Kathrin Schmidt
go-in der belladonnen
im oberwasser berlins ein rumoren: breitblättrig,
außer fasson, schlägt die zunge ein rad. wer heut eine ubahn beherrscht,
hat morgen gut lachen. wer heut eine bank überstimmt, ist morgen
nicht nackt. die stimme des filters säuselt aus den gebäuden:
o laß dich durchsaugen vor dem gang in den fettnapf,
den handlangerstatus. belladonnen am hammerklavier
in der philharmonie, belladonnen im pub und im kaufrausch, belladonnen
in den bettelschächten der züge, belladonnen im laken. wenn eine nicht bellt,
wird sie gleich für den hund gehalten, der immerfort schweigt,
und mitleids gefüttert. so wird sie dann wirklich nie zu den
bellen, den donnen gehören. der sturz aus der klaviatur
scheint ein ratschluß von innen, ein silberblick des geschlechts.
überdauert ein tier, heißt das frühling in unbestrittener sprache.
die frau hat der frühlinge ein oder zwei, je nach haut
und behaarung. gib atropin in die lidfalte, und du wirst dein grünblaues
wunder erleben dürfen: den zuspruch der stadt, des kreuzorträtsels,
das sich nicht lösen läßt. noch die sektoren
versuchen den männlichen akt miteinander.
am oberbaumbrückengeländer klebt, wenn ich zeiten wechsle zu fuß,
eine trockene fliege - ich weiß leider nicht, wie insekten
als mumien aussehen müssen, ich denk es mir nur und kratze sie ab
in den dreck, der wenigstens ehrlich am boden liegt: arme alte
und haut, die sich schuppt und erneuert, als wärs der amphibie
darunter nun doch nicht egal in ihrem wechselhellen getue.
aus ihren augen beschießen die belladonnen den fluß,
der die spree sich zu nennen niemals bereit war, wie er dir
glaubwürdig mitteilt, wenn du ihn fragst. am besten lüpfst du dazu den
breitbekrempelten hut und schöpfst dir den schluck,
der auskunft gibt, direkt in den hals. nicht amaryllen
säumen den weg in die wohnungen, aus denen batisten gesänge
von hausfrauen herwehn. männer wie pottwale stoßen amber
aus ihrem gedärm in die versiegelte luft. belege ich bald
einen atemkurs, soll mir statt besserung blühen: der schließmuskelkrampf.
im aufgeschnittenen blick trägt die fröschin heut grausame wünsche.
die alkaloide sind weiblich geworden in diesem jahrhundert
und jagen uns durch den schlaf in die schönheit.
belladonnen am hammerklavier in den mittleren schichten, belladonnen
in kneipe und supermarkt, belladonnen mit handlangerstatus. der fettnapf
mit amber gefüllt, auf daß noch die letzte männliche lust ihren ofen verläßt.
pottwal im schlickwasser spree, schlachtschiff im darmdunst
des stadtvolkes: das kommt heraus, wenn bellen und donnen von oben herab
berlin einfach aufsagen wollen als ein gedicht. verhaltenen schritts
geht ein münzrundes weib in friedrichshagen unter dem wasser hindurch.
das ist immer noch mehr, als jesus von nazareth dunnemals
oben probierte, denk ich. und mache
den knick in den knicks, die beuge ins beugen. und lächle.
und lasse mich kommen aus all meinen schießscharten.