Wilhelm Bartsch
Wolfgangsee
Wolfgangsee
...wo wasser und asche sich gatteten... Wolfgang Hilbig
Ich folgte Verbotsschild und Schleichweg, da kam ich
noch bis an das restliche Urmeer von Sachsen,
Golmuzi, Thietmars orakelnder See,
nun blutleer, doch aschfahl ins Unland gemuldet.
Da unten am Nimmermehr-Dermaleinst-Ufer saß er
und hatte den Deubener Rauchsäulenwald
schon vor mir durchritten auf dem Rücken des Rußes.
Er wußte, was blüht unterm sächsischen Kahlschlag:
Abraum und Unzeit. Er suchte, wo blau noch die Blume,
von Beibruch umrieselt, sich fand, im Grubensumpf
rann noch die uralte Nachtsaline des Himmels
und an der Gradierwand in uns die sprühfeinen Weiber
umfingen uns gänzlich mit wassernem Weltallgeklingel.
Novalis, Erstbeschreiber des Himmelsbriketts,
und Hilbig, der stur in den Staub stieß
sein abgebrochenes Ruderblatt.
In diesem Restloch bei Deuben lag noch im Rasseln
der hungernden Espen und Birken ringsum
der wirkliche Wolfgangsee unheimlich schön.
Da wuchs mit dem Wind seine Spiegelrückseite:
so trocken und plan macht nur Kohle den Staub,
und ewig war Spätherbst am Strand von Golmuzi.
Da stak Hilbigs Boje, verwinzigt zu Blattgold,
ich schmiß einen anderen Pullenverschluß.
Wir warn schon im Rausch ohne Trinken, wir tranken
den klingelnden Rest aus der Kumpeltodflasche,
Prost, Kaschi, prost Poe! Wir tranken ganz anders
als jener Welt-Greis, der alles gleich grapscht,
und rein in den Schlund das Glück vor der Tür.
Da warnt jetzt kein Schild mehr, wo einst der See war,
da gruneln im Grund neue Birken und Espen,
doch bald verschwebt auch ihr gedrängtes Gestänge,
geht alles zur Neige im Gleichklang schon jetzt,
ein Celidon unbehauster Kohledämonen,
des schweigenden Schweins und der knirschenden Taube.
Nun spült der Atlantik den schlurrenden Angstwald
und Hochglanzitalien flaggt leer sein Azur,
ein Display, bald schwarz im Empfangsloch der Welt.
Nie mehr im Sturm wird ein Eichwald hier rumpeln,
kaum einer mehr kennen, was umgeht so blickdicht.
Glück ab, Novalis, Hilbig, Glück auf.
Letzte Fassung Juli 2020