Werner Söllner
Über den Dächern von Amsterdam
Über den Dächern von Amsterdam
In einer fremden Stadt
im Lande Nie
hat mich mein Vater besucht.
Ich hab ihn gerufen. Auf dem Dach
eine Taube, auf dem Fensterbrett die blinde
fremdelnde Katze, auf dem Tisch eine Tasse
Kaffee. Wolken aus Milch.
Er hat auf dem Korbstuhl
gesessen, zögernd und still. Ein bißchen
entfernt. Als sei er, wie früher, anderswo
zuhause. Und dort jemand anders. Genosse
Gott zum Beispiel, im irdischen Paradies
im Exil. An den Händen dünne
altersfleckige Haut.
Mit lauter Stimme
hab ich erzählt. Von Angstlust
und Schuld, von Krieg und Schweigen
in mir. Vom Erbe. Von früher und nie.
Alles vielleicht. Ich weiß nicht. Das Leben
um mich herum wächst und wächst
wie Aluminium. Drüsengeräusche, Hitze
und Kälte. In einem. Daß ich mich verstehe
aufs Bellen seit einiger Zeit.
Draußen hat es zu regnen
begonnen. Es ist nicht so einfach, hat er
mit meiner Stimme gesagt, wie du
es dir machst. Sein Kopf hat nicht mehr
gewackelt. Und Mutter? Es ist einfacher
schwer. Traum, es ist Zeit. Hast du
Fahrkarten für die Tram?
Ja. Vollmond
überm Leidseplein. Außerirdische
mit Augen, Mündern, Ohren. Das Herz, höre
ich, schlägt. Zwischen den Rippen. Links
unterm Portemonnaie. Es ist Zeit, höre ich
eine Stimme, erfinde. Für ein paar
Gulden. Von Blinden, Stummen, Tauben.