Franz Xaver Kroetz
Sand
Über Puri,
der Heiligen,
geht die Sonne zum Meer.
Die Fischer ziehen
die Boote ins Wasser.
Alle zusammen fischen
sie mit einem Netz.
Bis morgen früh
bleiben sie draußen.
Wie die Sprossen
einer langen Leiter
säumen ihre baumschweren Boote
den gelben Sand.
Stehend rudern sie
durch die Uferwellen.
Die großen Schiffe, sagt einer
und deutet mit schwarzer Hand hinaus,
fischen unser Wasser leer.
Ich höre, daß der Fischerkrieg
letztes Jahr 10 Tote forderte.
Schwarze, schmale Leiber,
die das Meer tagelang
bei sich behielt, und dann
fünf Kilometer südlich
in den Sand legte.
Feierlich wurden
sie heimgetragen,
und das Feuer unter
ihnen brannte
drei Nächte lang.
Neben uns
scheißt derweil
ein anderer
gemächlich
in den gleichen Sand
einen kleinen, festen Haufen.
Kein Dünnschiß,
der mich plagt.
Mit Meerwasser wischt er
den Arsch, bindet
den Lendenschurz
und geht.
Kinder lachen und betteln.
Ich gebe nichts, geh weiter.
Ich komm nicht vorwärts.
Drei Tage vor Abreise
holt mich die Heimat ein.
Naziland, ich komm.
Wieder ist die Reisetasche
voll mit Manuskripten.
Schreiben, schreiben.
Warum?
Die hier können nicht lesen.
Denen hab ich
nichts zu sagen.
Und daheim?
Was ich in den letzten
3 Jahren daheim
publiziert hab,
wäre es nicht genug,
die Republik zu zerreißen,
zu erschüttern,
zu rühren bloß?
Meine Spur zu Hause,
wie die der Sandlaus
an meiner Ferse?
Nicht mehr schreiben?
Verstummen?
Still wie das Haifischmaul neben
dem Bambusblätterkral der Fischer?
Verspeist der Leib,
liegen gelassen der
ungenießbare Kopf
zwischen Scheißhaufen.
Mein Kopf
daheim
genauso?
Weiterschreiben?
Kann ich noch?
Was will
immer wieder
in mir?
Wann steht das Kind
auf und verflucht
den Sandkasten?
Oder wird meinem kleinen Leib,
im Spielsand noch,
die Grube geschaufelt?
Kein Dichterkrieg mit Toten?
Daheim im Naziland,
wo die Flüsse zugefroren sind,
und die Herzen auch.
Schweigen - die Antwort
für einen deutschen Dichter.
Schweigen aus Deutschland?
Immer wieder,
bevor ich heimkehre,
Angst.
Über Puri,
der Heiligen,
geht die Sonne zum Meer.
Wenn der Mond aufgeht,
schaukeln die Boote
wie schwarze Holzscheite
im silbernen Wasser.