Franz Hodjak
Capriccio
Ich könnte mir nicht vorstellen,
irgendwelche Nostalgien würden mich befallen,
aus einem Hinterhalt, wo ich einst spielte. Mir würde
die Angst abhanden kommen, Sokrates
falsch verstanden zu haben. Vor lauter
Usambaraveilchen könnte ich nicht
begreifen, die Freiheit ist modisch. Nichts
würde mich an mich erinnern. Es gäbe
nur Idole wie Carl Lagerfeld, der es geschafft hat,
dünn zu sein wie eine Ikone
auf einer Hinterglasmalerei. Mein Ideal? Ich will
mich bloß entschuldigen bei einer Henne,
die kreuz und quer lief durch die Revolution
und erschossen wurde, doch es wäre sinnlos,
Spenden zu sammeln, um einer Henne
ein Denkmal zu setzen. Hl. Brictius,
bitte für Schöppingen. Einen Eingang muß es wohl
geben, egal wohin, nur damit man hinauskommt und
sieht, was liegt dahinter? Wieder bloß
Dosen, Martinigänse, flötende Putti,
Reformen, die Deutsche Bahn? Auch wenn dem so
wäre, trotzdem, wo ist der Eingang, damit man
die Welt einmal von hinten sieht. Mutter sagte,
zwischen Jericho und Frankfurt
liegt der Friedhof, auf dem die Stimme
das Wort begraben hat. Dort wurdest du geboren.
Ein kleiner Zampano begleitet mich seither
mit Gesten, er treibt mich über Brücken, in Aufzüge,
Toiletten, Kinos, Teestuben, nur weg
von Kneipen, weg vom Gefühl, ungerecht behandelt
zu werden, vor allem vom Schicksal, und wenn ich
besonders traurig bin, in den Zoo, wo im Grenzgebiet
die Affen nicht schießen, sondern lustvoll onanieren.
Fahr ich nun morgen nach Enschede oder nicht?