
moments in between the nights
where we must reflect on what was lost and check in with our thoughts
see ive checked in with my chips of sin and this is the life i had bought
sometimes
u wish u could die
when crying wouldn't suffice but u take it with a sigh
and role to ur side
and that tear goes unnotice from the eyes who deems it a weakness to those who cant cry
so here it is
all ur whys and what ifs
what should have been
what should have happened
what ur life's suppose to be if u never ran the streets
u was told to ease up on that gun clapping
but the money and fame was too enticing
life behind bars wasnt that frightening
so ur eyes was sighted on the fast life
the glitz and glamour
but then it all came crashing down like a hammer
correction
a gavel
a man in a black robe
16 years old
16 years
85%
2 strikes and off u go
another branded cattle
so here u are
trying to unravel the sequences in ur life
what came first
what came last
too much time has lapse
8 years to be exact
these are times in our lives
moments in between the nights
where we must reflect on what was lost and check in with our thoughts
see
ive checked in with my chips of sin
and this is the life that i bought.

© Kosal Khiev
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

die phasen zwischen den nächten

allemand

es gibt momente in meimm leben, phasen zwischen den nächten, wo ich richtung kummer schwanke
und die straßen sind nur gedanken
visionen wie von kranken
und mir ist voll bewusst aus vollem herzen, ich sollte dort sein
nicht hier
aber das hat weder mit dort noch hier was gemein
in diesen phasen weiß ich:
du bist allein
wie verirrt in nem wald
in ner gegend der welt, wo es jeden tag knallt
ich bete um frieden
und erlösung: werd ich aber kaum vor in sechs jahren kriegn
ich stell mich mich schon mal drauf ein
bis dahin werd ich zombiekörper sein
schlechte-luft-gruft für das überall schwelende leid
zeuge und grab
das leben prallt an meinn augen ab
alles was ich seh ist traumschnee
ich bin weit weg
das bin ich als teen
dann erfährt der moment einen spin
dicht vor mir ein gesicht das noch nicht zu umarmen ist
so viel liebe, sinn-
lichkeit, doch schnell welkt die liebe zu hass
viel zu früh hagelte es zwischen uns krach
und spätnachts frag ich mich wach: was
war uns oder besser:
was war ich so krass?
doch der art sind die szenen aus meimm leben
die phasen zwischen den nächten
wo verluste mich reiten und lenken
ich checke ein mit meimm denken
ich checkte ein mit ner sündenkartei in was wir so leben nennn
die gedanken wandern zurück
ich kanns nicht ändern
die gedanken wandern zerstückt
kann mich nicht ändern
ich hab diese attacken nachts wenn mich das gestern pflückt
gedanken wie zerdrückt und doch restglück und intakt
mein bewusstsein ist meimm körper nur ne last
scham und bedauern fesseln meinn namen wie draht
und ich bin an den punkt gelangt wo es mich ankotzt: jede nacht voll schweigen, kalt
und jeder tag voll sinnloser gewalt
die gedanken machn blind die hinter meinn lidern sind
zucken zum abschluss
und frust: in der iris todesvisionen wie drohnen
und ich lag da wie ausschuss
was mich aus der bahn riss ist jetzt nichtig
was ich jetzt seh ist ein leben in das ich hoch muss
in panik vor dem moment wo ich aus meinn zuen augen raus muss
jeden morgen sind stress und stuss weiter usus
der alpträumewillkommensgruß
denn der art sind die szenen aus unserm leben
die phasen zwischen den nächten
wo verluste uns reitn und lenkn und wir eincheckn mit unserm denken
schau ich checkte ein mit meiner sündenkartei in was wir so leben nenen
in manchen zeiten
wünschst du dir aus der welt zu scheiden
wenn heuln nicht hilft oder nicht weit, aber schnell
findest du dich auf die seite gewälzt
und die träne die geheim aus dem auge quillt gilt dem als makel der nicht heulen kann
hier ist sie hier haben wirs
all deine warums und waswenns
was hätte sein können
was hätte passieren können
was aus dir hätte werden können wärst du nicht auf der straße gelandet
und wärst cool geblieben bei diesem bewaffneten ding
doch dieser trieb nach glam und geld war tief in dir drin
ein leben als häftling kam dir nicht in den sinn
dein blick ging richtung traumtor
richtung gold und glamour
doch dann erwischte dich der große hammer
vollzug
urteil besiegelt
ein mann in schwarzem ornat
16 jahre alt
16 jahre
85 %
zwei frevel und ab dafür
ein gebrandmarkter ochse mehr
da stehst du nun
und mühst dich dein leben zu entspleißen
was kam zuerst
was kam zuletzt
zu viele jahre sind verflossn
um genau zu sein 8 jahre
von der art sind die szenen aus unseren leben
die phasen zwischen den nächten
wo verluste uns reitn und lenkn und wir eincheckn mit unserm denken
schau
ich checkte ein mit ner sündenkartei
in was wir so leben nennn.

Übertragen von Ron Winkler

the maw naing 0.8

birman | The Maw Naing

© The Maw Naing
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

the maw naing 0.8

allemand

DE_The_Maw_Naing_0_8.jpg

Aus dem Englischen von Ron Winkler

WE EXIST

anglais | Ise Lyfe

We exist
In dark rooms we bring the light into
Skin wrapped around bones
We drape ourselves in fly guy, she slick n' sly clothes
The outfits of those who rarely fit in and later thank God for that
After the pain

Not biologically
But undeniably
We are all twins

A million twins

Seeing each other in each other

We all have “fuck the system” in our system
We have that in common
We listen to Common, Nas, MIA, and Lupe is the shit

We can't front on Jay Z either

Aside from the hype we be meeting
In dark rooms
We bring the light into

Hovered over tables
In meetings that never seem to go anywhere, but always take us somewhere

Someone has to say something
So we were born

This is a sacred dialogue
I see me in ya'll

Glowing from our stomachs and the top of our faces
We burn sage
Bring our ghost into the spaces they call...venues

Does this look like a show to you?

We are the pollen of the indigenous flowers rooted deep in fertile soil
Trampled on by the tramplers
Who come from lands where the soil isn't fertile at all

But these flowers still grow
That pollen still blows
Words reach out like branches
Flows blow like leaves
Can't you see
I'm POET-TREE

Organizers organizing and that part doesn't have a thing to do with a poem or a painting
A rap
Or song

We are the gift

Light a flame,
Sit in front of it with your eyes closed and you'll remember your ascension
You are the gift
We are the gift sent unwrapped

So we wrap skin around our bones
Drape ourselves in fly clothes
Knowing we never fit
Because we were sent

© Ise Lyfe
Lyfe Publishing, 2011
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

wir sind da

allemand

wir sind da
in dunklen zimmern bringen wir das licht auf   
die mit haut verhüllten glieder
wir ziehen uns freshe wäsche, sie sich fesche klamotten an
outfits von leuten, die nicht ganz passen, später dann: gott sei dank
frei von schmerz

nicht biologisch
aber gehörig
sind wir alle zwillinge

zwillinge, millionen

die sich sehen, wenn sie einander ansehen

wir alle haben »fuck the system« im system
steckt tief in uns drin
wir hören Common, MIA, Lupe u Nas, heißer scheiß ist das

auch Jay Z fronten wir nicht an

abseits der hypes treffen wir uns
in dunklen zimmern
bringen wir das licht auf

fläzen an tischen
bei treffen, die uns nirgendwohin zu bringen scheinen, aber irgendwohin führen

jemand muss irgendwas sagen
so wurden wir geboren

das ist heilige konversation
ich seh mich in euch allen

wir glimmen aus den mägen u den schädeln
weihen uns mit salbeifeuer ein
breiten unseren geist an orten aus, die schauplatz heißen

sieht das für euch aus wie show?

wir sind der pollen indigener blumen die tief in fruchtbarem boden wurzeln
zertrampelt von zertramplern
die aus gegenden stammen, wo der boden null fruchtbar

doch die blumen die wachsen weiter
der pollen fliegt weiter
wörter bilden äste, später zweige
reime treiben aus wie blätter
siehst du es nicht
ich bin GEDICKICHT

wenn organizer organizen, hat das nichts zu tun mit nem gemälde oder gedicht
nem rap
nem song

wir sind die gabe

entfacht ein licht
schaut es mit geschlossenen augen an u ihr spürt einen ausweg
ihr seid die gabe
wir sind die gabe, unverhüllt gesandt

so hüllen wir unsere glieder in haut
ziehen uns fresh an
wissen dass wir nicht passen
weil wir wurden gesandt

Übersetzt von Ron Winkler

THROW UP IN THE TOILET

anglais | Ise Lyfe

There's throw up in the toilet, but she's pretty...

She zips her clothes up slow
Staring at herself in the mirror, but never looks at herself

She is dying inside, but she's gorgeous
Damned by the little things everyone makes so big

Damned by the very thing that got her this far
Not far at all

Her breast come together so fierce they change God's weather
Smell a sweet musk between her legs

Her lips distract you from what she just said
But she is empty

Allergic to any type of substance
Unless it's a drug or drink

What's poppin', Ms. Gum Poppin' Hellafied Supathang
You just a thang ain't cha?

At 17 her older date took her to the Cheesecake
By 21 she makes them so dumb just by swaying to and from

She's never earned a dime and lives and drives on top of the line
Sexed from behind overlooking a city skyline

There's throw up in the toilet, but she's pretty...

An ugly picture in a frame
She's come a long way from her first day when she was given a name

When she was nobody's, "Damn Baby!"
Just a baby

Adorable not fine
Potential, not pretentious

Not a queen
But somebody's little princess

There's throw up in the toilet, but she's pretty...

Come home baby, we love you

© Ise Lyfe
Lyfe Publishing, 2011
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

im klo ist kotze

allemand

im klo ist kotze, doch das girl ist der burner …

langsam schließt sie den reißverschluss
sieht sich im spiegel, doch sieht nicht ihr ich

sie stirbt von innen, doch ist echt ne heiße
wow die kleinen details, an denen sich die welt so aufgeilt

wow der fakt, dass sie so weit gekommen ist
kein bisschen weit im grunde

ihre titten hitten so wild, sie pfuschen gott ins wetter
süßer moschusduft aus ihrem schoß

ihre lippen lenken einen ab von ihren sätzen
doch sie ist leer

allergisch eigentlich auf alles
außer drogen oder drinks

was gehten, young miss gehmitmirheimnis superchick
bist ne whicke chick, nicht?

mit 17 nahm sie ihr ex ins Cheesecake mit
mit 21 wurde jeder nervös, wenn sie zu swingen anfing

sie hat nie nen cent verdient und lebt doch premium-schiene
von-hinten-sex mit blick auf die hochhaus-szene

im klo ist kotze, doch das girl ist der burner …

n hässliches bild mit rahmen
inmitten von drama seit dem tag als man ihr ihren namen gab

als sie noch kein »geiles babe« war
sondern einfach nur baby

anhimmelbar, nicht verfügbar
mit potential noch, nicht mit pose

keine queen
sondern die kleine prinzessin von irgendwem

im klo ist kotze, doch das girl ist der burner …

komm heim, baby, wir lieben dich

Übersetzt von Ron Winkler

WE ARE THE ANSWER/DRONE

anglais | Ise Lyfe

We are the answer

Young with hoodies and denim
Spoken Word poetically spit venom
Our ability to rip it and absolute given

Therefore we are the answer, and the most absolute threat…
In East Oakland a 15-year old girl runs faster than his own sweat

Over a fence and through a yard
He runs hard
Through traffic he is free at last, free at last
Cause police are fat and slow

Schools fail at teaching us shit we already know
So we write our own poems
Backpacks be empty but they match our clothes though
Leaving them text books at home
Cause them books be fat but slow

Turn up the radio…
The beats be phat but the raps be slow

June, July, August
My ride is lookin’ flawless
My hubcaps they be spinnin getting me all the attention

Drone drone drone
Small town far away from home
Individuality gone
Behold the clone drone
Every year and a half site seer
Blind church follower
Religion believer
Needy
Need a leader
Pacified by the TV receiver
Why leave the speaker
I just leave it to BEAVER
Black and white re-runs
Turned into color reduns
Same 5 songs on the radio respun so we
NUMB
We go dumb to redundant redundancy
Ikea got five hundred lamp shades
Know they got one for me
Coupon clippin’
Prostitute university
Prepare you for pimping
Blockbuster movie renting
Night
Pop corn and ju ju bees
So everything will be alright
I’m out
MAKING MONEY
Glad my mama hid the truth from me
Ignorance is bliss
Burger King got a menu
Everything is 99 cents
Can you believe it
Once you pop the fun wont stop
I’m loving it
What will we do when there’s nothing left

What will we do when there’s nothing left?
When our chest bust open
Insides fall out

And we realize how full of shit we’ve been

Breathe it in

Smells like guns
Roses
Funeral roses

Sneaking Hen’ in the chapel while the casket still open
Take another breath, sniff, somebody smokin’
Roll another blunt
Somebody speak on something real say they be doing to much

Where the ballers at?

White man demand
Black man follow up

30inch rims on a truck
Still nobody see you when you pull up

“Looking for the hoes”
Forget about her mind dog tell me bout her butt
Magazine call it “eye candy” so we eat it up

Hard to digest it
So we throw it up, throw it up

If everybody feel me why nobody speaking up?

Deny it in the streets but we scream it in our sleep:

We don’t wanna die
We scared sometimes
We don’t do me we do what other people like

Young wit it
Clean jeans
White Tee's
Hella fitted
POP A PILL FUCK A BITCH RIDE A SCRAPER
ROLL A BLUNT SHE A RIPPER HE A HATER

These are the words of a people gone wrong
Eighth grader showing you her thong
Cause she heard it in a song

We know it’s wrong
But we eat it with the bass up
2 shots of death
No chaser outta pimp cup

YEEEEEAHHHHHHH

Oakland is dying
Teenage girls get raped
No sirens
Her patna’s take her to Highland
County Hospital is a joke

Why everything made for broke folks always gotta be broke?

I laugh at the same things I cry about
Four in the morning with the lights out
That’s when I get my best writes out
In the PEN they got
Lights out!
At least that’s what I heard
Never been to the pen but my family is versed
Said they snatched him off the curb no blurp
Found work in his shirt
A pistol he tried to hide
Had him in the station naked in his ass with a flashlight

Said wouldn't nobody listen to him
How I'm a write about rims after listening to him?

Nah fuck that
This that next level free shit
Fuck a drone clone don't wanna be shit

TV makes dope fiends funny
But my daddy a dope fiend begging my little sisters for money

We can laugh
But its finna get thick
Right now dumb shit is cute shit

But what about the year 2036?

When the og's is dead
bg's is dead
The children play our music
Just to hear what we said
And all we said
And all we said was fuck a nigga kill a bitch, get money
...

© Ise Lyfe
Lyfe Publishing, 2011
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2013

wir sind die antwort/drohne

allemand

wir sind die antwort

die jungen in hoodies u jeans
spoken word: stakkatogift der poesie
unser style zu spitten reine energie

das macht uns zur antwort u zu nem extremen beweis …
in East Oakland läuft ne 15-jährige schneller als der eigene schweiß

über nen hof, nen zaun
fängt er zu rennen an
der dichte verkehr lässt sie nicht ran, nicht ran:
die bullen, die eh quallig sind u lahm

u schule ist shit, zeigt uns was wir schon wissen
wir tun nur noch unsre gedichte hissen
die taschen sind stylisch aber leer
wir wollen keine belehrbücher mehr
weil so bücher nur quallig sind u stur

mach das radio an …
für fette beatz und smoothen sprechgesang

june, juli, august
my ride is lookin flawless
my hubcaps they be spinnin getting me all the attention

drohne drohne drohne
kaff in der fremde, fremdheitszone
monotonie ist wo ich wohne
schaut sie an: die klon-drohne
den trendverfänger
blinden kirchgänger
religionsanhänger
so süchtig
so süchtig nach einem leader
gedimmt durch den tv-receiver
warum vom screen weggehen
ich will meinen lieben biber sehn
klassiker in schwarz-weiß
neu abgedreht als farbscheiß
im radio läuft das ewigselbe heiß, wir laufen
LEER
wir gehen schwer an redundanter redundanz
ikea hat fünfhundert sorten lampen
ich wette eine auch für mich
gutscheinfanatisten
vom der prostituierungs-uni
mach dich zum pimpen bereit
ist auch schon nacht
blockbusterausleihzeit
pop corn u haribo
und there we go
ich bin raus
EIN AUSKOMMEN HABEN
froh, dass mutter die wahrheit verbarg vor mir
nichtwissen ist ein segen
burger king hat ein menü
alles nur 99 cent
ich raff es nicht
einmal gepoppt, nie mehr gestoppt
ich liebe es
was tun wir wenn nichts mehr über ist

was tun wir wenn nichts mehr über ist?
wenns uns die brust aufreißt
das innerste nach außen spleißt

u wir sehn wie viel davon dreck ist

atme das ein

riecht wie n schuss
rosen
begräbnisrosen

in der kirchbank gin tanken, während andere vorm sarg kondolieren
atme noch mal ein, irgendwer tut rauchen
dreht ne haschzugarre
irgendwer labert über irgendwas und bauscht sich auf

wo sind die checker grad?

die weißen weisen an
die schwarzen folgen dann

sportfelgen auf den SUV-achsen haben
und keiner sieht dich, stoppst du den wagen

»paar nutten finden«
vergiss mal ihre smartheit, homie, erzähl von ihrem becken
journalisten sagen »augenschmaus«, wir sagen: lecken

hart das zu verdauen
also kotzen wir’s aus, kotzen es aus

wenn mich jeder versteht, warum sagt keiner was?

auf der straße tun wir’s ab, aber wir schreien es im schlaf:

wir wollen noch kein grab haben
manchmal taten wir anecken
wir bringen nicht mich, wir bringen was andere sagen

die jungen checkens
1-a-jeans
die shirts weiß
sitzen auch geil
NIMM NE PILLE FICK NE SCHICKSE UND AB AUF DEIN SCRAPER BIKE
DREH DIR NEN BLUNT SIE IST DIE BITCH UND ER DER FAKER

das sind die worte von verpeilten, die leute sind gaga
ne achtklässlerin zeigt dir ihren slip: tanga
weil sie’s in nem song gehört hat

wir wissen, das ist scheiß
aber wir lecken es auf, der bass geht ab
2 schlücke tod
pur aus m pimp-cup

YEEEEEAHHHHHHH

Oakland geht voll daneben
kleine mädchen werden geraped
keine sirenen
ihre macher bringen sie ins highland
das county hospital ein witz

warum muss alles für die kaputten immer kaputt sein?

ich lach über das, über was ich auch heule
vier uhr früh, noch ist es duster wie in ner höhle
aber ich schreib mir das beste von der seele
im BAU keine spur von helle
dusterkeit!
zumindest isses das, was man so hört
war nie im bau, aber meine familie, die ist versiert
heißt man zerrte ihn hinter ne hecke
versuchte noch die knarre zu verstecken
und fanden stoff in seinem shirt
und auf dem revier funzelten sie ihm zwischen die backen

sagten, würde keiner auf ihn hören
und ich schreib so über felgen u habe ihn gehört

ey fuck it
das ist gratis next level bullshit
fuck die drohnklone du brauchst keinen scheißtrip

comedy-like, wie das fernsehen junkies darstellt
aber mein junkie-vater stiehlt meinen kleinen schwestern ihr geld

wir haben spaß
nur letztlich kommt der tag …
doch im moment ist harmlos angesagt

aber wie isses dann 2036?

wenn es mit den OGs vorbei ist
wenn BG passé ist
die kinder spielen unsre musik
um zu hören was los ist
doch alles was sie hören
doch alles was sie hören ist fuck n nigger kill ne bitch und pimp dich

Übersetzt von Ron Winkler

The Fiction, The Sea

anglais | Thomas McCarthy

for Catherine


You keep returning to the sea as if you`d lost a bracelet
In the water, or some such valuable and peaceful thing.
It is part of the problem of being a girl, my mother
Always said, such possessions as become windows
And mirrors to call a woman back, to demand closing -
Or as Henry James said, for he was no mother,
As the picture is reality so the novel is history
And not as the poem is: a metaphor and closed thing.
Strange how I could never go back to that spit of sand,
The sea-warren of the Cunnigar, in Dungarvan Bay,
For I would never want to deconstruct what was
Never whole, what was tentative and poorly given;
What it was that I chased after among blue razor shells.
But I digress, for this is about you, returning late
In the summer to a wild and restless sea; it is you
Grown restless from inadequate sunshine, turning back
Like a pilgrim to inhale the iodine of the far West;
Going farther, as you must, to meet the sea half-way,
The sea in its life being more entrenched than us
And far more Flaubertian. So what of your bracelet,
Then, and where did that come from? Nothing but salt
At the very edge of summer before it flips away forever,
Salt and sand that makes a kind of mirror, nothing but salt
Is left on the hard pavement out of the sea and kelp too,
And its iodine; all strewn on the cold water. As you figure
And pick among things like a novelist, the tide bathes
Your whitened toes, it advances and recedes. My own
Beloved, the sea's droll pathos kisses you: it is your fable-
Spinner, giving us knowledge abundant and vicarious.

© Thomas McCarthy
from: The Last Geraldine Officer
London: Anvil Press Poetry, 2009
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

Die Fiktion, das Meer

allemand

für Catherine


Immer wieder schaust du aufs Meer, als hättest du ein Medaillon
Verloren oder ein ähnlich teures und vertrautes Stück.
So ist das leider, wenn man ein Mädchen ist, so sagte Mutter
Von Zeit zu Zeit, Dinge der Art werden zu Fenstern und Spiegeln,
Die eine Frau zurückbeordern und einen Schlussstrich wollen –
Oder, wie Henry James sagte, der keine Mutter war,
So sehr, wie ein Bild Realität ist, so sehr ist der Roman Geschichte
Und nicht wie das Gedicht: eine Metapher plus Schluss.
Komisch, dass ich nie zu dieser sandigen Nehrung zurückkam,
Dem Kaninchenrevier des Cunnigar in Dungarvan Bay,
Weil ich das, was niemals ganz war, nicht zerreden wollte,
Das, was provisorisch war und wie skizziert;
Hinter dem ich herlief zwischen blauen Rasiermessermuschelschalen.
Doch schweif ich ab, denn dies handelt von dir, die am Ende
Des Sommers zurückkehrt zu einem unruhigen, tosenden Meer; du bist
Es, die aufgestachelt wurde vom Mangel an Licht, du drehst dich
Wie ein Pilger um, das Jod des fernen Westens einzuatmen;
Gehst weiter, weil du musst, um unterwegs auf das Meer zu treffen.
Das Meer in seinem Sein, das viel mehr Heimat hat als wir und
Noch viel mehr Flaubert. Was ist nun eigentlich
Mit deinem Medaillon und woher hast du es? Nichts als Salz
Am Ende des Sommers, bevor er endgültig das Weite sucht,
Salz und Sand, der eine Art Spiegel formt, nichts als Salz
Ist auf dem harten Pflaster des Meers und auch Seetang
Mit seinem Jod; weithin verstreut auf dem kalten Wasser. Du aber
Schaust und stöberst wie ein Romancier, während die Flut
Deine nun weißeren Zehen umspült, schwillt und schwindet.
Meine Liebe, der grillenhafte Pathos der See küsst dich: Sie ist deine Fabel-
Referentin, spendet ein Wissen unermesslich und aus zweiter Hand.

Übersetzt von Ron Winkler

Picasso's 'Composition Au Papillon'

anglais | Thomas McCarthy

When I contemplate your magic gifts tonight,
alone, the back-boiler creaking, the frosty moonlight,
I am reminded that you were Leonardo
reincarnate, the Cuchulain of canvas.
Paint never buckled under such pressure —
Guernica, vulgar goats, the portraits of Olga;
even something as brittle as 'Composition au Papillon'
has the finished look to make gods finite.

In Paris, at fifty-one, you could play God
with cloth, string, a thumb-tack, oil. Truth is
we are all born to an artless, provincial stench.
If we are lucky, Picasso, we die French.

© Thomas McCarthy
from: Seven Winters in Paris
Anvil Press Poetry, 1989
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

Picassos »Composition au papillon«

allemand

Heute gehen mir deine zauberhaften Gaben nicht aus dem Sinn,
ich bin allein, der Kessel zischt, über mir da zieht ein Eismond hin,
Wieder denke ich, dass du ein Wiedergänger warst
von Leonardo, ein Cuchulain der Leinwand.
Nie bog sich Farbe unter solchen Lasten –
Guernica, profane Ziegen, die Antlitze von Olga;
sogar die spröde »Composition au papillon«
sieht so vollendet aus, dass Götter endlich werden.

In Paris, mit einundfünfzig, da konntest du ein Gott sein
mit Leinwand, Strick, Reißzwecke, Öl. Es ist doch so:
alle kommen wir aus Nestern, die kunstlos und ominösisch.
Doch falls es gut läuft, Picasso, sterben wir französisch.

Übersetzt von Ron Winkler

Thinking of my father in the musée Picasso

anglais | Thomas McCarthy

It breaks my heart to think of your failures,
for you were not a bad man, just hopeless.
The lost Party, those lethal social forces
that broke your will broke others less poor.
Talent is a muscle that needs constant exercise
and Ireland was your disagreeable milieu —
all the end-of-term banter of the Dail
couldn't hide that truth. But look at Picasso:
he was a bullish, besieged Stalinist,
yet he worked and worked and worked.
Every butterfly of an idea he embraced became art;
and every false move he made used material
more permanent and beautiful than the Dail.

© Thomas McCarthy
from: Seven Winters in Paris
London: Anvil Press Poetry, 1989
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

Im Musée Picasso komm ich auf meinen Vater

allemand

Mir bricht das Herz, wenn ich an deine Fehler denke,
denn du warst nicht schlecht, nur hoffnungslos.
Der Verlust der Partei, die tödlichen sozialen Kräfte,
die dich brachen, brachen noch ganz andere.
Talent ist ein Muskel, der trainiert sein will
und Irland war dein unerquickliches Terrain –
das Ende deiner Amtszeit im Dail
konnte diese Wahrheit nicht verbergen. Aber schau
dir Picasso an: er war ein bockiger bedrängter Stalinist,
der wie besessen malte, malte, malte.
Jeder Schmetterling aus seinem Kopf wurde zu Kunst;
und jeder falsche Strich zu einem Material
weit langlebiger und schöner als das Dail.

Übersetzt von Ron Winkler

Chalking the road

anglais | Thomas McCarthy

My hatred of bicycles has no end to it.
I should see someone on four wheels about this.

A cyclist would never smoke expensive cigars,
The ones rolled secretly by a Cuban exile in LA,

Or the ones with a portrait of the patriot Bolivar –
Yes, I can understand that. But two wheels

Claiming possession of my traffic lane,
Two wheels forcing me into a passive cycling,

Into this abomination with loose chains,
This is beyond words, beyond any walnut

Dashboard. Now I see thin youths, architects
And such like, placing chalk upon the road;

Choking off the lifeblood of traffic, the loveliness
Of motor cars. Of my city they will make a dry dessert:

Here is a doughnut drying in the sun;
Here, the arid bicycle, the granite pedestrian.

© Thomas McCarthy
from: unpublished
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

Kreidezeichen auf dem Asphalt

allemand

Mein Hass auf Fahrräder ist manisch.
Ich müsste mal wen mit einem Motor konsultieren.

Niemals würde ein Radfahrer teure Zigarren rauchen,
Die ein Exil-Kubaner in einem Hinterzimmer in L.A. gerollt hat.

Oder die mit dem Konterfei des Patrioten Bolívar –
Ja, das versteh ich. Aber zwei Räder,

Die meine Fahrbahn okkupieren,
Zwei Räder, die meine Fahrt passiv werden lassen,

Eine scheußliches Vehikel mit klappriger Kette,
Das ist jenseits aller Worte, jenseits von Armaturen

Aus Walnussholz. Jetzt seh ich hagere Jugend, Architekten
Oder so was, sie legen Kreide auf den Asphalt;

Unterbinden das Herzblut des Verkehrs, den Charme
Motorisierter Bewegung. Sie lassen meine Stadt zur Wüste werden:

Hier vertrocknet ein Donut in der Sonne;
Hier das aride Fahrrad, der granitene Passant.

Übersetzt von Ron Winkler

At Ink Level, the sea

anglais | Thomas McCarthy

Here on the writing desk of the earth
The sun goes down quickly at ink level.
Soon the stony outcrop will be a blob
Of light blue and the sky will be pale
As the tissue rises. Is it time to go in
Or is it time to go outside?  Only time

Will tell me how the levels rise –
Phrases cluster on the sunlit page,
So many oyster-catchers thread the surf,
Their needlepoint becomes pale green.
Water is near, shale bursts in applause,
Gulls congregate on a drifting raft.

Am I going out or coming in with the sea?
Not everything is blessed by the promise
Of water: your book on birds
Is soaked by the wash, ink grows pale
In its buckled galleys. From the paper-clip
Of the Hellespont, Leander swims to me.

© Thomas McCarthy
from: unpublished
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

Die See auf Höhe des Tintenspiegels

allemand

Hier auf der Schreibtischplatte des Planeten
Sinkt die Sonne schnell auf Höhe Tintenspiegel.
Bald wird das felsige Kap ein Klecks
Aus hellem Blau sein und der Himmel blass,
Sobald das Taschentuch anbricht. Ist es jetzt Zeit,
Auf- oder abzubrechen? Allein die Zeit

Wird mir vermitteln, wie sich die Höhe ändert –
Wörter finden auf das taglichthelle Blatt,
So viele Austernfischer tackern durch die Brandung
Die Spitzen ihrer Schnäbel laufen blassgrün an.
Nah ist das Wasser, Schiefer knackt fast wie Applaus,
Möwen schippern auf einem abgetriebenen Floß.

Brech ich auf jetzt oder ab mit dem Meer?
Nicht für alles ist das Wasser
Ein Segen: Dein Vogelbuch ist nass
Vom Spray der Wellen, die Tinte verblasst
Auf dem gewellten Manuskript. Leander schwimmt
Zu mir: vom Hellespont der Heftklammer aus.

Übersetzt von Ron Winkler

The Land is not settled

anglais | Thomas McCarthy

The land is not yet half settled
After our years of pandemonium:
This time it is almost too late
To sing with full heart a parting hymn,
Or indulge in the usual fickle
Humour of things. It is too late

To bolt the door of Ireland.
A penny candle struggles in the wind,
A corpse from the West rises
To face me. What was a house now stands
As a ghost from the Assizes.
Believe me, I tried to understand

All the signals we received from Berlin.
Little did they know, in our autonomous
Region all the gold was gorse,
And all investment was story-telling.
Blackbirds in the oak trees are trembling still
Where all our demons hurriedly went in.

© Thomas McCarthy
from: unpublished
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

Dem Land fehlt die Balance

allemand

Dem Land fehlt immer noch die Balance
Nach den Jahren unserer Allianzen
Mit dem Chaos: Es ist fast zu spät jetzt,
Eine Abschiedshymne anzustimmen
Oder sich dem profanen Auf und Ab
Der Freuden hinzugeben. Es ist zu spät

Um einen Riegel vor Irlands Tür zu schieben.
Eine Kirchenkerze flackert im Wind.
Und ein Toter aus dem Westen wird sich erheben
Aug in Aug mit mir. Was früher einmal Haus genannt
Ist ein Spuk jetzt der Assisen.
Ich war immer bemüht zu verstehen

Was für Signale Berlin uns sendet.
Sie wussten wenig, in unserer autonomen Zone
Entpuppte alles Gold als Ginster sich am Ende
Und alles Investment als Geschwätz.
Schwarze Amseln zittern in den Eichen,
Wo wir nun auch unsere Dämonen erreichen.

Übersetzt von Ron Winkler

Petrichor

anglais | Thomas McCarthy

Our kitten turns to deliver its encomium,
Purring as if a lump of tabby quartz
Propelled it so. It shares this petrichor
With the last bumblebees seeking glamour.
Wet stones release their chatoyant gaze
As I shake Molly’s cocktail shaker.
Here is quartered lime after unexpected rain:
We have lost our house, but earth is warm
Beneath your cherished  tintinnabulation.

© Thomas McCarthy
from: unpublished
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

Petrichor

allemand

Unser Kätzchen wirft sich hin und schnurrt ihre Lauda,
Purrt, als käme ihre Energie von einem Klumpen
Tigerquarz. Sie teilt sich das Petrichor
Mit den letzten Hummeln, die noch Glamour suchen.
Auf feuchten Steinen spielt sich ein irisierendes Funkeln ab
Während ich Mollys Cocktailshaker shake.
Hier eine viertel Limette nach überraschendem Regen:
Wir haben das Haus verloren, aber die Erde ist warm
Unter deinem hochwillkommnen Prasseln

Übersetzt von Ron Winkler

I heard the Cuckoo

anglais | Thomas McCarthy

Poetry is the cuckoo that sits upon expectant life
While God is absent. Something vague and distant
From a far field, the cuckoo pleases all of us
Without eggs to incubate. But if you want the grief
Of an orphan, or a mother’s absence,
Think of the cuckoo’s global reach, its success

At spreading its parenthood on borrowed warmth:
As poets do, in a manner of speaking.
Here is the nest, the unsuspecting language
That means no harm to anything in creation;
And here, the poem, the subtle invasion
That drops one egg, of both birth and damage.

© Thomas McCarthy
from: unpublished
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

Der Ruf des Kuckucks

allemand

Lyrik ist der Kuckuck, der auf neuem Leben hockt,
Während Gott nicht da ist. Irgendwie entrückt
In weiter Ferne bezaubert uns der Kuckuck,
Ohne dass er brütet. Liegt dir jedoch am Kummer
Eines Waisen oder am Fehlen einer Mutter,
So denk an den Kuckuck, sein Überall und sein Talent

Auf ausgeborgter Wärme Elternschaft zu gründen:
So wie es Dichter auch tun, in gewisser Weise.
Hier ist das Nest, die unberührte Sprache,
Die nichts und keinem Schaden zufügen will;
Und hier das Gedicht, ganz allmählich infizierend,
Das ein Ei legt der Geburt und der Zerstörung.

Übersetzt von Ron Winkler

اعتذار للفجر

arabe | Mohamad Al-Harthy

بتفصيلٍ غير مرغوبٍ في صَنعةِ الشعر؛
أحِبُّ ذِكْرَ الأوقاتِ في القصائد:
كالنهارِ والليلِ، الصباحِ والمساء، قيلولةِ
الظهيرةِ وما تلاها..

لكنني أنسى الفجرَ دائماً
كما أنسى أنَّ عليَّ حَمْل صخرةِ سيزيف
(الباليةِ لكثرةِ دَحْرَجَتِها في الكُتُب)
أنساهُ للأسف، رغم أنهُ دليلي
إلى بيتِ أكثر من قصيدٍ في قلبِ الصَّخرةِ
حيثُ تصحو العصافيرُ على إفريز النافذةِ
مُهاجرَةً بأصواتها من غُصنٍ إلى غُصنٍ
كما لو من قارَّةٍ إلى أخرى، من غُصنٍ إلى غُصنٍ
بين مَعزوفةٍ وأخرى
في قلبِ الصَّخرةِ، تقولُ لي
(وأنا عائدٌ من المطبخ بالبسكويتِ وكوب الشاي)
طائرةً في الهواءِ، أو وهيَ تَنقُرُ الحَبَّ على الإفريزِ
في قلبِ الصَّخرةِ، في قلبها تقولُ لي:

أوقِفْ كونشرتو الپيانو هذا..
واعتذِرْ إلى الفجرِ بقصيدة
سَنُمطِرُكَ بالموسيقى، وسَنُلهِمُكَ القافيَة.

© Mohammad Al-Harthy
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2009

entschuldige dich beim frühlicht

allemand

mit einer in der lyrik nicht gerade erwünschten genauigkeit
liebe ich es, in meinen gedichten die zeiten zu nennen:
also den tag und die nacht, den morgen oder den abend, die mittagsruhe
und so weiter …

doch immer wieder vergesse ich das frühlicht,
so wie ich vergesse, dass ich den fels des sisyphos zu bewältigen habe
(der stark ramponiert ist, weil man ihn ständig durch bücher wälzt),
ich vergesse den anbrechenden morgen, leider, obwohl
er mich zur lyrischen quintessenz im innern des felsens führt,
wo auf dem fenstersims die vögel erwachen
und dann mit ihren stimmen von ast zu ast ziehen,
so ähnlich wie von kontinent zu kontinent eben von ast zu ast,
zwischen einem musikstück und dem nächsten.
sie sprechen zu mir, aus dem innern des felsens heraus
(während ich mit keksen und einer tasse tee aus der küche komme),
während sie fliegen oder körner vom fenstersims picken.
aus dem innern des felsens, aus seinem innern heraus sagen sie:

stell endlich die musik ab
und entschuldige dich mit einem gedicht beim frühlicht,
wir werden dich mit melodien versorgen und dich zu einem metrum
führen.

Deutsche Fassung von Ron Winkler.
Die Übersetzung entstand im Rahmen des Übersetzungsworkshops Versschmuggel. Eine Karawane der Poesie.

WE SHALL BE CHANGED

norvégien | Jo Eggen

Den er vel ikke meninga, denne hersens Messias?
Å være kasta ut i den svømmende vinteren?
Det fins da vel ingen trompet et annet sted?
Alt er bare her, bare oss, ikke sant?
Det må finnes noe inni felene
et saftig, uskrelt hjerte.
Bratsjblodet kjenner sorgen
sprer seg under huden.
"Han skal få litt av et blåmerke."
Knus makta som potter
med ei forseggjort jernstang.
Koret er
å aldri ha vært.
Feighet, hjerteløshet, dumhet
"we like sheep"
sluker rått
spytter forvirring
grisesynger hverandre
"we shall be changed"
fra tommelfingerdypet
veit hun, tomsingen av en sopran!

© Aschehoug
from: Forholdninger
Oslo: Aschehoug, 2001
Audio production: 2007, Skrivekunst-akademiet i Hordaland

»We shall be changed«

allemand

Das ist doch jetzt nicht wahr, dieser verdammte Messias?
Ausgesetzt in einen verwaschenen Winter.
Darüber hinaus gibt es wohl keine Trompete?
Es muss etwas in den Geigen sein,
ein saftiges, noch nicht geschältes Herz.
Das Bratschenblut weiß Bescheid über den Kummer,
wie er sich unter der Haut verteilt.
»Er wird einen schön blauen Fleck bekommen.«
Zerschlage die Macht wie einen Tontopf
Mit einem gut gemachten Zepter.
Der Chor hat
nie wirklich existiert.
Feigheit Herzlosigkeit Dummheit.
»we like sheep«
verschlingen mit Haut und Haar,
speien Zwietracht,
verhunden das Spiel
»wes shall be changed«
aus der Tiefe der Daumen heraus,
das weiß sie doch, diese Sopran-Idiotin!

Aus dem Norwegischen von Ron Winkler

VINTEREN

norvégien | Jo Eggen

Spre meg i natta som blør sin helfarga koloraturdronning
tøm meg i blikket som tenker alt
vimer, virrer, svimrer, svirrer
hakt sammen til glassharmonikafjær
bremser krystallspisst
men faller og legger seg til rette
En klagende solofiolin fyker inn i sprekken mellom satsene
tjukner til ei barokk utligning
et lettere orkester, porøst av pauser
som om den ikke har noen egen ide
lytter den seg inn mot en klarinettsvart a
Men stakk ikke stormen med basun over Mozartplads?
Lot ikke et arbeidsløst rekviem vredens tamponger vrimle?
På nytt syr  instrumentene  fuglefangeren inn i filler:
danser en annen frihet enn deg

© Aschehoug
from: Forsinkelsen
Oslo: Aschehoug, 1999
Audio production: 2007, Skrivekunst-akademiet i Hordaland

Winter

allemand

Streu mich in die Nacht, die ihre farbübergreifende Koloraturkönigin blutet,
schütt mich in den Blick, der alles denkt,
schwirrt irrt sirrt flirrt,
ineinander verhakt wie Glasharmonika-Daunen,
kristallspitz ausbremst,
doch niederfällt und sich zurecht legt.
Eine klagende Solovioline stiebt in die Pause zwischen den Sätzen,
verdichtet sich zu einer barocken Brücke.
Ein kleineres Orchester, porös von Pausen und
als hätte es keine eigenen Ideen, folgt einem klarinettenschwarzen A,
aber stach der Sturm nicht mit der Posaune zu über dem Mozartplatz,
wirbelte nicht ein unbeschäftigtes Requiem Tampons der Wut auf?
Aufs Neue nähen die Instrumente den Vogelfänger in Lumpen ein:
tanzen eine andere Freiheit als du.

Aus dem Norwegischen von Ron Winkler

لعبة لا تُمَلْ

arabe | Mohamad Al-Harthy

عجيبٌ أمرُكَ يا صاحبي وغريب...
فأنتَ لم تلعبْ كُرَةَ القدم
حتى في المدرسة كسائر التلاميذ
ولم أرَكَ إلاّ هارباً من كؤوسِ العالَم
المُعشِبَةِ على الشاشة
إلى فيلمٍ بالأبيضِ والأسود
غير عابئ، لا بالمنانشسترْ يُونايتِدْ
ولا مُنتخب البرازيل
بل إنكَ لم تُشجِّع حتى فريقكَ الوطني
(على قِلَّةِ كؤوسِهِ المُترعَة..)

وفي المعركة، في المعركةِ الحاسِمَة
جَندَلْتَ أوفى جُنودِكَ
بحَرَكةٍ غير مَحسوبةٍ من حِصانك
كانَ مُقدَّراً لها أنْ تدُكَّ قلعَة المَيْمَنة
تماماً كما لم تهزم بجيشكَ الجَرَّار
ذلكَ المَلكَ الغاشِم على ساحَةِ الشطرنج.

وأخيراً، يا صاحبي، لم تفعلْ شيئاً سِوى
رَهْنِ أراضيكَ وعِماراتِك قبلَ إعلانِ
إفلاسِكَ الشهير على رُقعةِ المُونوپوللي.

معَ ذلك، لا تمَلُّ من مُتوالِيَةِ الهَزائم
وها أنتذا في أوقات فراغِك
(التي تزدادُ يوماً بعد يوم)
تُجرِّبُ اللعب مع الكومپيوتر الذي
لم تُناسِبكَ من بين ألعابهِ المُدهِشة
سِوى لعبةٍ واحدة:
كِتابة هذه القصيدة.

© Mohammad Al-Harthy
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2009

das spiel, das nicht langweilig wird

allemand

seltsam ist das mit dir, mein freund, und fremd …
denn noch nie hast du fußball gespielt,
nicht mal an der schule, so wie es alle anderen taten,
auch vor den wild wuchernden
live-übertragungen hast du dich immer verkrochen
bei irgendeinem schwarz-weiß-film.
keine noch so große begegnung konnte dich aus der reserve locken,
ob nun ManU spielte oder die Seleçao.
nicht mal die eigene nationalmannschaft löste was bei dir aus
(trotz ihrer kargen zahl an dürren pokalen …).

und in der schlacht, der entscheidenden schlacht,
killtest du den treuesten deiner soldaten
durch eine unmotivierte aktion mit deinem pferd,
das eigentlich die rechte seite des gegners hatte pulverisieren sollen,
so wie du auch trotz einer riesigen streitmacht
den feindlichen könig nicht in den griff bekamst, auf dem schachbrett.

zu guter letzt, lieber freund, blieb dir nichts anderes übrig,
als deinen straßen und häusern hypotheken zu stiften,
bevor du dann doch in konkurs gehen musstest in der welt des Monopoly.

aber keine der ständigen niederlagen kann dir die laune verderben,
und so findet man dich in deiner freizeit
(die von tag zu tag größeren raum einnimmt)
nun vor dem computer, von dessen echt guten spielen
dir aber keins besser gefällt
als eines:
das schreiben genau dieses gedichtes hier.

Deutsche Fassung von Ron Winkler.
Die Übersetzung entstand im Rahmen des Übersetzungsworkshops Versschmuggel. Eine Karawane der Poesie.

كلمات صاحب الحانة المُقترحة
على حافة الصحراء

arabe | Mohamad Al-Harthy

هنا الضحِكُ، هنا البَدويّاتُ
هنا الماءُ القراحُ والكُحُولُ، تلك صحراء خارج الباب..
هذا نمرٌ ورقيٌّ يتبخترُ على الطاولةِ
(كما لو كان في الغابةِ، ينامُ كما لو كانَ في العرين)
في الظهيرةِ أو في الليلِ، على جَمَلٍ أو شاحنةِ جُنودٍ،
صاحين كُنتم أم سُكارى..
أنامِلي صَدُوقةٌ كهذا الرَّملِ في فاتورةِ الحِساب
وكلماتي..
عندما تتناولون العشاءَ، عندما تُهشِّمُون نظرةَ النمر
بالشوكةِ والسِّكين
ثم تُدوِّنُونَ صَوتَ الصحراءِ في آذانِكُم –
        كلماتي فقط
هي ما تَصْبُون إليه في المَرَّاتِ القادِمة.

© Mohammad Al-Harthy
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2009

worte des besitzers des am rande der wüste geplanten pubs

allemand

hier ist das lachen, hier die beduininnen,
hier reines wasser und alkohol, im gegensatz dazu draußen
die wüste …
hier auf dem tisch ein tiger aus papier, majestätisch
(als würde er im dschungel sein, in seiner höhle schlafen).
ob es nun mittag ist oder nacht, ob ihr mit kamelen oder truppentransportern
gekommen seid, nüchtern oder bereits betrunken …
meine finger sind ehrlich, verlässlich wie der sand auf dieser rechnung hier,
und ebenso, was ich sage …
ihr verspeist, was aufgetischt ist, erlegt mit eurem besteck
den blick des tigers
und fangt in euren ohren den klang der wüste ein,
aber allein nach meinen worten
schleckt ihr euch bis zum nächsten mal eure zehn finger ab

Deutsche Fassung von Ron Winkler.
Die Übersetzung entstand im Rahmen des Übersetzungsworkshops Versschmuggel. Eine Karawane der Poesie.

TINGENES FRIGJØRING

norvégien | Jo Eggen


En bra ide ville det kanskje være å skrive ei bok om en
moderne, vakker enebolig i den høyere prisklassen. Be-
skrive den så sanselig som mulig: Peisen i naturstein,
stolenes blanke metallrør og brune, semska skinntrekk,
det antikvariske trebordets svake glans, det naturfarga
teppet, de runde, glødende kopperkara på veggen,
veggens rustikke, hvitgrå beis der kvisthullene synes i
breie planker, dørene av rolig, polert eik, uten et knirk, de
storslagne vinduene,  der glasset kanskje er svakt farga,
barskapets blinkende godtebutikk, kråskapets innslag av
folkekunst, golvklokka med brå tempelavslutning i
empirestil, lingardinene, drømmeriske, i beige og hvitt,
lampene, fornemt stilfulle og samtidig  sensuelt for-
lokkende, det fullstendig tomme, skinnende askebegret av
keramikk med djupblå innside, den hvite lysbryteren av plast i halvmørket.

© Gyldendal
Oslo: Gyldendal Norsk Forlag,
Audio production: 2007, Skrivekunst-akademiet i Hordaland

Die Befreiung der Dinge

allemand


Es wäre vielleicht eine gute Idee, ein Buch zu schreiben über ein
modernes, schönes Einfamilienhaus in der oberen Preiskategorie. Es
so empfindsam zu beschreiben wie möglich: den Kamin aus Naturstein,
die blanken Metallrohre der Stühle, ihre braunen Wildlederbezüge,
den schwachen Glanz des Tisches von antiquarischem Wert,
den Naturfarbenteppich, die runden, funkelnden Kupfergefäße
an der Wand, die rustikale, weißgrau gebeizte Holzwand mit Astlöchern
in den breiten Brettern, die Türen aus stiller, polierter, nicht knarrender Eiche,
die tollen Panoramafenster, das Glas eventuell leicht getönt, in der Hausbar
der blinkende Süßwarenladen, der Eckschrank ein schönes Stück Volkskunst,
die Standuhr mit ihrem jähen, tempelartigen Abschluss à la Empire,
Leinengardinen, geträumte, in beige und weiß, die ausgesucht stilvollen
Lampen, zugleich aufreizend und sinnlich, der absolut leere, blitzsaubere
Keramik-Aschenbecher mit seiner tiefblauen Mitte, der weiße Lichtschalter
aus Plaste halb im Schatten.

Aus dem Norwegischen von Ron Winkler

SURPRISE

anglais | Billy Collins

This-
According to the voice on the radio,
The host of a classical music program no less-
This is the birthday of Vivaldi.

He would be 325 years old today, quite bent over, I would imagine,
And not able to see much through his watery eyes.

Surely, he would be deaf by now,
The clothes flaking off him,
Hair pitiably sparse.

But we would throw a party for him anyway,
A surprise party where everyone
Would hide behind the furniture to listen

For the tap of his cane on the pavement
And the sound of his dry, persistent cough.

© Random House
from: Nine Horses: Poems
New York: Random House, 2002
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2011

Überraschung

allemand

Heute –
der Stimme im Radio zufolge,
die dem Moderator eines nicht unwichtigen Klassiksenders gehört –
heute ist der Geburtstag von Vivaldi.

Er würde jetzt 325 Jahre alt,
wäre ziemlich gebeugt, wie ich mir vorstelle,
und unfähig, viel zu sehen durch seine wässrigen Augen.

Sicherlich wäre er jetzt schon taub,
die Kleidung würde herunterhängen an ihm,
das Haar jämmerlich schütter.

Aber wir würden für ihn auf jeden Fall eine Party schmeißen,
eine Überraschungsparty, auf der sich jeder
hinter Möbeln verstecken würde,

um dem Klappern seiner Krücke auf dem Fußboden zu lauschen
und dem Klang seines trockenen, ausdauernden Hustens.

aus dem Amerikanischen von Ron Winkler

RUBINSTEIN

norvégien | Jo Eggen

Unnskyld, men når Rubinstein
spiller Chopins Nocturner
blir det ikke natt, men de to stemmene dine, av mange.
Hvem trer skurrende fram
av akkordgangen i bassen:
som om den er en tone som tenker,
en cellowolf, om den hadde hatt noe å tenke med,
uskrelt som du foreslo,
hadde ikke noe å gjøre i den passende Chopin
noen hadde satt seg godt til rette for å avnyte
og han blir redd for at hans radikaliserte fortid
skal kaste seg over telefonen, sjefen, kona, aksjene
få alt til å rakne.
Det svarer ikke på dette.
De smale sprekkene mellom tangentene
der faller det nedi for godt.
Når jeg hører begynnelsen om igjen
veit jeg ikke hva jeg skal si.
Det veit du godt.
Langsomt lytter det seg fram, dette gode.
Når såpeboblene hennes brister mot klokka mi, ler hun.

© Aschehoug
from: Forholdninger
Oslo: Aschehoug, 2001
Audio production: 2007, Skrivekunst-akademiet i Hordaland

Rubinstein

allemand

Entschuldigung, aber wenn Rubinstein
Chopins Nocturnes spielt,
wird es nicht Nacht, sondern deine zwei Stimmen, zwei von vielen.
Wer tritt quäkend hervor
aus dem Akkordgang des Basses,
als ob er ein Ton wäre, der selbständig denken kann,
dieser Cellowolf, als hätte er etwas, mit dem er denken könnte,
ungeschält, wie du vorschlugst,
hatte nichts mit dem gängigen Chopin zu tun,
bei dem man es sich bequem macht, um sich zu delektieren,
sondern bei dem man eine radikale Vergangenheit fürchtet,
die sich übers Telefon wirft, den Chef, die Gattin, die Aktien
und alles zerbröckeln lässt.
Die Musik gibt darauf keine Antwort.
Die schmalen Spalte zwischen den Tasten,
dort stürzt sie immer hinein.
Wenn ich den Anfang noch einmal höre,
weiß ich nicht, was ich sagen soll.
Das weißt du ziemlich gut.
Langsam tastet sich das Gehör ins Freie, dieses Gute.
Wenn ihre Seifenblasen an meiner Uhr zerplatzen, lacht sie.

Aus dem Norwegischen von Ron Winkler

PRAGSYMFONIEN

norvégien | Jo Eggen

Ei tube rasende svartmaling
trøkker seg ut.
Dødsbra er ordet.
Men dette er mange ord.
Mordlystne førstefeler
vrir en vemmelig sang av kloakkvann
over tomme parykker.
Forgrunnen blir bakgrunn.
Synkoper skjærer lerretet i Picassoflerrer.
Fjellet løfter seg opp etter håret
og alt er sol fra vakre blåsere
en varm sommervind som ikke har noen pris.
Lukka og åpent.
Bruene du spiller,
kontrabassfotgjenger,
fremmedsvart som Mozart.
Kattepotene får fred
umulige å utspionere
bratsjer forkledd som bratsjer
umulige å finne, feike, filme.

© Aschehoug
from: Forholdninger
Oslo: Aschehoug, 2001
Audio production: 2007, Skrivekunst-akademiet i Hordaland

Prager Sinfonie

allemand

Eine Tube wütendes Schwarz
presst sich selbst aus.
Scheißgut ist das richtige Wort dafür.
Aber in Wirklichkeit sind es viele Wörter.
Die mordlüsternen ersten Geigen
wringen eine widerliche Kloakentonspur
über leeren Perücken aus.
Der Vordergrund wird zum Hintergrund.
Synkopen zerschneiden die Leinwand zu Picassofetzen.
Das Gebirge hebt sich davon
und mit den Bläsern wird alles zu Sonnenschein,
zu einer warmen Sommerluft von unschätzbarem Wert.
Auf und zu.
Du spielst Brücken,
Kontrabassfußgänger,
fremdschwarz wie Mozart.
Die Katzenpfoten haben ihren Frieden gefunden,
unmöglich, noch mehr über sie in Erfahrung zu bringen,
Bratschen verkleidet als Bratschen,
unmöglich zu finden, zu faken, zu filmen.

Aus dem Norwegischen von Ron Winkler

NIGHTCLUB

anglais | Billy Collins

You are so beautiful and I am a fool
to be in love with you
is a theme that keeps coming up
in songs and poems.
There seems to be no room for variation.
I have never heard anyone sing
I am so beautiful
and you are a fool to be in love with me,
even though this notion has surely
crossed the minds of women and men alike.
You are so beautiful, too bad you are a fool
is another one you don't hear.
Or, you are a fool to consider me beautiful.
That one you will never hear, guaranteed.

For no particular reason this afternoon
I am listening to Johnny Hartman
whose dark voice can curl around
the concepts on love, beauty, and foolishness
like no one else's can.
It feels like smoke curling up from a cigarette
someone left burning on a baby grand piano
around three o'clock in the morning;
smoke that billows up into the bright lights
while out there in the darkness
some of the beautiful fools have gathered
around little tables to listen,
some with their eyes closed,
others leaning forward into the music
as if it were holding them up,
or twirling the loose ice in a glass,
slipping by degrees into a rhythmic dream.

Yes, there is all this foolish beauty,
borne beyond midnight,
that has no desire to go home,
especially now when everyone in the room
is watching the large man with the tenor sax
that hangs from his neck like a golden fish.
He moves forward to the edge of the stage
and hands the instrument down to me
and nods that I should play.
So I put the mouthpiece to my lips
and blow into it with all my living breath.
We are all so foolish,
my long bebop solo begins by saying,
so damn foolish
we have become beautiful without even knowing it.

© University of Pittsburgh Press
from: The Art of Drowning
Pittsburgh: University of Pittsburgh Press, 1995
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2011

Nachtclub

allemand

Du bist so wunderschön und ich bin ein Idiot,
in dich verliebt zu sein,
ist ein Thema, das immer wieder auftaucht
in Liedern und Gedichten.
Es scheint keinen Raum für Variationen zu geben.
Nie hörte ich jemanden singen:
Ich bin so wunderschön
und du bist ein Idiot, mich zu lieben,
obwohl dieser Satz sicherlich Frauen wie Männern
schon mal in den Sinn kam.
Du bist so wunderschön, zu schade, dass du ein Idiot bist,
ist ein anderer, den du nie hören wirst.
Oder: Du bist ein Idiot, mich schön zu nennen.
Diesen bekommst du niemals zu hören, garantiert.

Aus keinem besonderen Grund höre ich
heute Nachmittag Johnny Hartman,
dessen dunkle Stimme sich durch die Themen
Liebe, Schönheit und Idiotie schlängelt,
wie keine andere es kann.
Sie wirkt wie Rauch, der von einer Zigarette aufsteigt,
die jemand auf einem Mini-Konzertflügel
um drei Uhr morgens hat brennen lassen;
Rauch, der sich in Richtung der Scheinwerfer kräuselt,
während vor ihnen in der Dunkelheit
einige wunderschöne Idioten kleine Tische
zusammengestellt haben, um zuzuhören,
manche mit geschlossenen Augen,
andere in die Musik gelehnt,
als hielte sie das,
oder sie rühren das Eis in ihrem Glas,
sich allmählich in einem rhythmischen Traum verlierend.

Ja, da ist all diese idiotische Schönheit,
nach Mitternacht komponiert,
die nicht die Absicht hat, nach Hause zu gehen,
gerade jetzt, wo jeder im Raum
dem großen Typen mit dem Tenorsaxofon zusieht,
das an seinem Hals hängt wie ein goldener Fisch.
Er kommt nach vorn an den Rand der Bühne
und reicht mir das Instrument herunter
und nickt mir zu, dass ich spiele.
Also führe ich das Mundstück an meine Lippen
und blase hinein mit all meiner Kraft.
Wir alle sind so idiotisch,
fängt mein langes Bebop-Solo zu erzählen an,
so verdammt idiotisch,
wir sind schön geworden, ohne davon zu wissen.

aus dem Amerikanischen von Ron Winkler

LITANY

anglais | Billy Collins

You are the bread and the knife,
          The crystal goblet and the wine...

                -Jacques Crickillon

You are the bread and the knife,
the crystal goblet and the wine.
You are the dew on the morning grass
and the burning wheel of the sun.
You are the white apron of the baker,
and the marsh birds suddenly in flight.

However, you are not the wind in the orchard,
the plums on the counter,
or the house of cards.
And you are certainly not the pine-scented air.
There is just no way that you are the pine-scented air.

It is possible that you are the fish under the bridge,
maybe even the pigeon on the general's head,
but you are not even close
to being the field of cornflowers at dusk.

And a quick look in the mirror will show
that you are neither the boots in the corner
nor the boat asleep in its boathouse.

It might interest you to know,
speaking of the plentiful imagery of the world,
that I am the sound of rain on the roof.

I also happen to be the shooting star,
the evening paper blowing down an alley
and the basket of chestnuts on the kitchen table.

I am also the moon in the trees
and the blind woman's tea cup.
But don't worry, I'm not the bread and the knife.
You are still the bread and the knife.
You will always be the bread and the knife,
not to mention the crystal goblet and--somehow--the wine.

© Random House
from: Nine Horses: Poems
New York: Random House , 2002
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2011

Litanei

allemand

»Du bist das Brot und das Messer,
                       der Kristallkelch und der Wein.«
                                   Jacques Crickillon


Du bist das Brot und das Messer,
der Kristallkelch und der Wein.
Du bist der Tau auf dem Morgengras
und das brennende Rad der Sonne.
Du bist die weiße Schürze des Bäckers
und die Sumpfvögel, urplötzlich aufgescheucht.

Wie auch immer, du bist nicht der Wind im Garten,
auf der Anrichte die Pflaumen
oder das Kartenhaus.
Und du bist definitiv nicht der Pinienduft.
In keiner Hinsicht bist du der Pinienduft.

Möglich, dass du der Fisch unter der Brücke bist,
eventuell sogar die Taube auf dem Kopf des Generals,
aber du bist nicht mal nahe daran,
das Kornblumenfeld zu sein im Abendlicht.

Ein schneller Blick in den Spiegel wird zeigen,
dass du weder die Boots in der Ecke bist
noch das Boot, das in seinem Bootshaus schläft.

Es könnte für dich interessant sein zu wissen
– um sich der reichhaltigen Metaphorik dieser Welt zu bedienen –
dass ich der Klang bin des Regens auf dem Dach.

Ich ereigne mich auch als Meteorit,
als die Abendzeitung, die es durch eine Gasse weht,
und als ein Korb Maronen auf dem Küchentisch.

Ich bin auch der Mond in den Bäumen
und die Teetasse der blinden Frau.
Aber keine Sorge, ich bin nicht das Brot und das Messer.
Du bist weiterhin das Brot und das Messer.
Du wirst immer das Brot und das Messer sein,
nicht zu vergessen der Kristallkelch und – irgendwie – der Wein.

aus dem Amerikanischen von Ron Winkler

좋은 풍경

coréen | CHONG Hyonjong

늦겨울 눈 오는 날
날은 푸근하고 눈은 부드러워
새살인 듯 덮인 숲 속으로
남녀 발자국 한 쌍이 올라가더니
골짜기에 온통 입김을 풀어놓으며
밤나무에 기대서 그짓을 하는 바람에
예년보다 빨리 온 올 봄 그 밤나무는
여러 날 피울 꽃을 얼떨결에
한나절에 다 피워놓고 서 있었습니다.

© CHONG Hyonjong
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Hervorragende Landschaft

allemand

An einem schneereichen Tag im späten Winter
war es angenehm warm, und auf einen von weichem Schnee
wie von einer neuen Haut bedeckten waldigen Hügel
führte das Fußspurenpaar von einem Mann und einer Frau.
Nachdem sie es, das Tal mit ihrem Keuchen füllend,
an einer Kastanie lehnend miteinander getrieben hatten,
trieb die Kastanie im Frühjahr, das früher kam als gewöhnlich,
ihre Blüten, für die sie sonst einige Tage brauchte,
ungewollt an einem einzigen Nachmittag aus.

Übersetzt von Ron Winkler

이슬

coréen | CHONG Hyonjong

강물을 보셔요 우리들의 피를
바람을 보세요 우리의 숨결을
흙을 보세요 우리들의 살을.

구름을 보세요 우리의 철학을
나무를 보세요 우리들의 시를
새들을 보세요 우리들의 꿈을.

아, 곤충들을 보세요 우리의 외로움을
지평선을 보세요 우리의 그리움을
꽃들의 三昧를 우리의 기쁨을.

어디로 가시나요 누구의 몸 속으로
가슴도 두근두근 누구의 숨 속으로
열리네 저 길, 저 길의 무한------

나무는 구름을 낳고 구름은
강물을 낳고 강물을 새들을 낳고
새들은 바람을 낳고 바람은
나무를 낳고……

열리네 서늘하고 푸른 그 길
취하네 어지럽네 그 길의 휘몰이
그 숨길, 그 물길 한 줄기 혈관……

그 길 크나큰 거미줄
거기 열매 열은 한 방울 이슬------
 (眞空이 紗有로 가네)
태양을 삼킨 이슬 萬有의
바람이 굴려 만든 이슬 만유의
번개를 구워먹은 이슬 만유의
한 방울로 모인 만유의 즙------
천둥과 잠을 자 천둥을 밴
이슬, 해왕성 명왕성의 거울
이슬, 벌레들의 내장을 지나 새들의
목소리에 굴러 마침내
풀잎에 맺힌 이슬……

© CHONG Hyonjong
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Der Tau

allemand

Sehen Sie den Fluss an, unser Blut.
Sehen Sie den Wind an, unseren Atem.
Sehen Sie die Erde an, unser Fleisch.

Sehen Sie die Wolken an, unsere Philosophie.
Sehen Sie die Bäume an, unsere Poesie.
Sehen Sie die Vögel an, unsere Träume.

Ach, sehen Sie die Insekten an, unsere Einsamkeit.
Sehen Sie den Horizont an, unsere Sehnsucht,
das Samádhi* in den Blumen, die uns beglücken.

Wohin gehen Sie, in wessen Körper hinein?
Mit klopfendem Herzen in wessen Atem hinein?
Da öffnet sich der Weg, die Unendlichkeit des Weges –

Bäume gebären Wolken, Wolken
gebären Flüsse, Flüsse gebären Vögel,
Vögel gebären Winde, Winde gebären
Bäume …

Da öffnet sich der erfrischende blaue Weg.
Seine Biegen machen mich betrunken und schwindlig.
Dieser ganze Weg voller Atem und Wasser, eine Ader …

Ein großes Spinnennetz auf dem Weg.
Auf ihm ein Früchte bergendes Tröpfchen Tau.
(Seine Existenzform ist eine verschwommene Existenz).
Der Saft vom Universum des Taus, der die Sonne verschlang,
der Saft vom Universum des Taus, den der Wind durch Rollbewegung erschuf,
vom Universum des Taus, der den Blitz gebraten verspeiste.
Der Saft vom Universum, das hier in einem einzigen Tropfen konzentriert ist –
Der nach dem Verkehr mit dem Donner sein Kind im Herzen tragende
Tau, Spiegel von Neptun und Pluto.
Der Tau: der die Eingeweide der Insekten durchdringende, sich in den Vogelgesang
kugelnde und endlich
sich auf dem Gras niederlassende Tau …

*Samádhi: Begriff aus dem Buddhismus, der so viel wie die meditative
Sammlung des Geistesdurch höchste Konzentration bedeutet. Moment
absoluter Selbstvergessenheit. (Anm. d. Ü.)

Übersetzt von Ron Winkler

예술의 힘2

coréen | CHONG Hyonjong

한 나치 장교를 감동시키고
피아니스트를 살린
음악.
증오의 폐허
잔학의 내장(內障)
나쁜 믿음의 암흑 속에서.
씨앗도
흙도
물도
그 아무것도
없는
데서
피어난
꽃.
여차하면
지옥을 만드는
 (만들겠다고 협박하는)
어떤 정치
어떤 집단,
어떤 케르베로스의
액운
속에서
피어난
꽃.

© CHONG Hyonjong
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Macht der Kunst II

allemand

Die einen Wehrmachts-Offizier rührende und
den Pianisten rettende
Musik.
In der Ruine des Hasses,
in den Eingeweiden der Grausamkeit,
in der Finsternis bösartigen Glaubens.
Wo weder Samen
noch Erde
oder Wasser, noch
irgend etwas anderes
vorhanden
ist,
erblüht
eine Blume.
Die schwelende Gefahr einer
die Hölle auf Erden auslösenden
(die Hölle auf Erden androhenden)
Politik,
Gruppierung oder
die eines einzelnen Kerberos’*.
Aus ihrem Unheil
heraus
erblühende
Blume.

* Kerberos, Dreiköpfiger Hund, der die Hölle bewacht.

Übersetzt von Ron Winkler

사자 얼굴 위의 달팽이

coréen | CHONG Hyonjong

태평양 海霧 떼거리가 밀려오고 있었다.
加州 해안의 한 미술관 앞. 밤.
등을 켜놓아 눈을 살리고 보이는 것들을 살려냈다.
대리석 사자 두 마리가 완고한 위엄으로 앉아 있었다.
하, 그런데 그 뺨 위에
사자 뺨 위에 달팽이가 한 마리 앉아 있었다!
物活, 物活, 흘러가는 바다 안개 속에
(비극 속의 어릿광대처럼) 달팽이는 마악
사자 얼굴을 웃겨놓고 있었다.
달팽이 자기는 온몸으로 웃으면서
웃지 않는 사자를 웃기고 있었다.
사자는 웃기는 사자로 살아나고 있었다.
(그렇지 않으면 사자는 언제
요지부동의 맹수에서 벗어나겠는가.
어떻게 일거에 우리한테 그렇게 가까이 오겠는가.)
사자의 뺨 위에서 달팽이는
하여간 그런 위엄 있는 일을 하고 있었다.

© CHONG Hyonjong
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Die Schnecke auf dem Gesicht des Löwen

allemand

Pazifische Nebelschwaden wallen an Land.
Ein Museum an der Küste Kaliforniens. Nacht.
Die Augen leuchten, durch eine Lampe sind die Augen erleuchtet.
Zwei marmorne Löwen verharren in majestätischem Starrsinn.
Hach, auf der Wange eines der Löwen aber sitzt eine Schnecke!
Anima, Anima in den ozeanischen Nebelmassiven!
Wie der Narr in einer Tragödie hat die Schnecke
den Löwen zum Lachen gebracht.
Während die Schnecke mit dem ganzen Körper lacht
hat sie dem Antlitz des Löwen ein Lachen vermittelt.
Es macht ihn lebendig.
(Wann, wenn nicht jetzt, könnte der Löwe
sich aus dem sturen Raubtierdasein befreien?
Und wie sonst könnte er uns uneingeschränkt nahe sein?)
Wie auch immer, auf der Wange des Löwen
hat die Schnecke eine phantastische Tat vollbracht.

Übersetzt von Ron Winkler

Forgetfulness

anglais | Billy Collins

The name of the author is the first to go
followed obediently by the title, the plot,
the heartbreaking conclusion, the entire novel
which suddenly becomes one you have never read,
never even heard of,

as if, one by one, the memories you used to harbor
decided to retire to the southern hemisphere of the brain,
to a little fishing village where there are no phones.

Long ago you kissed the names of the nine Muses goodbye
and watched the quadratic equation pack its bag,
and even now as you memorize the order of the planets,

something else is slipping away, a state flower perhaps,
the address of an uncle, the capital of Paraguay.

Whatever it is you are struggling to remember,
it is not poised on the tip of your tongue,
not even lurking in some obscure corner of your spleen.

It has floated away down a dark mythological river
whose name begins with an L as far as you can recall,
well on your own way to oblivion where you will join those
who have even forgotten how to swim and how to ride a bicycle.

No wonder you rise in the middle of the night
to look up the date of a famous battle in a book on war.
No wonder the moon in the window seems to have drifted
out of a love poem that you used to know by heart.

© University of Pittsburgh Press
from: Questions about Angels
Pittsburgh: University of Pittsburgh Press , 1999
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2011

Vergesslichkeit

allemand

Der Name des Autors verabschiedet sich zuerst,
gehorsam gefolgt vom Titel, der Handlung,
dem herzzerreißenden Finale, dem ganzen Roman,
den du auf einmal nie gelesen, von dem du sogar noch nie gehört hast,

als hätten, Schritt für Schritt, die Gedanken, denen du Heimat warst,
beschlossen, sich auf die südliche Halbkugel deines Gehirns
zurückzuziehen, in ein kleines Fischerdorf ohne Telefon.

Vor langer Zeit küsstest du die neun Musennamen Ade
und sahst die Quadratgleichung ihr Ränzlein schnüren,
und selbst jetzt, wo du über die Abfolge der Planeten grübelst,

entwischt irgendwas anderes, eine Nationalblume vielleicht,
die Adresse eines Onkels, die Hauptstadt von Paraguay.

Woran auch immer du dich zu erinnern bemühst,
es liegt dir nicht auf der Zungenspitze,
lauert nicht mal in irgendeiner obskuren Ecke der Milz.

Es trieb einen dunklen mythologischen Fluss hinab,
dessen Name mit L beginnt, soweit du dich richtig erinnerst,
eisern auf deinem eigenen Weg ins Vergessen, wo du
jene triffst, die sogar vergaßen, wie man schwimmt oder Fahrrad fährt.

Kein Wunder, dass du mitten in der Nacht aufstehst, um in einem Buch
über Kriege das Datum einer berühmten Schlacht nachzuschlagen.
Kein Wunder, dass der Mond im Fenster einem Liebesgedicht
entstiegen scheint, das du mal auswendig kanntest.

aus dem Amerikanischen von Ron Winkler

Fetiţa cu o mie de riduri [99]

roumain | Nora Iuga


99.

plicul era deschis şi fără scrisoare, o gură căscată, o burtă cu măruntaiele scoase, se spune că femeile au prin părţile alea lipsite de umbră pielea spuzită, vulve pipernicite, eretice. poate-s mai convenabile, mai cinstite vechiturile astea cu ţesătura rărită de prea mult purtat, te lasă să vezi ce-i dede-subt... dar eu niciodată cu rusul alb noaptea în pat noaptea cu ferigile negre noaptea cu lăstarul argintiu alunecos noaptea apăsînd mult adînc pînă la pînza de apă unde se sfîşie tot şi nimic nu se vede prapurul cerului cu dîra alburie spuma caldă merg prin plăcere merg şi curg niciodată în pat noaptea cu ferigile negre noaptea niciodată cu rusul alb

© Editura Polirom
from: Fetiţa cu o mie de riduri. Poem-roman
Bucureşti: Cartea Românească, 2005
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2006

Das Mädchen mit den tausend Falten [99]

allemand


99.

der umschlag war bereits offen und ohne brief, ein aufgerissener mund, ein bauch ohne innereien, man sagt, dass die haut der frauen in jenen schattenlosen gegenden verdorrt, ihre mösen schrumpfen häretisch. vielleicht sind sie praktischer, ehrlicher, diese lumpen, deren gewebe vom vielen tragen verschlissen ist, sie lassen dich sehen, was dahinter liegt ¼ aber ich niemals mit dem weißrussen nachts im bett nachts mit dem schwarzen farn nachts mit dem silbernen setzling tief drückend bis zum grundwasserspiegel wo alles zerbirst und nichts sich mehr zeigt das laken die weißliche spur warm ich durchquere die lust und sinke niemals im bett nachts mit dem schwarzen farn mit dem weißrussen niemals

Im Rahmen des Poesiefestivals Berlin 2006 (Versschmuggel)
ins Deutsche übertragen von Ron Winkler

Fetiţa cu o mie de riduri [98]

roumain | Nora Iuga


98.

bătrîneţea vine din Siberia tiptil cu pauze păşeşte imensă şi albă ca o pisică de şaptesprezece ani numărul revoluţiei toarce moale întinsă cu burta în sus între crucişătorul Aurora şi Palatul de iarnă un nume frumos de pisică Siberia naşte de două ori pe an cîte şapte pui vii şi Oblomov e băiatul ei ăla blond a visat că-l ucide pe ţar acum în casa mare cu geamlîc la stradă ard sfeşnice-slujnice trec prin dreptul oglinzii o acoperă cu fustele largi dă-mi în gură spune gura şterge-mi bărbia spune bărbia ia tava citeşte-mi ziarul taie unghia lui Oblomov unghia băiatului blond unghia bărba-tului de şaizeci de ani unghia lui Beroza citeşte povesteşte mai spune

© Editura Polirom
from: Fetiţa cu o mie de riduri. Poem-roman
Bucureşti: Cartea Românească, 2005
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2006

Das Mädchen mit den tausend Falten [98]

allemand


98.

das altern kommt aus Siberia auf zehenspitzen mit kleineren pausen schreitet es ausgreifend und weiß wie eine katze von siebzehn jahren die ziffer der revolution schnurrt weich ausgestreckt mit dem bauch nach oben zwischen panzerkreuzer Aurora und Winterpalais ein schöner name für eine katze Siberia bringt zweimal im jahr sieben lebende junge hervor und ihr sohn Oblomov ist jener blonde der träumte den zaren zu töten im augenblick jedoch brennen im großen haus mit dem erker zur straße hin die kerzenständer-befehlsempfänger huschen an einem spiegel vorbei bedecken ihn mit ihren weiten röcken füttere mich sagt der mund wisch mir das kinn ab sagt das kinn nimm das tablett weg lies mir die zeitung vor schneide Oblomovs nagel den nagel des blonden jungen den nagel des sechzigjährigen mannes den nagel von Beroza lies erzähl mach weiter

Im Rahmen des Poesiefestivals Berlin 2006 (Versschmuggel)
ins Deutsche übertragen von Ron Winkler

Fetiţa cu o mie de riduri [73]

roumain | Nora Iuga


73.

cînd vreau să mă văd, închid ochii, intru în cutia de carton, acolo dorm doi pantofi, unul cu vîrful în călcîiul celuilalt, în poziţia pe care o au gemenii în uter. de asta sînt eu tot timpul una pe faţă, una pe dos. de asta cu frică blestem, cu ruşine mă închin, că altfel nici nu încap în cutie, de asta pantofii ăştia nu se pot despărţi. cînd mă văd cu Beroza mă aflu mereu în cutia de carton, „cu tine nu sînt niciodată absent", mi-a spus; vorbea ruseşte. l-au auzit şi pantofii şi de-atunci îl urmează orbeşte. bine, dar tu, tu ce faci ? eu ? numai acolo, în cutia de carton, cred şi nu cercetez.

© Editura Polirom
from: Fetiţa cu o mie de riduri. Poem-roman
Bucureşti: Cartea Românească, 2005
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2006

Das Mädchen mit den tausend Falten [73]

allemand


73.

wenn ich mich sehen will, schließe ich die augen, gehe in den schuhkarton hinein, dort schlafen zwei schuhe, die spitze des einen an der Ferse des anderen, wie zwillinge in der gebärmutter. deshalb bin ich die ganze zeit eine masche links, eine masche rechts, ich fürchte mich, wenn ich fluche, ich schäme mich, wenn ich beichte, anders würde ich nicht in die schachtel passen, deshalb können sich diese schuhe nicht voneinander trennen. wenn ich Beroza sehe, bin ich immer im schuhkarton. “mit dir zusammen bin ich nie abwesend” sagte er, er sprach russisch. die schuhe haben zugehört und folgen ihm seitdem blind. und Du, was machst Du? ich? nur dort, in der schachtel, dort glaube ich und dort zweifle ich nicht.

Im Rahmen des Poesiefestivals Berlin 2006 (Versschmuggel)
ins Deutsche übertragen von Ron Winkler

Fetiţa cu o mie de riduri [51]

roumain | Nora Iuga


51.

cîteodată mi se întîmplă minuni, atunci mă trezeşte din somn şi mă pune să-1 spăl pe cap. dar părul lui e sus, sus pe lampă şi nu-1 ajung. Dumnezeule, melcul se apără de mine, intră la fel de încet înapoi în cochilia lui. alteori se descheie la piept şi-şi pune pielea pe speteaza fotoliului meu. dacă mă mişc începe să transpire şi miroase, fug la baie. în oglindă văd coastele lui cum se desfac şi dau frunze. vorbesc despre limbile alea care vin din capetele opuse ale drumului şi cînd se ciocnesc se sparg şi sîngele lor e alb ca un lapte, şi abia atunci ne auzim ca şi cînd am bea din acelaşi pahar.

© Editura Polirom
from: Fetiţa cu o mie de riduri. Poem-roman
Bucureşti: Cartea Românească, 2007-09-11 15:54:21
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2006

Das Mädchen mit den tausend Falten [51]

allemand


51.

manchmal bin ich wundern ausgesetzt, dann weckt er mich und verlangt von mir, seinen kopf zu waschen, aber sein haar ist oben, oben auf der lampe und ich komme nicht heran. Herrgott nochmal, diese schnecke entzieht sich mir, und im selben langsamen tempo kehrt sie in ihr schneckenhaus zurück. ein andermal knöpft er seine brust auf und legt die haut auf meine sessellehne, bewege ich mich, beginnt sie zu schwitzen und unangenehm zu riechen, ich renne ins bad. im spiegel sehe ich seine rippen, wie sie sich auffalten und blätter ansetzen. ich meine die sprachen, die aus den entgegengesetzten richtungen ein und desselben weges kommen und prallen sie aufeinander, zerbrechen sie und ihr blut ist weiß wie milch, erst dann hören wir uns, als ob wir aus demselben glas trinken würden.

Im Rahmen des Poesiefestivals Berlin 2006 (Versschmuggel)
ins Deutsche übertragen von Ron Winkler

Fetiţa cu o mie de riduri [27]

roumain | Nora Iuga


27.

sînt atît de tristă că m-am născut dintr-o mamă, îi spuneam mesteacănului, cred că eram la a patra întîlnire cu el, nu mi se părea deplasat să ne facem confesiuni ; dar acolo în mansar-dele lemnului tău, pe priciurile strimte ale lemnului tău, spune-mi cum fac dragoste amanţii, prin ce organe se înnoadă ei unii cu alţii, cu ce fire se cos să se unească incizia dintre cărnurile lor şi ele să se facă una fără să lase cicatrice; învăţă-mă tu, mesteacănule, cum fac dragoste bărbaţii cu femeile din gubernia ta, ce tehnici folosesc şi dacă sperma lor e verde ?

© Editura Polirom
from: Fetiţa cu o mie de riduri. Poem-roman
Bucureşti: Cartea Românească, 2005
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2006

Das Mädchen mit den tausend Falten [27]

allemand


27.

ich verzweifle daran, dass mich eine frau geboren hat, sagte ich dem weißrussischen baum Beroza, ich glaube, wir begegneten uns da zum vierten mal, und es schien mir nicht unangebracht, miteinander über intime dinge zu reden, sag mir doch, in den mansarden deines gehölzes, auf den engen pritschen deines gehölzes, wie machen es dort die liebenden, mit welchen körperteilen verknoten sie sich, was für einen faden benutzen sie, um den schnitt zwischen dem fleisch hier und dem fleisch dort zu nähen, und ineinander überzugehen, ohne eine narbe zu hinterlassen, bring mir das bei, du weißrussischer baum, wie treiben es männer mit frauen in deiner Gubernia*, welche techniken wenden sie an und ist ihr sperma grün?

* russisch: Gouvernement

Im Rahmen des Poesiefestivals Berlin 2006 (Versschmuggel)
ins Deutsche übertragen von Ron Winkler

가짜 아니면 죽음을!

coréen | CHONG Hyonjong

가로수야 그렇지 않으냐
도시 생활이라는 거 말이지
문명의 難民 아니냐.
아스팔트의 지옥
맹목과 暝目의 역청에
허덕이는 오토 피플
우리는 난민이다.

오 이 지긋지긋한 자동차들,
바퀴벌레들아 그렇지 않으냐.
도시 표면을 다 덮어버린
저 달리고 기고 서 있고 찢어지는 구역질
저 자본의 토사물 속에서 허덕이는
삶이라는 이름의 재난!
그렇지 않으냐 하필이면 도시에 사는 비둘기들이
유독 가스 속을 아장거리며
던져주는 먹이에 정신없는 우리의 동료들이
유황의 火力과 馬力과 金力의 불길
그 날름대는 혀의 불타는 마비의 추력으로
우리는 오늘도 생산하고 소비하고 지지고 볶고
자동적으로 이판이고 나 몰라라 사판이며
진짜에서 멀리 진짜에서 멀리
정치 경제 사회 문화의 모든 힘으로
이런 절규를 힘껏 숨긴다.  가짜 아니면 죽음을!”

© CHONG Hyonjong
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Nicht die Fälschung, lieber den Tod!

allemand

Ihr Straßenbäume, denkt ihr nicht so:
In Städten zu leben heißt doch eigentlich,
zivilisationsflüchtig zu sein, nicht wahr?
Unter der Hölle des Asphalts,
unter Blindwütigkeit und verlorenen Blicken
leidendes motorisiertes Treibgut zu sein.
Flüchtlinge, alle.

Ach, diese widerwärtigen Automobile,
Ihr Kakerlaken, denkt ihr nicht so?
Der die Oberfläche der Stadt überziehende,
rasende, kriechende, stauende und quälende Brechreiz.
Unter dem Erbrochenen des Kapitals leidendes
Unglück namens Leben!
Denkt ihr nicht so? Ausgerechnet die Tauben der Stadt
gleichen uns, tappen in giftigen Gasen und
vertiefen sich in dahin geworfenes Futter.
Die schweflige Macht des Feuers, des Geldes, der Pferdestärken.
Im Sog diese züngelnden, uns fesselnden Antriebskraft
werden wir auch heute produzieren, konsumieren, uns befehden,
automatisch hilflos, hoffnungslos egoistisch.
Weit weg davon, echt zu sein, weit weg von Originalität,
mit aller Kraft von Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur
unterdrücken wir unseren verzweifelten Schrei:
   Nicht die Fälschung, lieber den Tod!

Übersetzt von Ron Winkler

가을에

coréen | CHONG Hyonjong

(사계가 모두 우리 눈앞에
그냥 한번 크게 보여주는 것이지만)
가을의 일들을 보면
바깥이 바깥이 아니라
가을의 가슴속이에요
가을 바람에는 고만
마음의 끝이 안보이지만
별수없이 가을 바람 속으로
가을의 가슴속으로
걸어들어가는 수밖에 없지요

걸어드러가지요 저 바깥으로
바깥은 왜 가없이 퍼져 있는지
마음은 왜 거칠게 비어 그게 속알인지,
문명의 소꿉장난, 제도의 좁쌀 위를 미끄럼 타
슬슬 바깥으로 걸어들어자요만
바람 불어 마음은 거기 참 많기도 하군요

© CHONG Hyonjong
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Im Herbst

allemand

(Die Jahreszeiten wirken auf uns
alles umschließend, aber)
Betrachtet man alle Facetten des Herbstes,
ist Draußen nicht Draußen,
sondern im Herzen des Herbstes.
Im Herbstwind ist die Grenze
des Herzens nicht zu sehen, aber
unabwendbar in den Herbstwind hinein
gehend kann ich nicht anders
als in das Herz des Herbstes zu gehen.

Ich begebe mich in jenes Draußen.
Warum ist es so weit ausgebreitet?
Warum ist das Herz so rau, und ist es der Kern?
Auf dem Hirsekorn der Zivilisation
schlendere ich langsam ins Außen hinein,
Wind weht dort, und das Herz ist erfüllt.

Übersetzt von Ron Winkler

때와 공간의 숨결이여

coréen | CHONG Hyonjong

내가 드나드는 공간들을 나는 사랑한다
집과 일터
이 집과 저 집
이 방과 저 방.
더 큰 공간에 품겨 있는
품에 안겨 있는 알처럼
꿈꾸며 반짝이는 그 공간들을
나는 사랑한다.
꿈꾸므로 반짝이고
품겨 있으므로 꿈꾸는
그 공간들은 그리하여
항상 태어날 준비가 되어 있다.
항상 새로 태어나고 있다.
어리고 연하고 해맑은
그 공간들의 胎內에 나는 있고
나와 공간들은
서로가 서로를 낳는다
서로 품어 더욱 반짝여
서로가 서로를 낳는 안팎은
가없이 정답다.

그 공간들을 드나드는 때를 또한
나는 사랑한다.
들어갈 때와 나갈 때
그 모든 때는 太初와 같다.
햇살 속의 먼지와도 같이
반짝이는 그 때의 숨결을
나는 온몸으로 숨쉬며
드나든다. 오호라
시간 속에 秘藏되어 있는 태초를
나는 숨쉬며
드나든다.
모든 때의 알 또한
꿈꾸며 반짝이며
깃을 내밀기 시작한다.
시간이란 그리하여
싹이라는 말과 같다.
시간의 胎가 배고 있는 모든
내일의 꽃의 향기들
 (폐허는 역사의 짝이거니와)

© CHONG Hyonjong
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Ihr Atemzüge der Zeit und des Raums

allemand

Ich liebe die Räume, die ich betrete und die ich verlasse.
Mein Zuhause und meinen Arbeitsplatz,
Dieses Haus und jenes Haus,
Dieses Zimmer und jenes Zimmer.
Wie ein von einem größeren Raum umarmtes,
von seinen Armen umfangenes Ei
liebe ich
träumende, glänzende Räume.
Räume, die glänzen, weil sie träumen und
träumen, weil sie umarmt sind.
Die Räume sind aufgrund dessen
ständig bereit, geboren zu werden.
Sie werden immer wieder neu geboren.
Im jungen, weichen und ungetrübten
Mutterleib eines solchen Raumes befinde ich mich, und
ich und die Räume
gebären einander.
Durch die gegenseitige Umarmung noch strahlendere,
sich gegenseitig gebärende Innen und Außen sind
miteinander unendlich vertraut.

Auch die Zeit, in der ich die Räume betrete und sie verlasse,
liebe ich.
Beim Hinein- und Herausgehen
ist jeder Moment wie sein absoluter Beginn.
Im wie Staub in einem Sonnenstrahl
tanzenden Atemzug jener Momente
atme ich mit dem ganzen Körper und
gehe hinein und heraus. Oh ja,
den in diesen Momenten heimlich bewahrten absoluten Beginn
atme ich und
gehe hinein und wieder heraus.
Jedes Ei (träumend und glänzend)
jeder Zeit
bringt Gefieder hervor.
Daher ist die Zeit
mit dem Wort Knospe gleich.
Der Mutterleib der Zeit trägt die Düfte der Blumen von morgen
unter dem Herzen.
(Ruine ist das Pendant zur Geschichte.)

Übersetzt von Ron Winkler

느낌표

coréen | CHONG Hyonjong

나무 옆에다 느낌표 하나 심어놓고
꽃 옆에다 느낌표 하나 피워놓고
새소리 갈피에 느낌표 구르게 하고
여자 옆에 느낌표 하나 벗겨놓고

슬픔 옆에는 느낌표 하나 울려놓고
기쁨 옆에는 느낌표 하나 웃겨놓고
나는 거꾸로 된 느낌표 꼴로
휘적휘적 또 걸어가야지

© CHONG Hyonjong
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Ausrufezeichen

allemand

Neben dem Baum ein Ausrufezeichen pflanzen
Neben Blumen ein Ausrufezeichen blühen lassen
Zwischen die Schichten des Vogelgezwitschers ein Ausrufezeichen trällern
Neben der Frau ein Ausrufezeichen entkleiden

Neben der Traurigkeit ein Ausrufezeichen zum Weinen bringen
Neben der Freude ein Ausrufezeichen zum Lachen bringen
Ich selbst bewege mich in der Stimmung eines auf dem Kopf
stehenden Ausrufezeichens fort

Übersetzt von Ron Winkler

BRUDESPIREAEN

norvégien | Jo Eggen

Når jeg nå skal bli meg sjøl, og peke på alt annet
må det bli å si noe om mine, eller de, sjøl
mine gjentatte, men også helt andre, helt nye, personer:

For jeg prøver både å være og være noe annet
jeg fyller ikke meg sjøl som min roseslektning
men lufta rundt meg, akkurat her.

Du kommer aldri nærmere drømmen enn denne lukta du
                      hviler i
lukta du aldri kan si er meg
som avbryter deg, en snøstorm i miniatyr.

Du som vil bruke alle øyeblikk, utvinne poenget av dem
skal se at det som er poenget, ikke har noe poeng.

Du skal totalbedøves lokalt.
Du skal si til de andre at kjernen i poenget er det
                      poengløse
Det som ikke engang står stille, er usynlig
men som rører seg og fins.
Det som ikke er deg, og det er heller ikke du.

Viss jeg holder meg skjult
er det ikke ved å gjøre meg innvikla
men åpent, i ei tåke av mange enkle roser.

Jeg beskytter meg med jordnære, kinesiske stikk
men jeg lokker med skjeløyde, urinbitre blikk.

© Aschehoug
from: Forsinkelsen
Oslo: Aschehoug, 1999
Audio production: 2007, Skrivekunst-akademiet i Hordaland

Die Brautspiräe

allemand

Wenn ich mich jetzt zu mir selbst mache und auf alles andere zeige,
müsste ich an sich etwas sagen über meine oder mein Selbst,
mein wiederholtes, aber auch über ganz neue, ganz andere Personen:

Denn ich versuche sowohl zu sein als auch etwas anderes zu sein,
ich fülle mich nicht wie die mir verwandten Rosen,
aber die Luft, die mich umgibt, genau hier.

Du kommst nicht näher an deinen Traum als bis zu diesem Geruch,
in dem du ruhst, dem Geruch, von dem du nie sagen kannst: er ist ich
und unterbricht dich, ein Schneesturm in Miniatur.

Du, der jede Sekunde nutzen will und auf die volle Punktzahl zielt,
wirst sehen, dass der Sinn dort keinen Sinn hat.

Du wirst eine lokale Vollnarkose erhalten.
Du wirst den anderen sagen, dass der Kern des Sinns das Sinnfreie ist
Dass das, was unsichtbar scheint und still, existiert und sich bewegt.
Dass es nicht du ist, und du auch nicht du bist.

Wenn ich mich verberge,
dann nicht, indem ich mich verhülle,
sondern mich offen zeige als Nebel aus vielen einfachen Rosen.

Ich schütze mich mit bodennahen, chinesischen Nadelstücken,
aber ich locke mit schieläugigen, urinbitteren Blicken.

Aus dem Norwegischen von Ron Winkler

BRAHMS

norvégien | Jo Eggen

Når jeg hører Brahms´ klaverkonsert, hører jeg det tyske
språket, ser for meg Hamburg der jeg aldri har vært,
Nord-Tysklands salte tåke, kjenner jeg den dårlige
tobakken i kneipene, ser jeg for meg dette store, tåkete
landet midt i Europa, med dampen som driver jernbane-
tog og maskiners stempelslag. Walter Benjamins tenk-
somme fotografi, nå da bladene snart skal falle.

© Gyldendal
Oslo: Gyldendal Norsk Forlag,
Audio production: 2007, Skrivekunst-akademiet i Hordaland

Brahms

allemand

Höre ich das Erste Klavierkonzert von Brahms, kann ich die deutsche
Sprache hören, sehe Hamburg vor mir, wo ich nie war,
Norddeutschlands salzigen Nebel, fühle förmlich den miesen Tabak
der billigen Absteigen dort, sehe das große, neblige
Land in der Mitte Europas vor mir, den Dampf, der Lokomotiven
antreibt und Maschinenkolben, die versonnen wirkende Aufnahme
Walter Benjamins, jetzt, da die Blätter bald fallen.

Aus dem Norwegischen von Ron Winkler

BLUFF CITY

anglais | Claudia Keelan

“the same indignation that is said to have cleared the temple
once will clear it again…it seems as if no one has ever died in
America before; in order to die you must first have lived…”
-- Henry David Thoreau
Plea for Captain John Brown

But it still doesn’t explain why
It took the passive
resistance from that it took.
I was eight when he died in the city.
Dying on the outside, the gunshot
of that year killing the inside
of what constitutes my/ours
“The method is passive physically
but strongly active spiritually.”
In that I had a way of seeing
attached to my feeling
paralyzed at the beginning
of Being.
“It is not the suffering
but that which comes from outside
which is remedy.”
(the method) (the paralyzed will)
(of a child) (of a nation)
“We talked about it in India
and in Africa but the American
movement was—
unpremeditated, a natural,
a religious.”
(meant staying inside) (a child)
(inside) (nation)

In that I had a way of seeing
attached to my feeling
where the world wouldn’t start
immobilized
(inside a child nation)
“Then Moses said ‘the kids are dead.’
“It is not the suffering
but that which comes from outside
which is remedy.”
The kids are dead.
(a child) (of a nation)
“And the other thing is
people were being killed
already, the Negroes
of Mississippi and I feel,
anyway, responsible.”
“For while the nonviolent resister

is passive,
his mind and emotions
are always active.”
At the beginning
of Being.


“Writers themselves always try to lessen the distance between their kind
and ordinary human beings.  They so often assure us that every one is at
heart a poet and that the last poet will not die until the last human does.”

In that I had a way of seeing
attached to my feeling
and when I couldn’t see to feel,
I ceded the day to event.
Or I lost the trajectory
of the hours
huddled in a stingy minute
thought in a sound loop
the music all wrong
tho I’d given it way, my feeling
willingly, by the handful.
History is the gap
through which the lessons fall:
“Moses said ‘the kids are dead.’”

In that I had a way of seeing
attached to my feeling
but the dead bird just there and there
until I picked it up with a shovel
and buried it
in the street.

Its end written already, a thousand worms a  coat
or jeweled shroud so that the leaves I pushed
over of what remained of its body
seemed unholy or I did,
performing last rites without the benefit of a bell or veil,
empty of blessed words.  A false priest with a shovel
an evening falling/an evolution of the bodiless
/the decayed interior of a bird
the medium where I began to understand:

when he hit her
bringing the heel of his hand down
across the bridge of her nose
its safe to say he felt her skin
as an extension of his own
the slight pop the bones made shattering
hardly in competition with the sirens, the flight patterns
much less the—roaring? or simply the language?—
of his psyche, because he was all inside, he must have been,
ignoring the streetlight, the dogs and other people
walking and then shouting, his hand that instrument rising
almost detachedly, higher and higher
until the force was clean and attached to intention.
There is no safety in saying.

The wallet then almost a distraction
and the way he ran away
“trying to lessen the distance between”
(loping, looking over his shoulder)
“their kind”
(soul depicted)
“and ordinary human beings”
at the heap she made in the street.
Two boys skate over the spot today.
A black man they say
and they’re ready for him
holding tree branches in their hands.
It’s warm and green shows in the brown.
When I look again
they’ve tied the sticks together
and are sailing into town.
Bluff City.


Even without the windows open
I’ve been dreaming
behind bars that face the neighbor
my sleep had made
whole again.

I’ve resisted his story,
hurried inside to stop him
depicting the apparatus
of event and time
that left his body crushed
from the shoulders down.
He believes
that touch, in Japanese, R
E
I
K
I
can keep you in this world
and a nurse has slipped into mine,
simply the word “nurse”
and the hands she lay
on his forehead
15 years ago.
(Who believes in touch cannot)
(who cannot believe must)
I am reading the underlined
by Louise L. Hay he slipped
onto my porch:


SPINAL MISALIGNMENTS
5-C Fear of ridicule and humiliations I lovingly release others to
their own lessons
.

Fear of expression.
Rejecting one’s good I lovingly care for myself.
Overburdened. I am loved.
And I am safe.
In the dream I might have had
he has reclaimed his name, Butch,
and he and two boys
drive three to a cab,
two sticks, a gun and the intentionality
of a city,
fuschia scripture
mending earth to sky.
(God bless what is broken what cannot move,
God bless the reflection that is harmless
unattached to desire,
the minor delusions
that strengthen our humanity)

Lessen the distance

In that the outside disappeared completely
into the limbs of his body
so that when I see him in his chair in the sun
I know that it’s day.


No dream possible
he’s back (we’re
back), or a version of us
“looking into your window with a knife” or further
down the street
“back from the army and looking for a friend.”
“Something subdued,
halted in the weightlifter’s
STOP THERE OR I’LL SHOOT
(I’m not kidding)
In the neighborhood’s WATCH GROUP,
the names, the numbers we exchange.

Night in the flight patterns the steamboat
crying the violence turned
outward and upstairs, his cry/her cry
mine/the small boy’s/night of the wheelchair
and the eyes he turns
to the stars at the end of the drive.
Night of nothing seen or felt,
the cries protracted in the spin
and the silence, the aftermath
protracted and protracted,
the whole body fed by it,
severed by the sleeping child.

The religion in expression
true or false.  Religious tanks
moving up Poplar Avenue,
religion of curfew,
the monuments to memory
something wants to wreck.
The moot dismemberment
of Christ again,
in her arms, in Rome
so you see now there is nothing
left to recall but the shape
they write in the body.
Genetics suffering history,
cattlecar lowing towards
the museum.  All the responsible pictures
promising your children
sitting, or standing, a place on the train.
I would like to invite you to lunch
I am your age
The world is a place I would like to step off of
There is forgetting to do
in my church
Been disabled
enjoy I think, common interests?

“You asked what happened to Rosa.
I think I can tell you.
You know the law
you say, well,
let’s fight it.
It’s that. That’s
just the whole attitude.
A time when you decide you don’t give a rap.
I don’t live in_________________
but I’m in____________________
and I know why people fell in.”

(a child) (of a nation)

She walked alone.
(at the corner)(I tried to pass)
(through)      (the guards the crowd) (was quiet)
          (I tried to squeeze)       (past him)
(they raised his)     (bayonet)       (and they raised their)
                       (bayonets)       (somebody yelling lynch
and lynch her)     (Drag her to the etc.)
                      (the branch seemed safe to me) (a white lady)
(very nice)      (put me on the bus)         (a white man)
(patted me)     (raised me)  (said don’t let them
                        see you cry.)


But it still doesn’t explain why
it took the passive
resistance form it took
( I tried to squeeze) (past)


We talked about it in India
and in Africa but the American movement was—
     unpremeditated, a natural, a religious.  Over.


(And he raised his) (And they raised their)

I had not begun not believing
in a center, a self’s
or this city’s but thinking
to make one or find
one or only to find
one in the making.
What I love
I left singing
in the student gallery,
the elevator rising
away from the music I continued
to hear until I stepped off
in another place.
You divisible in the notes
you whistled among the bad
sculptures and I—
feet travelling a hallway.  Song forgotten
and the elevator’s ascent away
from what you had become—only a point,
not fixed, but a point—not ever
a place to return to.
This city’s quick descent
to the Mississippi not a simile
for anything related to us,

as the bridge cannot
be a freedom stretching west
from the city of two dead kings
where last night the sun
fell into the river and shared
its light a while before
it went away.

The method is passive physically but strongly active spiritually.
(I tried to pass)     (was quiet)
The aftermath creation of the beloved
(and he raised his(and they raised their
And aftermath creation of endless bitterness
(patted me(raised me(said(don’t let them
see you

I hadn’t know it would be a motel
on the edge of Memphis, turning away until he said no, there.
  The Lorraine Motel, Rm. 306,
A wreath over the number
we were forced by the architecture
to start on the outside

to start at the end
of Martin’s life, the well photographed
balcony leading
se
quence of
a  a meta
    morophosis of the
vis oral cul
ture and religious
tradition
to insure the retaining of an
a leg acy


in nerve, in language on to Rosa’s bus
and the inside of his room,
artificial coffee memorialized in black plastic
If there is no struggle there is no
profess Am I not a sister

© Claudia Keelan
from: Utopia
Alice James Books, 2000
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2009

Bluff City

allemand

»dieselbe Empörung, mit der, wie es heißt, der Tempel
gereinigt wurde, wird ihn wieder reinigen … es scheint,
als wäre in Amerika nie zuvor jemand gestorben; um
sterben zu können, muss man zunächst gelebt haben …«
                                    Henry David Thoreau
                                    Plädoyer für Captain John Brown


Doch es erklärt immer noch nicht,
warum es die Form passiven
Widerstands annahm, die es annahm.
Ich war acht, als er in dieser Stadt starb.
Das Äußere starb, als der Heckenschuss
dieses Jahres das Innere tötete
dessen, was für mich / uns folgendes
war: »Die Methode ist physische Passivität
bei gleichzeitiger geistiger Wachheit«.
So war es mir möglich, zu sehen
während ich fühlte
paralysiert schon am Anfang
meines Lebens.
»Es ist nicht das Leiden
sondern das, was von außen kommt
was Linderung bringt.«
(die Methode) (der paralysierte Wille)
(eines Kinds) (einer Nation)
»Wir sprachen darüber in Indien
und in Afrika, doch die Amerikanische
Bewegung war –
impulsiv, eine natürliche,
eine religiöse.«
(hieß: im Inneren zu bleiben) (eines Kinds)
(im Inneren) (einer Nation)


So war es mir möglich
zu sehen, während ich fühlte
wo die Welt nicht beginnen würde
sediert
(im Inneren einer Kindnation)
»Dann sagte Moses ›die Kinder sind
tot.‹«
»Es ist nicht das Leiden
sondern das, was von außen kommt
was Linderung bringt.«
Die Kinder sind tot.
(eines Kinds) (einer Nation)

»Und die andere Sache ist
man tötete bereits
Menschen, Schwarze
aus Mississippi, und ich fühle mich
verantwortlich, irgendwie.«
»Wenngleich der Gewaltlose
passiv ist
sind sein Verstand und seine Gefühle
doch immer aktiv.«
Am Anfang
des Seins.

»Schriftsteller versuchen immer wieder, die Distanz zwischen ihresgleichen
und normalen Menschen zu verringern. Sie versichern uns so oft, dass im
Grunde seines Herzens jeder ein Dichter ist, und dass der letzte Dichter
erst mit dem letzten Menschen stirbt. «

So war es mir möglich
zu sehen, während ich fühlte
und wenn ich nicht sah, wie ich fühlte
ließ ich den Tag Tag sein.
Oder ich geriet aus der Bahn
der Stunden
zusammengekauert in einer zugeknöpften Minute
das Denken in einer Lärmschleife
die Musik vollkommen falsch
obwohl ich es aus der Hand gegeben
hatte, mein Fühlen, freiwillig, haufenweise.
Geschichte ist der Spalt
in den die Lehren fallen:
»Moses sagte ›die Kinder sind tot.‹«

So war es mir möglich
zu sehen, während ich fühlte
ohne Chance aber der tote Vogel, wieder und wieder
bis ich ihn mit einer Schaufel aufhob
und ihn
auf der Straße begrub.
                   Sein Ende bereits festgeschrieben, tausend Würmer als Mantel
oder geschmücktes Leichentuch, so dass das Laub, das ich
über das, was von seinem Körper übrig war, schob
profan schien, oder aber ich, Spenderin
der Sterbesakramente ohne die Unterstützung von Glocke und Flor,
keine Segensworte hatte ich. Eine falsche Priesterin mit einer Schaufel
einsetzender Abend / Evolution des Körperlosen
/ das verwesende Innere eines Vogels
das Medium, anhand dessen ich zu verstehen begann:

als er sie schlug
seine Handkante auf die Brücke
ihres Nasenrückens herab schnellen ließ
lag man nicht falsch zu sagen, er empfand
ihre Haut als Erweiterung seiner eigenen
der leichte Knall der splitternden Knochen
kaum eine Konkurrenz zu den Sirenen, dem Flugzeuglärm
viel weniger noch das – Rauschen? oder einfach die Sprache? –
seiner Psyche, weil er gänzlich im Inneren war, gewesen sein muss
das Straßenlicht ignorierend, die Hunde, die anderen Menschen
gehend und dann schreiend, seine Hand, dieses Instrument
das sich erhob, wie losgelöst, höher und höher
bis die Kraft rein war und an die Absicht gekoppelt.
Es macht nicht sicher, etwas zu sagen.
Das Portemonnaie dann beinahe Ablenkung
und der Weg, auf dem er weg lief
»versuchen, die Distanz zu verringern, zwischen«
(schaukelnd, über die Schulter schauend)
»ihresgleichen«
(Abbild der Seele)
»und normalen Menschen«
an dem Haufen am Boden, zu dem sie gemacht.
Heute fahren an der Stelle zwei Jungs Skateboard.
Ein schwarzer Mann, sagen sie
und sind gewappnet
halten in ihren Händen Äste.
Es ist warm, Grün zeigt sich im Braun.
Als ich erneut schaue
haben sie die Stöcke aneinandergebunden
und segeln in die Stadt.
Bluff City.

Selbst bei geschlossenem Fenster
träumte ich
hinter den Gittern mit Blick auf das Nachbarhaus
mein Schlaf
wieder intakt.
Ich widerstand seiner Geschichte
rannte hinein, um ihn zu stoppen
darstellend den Apparat
von Ereignis und Zeit
der seinen Körper von den Schultern
abwärts zerschlagen zurückgelassen hatte.
Er glaubt
Berührung, auf Japanisch R
E
I
K
I
könne einen halten in dieser Welt
und eine Krankenschwester sei in meine geschlüpft
einfach das Wort »Krankenschwester«
und die Hände, die sie
auf seine Stirn legte
vor fünfzehn Jahren.
(Wer an Berührung glaubt, kann nicht)
(wer nicht glauben kann, muss)
Ich lese die unterstrichenen
Stellen in HEIL DEINEN KÖRPER
von Louise L. Hay, das er
mir vor die Tür gelegt hat:

                                   SPINALE IRRITATIONEN
K-5-Angst vor Lächerlichkeit  Liebevoll entlasse ich
und Erniedrigung andere in ihre eigenen
Lektionen.  

Die Angst, sich zu äußern.
Sich dem Guten verschließen. Liebevoll sorge ich für mich selbst.
Überbelastet. Ich werde geliebt.
Und ich bin sicher.
In dem Traum, den ich gehabt haben könnte
forderte er seinen Namen zurück, Butch,
und er und die zwei Jungs
zu dritt in einem Taxi
zwei Stöcke, ein Gewehr und die Absichtlichkeit
einer Stadt
purpurrote Texturen
verkitten Erde und Himmel
(Gott segne die Reflexion, die harmlos ist
nicht mit Begierde verschmolzen
die kleineren Täuschungen
die unsere Menschlichkeit stärken)

Die Distanz verringern

Somit verschwand das Außen komplett
in seinen Gliedern
so dass ich, wenn ich ihn sehe, auf seinem Stuhl, in der Sonne
weiß, dass es Tag ist.

Kein Traum möglich
er ist zurück (wir sind
zurück), oder eine Version von uns
»schaut mit einem Messer in dein Fenster« oder
ein Stück die Straße rauf
»zurück vom Militär, schaut nach einem Freund.«

Etwas Unterdrücktes
                     festgehalten im HALT ODER ICH SCHIESSE
des Gewichthebers
(Ich scherze nicht)
In der BÜRGERWEHR unseres Viertels
tauschen wir Namen, Zahlen.


Im Flugzeuglärm Nacht der Dampfer
schreit die Gewalt hat sich
nach außen gewandt und die Treppen hoch, sein Schrei / ihr Schrei
meiner / des zierlichen Jungen / Nacht des Rollstuhls
und seinen Blick wendet er
zu den Sternen am Ende der Ausfahrt.
Nacht von nichts Gesehenem oder Gefühltem
die Schreie ins Rückgrat hinein verlängert
und das Schweigen, die Auswirkungen
länger und länger
der ganze Körper davon gespeist
abgetrennt vom schlafenden Kind.


Die Religion der Aussage,
wahr oder falsch. Religiöse Panzer
kriechen die Pappelallee rauf, Poplar Avenue
Religion der Ausgangssperre
etwas will die
Erinnerungsdenkmäler zerstören.
Die fragwürdige Zerstückelung
von Christus, schon wieder
in ihren Armen, in Rom
so dass, siehst du jetzt, außer der Form
die man in den Körper schreibt, nichts
mehr übrig ist, woran man sich erinnern soll.
Genetik leidet unter der Geschichte
ein Viehtransporter muht dem Museum
entgegen. All die verantwortlichen Bilder
versprechen deinen Kindern,
einen Sitzplatz oder Stehplatz im Zug.
Ich würde dich gern zum Mittagessen einladen
Ich bin so alt wie du
Die Welt ist ein Ort, aus dem ich gern aussteigen würde
Es ist noch Vergessen zu verrichten
in meiner Kirche
Behindert
denke ich wir teilen gemeinsame Interessen?


»Du fragtest, was mit Rosa passiert ist.
Ich denke ich kanns dir sagen.
Du kennst das Gesetz
sagst du, sehr gut,
kämpfen wir dagegen an.
Das ist es. Das genau ist
die Einstellung.
Der Moment wo du entscheidest, darauf zu pfeifen.
Ich lebe nicht in  _____________________
aber ich bin in  _________________________
und ich weiß, warum die Leute einknickten.«


(ein Kind) (einer Nation)

Sie lief alleine herum.
(an der Ecke) (versuchte ich mich durchzukämpfen)
(durch) (die Aufpasser, die Menge) (war ruhig)
(versuchte durchzukommen) (zu ihm)
(sie richteten sein)             (Bajonett) (auf und sie richteten ihre)
(Bajonette auf) (jemand schrie lynchen
lyncht sie)                        (Zerrt sie zum usw.)
(der Ast schien mir sicher zu sein) (eine Weiße)
(extrem) (schön setzte mich in den Bus) (ein Weißer)
(richtete) (mich auf) (sagte lass sie dich nicht
weinen sehen, eine Hand auf meiner Schulter.)


Doch es erklärt immer noch nicht, warum
es die Form passiven
Widerstands annahm, die es annahm
(versuchte mich) (durch)


Wir sprachen darüber in Indien
und in Afrika, doch die Amerikanische Bewegung war –
impulsiv, eine natürliche, eine religiöse. Over.


(Und er richtete auf sein) (Und sie richteten auf ihre)

Ich hatte noch nicht begonnen
an kein Zentrum zu glauben, des Ichs
oder dieser Stadt, aber daran zu denken
eins zu erschaffen oder eins zu
finden oder wenigstens eins zu finden
das gerade erschaffen wird.
Was ich liebe
ließ ich singend
in der Studentengalerie zurück
der Lift stieg von der Musik
auf, die ich hörte
bis ich an einem anderen Ort
ausstieg.
Du, verteilt auf die Noten
die du zwischen den blöden Skulpturen
pfeifen musstest, und mich –
eine Fußreisende in einem Korridor. Das Lied
vergessen und der Aufstieg des Lifts weg
von was aus dir geworden war – nicht mehr als ein Punkt,
nicht starr, doch ein Punkt – kein Ort
an den man zurückkehrt.
Der steile Abstieg dieser Stadt
zum Mississippi hin kein Gleichnis
für irgendetwas, das mit uns zu tun hat
so wie die Brücke keine Freiheit
sein kann, die sich im Westen der Stadt
zweier toter Könige erhebt,
wo gestern Abend die Sonne
in den Fluss fiel und eine Zeitlang
ihr Licht verteilte, bevor
sie verschwand.

Die Methode ist physische Passivität bei gleichzeitiger geistiger Wachheit.
(versuchte mich durchzukämpfen)               (war leise)
Die Auswirkung: Erschaffung derer, die in Liebe verbunden
(Und er richtete auf sein (und sie richteten auf ihre
Die Auswirkung: Erschaffung endloser Bitterkeit
(Hand auf meiner Schulter (richtete mich auf (sagte lass sie
dich nicht sehen

Ich wusste nicht, dass es ein Motel sein würde
am Rand von Memphis, wandte mich ab, bis er sagte, nein dort.
Lorraine Motel, Raum 306
ein Trauerkranz über der Zimmernummer
die Architektur, die uns zwang
draußen anzufangen
am Ende anzufangen
von Martins Leben, das so schöne
Balkonfoto
Se
 quenz einer
einer Meta
   morphose der
visu oralen    Kul
tur und religiösen
Tradition
um das Vermächtnis zu
zu be                       wahren


mittels der Nerven, mittels der Sprache in Rosas Bus
und im Inneren seines Zimmers,
künstlicher Kaffee festgehalten in schwarzem Plastik
Entwicklung ist ohne Kämpfe nicht
zu haben                        Bin ich nicht Schwester

Übersetzt von Ron Winkler

Å KJENNE

norvégien | Jo Eggen

Rachmaninov allerede,
bratsjer og celloer?
Å kjenne er langsomt.
Jeg ville fylle ei bok med det
la det fylle hele boka
la hver side være taust flommende hår.
Vil jeg bare være
at det er?
En tanke som nesten forstår
er at håret egentlig er øynene dine.
Eller kanskje en motorsykkeldress?
Tetthet, ugjennomtrengelighet, stillhet.
Er det plass i det til å forstå det?
Håret ditt skjuler seg i håret.
Jeg greip lett i det en kveld.
Da var det bare hår, alt var hår.
Mellom håret og hånda
kjentes det ukjente.
Håret er annerledes for hånda enn for øyet.
Det lyser på en annen måte
et lys hånda kan se med
et mørkt felt midt i spektret,
en kjølig varme.

© Aschehoug
from: Forholdninger
Oslo: Aschehoug, 2001
Audio production: 2007, Skrivekunst-akademiet i Hordaland

Spüren

allemand

Schon einmal Rachmaninow,
Bratschen und Cellos?
Spüren ist langsam.
Ich wollte ein Buch damit füllen,
das ganze Buch damit füllen,
jede Seite zu still strömendem Haar werden lassen.
Will ich nur das
sein?
Ein Gedanke, dem eigentlich klar ist,
dass es sich bei dem Haar um deine Augen handelt.
Oder vielleicht um einen Motorradanzug?
Dichte, Undurchdringlichkeit, Stille.
Ist im Haar Platz, um es zu verstehen?
Dein Haar versteckt sich im Haar.
Ich berührte es sanft eines Abends.
Da war es nur Haar, alles war Haar.
Zwischen Haar und Hand
war das Unspürbare spürbar.
Das Haar ist für die Hand etwas anders als für das Auge.
Es leuchtet auf eine andere Weise.
Ein Licht, mit dem die Hand sehen kann,
ein dunkles Feld mitten im Spektrum,
eine kühle Wärme.

Aus dem Norwegischen von Ron Winkler

Another Reason Why I Don't Keep A Gun In The House

anglais | Billy Collins

The neighbors' dog will not stop barking.
He is barking the same high, rhythmic bark
that he barks every time they leave the house.
They must switch him on on their way out.

The neighbors' dog will not stop barking.
I close all the windows in the house
and put on a Beethoven symphony full blast
but I can still hear him muffled under the music,
barking, barking, barking,

and now I can see him sitting in the orchestra,
his head raised confidently as if Beethoven
had included a part for barking dog.

When the record finally ends he is still barking,
sitting there in the oboe section barking,
his eyes fixed on the conductor who is
entreating him with his baton

while the other musicians listen in respectful
silence to the famous barking dog solo,
that endless coda that first established
Beethoven as an innovative genius.

© University of Arkansas Press
from: The Apple that Astonished Paris
Fayetteville: University of Arkansas Press , 1988
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2011

Ein weiterer Grund, warum ich keine Flinte zu Hause habe

allemand

Der Hund der Nachbarn hört nicht zu bellen auf.
Er bellt dasselbe hohe, rhythmische Bellen,
das er immer bellt, wenn sie das Haus verlassen.
Sie scheinen ihn anzuschalten auf ihrem Weg.

Der Hund der Nachbarn hört nicht zu bellen auf.
Ich schließe rundum alle Fenster
und dreh eine Beethoven-Sinfonie auf laut,
aber noch durch die Musik hindurch hör ich ihn dumpf
bellen, bellen, bellen,

und jetzt seh ich ihn im Orchester sitzen,
den Kopf selbstsicher erhoben, als hätte Beethoven
einen Part für bellenden Hund eingefügt.

Wenn die Aufnahme endet, bellt er immer noch,
sitzt bellend zwischen den Oboen,
die Augen auf den Dirigenten gerichtet,
der ihn mit dem Taktstock beschwört,

während die anderen Musiker mit respektvollem
Schweigen dem berühmten Hundegebellsolo lauschen,
jener endlosen Coda, die Beethoven
als innovatives Genie etablierte.

aus dem Amerikanischen von Ron Winkler

AIMLESS LOVE

anglais | Billy Collins

This morning as I walked along the lakeshore,
I fell in love with a wren
and later in the day with a mouse
the cat had dropped under the dining room table.
 
In the shadows of an autumn evening,
I fell for a seamstress
still at her machine in the tailor’s window,
and later for a bowl of broth,
steam rising like smoke from a naval battle.
 
This is the best kind of love, I thought,
without recompense, without gifts,
or unkind words, without suspicion,
or silence on the telephone.
 
The love of the chestnut,
the jazz cap and one hand on the wheel.
 
No lust, no slam of the door –
the love of the miniature orange tree,
the clean white shirt, the hot evening shower,
the highway that cuts across Florida.
 
No waiting, no huffiness, or rancor –
just a twinge every now and then
 
for the wren who had built her nest
on a low branch overhanging the water
and for the dead mouse,
still dressed in its light brown suit.
 
But my heart is always propped up
in a field on its tripod,
ready for the next arrow.
 
After I carried the mouse by the tail
to a pile of leaves in the woods,
I found myself standing at the bathroom sink
gazing down affectionately at the soap,
 
so patient and soluble,
so at home in its pale green soap dish.
I could feel myself falling again
as I felt its turning in my wet hands
and caught the scent of lavender and stone.

© Random House
from: Nine Horses: Poems
New York: Random House, 2002
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2011

Ziellose Liebe

allemand

Heute Morgen, als ich am Ufer des Sees entlanglief,
verliebte ich mich in einen Zaunkönig
und später am Tag in eine Maus –
die Katze hatte sie unter den Esszimmertisch gelegt.

Im Dämmerlicht eines Herbstabends
verliebte ich mich in eine Näherin,
an ihrer Maschine noch im Fenster der Schneiderei,
und später in eine Schüssel Brühe,
Dampf stieg auf wie Qualm bei einer Seeschlacht.

Das ist die beste Art zu lieben, dachte ich,
ohne Wiedergutmachungen, ohne Geschenke
oder unschöne Worte, ohne Misstrauen
oder Schweigen am Telefon.

Die Liebe zu einer Kastanie,
einer coolen Mütze und der einen Hand am Lenkrad.

Ohne Begierde und Türenschlagen
die Liebe zu einem Bonsai-Orangen-Baum,
einem sauberen weißen Hemd, einer heißen Dusche am Abend,
dem Highway, der durch Florida schneidet.

Kein Warten, keine Gereiztheit oder Verbitterung –
nur ein Stechen dann und wann

für den Zaunkönig, der sein Nest
auf einem niedrigen Ast über dem Wasser baute,
und für die tote Maus,
weiterhin in ihren hellbraunen Mantel gekleidet.

Doch mein Herz auf seinem Stativ
auf freiem Feld erwartet
immer schon den nächsten Pfeil.

Nachdem ich die Maus an ihrem Schwanz
zu einem Laubhaufen im nahen Wald brachte,
ertappe ich mich am Waschbecken im Bad,
wie ich verzückt auf die Seife starre,

so duldsam und auflösbar,
so zu Hause in ihrer blassgrünen Seifenschale,
dass ich mich schon wieder verliere,
sobald meine nassen Hände ihr Glitschen fühlen
und mir der Duft von Lavendel und Stein in die Nase steigt.

aus dem Amerikanischen von Ron Winkler