Armin Senser
Elegie: Istanbul Konstantinopel
Elegie: Istanbul Konstantinopel
Staub zementiert die Nüstern. Staub bedeckt
alles, was sich infolge Mangels an Bewegung
Raum verschafft: Straßen, Plätze,
gewagte Décolletés, Wangen, Bücher.
Staub umhüllt Zedern, Statuen, Minarette,
Paläste. Er füllt die Hand des Bettlers,
stopft die städtischen Abwasserleitungen,
Staub führt das Auge hinters Licht.
Überall Staub. Staub auf den Seidenstrümpfen,
im Kaffee, im Wimpernhaar, auf der Zunge,
Staub mischt sich in alles ein: in Farben,
den Regen, ins Bewußtsein.
Staub erstickt Kamine, es ersticken
die Lungen greiser Chevrolets, Glocken
ersticken, Staub erstickt die Zeit.
Im Staub versiegen Meere, Flüsse,
Stimmen, versiegt die Stadt. Staub
macht sich breit in Schuhen, dem
Wort, in Gedanken. Staub geht durchs
Öhr und setzt sich fort bis in den Tod.