Michael Roes
IM LAND DER TAUBSTUMMEN
IM LAND DER TAUBSTUMMEN
Im Anfang war der Gebrauch der Sprache
ein Kinderspiel, eine Kunst des Versprechens
Nicht Sätze allein konnten wahr oder falsch sein
Aus den Grammatiken bauten wir Schiffchen
und ließen sie über das Himmelsmeer fahren
bis der Hader durchweicht. Weder
halfen sie uns, die giftigen von den
nahrhaften Worten zu scheiden, noch ohne
Phosphor und Stein ein Gedicht zu entzünden
Eure Beschreibung der Utopie war ein Irrtum
Denn ihr belehrtet uns nur, weil Zukunft euch
mehr Angst einjagte als die Vergangenheit
Ich wäre an meiner eigenen Kindheit erstickt
hätte ich euren Lektionen vertraut
Ohne Wut sind es unfruchtbare Lektionen
Die Bücher laß ich zurück, das Asyl
eurer Wahrheiten. Eher finden die Zehen
den Mund als eure Latexmetaphern
Der Drecksaum unter den Fußnägeln
nährt mein Wortfieber mehr als jener unter der
sauberen Vorhaut der Väter. Mein Würgen
ist nicht nur Gebärde, nicht nur ein Tanz
Es ist auch ein Stigma im Land meiner Wahl
Nicht älter werde ich, alt geboren
Zwischen den Hürden der Taubstummen
hole ich meine Kindheit nach