Ulrike Draesner 
Translator

on Lyrikline: 59 poems translated

from: francés, lituano, finés, gujarati, marathi, inglés, español, noruego, portugués, macedonio to: alemán

Original

Translation

Kabelvåg (îles Lofoten)

francés | Patrick Beurard-Valdoye

Je marche sans jalon sans descente de jour
dans la pesanteur du soir au rythme de l’aube
les papillons de nuit graminent et virevoltent
de roses canines en digitales polaires
l’embrasé est signe du couchant traduit en levant
entre temps le flux ascendant d’un coup sec
alerte toute mouette de garde

je marche au pied du sphinx étêté
chaque pause recolorie les cimes verdissées ou violettes
au bout du monde au devant des forteresses
rocheuses de prime abord indescriptibles
au bout du phare jamais éloigné de Aa
— lettre ultime du mælstrom — où je lis :
“Pourquoi m’avoir amenée ici ?
Tu n’es pas assez femme pour le savoir ?”

je marche entre le rocher visité des rois
et le roc des trolls de Finneset
entre cabane à fumure saumonée
et treilles à morue séchée
auprès de la charmante prison Tremastringen
devenue l’école d’arts visuels :
quand la corde se métamorphose en câble
la forteresse se raccorde à l’image vague de l’île.

© Patrick Beurard-Valdoye
from: Itinerrance
Obsidiane, 2004
Audio production: Haus für Poesie, 2021

Kabelvåg (Lofoten)

alemán

ICH GEHE OHNE ANHALTSPUNKT ohne Tagesneige

im Gewicht des Abends zum Takt der Morgendämmerung

die Schmetterlinge der Nacht grasen Pollen im Voltenschlag

zwischen Hundsrose und polarem Fingerhut der rote

Lippenstreif zeigt Sonnenuntergang in Aufgang übersetzt

während die Flut steigt mit schnellem Schlag

alarmiert jede Möwe wachsamen Blicks

 

ich gehe am Fuß der Sphinx kopfberaubt

jede Pause färbt die Gipfel neu begrünt und violett

am Ende der Welt vor felsigen

Festungen unbeschreibbar zunächst

am Ende des Leuchtturms niemals weit von jenem Å

- letzter Letter des Malstroms - wo ich lese:

„Warum hast du mich hergeführt?

Du bist nicht Frau genug es zu wissen?“

 

ich gehe zwischen dem Felsen besucht von Königen

und dem Stein der Trolle von Finneset

zwischen der Räucherhütte für Lachse

und zu Spalieren gestecktem Dorsch

nah am charmanten Gefängnis Tremastringen

das Schule der Bildenden Künste geworden ist:

wenn sich das Seil in ein Kabel verwandelt

formt die Festung dem vagen Bild der Insel sich an.

Übersetzung aus dem Französischen von Ulrike Draesner

Skjolden : Ludwig Wittgenstein

francés | Patrick Beurard-Valdoye

1

L’EMBARQUE glisse sur le lac glaciaire
traversé par l’Eid sa rivière
— libre cours aux écritures
wasserfalls en surplomb —
le rameur déniche une écorce d’amarrage
gravit quelque rustre sente scarpétroite
varappe granit par granit varappe
l’abîme disposée tout au faux-pas

fruit d’efforts dépassant les bouleaux
il s’élève à Østerrike
sa vue plonge sur l’Eidsvatnet
les remparts lapidaires closant le monde
dont le fjord hors de vue
la combe en fond est l’issue
le lac à truites crevé
le vert-lait du lexique d’ici
plain-reflet plein de reliefs
tout se tait mais nul volatile
beauté écrasante habitant l’abîme


2

Le rocher de la hutte
voyait loin entre deux bouleaux
: Ici c’est ici si j’y suis
il marmonnait l’inaccès
il luttait pas à pas pour que folie
ne souille raison : quelle vérité
dans le désert d’homme
génufléchi il dit : Il n’y a personne ici
pris du sentiment d’avoir énoncé l’essentiel
l’Autrichien — l’appelaient les villageois —
lunatique sérieux autant que colérique
était gouverné de manière étrange
il combattait entre mi-ciel et mi-enfer
fjord salé tout contre lac d’eau douce

dans ce monde fait d’événements
l’événement du printemps c’était
le premier rais de soleil pénétrant la hutte
sans le temps du déçu

3

La hutte des pensées demeura hermétique
on profita de la glace du lac
pour la descendre la déconstruire
la déformer détourner son toit
un soir sans brouillard
le wasserfall ensoleillé se reflétait
dans le vert de lait quand le rameur
estropié par la dégringolée
estima que la pensée représentait un risque.

© Patrick Beurard-Valdoye
from: Itinerrance
Obsidiane, 2004
Audio production: Haus für Poesie, 2021

Skjolden: Ludwig Wittgenstein

alemán

1

Die Barkasse gleitet über den Gletschersee

durchflossen vom Eid, seinem Fluss

 - freier Zugang zum Schreiben 

chutes d‘eau Hang über Hang -

der Ruderer stöbert eine Baumrinde zum Ankern auf

erklimmt einen wilden Pfad schüssigeng

klettert in Granit um Granit klettert entlang 

des Abgrundes der wartet auf den falschen Tritt


Frucht der Mühen, er läßt die Birken hinter sich

erreicht in der Höhe Østerrike

sein Blick fällt über den Eidsvatnet

die steinernen Wälle schließen die Welt

aus der jenseits des Blickes der Fjord

Längstal am Grunde kroch hervor

der Forellensee rinnt aus

das Milchgrün des Wörterbuches von hier

glatter Widerschein geriffelten Glanzes  

alles schweigt nichts das fliegen kann 

schreckliche Schönheit die den Abgrund bewohnt 




2  

Der Felsen der Hütte

sah weit zwischen zwei Birken

: Hier es ist hier wenn hier ich bin

er brummelte die Unzugänglichkeit

er kämpfte Schritt um Schritt auf dass Verrücktheit

nicht beschmutze Vernunft : was für eine Wahrheit

in der Wüste des kniefälligen 

Menschen sagt er : niemand ist hier

überwältigt von dem Gefühl das Wesentliche ausgesprochen zu haben

der Österreicher - nannten die Dorfbewohner ihn -

der Narr so ernst wie cholerisch

von seltsamem Verhalten beherrscht

kämpfte zwischen Halbhimmel Halbhölle er

salziger Fjord gegenan des Süßwassersees



in dieser Welt gemacht aus Ereignissen

war das Ereignis des Frühlings 

der erste Sonnenstrahl der die Hütte durchdrang

ohne der Täuschung Zeit




3

Die Hütte der Gedanken blieb undurchdringlich

man profitierte vom Eis des Sees

um sie zu verlassen zu dekonstruieren

zu verformen zu verdrehen ihr Dach

ein Abend ohne Nebel

chute d‘eau gespiegelt im Sonnenlicht 

im Milchgrün als der Ruderer

hinkend von der Stolperei

vermutete daß der Gedanke ein Risiko darstellte.

Übersetzung aus dem Französischen von Ulrike Draesner

Tai jis

lituano | Gintaras Grajauskas

tai jis iš tavo arbatos ištraukia citriną
tai jis pagraužia tavajam stalui kojas
tai jis junginėja šviesas, vaikšto ir
spragsi pirštais

jis mėčioja iki lubų tavo vaikus
skambina draugams ketvirtą valandą ryto
paskui trenkia į sieną butelį ir
myža į kriauklę

jis ateistas iš prigimties, jis dievo bausmė
jis tavo inkvizitorius ir saldusis kerštas
jis miega su tavo moterim ir miega
ramiai kaip kūdikis

jis ateina ir išeina kada panorėjęs
jis tyčia nesako tau kelinta valanda
jis juokiasi iš tavęs, juokiasi net
susiriesdamas

jis dažo tavo citriną į cukrų ir kramto
žiūri į akis ir sako: „kada nors tave nužudysiu“
žiūri, linguoja
tavo galvą ir šiepiasi.

© Gintaras Grajauskas
from: Kaulinė dūdelė (Knochenflöte)
Vilnius: Vaga, 1999
Audio production: 2002 Books from Lithuania

Er ist’s

alemán

er ist’s der die Zitrone aus deinem Tee fischt
er ist’s der die Beines deines Tisches annagt
er ist’s der die Lichtschalter umlegt, umhergeht und
mit den Fingern schnippt

er wirft deine Kinder an die Zimmerdecke
er ruft um vier Uhr morgens deine Freunde an
er schmeißt die Flaschen gegen die Wand und
pißt ins Waschbecken

er ist ein geborener Atheist, er ist die Strafe Gottes
er ist dein Inquisitor und deine süße Rache
er schläft mit deiner Frau und schläft
sanft wie ein Säugling

er kommt und geht wie es ihm gefällt
er sagt dir absichtlich nicht wie spät es ist
er lacht dich aus, lacht bis zum
Umfallen

er tunkt die Zitrone in den Zucker und kaut
schaut dir in die Augen und sagt: ”eines Tages bring ich dich um”
schaut, nickt
deinen Kopf und grinst.

Nach einer Interlinearübersetzung von Antanas Gailius
ins Deutsche übertragen von Ulrike Draesner
Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Goethe-Instituts Vilnius


[Kumarra pihlajaa. Sen alle kasvot ylöspäin...]

finés | Olli Heikkonen

Kumarra pihlajaa. Sen alle kasvot ylöspäin
veljesi on haudattu. Maan povessa luut
mustuvat, yrtit versovat nikamiin.
Kumarra pihlajaa, sen ihonkaltaista kuorta, oksan hankaan
ripustettua helminauhaa. Kumarra latvan liekkiä.
Juuret lävistävät veljesi rinnan.
Juuret lävistävät veljesi otsan.
Pihlaja on ääniä täynnä, jotka keväällä
puhkeavat lehdiksi.

© Olli Heikkonen
from: Jakutian aurinko
Helsinki: TAMMI, 2000
ISBN: 951-31-1785-5
Audio production: 2001, M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

[Verbeug dich vor der Vogelbeere. Unter ihr, Gesicht nach oben...]

alemán

Verbeug dich vor der Vogelbeere. Unter ihr, Gesicht nach oben,
liegt dein Bruder begraben. Im Schoß der Erde werden
Knochen schwarz, Kräuter spießen in die Wirbel.
Verbeug dich vor der Vogelbeere, ihrer hautartigen Rinde, der Perlenkette,
die in der Astgabel hängt. Verbeug dich vor der Flamme des Wipfels.
Wurzeln durchbohren die Brust deines Bruders.
Wurzeln durchbohren die Stirn deines Bruders.
Die Vogelbeere ist voller Stimmen, im Frühling
gehen sie zu Blättern auf.

Nachdichtung von Ulrike Draesner
© Ulrike Draesner

POETIC LICENCE

finés | Timo Lappalainen

Vasta jälkeenpäin minä sen tajusin. Ehkä se johtui meren läheisyydestä.
Ehkä olin ylirasittunut, mutta sen kertoi vasta
lääkäri Suomessa. Sininen hetki oli juuri täyttymässä, kun
yhtäkkiä maiseman yli pyyhkäisi keltainen tuuli. Maisema
hyppäsi jaloilleen ja juoksi junan rinnalla. Näkökenttä oli
täysin auki ja märkä. Ei mitään erikoista: loputtoman sateen
kyllästämä muheva maa, taivaanrannassa punertavat maatalot
ja paksujalkainen työhevonen korkeajännitejohtojen alla. Siis
käytännöllisesti katsoen ei mitään! Näin minä sen muistan.
Mutta siellä se oli: elämän tarkoitus sähkönvärisenä. Poetic
Licence junalipun hinnalla. Muutama kilometri ennen Oostendea,
vasemmalla junan kulkusuunnasta katsottuna. Menkää
katsomaan.

© beim Autoren
from: Poetic Licence
Helsinki: LIKI, 2001
Audio production: 2001, M. Mechner, literaturWerkstatt berlin

Poetic Licence

alemán

Erst im nachhinein begriff ich es. Vielleicht lag es an der Nähe
des Meeres. Vielleicht war ich überanstrengt, aber das erzählte
erst der Arzt in Finnland. Die blaue Stunde ging eben zuende,
als plötzlich ein gelber Wind über die Landschaft fegte. Die
Landschaft sprang auf und rannte neben dem Zug her. Das
Gesichtsfeld war vollkommen offen und naß. Nichts besonderes:
ein vom endlosen Regen getränkter üppiger Boden, am Horizont
rötliche Bauernhäuser und ein stämmiges Ackerpferd unter
Hochspannungsleitungen. Also praktisch nichts! So ist es mir in Erinnerung.  

Aber dort war er: der Sinn des Lebens in Stromfarbe. Poetic
licence zum Preis eines Bahntickets. Wenige Kilometer vor
Oostende, auf der linken Seite in Fahrtrichtung. Seht nach!

Übertragen von Ulrike Draesner
Copyright bei der Übersetzerin

[Suurimman osan kapeasta huoneesta veivät sänky]

finés | Timo Lappalainen

Suurimman osan kapeasta huoneesta veivät sänky, johon iltapäiväsateiden
ropiseva ikävä minut säännöllisesti ajoi, ja halvalle
vanerille haiseva vaatekaappi. Tuolilla tyhjä pikkutakki
halasi vaatemyttyä. Kaappi uhkasi kaatua, kun kurkotin sen
yläreunaan nähdäkseni sen päälle: pölyä ja pari kymmenen
pennin kolikkoa. Ihmettelin missä taskuissa ne olivat kulkeneet
niin kauas kotoa. Aina kun sulki kaapin ovet, ovipeileissä
näki sen tyypin, joka veti harmaata tweedtakkia päälleen.
Aina menossa jonnekin. Poissa. Kun ovet avasi, näki rivin tyhjiä
henkareita, joita se tyyppi oli yrittänyt peittää vaatteillaan.

© beim Autoren
from: Poetic Licence
Helsinki: LIKI, 2001
Audio production: 2001, M. Mechner, literaturWerkstatt berlin

[Den größten Teil des schmalen Zimmers beanspruchten das Bett]

alemán

Den größten Teil des schmalen Zimmers beanspruchten das Bett, in
das das eintönige Trommeln des Nachmittagregens mich regelmäßig
trieb, und ein nach billigem Kleister riechender Kleiderschrank.
Auf dem Stuhl umarmte ein leeres Jackett ein Bündel Kleider. Beinahe
wäre der Schrank umgekippt, als ich mich reckte, um über seinen
Rand zu spähen: Staub und ein paar Zehnpfennigmünzen. Ich
wunderte mich, in welchen Taschen sie so weit von der Heimat
weggetragen worden waren. Jedesmal beim Schließen der Schranktür
sah man im Türspiegel den Typen, der sich ein graues Tweedjackett
anzog. Immer irgendwohin unterwegs. Weg. Wenn man die Türen
öffnete, sah man eine Reihe leerer Bügel. Der Typ hatte versucht, sie
mit seinen Kleidern zu bedecken.

Übertragen von Ulrike Draesner
Copyright bei der Übersetzerin

[Kun juoksin sensyksyistä surua pakoon pitkin Stadsparkin]

finés | Timo Lappalainen

Kun juoksin sensyksyistä surua pakoon pitkin Stadsparkin
kolmion yhtä reunaa, joku äijä huikkasi perääni: ”Sata kilometriä!”
Pian olin timanttikorttelissa Centraal Stationin liepeillä,
ja mieleen tulivat Carl Friedmanin (nainen) sädehtivät silmät.
(Hän oli kotoisin näiltä kulmilta.) Hänellä oli kaksi matkaarkkua
täynnä en tiedä mitä, en lukenut kirjaa loppuun. Ehkä
hän oli oikeassa sanoessaan miehiä heikoiksi, minä ainakin. Jäätelöauto
meni samaan suuntaan kuin minä, satamaa kohti. Se
soitti tuttua sävelmää: ”Sinä poljet, minä ohjaan”. Joskus kirjoitin:
”Tuhlaan aikaani kristallikaupungissa”. En tiennyt siitäkin
tulevan totta. Joskus kadulla kuuli suomea, mutta minä
olin tullut olemaan vaiti. (Niin paljon mitä ei tarvitse kuulla.)
Ajattelin vain: nuokin ovat eksyksissä.

© beim Autoren
from: Poetic Licence
Helsinki: LIKI, 2001
Audio production: 2001, M. Mechner, literaturWerkstatt berlin

[Als ich, auf der Flucht vorm Kummer dieses Herbstes]

alemán

Als ich, auf der Flucht vorm Kummer dieses Herbstes, eine Seite
des dreieckigen Stadspark/Stadtparkes entlanglief, rief
irgendein komischer Kerl hinter mir her: 100 Kilometer! Bald war
ich im Diamantenviertel nah am Hauptbahnhof/Centraal Station,
und die strahlenden Augen von Carl Friedman (das ist eine Frau)
fielen mir ein. (Sie stammte aus dieser Gegend). Sie besaß zwei
Reisekisten voll von ich weiß nicht was, ich habe das Buch nie
zuende gelesen. Vielleicht hatte sie recht, wenn sie die Männer
schwach nannte, ich auf jeden Fall. Der Eisverkäufer fuhr in die
gleiche Richtung wie ich, zum Hafen. Er spielte die bekannte
Melodie: „Du trittst, ich lenke“. Irgendwann schrieb ich: „Ich
vergeude meine Zeit in der Kristallstadt.“ Ich wußte nicht, dass
sich auch das bewahrheiten würde. Irgendwann hörte ich auf der
Straße finnisch reden, aber ich war gekommen, um still zu sein.
(So vieles, was man nicht zu hören braucht.) Ich dachte nur:
auch die haben sich verirrt.

Übertragen von Ulrike Draesner
Copyright bei der Übersetzerin

[Loppujen lopuksi en muista koko tripistä yhtään mitään]

finés | Timo Lappalainen

Loppujen lopuksi en muista koko tripistä yhtään mitään. Niin
meni sekin talvi ja takatalvi. Epätoivo ei ollut ennenkuulumatonta.
Haperruin ja kalpenin vanhan Telefunkenin kelmeässä
valossa kuin menneen ajan selluloidisankarit. Garbo vaikeni
vuosikymmeniksi, loppuiäkseen, miksen minäkin viideksi
vuodeksi. En saanut upotettua hampaitani mihinkään. Ei
muita jumalia kuin demoni Aa, mutta vihreän teen voimalla
sekin pysyi enimmäkseen loitolla. Ei mitään uskontoa mihin
nojata (paitsi jos Jumala on Peppi Pitkätossu ballerinahameessa).
Vincent Price 60-luvun Poe-filmeissä kelpaa myös: omat
paranoiat tyylikkäämpiä kuin hyvien ihmisten hölmöt neuvot.
Jos aika parantaa haavat, niin miksi koko ajan sattuu enemmän.

© beim Autoren
from: Poetic Licence
Helsinki: LIKI, 2001
Audio production: 2001, M. Mechner, literaturWerkstatt berlin

[Letztlich weiß ich von dem ganzen Trip gar nichts mehr]

alemán

Letztlich weiß ich von dem ganzen Trip gar nichts mehr. So
gingen auch dieser Winter und Nachwinter vorbei. Die
Verzweiflung war nicht ungeheuerlich. Ich wurde bleich und
zerbrechlich im fahlen Licht des Telefunken wie die
Zelluloidhelden vergangener Zeiten. Garbo verstummte für
Jahrzehnte, für den Rest ihres Lebens, warum nicht für fünf
Jahre auch ich. Konnte meine Zähne in nichts mehr schlagen.
Keine anderen Götter als der Damön Aa, aber mit der Kraft grünen
Tees blieb auch der meist fern. Keinerlei Glaube, um sich darauf
zu stützen (außer Gott wäre Pippi Langstrumpf im
Ballerinaröckchen). Vincent Price in den Poe-Filmen der
Sechziger taugt auch: die eigenen Paranoias stilvoller als die
dummen Ratschläge guter Menschen. Wenn Zeit Wunden heilt, warum
tut es dann die ganze Zeit so weh?

Übertragen von Ulrike Draesner
Copyright bei der Übersetzerin

હું ન ડોશી

gujarati | Neerav Patel

૧.
હાળા, ચાલી-પચ્ચા વરહથી બખાળા કર સ
પણ કશ્શો ભલીવાર લાવતા નથી એમનાં કાંમમાં.
બે-પાંચ વરહ થયાં નથી 
ક આ આયા મત માગવા ! 
માળી, કશ્શી ગતાગમ પડતી નથી --
આટઆટલા મત જાય સ ચ્યાં ?

કે'સ ક આ વખતે તો વા'લો નાંમેરી ઊભા સ ...
હું કે'સ માંણહ હારો સ.
કે'વાય સ ક ભલો આદમી બબાસાયેબના વખતથી 
ગરીબ-ગુરબાનાં કાંમ કર સ ... 
પણ આ રાખ્ખશોમાં બાપડાનું હું ગજું ?
બોલ ડોશી, ચ્યમ કરવું સ આ ફેર ?

તમે તો જનમના ભોળિયા, ડોહા --
વૈતરાં કૂટી ખાવ.
હાંભર્યું સ માથાદીઠ દહ મલ સ ?
અન ગાંઠિયાનું પડીકું સોગા મ.
મોટર મેલી જાય ન લૈ જાય. 
ઘૈડે - ઘડપણ જીવી લો બે ઘડી,
પોટલી પાંણી પીવું હોય તો પી લો.
વા'લા નાંમેરીનું ભગવાંન ભલું કરઅ --
પણ મત તો મનુભૈ ન.
જાવ, જૈ ન ભાવતાલ કરી આવો,
કે'જો ક બે સ:
હું ન ડોશી. 

૨.
ભૈ હાંભર્યું સ ક એ તો માથાદીઠ દહ આલ સ,
તમાર બા'ર આલવા હોય 
તો બે સ :
હું ન ડોશી.
ઝાઝા નથી,
બે દહાડીના મૂલ સ.
અમાર બે ઘડી વિહાંમો વૈતરાંમાંથી .
બાચી અમે તો આ હેંડ્યા હાડકાં વેણવા,
મગો મેં'તર કોથળે પાંચ આલ સ. 
હાંજ પડ રોટલા ભેળા થ્યા
એટલ ભયો ભયો.

ભૈ તમન હોંપ્યાં રાજ ન પાટ
અમાર તો ભલો અમારો રઝળપાટ.
કો' દહાડો ચઢ સ 
ન ડોશી ખોટી થાય સ...
પાપમાં પડવાનું સ, 
પણ બોલ્યું પાળવાનું સ. 
એટલે મત તો પાકો મનુભૈન .
વા'લા નાંમેરીનું ભગવાંન ભલું કરઅ.
બોલો, આલવા સ માથાદીઠ બાર ?
બે સ :
હું ન ડોશી.

© Neerav Patel
Audio production: Goethe Institut, 2015

Der Fischer und seine Frau

alemán

1.
Scheiße, seit 40, 50 Jahren nur Gequatsche
Politik, total sinnlos, auch nur Quatsch
kaum sind zwei bis fünf Jahre vorbei
stehen die nächsten da und betteln um Stimmen
Scheiße, sinnloser Mist
was machen die damit? 

Diesmal ist Va’lo aufgestellt 
soll ‘n guter Kerl sein
schon zu Zeiten Babasaheebs
für die Dalits unterwegs …
nur was kann er ausrichten gegen die Schurken?
Sag mal, Alter, was machen wir diesmal?

Mann, bist du bekloppt, Alter,
willst weiterschuften.
Ich hab gehört, dass sie zehn Rupies zahlen
dir Mehl geben für ‘nen Fladen
und dich mit ‘nem Auto zum Wählen fahren.
Is‘ unser Lebensabend, lass uns mal was genießen
einen hinter die Binde kippen
Gott sorgt schon für Va’lo
die Stimme geben wir Manubhai
los, geh verhandeln
sag ihnen, dass wir zwei sind:
ich und meine Alte.

2.
Kumpel, ich hab gehört, dass man zehn Kröten kriegt pro Kopf
gib mir zwölf
wir sind zu zweit
ich und meine Alte
und die Sache ist geschaukelt
zwei Tageslöhne
unsere Atempause. 
Tag ein, Tag aus sammeln wir Knochen
Mago drückt uns nen Fünfer in die Hand
dann kann man abends was essen 
und gut. 

Kumpel, wir geben dir Macht übers Land
bleiben zufrieden mit unserm Stand
krieg die Kurve
die Alte wartet
wir tun Unrecht
aber halten Wort
stimmen für Manubhai 
für Va’lo sorgt schon Gott.
Gebongt: zwölf pro Kopf?
Wir sind zu zweit
ich und meine Alte.

Übertragung ins Deutsche von Ulrike Draesner
Poets Translating Poets - VERSschmuggel mit Südasien, organisiert vom Goethe Institut in Zusammenarbeit mit der Literaturwerkstatt Berlin, 2015

મારો શામળિયો

gujarati | Neerav Patel

મારા શામળિયે મારી હૂંડી પૂરી –
નીકર ગગલીનું આણું શેં નેકળત?
ચાવંડાની બાધા ફળી 
ને જવાનજોધ ગરાહણી ફાટી પડી...
એની ઠાઠડીએ ઓઢાડ્યું રાતું ગવન!
રાતીચોળ ચેહ બળે
ને આકડાના છોડે રાતું ગવન લહેરાય! 

ગગલીની માં તો 
જે મલકાય, જે મલકાય, મારી હાહુ...
બસ, ડાઘુઓની પૂંઠ ફરે કે 
ધોડું હડડ મસાણે

મારો ભંગિયાનોય બેલી ભગવાન! 

© Neerav Patel
Audio production: Goethe Institut, 2015

Der Allmächtige

alemán

Der Allmächtige hat den Scheck akzeptiert, den ich auf ihn ausstellte –
wie sonst hätten wir Gaglis Aussteuer zusammengebracht?

Auch der Vertrag mit Dorfgöttin Chamunda ging in Erfüllung
Eine Frau aus der Chadriya-Kaste, noch in der Blüte ihrer Jahre, starb …
Wie klingelt ihr purpurrotes Leichentuch von Schmuck und Gold
rot brennt das Leichenfeuer
rot flattert der Sari gegen den Madar-Strauch!

Gaglis Mutter grinste so, grinste sehr, die dumme Kuh … 
sobald die Trauernden weg sind, renn ich zum Scheiterhaufen.

Auch ich – Bhangi, der Rechtlose – stehe in der Gnade des Herrn!

Übertragung ins Deutsche von Ulrike Draesner
Poets Translating Poets - VERSschmuggel mit Südasien, organisiert vom Goethe Institut in Zusammenarbeit mit der Literaturwerkstatt Berlin, 2015

चिरव्याकुळ एकाकीपणाच्या होर्डिंग्जवर

marathi | Pradnya Daya Pawar

'आठ मार्चच कशाला
आता प्रत्येकच दिवस 
आमचा असतो'
असा करावा का शेवट 
सदरहू कवितेचा 
उदारीकरणाच्या या तिठ्यावरून
आणि अधून मधून पेराव्यात ओळी 
जालीम उपरोधाच्या 
विद्रोही-बिद्रोही
लिहावेत तपशील हिंसेचे, भयाचे, 
मारले जाण्याचे 
जसे लिहित आलो आम्ही 
न जाणो कुठल्या तारखेपासून 
डोमेस्टिक व्हायोलन्स 
ते वर्ल्ड कपसारखा 
सार्वजनिक थरार बलात्काराचा.
तारखाच बदलल्या फक्त 
किंचाळणाऱ्या अंधारात
हात पाय झाडणाऱ्या 
दिवसाउजेडात 
वेदनेनं विव्हळणाऱ्या.

या चिरव्याकुळ एकाकीपणाच्या होर्डिंग्जवर 
उभं राहून आम्ही पसरवतोय 
आमच्या मोकळ्या ढाकळ्या
हाडामांसाच्या प्रतिमा 
प्रश्न हा नाहीये
की कुणी खाल्ली 
मोहाची फुलं पहिल्यांदा 
सगळे भौतिक संदर्भ छाटून 
त्या धूर्त लिओनार्दोनं करून टाकलं
आम्हाला गूढ वगैरे 
सोपंच अस्तंय हे 
एकतर मोनालिसात रुपांतरण करणं 
नाहीतर बाजारपेठेच्या मुक्त वाऱ्यावर 
पाशवी रक्तानं भिजलेली 
आमची अंतर्वस्त्र
निर्ममपणे सुकायला टाकणं

आम्ही फोडतोय 
अजूनही तीच गुहा 
तीक्ष्ण धारदार हत्यारांनी 
तू घुमव तुझा आवाज
शेवटच्या धापा टाकणाऱ्या 
या ग्लोकल रणधुमाळीत 

राहिला मुद्दा आठ मार्चचा 
जिवंत धडधडीचा 
गुहा फोडण्याचा 
पुन्हा पुन्हा 

© Pradnya Daya Pawar
Audio production: Goethe-Institut, 2015

Vom Plakat unserer fortgesetzten beklemmenden Wehrlosigkeit

alemán

„Der 8. März nur?
Uns gehört jetzt
doch ieder Tag“ –
soll das Gedicht so enden
an der verzwickten Kreuzung 
ökonomischer Liberalisierung oder 
sollen noch ein paar ätzend 
ironische Verse zwischengesetzt werden
rebellisch und der ganze Kladderadatsch 
eingefügt die Details der Übergriffe, Details 
der Angst davor, umgebracht zu werden
wie üblich heutzutage 
– seit wann eigentlich – 
bei häuslicher Gewalt 
Vergewaltigung als öffentlicher Kick 
einer Weltmeisterschaft gleich.
Schrei um Schrei, Dunkelheit. 
Als wäre keine Zeit vergangen
reißen Frauen Hände und Beine hoch
unterdrücken jeden Schmerzenslaut
am helllichten Tag.

Das Plakat der fortgesetzten beklemmenden 
Wehrlosigkeit zeigt uns 
als Menschen
aus Fleisch und Blut
es spielt keine Rolle 
wer als erstes 
vom Apfel naschte 
Leonardo, der Schlaue
Iieß das wirkliche Leben weg
und malte uns als Geheimnis-Kladderadatsch
ziemlich simpel uns 
zu Mona Lisa zu machen
oder unsere in bestialischem Blut 
getränkte Unterwäsche cool
im freien Wind des Marktes 
zum Trocknen auszuhängen

mit scharfen Werkzeugen brechen 
wir noch immer den alten Höhlenkerker 
auf lass uns deine Stimme hören
in diesem glokal kampflustigen 
Getümmel das um Atem ringt
in den letzten Zügen liegt

und wieder übrig geblieben: 
das Thema des 8. März
des Lebens als Frau statt Bild
des Ausbruchs aus der Höhle 
  

Aus dem Englischen von Ulrike Draesner
Poets Translating Poets - VERSschmuggel mit Südasien, organisiert vom Goethe Institut in Zusammenarbeit mit der Literaturwerkstatt Berlin, 2015

दृश्यांचा ढोबळ समुद्र

marathi | Pradnya Daya Pawar

સ્ત્રી 

ही चिडचिड असह्य 
झोपेतल्या ग्लानीतही ओळखू यावेत 
स्पर्श आवाज आकार 
थांग हरवून बसलेला 
हा दृश्यांचा ढोबळ समुद्र 
डोळ्यांच्या झिलमिल पडद्यावर 
याला कितीदा तरंगत ठेवू ?

आकस्मिक 
अद्भुत 
असाधारण 
अपूर्व 
गायब झालीय ‘अ’ची बाराखडी...

कबुल,
शाबूत ठेवावा लागतो
ढेर विश्वास 
संकल्पनेवरचा, माणसांवरचा,
स्वतःवरचा सुद्धा,
पण मला एकदा तरी 
अशी संहिता हवी आहे 
जिथे सरकलेला असेल 
केंद्रबिंदू फितरतीचा.

आहे का, आणखी एखादा दरवाजा ?
जिवंत मोकाट वाऱ्यासाठी 
सताड उघडलेला !

© Pradnya Daya Pawar
Audio production: Goethe Institut, 2015

Das Meer der diffusen Bilder

alemán

Unerträglich geworden die Reizbarkeit 
spürbar noch im Schlaf 
Berührungen, Stimmen, Gestalten 
ein Meer verschwommener Anblicke 
bodenlos, ohne Grund 
wie oft noch muss ich es flimmern lassen 
über die schimmernde Leinwand meiner Augen 

auf einmal 
archaisch 
anarchisch 
atemberaubend 
gelöscht der Buchstabe A in Lautung und Schrift … 

he, 
brauchst n Haufn 
Vertrauen 
in Konzepte, in Leute 
in dich selbst. 
Wenigstens einmal 
möcht ich nen Kodex 
mit nem Fokus total 
verrutscht. 

Gibt es ein zweites Tor? 
Das sperrangelweit sich öffnet 
dem wilden unbändigen Wind! 

Aus dem Englischen von Ulrike Draesner
Poets Translating Poets - VERSschmuggel mit Südasien, organisiert vom Goethe Institut in Zusammenarbeit mit der Literaturwerkstatt Berlin, 2015

સૃષ્ટિમંડાણની કથાઓ-માંથી

gujarati | Harish Meenashru

ન હતી કીડી
કે ન હતી પૃથ્વી
ત્યારની વાત છે.

ન હતી તે કીડીએ ચટકો ભર્યો ન હતી તે પૃથ્વીને
પૃથ્વીને ઢીમણું ઊપસી આવ્યું 
પહાડને ચટકો ભર્યો
વહી નીકળ્યું ઝરણું 

કીડીએ જળને ચટકો ભર્યો
જળની દૂંટી ખળભળી
ઊગી નીકળ્યું એક કમળ

કીડીએ કમળને ચટકો ભર્યો
એમાં પોઢેલી ગંધ ઊઠી ગઈ કાચી ઊંઘે 
ગંધે થોડાંક પગલાં માંડ્યાં
એ પગલાંનું નામ પવન પડ્યું 

કીડીએ પવનને ચટકો ભર્યો
ચિડાઈને સૂસવાટાભેર એણે લીધો એક ચકરાવો તે સનનન શૂન્ય 
તંગ તણાયું આકાશનું આવરણ દશે દિશામાં 

કીડીએ આકાશને ચટકો ભર્યો
આકાશને થયું રાતું ચકામું 
એની બળતરાનો પ્રકાશ ફેલાયો સર્વત્ર

કીડીએ ચટકો ભર્યો પ્રકાશને
જોતજોતામાં વિપર્યયના રંગનો પિંડવિહોણો પડછાયો ફૂટી નીકળ્યો 

કીડીએ પડછાયાને ચટકો ભર્યો
એના પગને અંગૂઠેથી પ્રગટ્યો એક નિષ્છંદ કવિ

કવિને ચટકો ભરતાંની સાથે 
એના રાતા સુઝેલા હોઠ અને રાતી દાઝેલી જીભમાંથી 
(ગુજ)રાતી ભાષા પ્રકટી 
હવે ન હતી તે કીડી
ખરેખર ન હતી બની ગઈ, નવરીધૂપ 
ચટકવાનું કામ ભાષાને સોંપીને

આમ સૃષ્ટિની ઉત્પત્તિ થઈ 

© Harish Meenashru
Audio production: Goethe Institut, 2015

srishthi – Gedicht um Gedicht

alemán

Es gab keine Ameise
gab keine Erde
wir sprechen von früher

die nicht existierende Ameise beißt in die nicht existierende Erde
aus der Erde dringt eine Beule
der Berg wird gestochen
zu sprudeln beginnt eine Quelle

die Ameise beißt in das Wasser
der Nabel des Wassers beginnt heftig zu strudeln 
ein Lotus wächst aus ihm
die Ameise beißt in den Lotus
der Duft des Lotus schreckt aus dem Schlaf/ 
tut einige Schritte nach vorn
sie erhalten den Namen Wind

die Ameise beißt in den Wind
wütend zischt er auf, umschreibt eine stürmische Null 
straff gespannt dehnt der Himmel sich in alle zehn Richtungen

die Ameise beißt in den Himmel
der Himmel entwickelt einen roten Fleck
noch in die letzte Ecke sendet dieses Brandmal sein Licht

die Ameise beißt in das Licht
schlagartig erscheint die Farbe, die Farbe löscht, ein Schatten ohne Körper

die Ameise beißt in den Schatten
aus einer seiner Zehen tritt der Dichter, der in ungebundener Sprache schreibt

die Ameise beißt den Dichter
rot die Lippen, rot die verbrannte Zunge 
rot die gut beißende Sprache Gujarats 

Die Ameise, die es nicht gab
Verwandelte sich in die Ameise, die nicht existiert

so entstand, was entstand

Übertragung ins Deutsche von Ulrike Draesner
Poets Translating Poets - VERSschmuggel mit Südasien, organisiert vom Goethe Institut in Zusammenarbeit mit der Literaturwerkstatt Berlin, 2015

ગુલાબ

gujarati | Harish Meenashru

ટેબલ પર પડ્યું છે એક ગુલાબ
દરગાહ પર કે ગભારામાં પડ્યું હોય એટલું બેપરવા 
હશે તો ખરી જ , પણ મારા સુધી પહોંચતી નથી એની સુગંધ
ટચૂકડી દાંડી પર
એકબીજાને ચપોચપ વળગીને 
વૃત્તાકારે ગોઠવાયેલી એની પાંદડીઓ
કેવી તો સુંદર અને કોમળ ભાસે છે

લાલચટક 

બારી કને પાણી પાયેલા કૂંડામાં 
માટીના ઓઘરાળાવાળી વસંત ઊભી છે,- 
પણ આ ગુલાબ એની તરફ એક દૃષ્ટિ સુધ્ધાં કેમ ફેંકતું નથી? 
ગુલાબજળ અને ગુલકંદ જાહેરમાં એવું કેમ કહી રહ્યા છે, કડવાશથી કે
અમારે તો ન્હાવાનિચોવાનો સંબંધ પણ નથી એની સાથે ? 
જુઓને, હું એને આવી રીતે તાકી રહ્યો છું, ક્યારનો – બીજું કોઈ હોય તો 
કપાળે પરસેવો વળી જાય 
પણ આની પર તો ઝાકળનું એક ટીપું સુધ્ધાં નથી બાઝ્યું
કદાચ આ ગુલાબ છે ખરું, પણ નથી 
લગભગ તો લાગે છે કે છે ( પણ કશું કહેવાય નહીં, આ જમાનામાં ) કદાચ ન પણ હોય
મુખ્યાર્થ ઘટાવીએ તો છે, ધ્વન્યાર્થમાં ખૂટે છે થોડાંક લક્ષણો, બત્રીસમાં
એ તો જે હશે તો હશે 
પણ મારો તો આખો ય ભવ 
બની ગયો છે અવઢવ 
ભ્રમર, મધમાખી કે પતંગિયાં જેવા 
તજજ્ઞો પણ નથી મારા આ ઓરડામાં 
કે સલાહ લઈ શકાય 

આ એક શંકાસ્પદ ગુલાબ છે એવું વાક્ય કઢંગું લાગશે, 
ખાસ તો આપણી ભાષામાં , પણ છૂટકો નથી.... 
સસ્પેન્સ ફિલ્મની દોરવણી હેઠળ
આસ્તે આસ્તે, દબાતે પગલે, અત્યંત સાવધાનીપૂર્વક 
હું એની નજીક સરું છું : 
ઓહ, 
આ તો નર્યો ઢોંગ કરી રહ્યું છે ગુલાબ હોવાનો 

એની રદ્દી પાંખડીઓ પર છપાયેલા છે બોલ્ડ લેટર્સ કોલ્ડ પ્રિન્ટમાં
એલફેલ અને અડધાપડધા 
ખંડિત વાક્યો અને ખોડંગાતા સંદર્ભો 
કાંખઘોડીના ટેકે 
એમાં ફરવા મથે છે ગઇકાલનાં સત્ય, મોં કાળું કરીને 
એના સ્પર્શમાં સુઘડ નિર્લજ્જતા છે
એને સૂંઘવાથી કાળોતરી જેવી ગંધ આવે છે, 
પણ એક વાત માનવી પડશે : એની કારીગરી અદભૂત છે, ખંધાઈભરી રીતે કુદરતી 

કોકે જૂના અખબારના કાગળિયાં કાતરીને
એને બનાવ્યું છે
જુઓને એ કેટલું તો લાલઘૂમ છે

ચટકતું લાલ 

© Harish Meenashru
Audio production: Goethe Institut, 2015

Rose

alemán

Auf dem Tisch am Eingang liegt eine Rose
unbekümmert wie auf einem Muslim- oder Hinduschrein
der Duft erreicht mich nicht
kurzer Stiel
dicht überlappende Blüten
im Kreis
wie schön sie wirkt, wie sanft

zinnoberrot 

vor dem Fenster im gewässerten Topf
der Frühling, von Erde zerrauft –
warum würdigt die Rose ihn keines Blickes? 
Warum tun Rosenwasser und Rosengelee entrüstet
öffentlich kund: mit der haben wir nichts zu tun? 
Schau nur, ich starr sie ununterbrochen an – jeder anderen
ränne der Schweiß von der Stirn
auf ihr indes wurde nicht mal ein Tröpfchen Tau gemacht

Vielleicht ist sie eine Rose, vielleicht keine
nahezu scheint sie echt (schwer zu sagen heutzutage), fast wirkt sie falsch
im wörtlichen Sinn „Rose“, in der übertragenen Bedeutung 
fehlen ihr Eigenschaften aus der Liste der 32 
was sie hat, hat sie
ich aber bin ganz und gar 
verwirrt
Hummel, Biene oder Schmetterling
diese Experten, die mir Rat geben könnten
fliegen nicht herbei

Dubiose Rose! Klingt auch ungeschickt
allemal in unserer Sprache, aber was soll ich tun …
ich pirsche mich an sie heran
wie in einem spannenden Film
langsam, langsam, auf Samtpfoten, auf der Hut: 

Oh, 
wie perfekt sie vortäuscht, eine Rose zu sein
fettgedruckte Buchstaben auf den Schund-Blättern, starr
sinnlos, unvollständige Sätze, ohne Kontext, lahm
auf Krücken unterwegs zu einer Wahrheit von gestern
Druckerschwärze, seelenschwarz. 

Wer diese Rose berührt, geht schamlosen Seelenfängern 
auf den Leim, bis zum Himmel stinkt das
aber eines muss man zugeben: listig gemacht, die Rosen-Pose

alte Zeitungen hat man zurechtgeschnitten
um sie zu fabrizieren
schau, wie überaus rot sie daherkommt

rot – Zinnober, Zinnober

Übertragung ins Deutsche von Ulrike Draesner
Poets Translating Poets - VERSschmuggel mit Südasien, organisiert vom Goethe Institut in Zusammenarbeit mit der Literaturwerkstatt Berlin, 2015

काय होते ?

marathi | Aruna Dhere

इतक्या असंख्य सद् भावना जन्म घेतात मनामध्ये,
अनोळखी माणसांसाठी सुद्धा किती भरून येते
पंख फुटल्या अंगाने शुभेच्छा येतात वस्तीला,
या साऱ्यांचे नंतर काय होते ?

एका तरी फुलाचे मरण
लांबते का एखादा क्षण ?

एकटे पोळणारे दुःख अनिकेत
येते का सांत्वनाच्या सावलीत ?

करुणेनं भिजतो का थोडा
निर्दयतेचा काठ ?
थांबते का एखादी विनाशाची लाट ?

सगळे भवतालच मोडून, चिरडून चाललेले
पाचोळ्यासारखे झालेले कुठलेही नाते
मनातल्या सद् भावनांचे आणि शुभेच्छांचे
खरेच मग काय होते ?

© Aruna Dhere
Audio production: Goethe Institute, 2015

Was folgt wem folgt was

alemán

Gute Wünsche ohne Zahl steigen vom Herzen in den Kopf
auch dem Fremden ist als Mensch unter Menschen man zugetan
und Flügel treibt aus dieses „Glück auf“, geflüstert ums Rund der Welt.
Doch was folgt wem folgt dann?

Verlängert das Wohldenken
der Blume Vergehen bloß?

Tritt Trübsal, ausgesetzt, einsam, versengt  
in einen Schatten von Trost?

Benetzt Mitgefühl, lindernd wie Wasser, still
die Ufer wenigstens der Brutalität? Gebietet Einhalt
auch nur der geringsten Welle vernichtender Gestalt?

Alles, was mich umfängt, wird zermalmt, zermalmt
jede menschliche Verbindung, ein verdorrtes Blatt
gute Wünsche, „Glück auf“: was folgt wem
folgt wirklich dann was?

Aus dem Englischen von Ulrike Draesner
Poets Translating Poets - VERSschmuggel mit Südasien, organisiert vom Goethe Institut in Zusammenarbeit mit der Literaturwerkstatt Berlin, 2015

युद्धापेक्षाही प्राणांतिक

marathi | Aruna Dhere

युद्धापेक्षाही प्राणांतिक जखमा करणारी
वाटतात मला युद्धानंतर जन्माला आलेली दुःखं
की वाताहतीला कसला अर्थच नसतो
जगण्या-मरण्यात गुंतलेले नसतात आसक्त संदर्भ
माणसावर प्रेम करणारा कुणी ईश्वर असेल
यावरचा विश्वास उडतो
अन् वैरी आयुष्याचं हृदय फुटून वाहत राहतं भय
तेव्हा त्या काळ्या प्रवाहाला कोणता किनाराही नसतो

तू असतोस विनाशाच्या धूमधडाम आवाजांपलिकडे
शांतपणे निजलेला आश्वस्त
तुझं डोकं माझ्या कुशीत स्वस्थ असतं
पण तुझ्यावरून पांघरलेल्या पदराइतकं अपुरं
कोणतंच वस्त्र नसतं जगात
हे मला पुरतं ठाऊक असतं

युद्ध हा शब्द त्याच्या अर्थासकट
लांब रहावा तुझ्यापासून
पोहोचू नये धग तुझ्या अस्तित्वाच्या प्रतिष्ठेला
अन् तुझ्या नितळ निष्पाप जाणिवांचे,
मनोरथांच्या भरघोस लवथवीचे प्रदेश
अस्पर्शच राहावेत विनाशाला
या माझ्या तगमगत्या इच्छेला कुठलाच ठाव नाही
हे कळते रे मला

माझ्या आत्म्यानं उच्चारलेल्या
पहिल्या प्रार्थनेसारख्या अनघड मुला
तुला अटळच आहे या झंझावाती जगातल्या
प्रलयंकर अनुभवाचा स्वीकार
पण तू असावेस स्वतःशी सहृदय
आणि माझ्यासारख्या सर्व पराभूतांसाठी
समजुतीने झुळझुळत राहावेस
युगातून भटकणाऱ्या यात्रेकरू प्रेमासाठी
उघडून धरावेस तुझे दार
मरणाच्या गळ्यात असतेच जन्माची तहान, हे जाणून असावेस

असलाच जर अटळ संघर्ष तर लढावेस सृजनाच्या बाजूने
आणि कधीकाळी जर भेटलाच तुला
युद्धातून पाठ फिरवून निघून गेलेला ईश्वर
तर माझ्यासकट प्रत्येक आईची तगमग स्मरून
त्याचे गुन्हे पदरात घालावेस

© Aruna Dhere
Audio production: Goethe Institute, 2015

Tödlicher noch als der Krieg

alemán

Tödlicher noch als der Krieg sind die Leiden
die er erzeugt, wie ich weiß, zu genau weiß
die Zerstörung endgültig jeder Bedeutung beraubt 
wunschlos leer, gebettet in nichts, Leben wie Tod
verloren der Glaube daran, ein den Menschen
liebender Gott könnte existieren 
und aus dem Herzen des feindlichen Lebens quillt
die Angst, fließt uferlos der schwarze Strom
 
Du schläfst jenseits des vernichtenden Pfeifens der Bomben
friedlich und ohne Angst quält
kein Gedanke dein Köpfchen in meinem Arm
ich aber weiß, weiß zu genau, dass es kein kürzeres
Gewand als das Ende meines Saris
gibt, das dich bedeckt.

Krieg. In keiner seiner Bedeutungen soll
das Wort jemals auch nur in deine Nähe kommen
seine Strahlung soll die Würde deines Daseins nicht erreichen
die Reiche deiner unbefleckten, arglosen Wahrnehmungen
deiner Träume, dieser Bäume reich an Blüten und Früchten bewegt im Wind
mögen von der Vernichtung unberührt bleiben.
Mich aufwühlender, umtreibender Wunsch: ich weiß
zu genau, weiß, wie vergebens du bist.

Das erste Gebet, das meine Seele
sprach, bist du, mein Neugeborenes,
wirst ihnen nicht ausweichen können, den alles in ihre Strudel
reißenden Erfahrungen in Stürmen geschüttelten Welt
doch dir selbst bleib gewogen und verständnisvoll bleib
wie ein langsam fließender Fluss für all jene wie mich
die die Vernichtung nicht aufhalten konnten
niemals schließe deine Tür
der durch alle Zeitalter reisenden Liebe
und wisse, wisse genau: in Maul des Todes entsteht der Durst der Geburt.

Falls du dem Kampf nicht ausweichen kannst, stell dich auf seiten der Schöpfung
und läuft er jemals dir über den Weg, der Gott, der den Krieg nicht unterband
denk an die Qualen deiner Mutter, aller Mütter
und verzeihe ihm, der sich entzog. 

Aus dem Englischen von Ulrike Draesner
Poets Translating Poets - VERSschmuggel mit Südasien, organisiert vom Goethe Institut in Zusammenarbeit mit der Literaturwerkstatt Berlin, 2015

Glass of Water and Coffee Pot

inglés | Robin Robertson

after Chardin
 

These rooms of wood, of tongue-and-groove, open out
on a garden of white-washed walls and a maple tree,
a new Spring bright among the weathered stone and brick.
We find things that are old and used, well-made, well worn
and beautiful because of this. The balance
intimate between that glass of water’s clarity and light
and the pot’s grave darkness: an order so luminous
and fine you needn’t measure it with a rule, just look.
The papery whiteness of the garlic heads is the same light
held in the water glass, the same light lifting a gleam
from the blackened coffee pot that’s somehow managed
to make it through, to find harmony here
on this stone shelf, happiness of the hand and heart,
to keep its heat and still pour clean and true.

© Pan Macmillan
from: Hill of Doors
Picador, 2013
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2014

Wasserglas mit Kaffeekanne

alemán

nach Chardin
 

Diese Räume aus Holz, verbunden durch Feder und Nut, öffnen sich
auf einen Garten mit gekalkten Mauern und einem Ahorn
einen frischen Frühling, schimmernd zwischen verwitterten Ziegeln und                                                                                                              Stein.
Wir finden Dinge, alt und gebraucht, so kundig gemacht wie genutzt
und darum schön. Der innige Gleichklang
zwischen diesem Glas von Wasserklarheit, Wasserlicht
und der ernsten Dunkelheit der Kanne: eine ebenso feine
wie aus sich selbst leuchtende Anordnung
die kein Lineal je ausmisst, die nur das Auge sieht.
Das papierne Weiß der Knoblauchknollen ist von demselben Licht
wie das Wasser im Glas, demselben Licht, das diesen Schimmer
aus der geschwärzten Kaffeekanne entbindet, der es auf welchen Wegen
auch immer gelungen ist, noch da zu sein, und sie hier zu finden, die                                                                                                                   Harmonie
auf dem Steinregal, das Glück der Hand und des Herzens
die Hitze zu halten und bis heute sauber und genau auszuschenken.

Deutsche Fassung von Ulrike Draesner.
Die Übersetzung entstand während des Übersetzungsworkshops VERSschmuggel im Rahmen des poesiefestival berlin 2014.

The Shelter

inglés | Robin Robertson

I should never have stayed here
in this cold shieling
once the storm passed
and the rain had finally eased.

I could make out shapes
inside, the occasional sound:
a muffled crying
which I took for wind in the trees;
a wasp,
stuttering there at the windowsill.
I listened. What looked like
a small red coat
was dripping from its wire hanger.

There was a shift and rustle
coming from the bucket in the corner
by the door; I found, inside,
a crumpled fist of balled-up paper, slowly
uncrinkling.

On the hearth, just legible
in the warm ash, my name and dates,
and above that, in a shard
of mirror left in the frame,
I caught sight of myself, wearing
something like a black brooch at the neck.
Then I looked more closely
and saw what it was.

© Pan Macmillan
from: Hill of Doors
Picador, 2013
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2014

Obdach

alemán

Ich hätte hier auf keinen Fall bleiben sollen
in dieser kalten Schutzhütte
als der Sturm sich endlich legte
und der Regen nachließ zuletzt.

Ich konnte Formen
im Inneren ausmachen, ab und an einen Laut:
ein gedämpftes Weinen
das ich für ein Wehen in den Bäumen hielt;
eine Wespe
stotternd da am Fensterbrett.
Ich lauschte. Etwas, das aussah wie
ein kleiner roter Mantel
tropfte vom Drahtbügel.

Bewegung, Geraschel
aus dem Eimer in der Ecke
nahe der Tür; ich fand, in ihm
eine geballte Faust zusammengeknüllten Papiers, die sich
langsam entknitterte.

Auf der Feuerstelle, eben noch lesbar
in der nachglühenden Asche, mein Name und meine Lebensdaten
und darüber, in einer Spiegelscherbe
die noch im Rahmen hing,
geriet ich mir selbst in den Blick
etwas wie eine schwarze Brosche am Hals.
Ich fasste es schärfer ins Auge
und begriff, was es war.

Deutsche Fassung von Ulrike Draesner.
Die Übersetzung entstand während des Übersetzungsworkshops VERSschmuggel im Rahmen des poesiefestival berlin 2014.

The Fishermen’s Farewell

inglés | Robin Robertson

Their long stares mark them apart; eyes gone
to sea-colours: grey, foam-flecked

and black in the undertow, blue
as the blue banners of the mackerel, whipping west.

On land, they are smoke-walkers, where each stone
is a standing stone, every circle a stone circle.

They would be rumour if they could, in this frozen
landscape like a stopped sea, from the great stone keels

of Callanish to the walls of Dunnottar and Drum.
They would be less even than rumour:

to be ocean-stealers, to never throw a shadow –
to dream the blank horizon and dread the sight of land.

The drink storms through these men, uncompasses
them, till they’re all at sea again.

Their houses, heeled over in the sand:
each ruin now a cairn for kites.

And down by the quay
past empty pots, unmended nets and boats:

this tiny bar, where men sleep upright
in their own element, as seals.

© Pan Macmillan
from: Hill of Doors
Picador, 2013
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2014

Die Ausfahrt der Fischer

alemán

Ihr in die Weite gerichtetes Starren sondert sie ab; in ihren Augen
spielen die Farben der See: grau, schaumgesprenkelt,

schwarz unterströmt, blau
wie die blauen Banner der Makrelenschule, blitzende Schläge westwärts.

An Land sind sie Schall und Rauch, wo jeder Stein
ein Hinkelstein ist, jeder Kreis ein Steinkreis.

Wünschten sie wären, könnten sie nur, nichts als Gerücht, in dieser                                                                                                                gefrorenen
Landschaft, diesem erstarrten Meer von den großen Steinkielen

von Callanish bis zu den Bollwerken von Dunnottar und Drum.
Wünschten sie wären weniger noch als Gerücht:

wollten Ozeandiebe sein, niemals einen Schatten werfen –
den Horizont leer träumen, tilgen alles Land.

Der Schnaps stürmt durch die Männer, lässt ihre Kompassnadel rotieren
bis samt und sonders sie wieder taumeln auf hoher See.

Ihre Häuser kippen kopfüber in den Sand:
jeder Schotterhaufen jetzt ein Steinmal für Milane.

Und unten an der Mole
hinter leeren Körben, ungeflickten Netzen und Booten:

der kleine Ausschank, wo Männer im Stehen schlafen
ganz in ihrem Element, wie Robben.

Deutsche Fassung von Ulrike Draesner.
Die Übersetzung entstand während des Übersetzungsworkshops VERSschmuggel im Rahmen des poesiefestival berlin 2014.

Annunciation

inglés | Robin Robertson

after Fra Angelico
 

He has come from the garden, leaving
no shadow, no footprint in the dew.
They hold each other’s gaze at the point
of balance: everything streaming
towards this moment, streaming away.

A word will set the seed
of life and death,
the over-shadowing of this girl
by a feathered dark.
But not yet: not quite yet.

How will she remember the silence
of that endless moment?
Or the end, when it all began –
the first of seven joys
before the seven sorrows?

She will remember the aftersong
because she is only human.
One day
she’ll wake with wings, or wake
and find them gone.

© Pan Macmillan
from: Hill of Doors
Picador, 2013
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2014

Verkündigung

alemán

nach Fra Angelico


Gekommen ist er durch den Garten, kein
Schatten fiel, kein Fuß auf Tau.
Achsen kreuzen ihre Blicke, Linien
Schwebe: alles strömt zu
diesem Augenblick, strömt fort von ihm.

Ein Wort wird den Samen ausbringen
für Leben und Tod,
die gefiederte Dunkelheit, die auch dieses
Mädchen überschatten wird.
Doch nicht jetzt: nicht schon jetzt.

Wie wird sie sich an die Stille
dieses unendlichen Augenblickes erinnern?
Oder an das Ende, als alles seinen Anfang nahm –
die erste der sieben Freuden
vor den sieben Schmerzen?

Sie wird sich erinnern an das Lied nach dem Lied
ist sie doch nicht mehr als ein Menschenkind.
Eines Tages
wird sie mit Flügeln erwachen, wird erwachen
und finden, dass sie verloren sind.

Deutsche Fassung von Ulrike Draesner.
Die Übersetzung entstand während des Übersetzungsworkshops VERSschmuggel im Rahmen des poesiefestival berlin 2014.

[Yo también estuve en un coro...]

español | Fabio Morábito

Yo también estuve en un coro,
en una voz sin grietas.
Jamás oí las voces
que debajo de esa voz
salían por una grieta, heridas.
Nunca aprendí la voz de cada rostro.
Desde que empezamos una sola voz
borró los rostros, las heridas.
Nuestro maestro sólo oía esa voz.
Pero sólo una voz herida es una voz audible.
No sé que oían los que nos oían.

© Fabio Morábito und Verlag
from: Alguien de lava
Mexico: Ediciones Era: Conaculta, 2002
Audio production: 2005, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

[Auch ich war in einem Chor...]

alemán

Auch ich war in einem Chor,
Teil einer Stimme ohne Brüche.
Nie hörte ich die Stimmen
die unter dieser Stimme
aus einem der Brüche drangen, verletzt.
Nie lernte ich die Stimmen aller Gesichter kennen.
Seit wir anfingen, löschte eine einzige Stimme
die Gesichter, die Verletzungen aus.
Unser Leiter hörte nur diese Stimme.
Aber nur eine verletzte Stimme ist eine hörbare Stimme.
Ich weiß nicht, was jene hörten, die uns hörten.

Aus dem Spanischen auf der Grundlage von Interlinearversionen übertragen von Ulrike Draesner

[Si te revuelca la ola...]

español | Fabio Morábito

Si te revuelca la ola
procura que sea joven,
esbelta, ardiente,

te dejará molido el cuerpo
y el corazón más grande;

cuídate de las olas
retóricas y vejas,
de las olas con prisa,

y la peor de todas,
de la ola asesina,

la ola que regresa.

© Fabio Morábito und Verlag
from: Lotes baldíos
Mexico: FCE (Fondo de cultura económica), 1984
Audio production: 2005, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

[Wenn die Welle dich niederwirft...]

alemán

Wenn die Welle dich niederwirft
achte darauf, daß sie jung ist,
geschmeidig, feurig,

sie zermalmt dir den Körper
und macht größer dein Herz;

hüte dich vor Wellen,
rhetorischen und alten,
vor Wellen, die hasten

und vor der schlimmsten,
der Welle, die tötet,

der Welle, die wiederkehrt.

Aus dem Spanischen auf der Grundlage von Interlinearversionen übertragen von Ulrike Draesner

[Se elige el agua...]

español | Fabio Morábito

Se elige el agua
que se quiere hervir,
se abre la llave y se observa.
Cuando aparece el agua que se busca,
se pone el recipiente abajo de la llave,
se llena al gusto,
después se lleva el agua a calentar,
se abre la llave de la estufa,
sale la llama y se observa
hasta que aparezca el fuego que se busca.

© Fabio Morábito und Verlag
from: Alguien de lava
Mexico: Ediciones Era: Conaculta , 2002
Audio production: 2005, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

[Man wähle das Wasser...]

alemán

Man wähle das Wasser,
das man kochen will,
öffne den Hahn und beobachte.
Erscheint das Wasser, das man sucht,
stelle man ein Gefäß unter den Hahn,
fülle es nach Belieben,
stelle das Wasser hoch auf den Herd,
drehe den Gashahn hoch,
die Flamme schießt auf und man beobachte
bis das Feuer erscheint, das man sucht.

Aus dem Spanischen auf der Grundlage von Interlinearversionen übertragen von Ulrike Draesner

[Puusepän höylässä kihartuvat lastut]

finés | Merja Virolainen

Puusepän höylässä kihartuvat lastut,
neula upottaa kerratun langan
pisto pistolta kankaaseen.
Pian musliinilla polveilee kärhi,
savi dreijalla paljastuu
pyörähdys pyörähdykseltä enemmän maljaksi.
Joka solun ytimessä
yhtyy emäs spiraaliksi emäkseen,
veri joka kierroksellaan huuhtoo
vaatimattominta satamaa:
laivat purkavat lastinsa,
matkustajat vaihtuvat,
vanavedessä kieppuvat
Malariae, Babesia, Borrelia, Ebola.
Laiva laivan jälkeen rantautuu,
ruuma tyhjennetään, lastataan.
Ne tuovat hippusen Panamaa,
toisen Assamia, Madeiraa,
banaani ja tee ja viini ja Lopen peruna
tanssivat orgioitaan satamieni räkälöissä,
rakastavat, saavat lapsia:
kynteni kasvavat
samaa vauhtia kuin mannerlaatat
omassa tanssissaan kiertyvät
toisistaan pois ja toisiaan kohti,
Atlantin pohja repeää,
tuli suihkuaa meren syvänteissä,
maanosan toisella laidalla
vuoret vavahtavat, kallio käpristyy,
järistys viskaa ilmaan kylän,
kourallisen lastuja.

© Merja Virolainen
from: Pilvet peittävät sisäänsä pilvet. Poems
Helsinki: Tammi, 2000
Audio production: 2001 M.Mechner, literaturWERKstatt berlin

[Am Hobel des Zimmermanns ringeln sich Späne]

alemán

Am Hobel des Zimmermanns ringeln sich Späne,
gedrillten Faden führt die Nadel
Stich um Stich in den Stoff.
Bald schlängelt auf dem Musselin sich die Ranke,
der Ton auf der Scheibe stellt von Drehung
zu Drehung mehr als Kelch sich dar.
Im Kern jeder Zelle vereint
zur Spirale sich Base mit Base,
das Blut bei jedem Umlauf spült
den runtergekommensten Hafen noch:
Schiffe löschen ihre Last,
die Passagiere wechseln,
im Kielwasser wirbeln
Malaria, Babesia, Borrelia, Ebola.
Schiff um Schiff legt an,
wird geleert, gefüllt.
Eine Prise Panama bringen sie,
ein wenig Assam, Madeira,
Banane und Tee und Wein und Loppi-Kartoffel
tanzen ihre Orgien in meinen Hafenspelunken,
lieben sich, kriegen Kinder:
meine Nägel wachsen im selben
Tempo wie die Kontinentalplatten
in ihrem Tanz sich drehen
voreinander weg, aufeinander zu,
der Grund des Atlantiks reißt auf,
Feuer sprüht aus den tiefsten Gräben des Meeres,
am anderen Ende des Erdteils
erzittern Gebirge, krümmen Gesteine sich auf,
ein Beben schleudert - eine Handvoll Späne -
ein Dorf in die Luft.


Nachdichtung: Ulrike Draesner


© Ulrike Draesner



[pourtant la vie les a rassemblés]

francés | Tanella Boni

pourtant la vie les a rassemblés
la vie voulait faire d’eux
une pâte à modeler
modèle de vie à deux

un seul cœur
un seul corps
un temps une voix uniques
à vue d’œil
le Temps a mal dit
ses contes
le Temps a chiffré
une humeur de trop
l’humeur-fleuve de patience
l’humeur-fiel d’espérance
fleur de loyauté
qui libère la vie
des ombres invisibles
toiles d’araignées vivantes
ombres assassines
du cœur ensoleillé

© L ‘Harmattan
from: Chaque jour l’espérance
Paris: L ‘Harmattan , 2002
Audio production: 2002, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

[trotz allem hat das leben sie]

alemán

trotz allem hat das leben sie
zusammengeschweißt das leben
wollte modelliermasse aus ihnen machen
das modell eines lebens zu zweit
 
ein einziges herz
ein einziger körper
zeit und stimme einzigartig
auf den ersten blick
die Zeit hat uns etwas
falsches erzählt
die Zeit hat eine stimmung
zuviel gezählt
die fließende stimmung der geduld
die gallige stimmung der hoffnung
blume der loyalität
die das leben befreit
von unsichtbaren schatten
lebendigen spinnennetzen
mörderischen schatten
des sonnegerichteten herzens

Übersetzt von Ulrike Draesner

[parole et souffrance muettes]

francés | Tanella Boni

parole et souffrance muettes
dites en deux mots
en trois maux dites
et libérons les cœurs
libérez la souffrance
la patience de la peau
espace carcéral où agonise
l’émotion
à chaque soupir

mais l’émotion salue le grand air
à tout vent
depuis les sommets
jusqu’au royaume de l’herbe folle
l’émotion vogue par-dessus la mer
vagues et bateaux en poèmes
mots-consolation
sur une plage de sable
mots ingénus
et papillons éphémères
dans l’herbe verte et lumineuse
les mots abandonnent le cœur
à sa souffrance première
à sa patience de femme
immensément patiente

© L ‘Harmattan
from: Chaque jour l’espérance
Paris: L ‘Harmattan , 2002
Audio production: 2002, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

[gesagtes und leiden stumm]

alemán

gesagtes und leiden stumm
in zwei worten genannt
in drei schmerzen gebannt
und lasst uns die herzen befreien
befreit das leiden
die geduld der nackten haut
diesem kerkerhaften raum wo
das gefühl
bei jedem seufzer
mit dem tod ringt
 
aber das gefühl grüßt die freie luft
offen in alle richtungen
von den gipfeln bis zum königreich der wilden kräuter
das gefühl schaukelt auf dem meer
wellen und boote in gedichten
tröstliche worte
auf einem sandstrand
unbefangene worte
und vergängliche schmetterlinge
im grünen leuchtenden gras
die worte überlassen das herz
seinem ersten leiden
seiner weiblichen geduld
so unglaublich geduldig

Übersetzt von Ulrike Draesner

[Para que se fuera la mosca...]

español | Fabio Morábito

Para que se fuera la mosca
abrí los vidrios
y continué escribiendo.
Era una mosca chica,
no hacía ruido,
no me estorbaba en lo más mínimo,
pero tal vez empezaría
a zumbar.
Un aire frío,
suave,
entró en el cuarto;
no me estorbaba en lo más mínimo,
pero no se llevaba
con mis versos.
Cambié mis versos,
los hice menos melodiosos,
quité los puntos,
los materiales de sostén,
las costras adheridas.
Miré la mosca adolescente y gris,
sin experiencia;
no se movía del mismo punto,
tal vez
buscaba entrar en la corriente
de las moscas,
buscaba a su manera unas palabras mágicas.
Rompí mis versos,
a fuerza de quitarles costras
habían quedado ajenos.
Fui a la ventana,
por un momento
todo lo vi como una mosca,
el aire impracticable,
el mundo impracticable,
la espera de un resquicio,
de una blandura
y del valor
para atreverse.
Fuimos el mismo adolescente gris,
el mismo que no vuela.
¿Qué versos que calaran hondo
no venían,
de esos que nadie escribe,
que están escritos ya,
que inventan al poeta que los dice?
Porque los versos no se inventan,
los versos vienen y se forman
en el instante justo de quietud
que se consigue,
cuando se está a la escucha
como nunca.

© Fabio Morábito und Verlag
from: Alguien de lava
Mexico: Ediciones Era: Conaculta, 2002
Audio production: 2005, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

[Dass die Fliege verschwinde...]

alemán

Dass die Fliege verschwinde
öffnete ich die Fenster
und setzte mich wieder ans Schreiben.
Es war eine kleine Fliege,
sie machte keinen Lärm,
sie störte mich nicht im geringsten,
aber vielleicht hätte sie angefangen
zu summen.
Eine kalte Luft
weich
wehte ins Zimmer
sie störte mich nicht im geringsten,
aber es zeigte sich, dass sie sich
mit meinen Versen nicht vertrug.
Ich änderte meine Verse,
machte sie weniger melodiös,
entfernte die Punkte,
das unterstützende Material,
die haftenden Krusten.
Ich schaute auf die halbwüchsige und graue Fliege,
die Unerfahrene,
sie bewegte sich nicht von ihrem Punkt,
vielleicht
versuchte sie, in die Strömung
der Fliegen zu gelangen,
suchte auf ihre Weise einige magische Worte.
Ich zerbrach meine Verse,
weil ich immer wieder die Krusten entfernte,
waren sie mir fremd geworden.
Ich ging ans Fenster,
für einen Augenblick
sah ich alles wie eine Fliege,
die unwegsame Luft,
die unwegsame Welt,
das Warten auf einen Ausweg,
eine nachgiebige Stelle,
und den Mut
sich zu trauen.
Wir waren derselbe graue Halbwüchsige,
der eine, der nicht flog.
Welche Verse, die tief reichen,
kamen nicht,
von jenen, die keiner schreibt,
die schon geschrieben sind,
die den Dichter erfinden, der sie sagt?
Denn Verse werden nicht erfunden
Verse kommen und bilden sich
in exakt jenem Augenblick der Stille,
den man erreicht,
wenn man sich dem Hören überlässt
wie nie zuvor.

Aus dem Spanischen auf der Grundlage von Interlinearversionen übertragen von Ulrike Draesner

[non (arrêtons le cirque)]

francés | Tanella Boni

non
arrêtons le cirque
la vie n’est pas un char d’assaut
qui tire sur les parcelles de bonheur
sur tout ce qui respire l’air du grand large
j’aime la chanson des clairs sommets
de l’aurore au crépuscule
là où l’étoile caresse l’herbe
qui s’est trompée de terre
l’herbe étrangère
qui salue les grands vents
et la lune câline

les galaxies se moquent des manigances
des vos mains de terre plate
car la mer sait
que la terre se métamorphose en eau de vie
en air de tendresse
pour arroser les parcelles les plus arides
les fleurs de tous les cœurs
en souffrance

© L ‘Harmattan
from: Chaque jour l’espérance
Paris: L ‘Harmattan , 2002
Audio production: 2002, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

[nein (schluß mit diesem quatsch)]

alemán

nein
schluß mit diesem quatsch
das leben ist kein panzer
der schießt auf die parzellen des glückes
auf alles was sich im freien bewegt
ich liebe das lied der hellen gipfel
zwischen morgenröte und dämmerung
dort wo der stern das gras streichelt
das sich in der erde geirrt hat
das fremde gras
das stürme begrüßt
und den zärtlichen mond

die galaxien machen sich lustig über die kniffe
eurer hände der flachen erde verhaftet
denn das meer weiß
dass die erde sich in wasser des lebens verwandelt
in luft der zärlichkeit
um ausgedörrte parzellen zu bewässern
die blumen aller herzen
die leiden

Übersetzt von Ulrike Draesner

[Miramos largamente el mar...]

español | Fabio Morábito

Miramos largamente el mar
después del pleito, sin hablarnos.
No la pasamos bien en Cádiz
esos dos días.
Sentí al decir que no quería
tener un hijo por ahora,
que había llegado a un punto divisorio.
Por vez primera fui muy claro.
Adiós ambigüedad,
me dije, bien precioso,
ya comenzó la cuenta regresiva.
Supe que existirías,
que era cuestión de tiempo.
Si iba a seguir con ella, claro.
Si iba a seguir contigo, en suma.
Y ella también,
después de arrinconarme
entre su ser y el mar, lo supo,
el mar que nos quedamos,
después del pleito,
mirando largamente sin hablarnos.
No la pasamos bien en Cádiz
esos dos días.
Ve alguna vez a Cádiz
junto al mar, sin nadie,
y mira el mar como nosotros lo miramos
y fúmate un cigarro, absorto, y piensa
que estás donde empezaste.

© Fabio Morábito und Verlag
from: Alguien de lava
Mexico: Ediciones Era: Conaculta , 2002
Audio production: 2005, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

[Lange betrachteten nach dem Streit wir...]

alemán

Lange betrachteten nach dem Streit wir
das Meer, ohne miteinander zu sprechen.
Keine gute Zeit für uns, diese zwei Tage
in Cadiz.
Ich sagte, dass ich kein Kind wolle
jetzt, und spürte, das war
der Scheidepunkt.
Zum ersten Mal wurde ich sehr klar.  
Adieu, Zweideutigkeit,
sagte ich mir, du kostbares Gut,
der Countdown hat schon begonnen.
Ich wusste, dass du leben würdest,
dass es nur eine Frage der Zeit war.
Wenn ich weiterhin bei ihr blieb, klar.
Wenn ich weiterhin bei dir blieb, eigentlich.
Und auch sie wusste es,
nachdem sie mich in die Enge getrieben hatte
zwischen ihrem Wesen und dem Meer,
dem Meer, das wir
nach dem Streit
noch lange betrachteten ohne miteinander zu sprechen.
Keine gute Zeit für uns, diese zwei Tage
in Cadiz.
Geh irgendwann nach Cadiz
ans Meer, allein,
und betrachte das Meer, wie wir es betrachteten,
rauch eine Zigarette, versunken, und denke
dass du da bist, wo du angefangen hast.

Aus dem Spanischen auf der Grundlage von Interlinearversionen übertragen von Ulrike Draesner

[Mi padre siempre trabajó en lo mismo...]

español | Fabio Morábito

Mi padre siempre trabajó en lo mismo.
Él tan voluble,
que entró y salió de tantas compañías,
toda la vida trabajó en el plástico,
tal vez porque nació donde no había montañas,
en un país que no era el suyo,
y lo sedujo una materia así,
desmemoriada de su origen,
que sabe regresar a su contorno
como el cuerpo
y que se saca de lo más profundo: del petróleo,
donde se borran los países.
Porque mi padre aprecia,
en las personas y las cosas,
que sean flexibles.
Ajeno a las verdades que se empinan
y a los esfuerzos y rodeos
con que la savia aprende su camino,
poco proclive a la madera y a los credos,
a todo lo que pierde humor
y gana arrugas,
nació en la orilla de un desierto
donde la falta de relieves disuadía
de concienzudas búsquedas del alma.
Tal vez por eso lo sedujo el plástico,
que viene de lo más profundo,
del último escalón del mundo
que alcanzamos,
de donde sube el sueño de una vida
adolescente y mágica,
irrompible,
sin esos nudos que en la superficie
delatan un penoso crecimiento.
Lo que nos viene
de lo más profundo,
nos viene como un soplo
o como un sueño,
y a los que me inquirían
sobre qué hacía mi padre,
toda la vida contesté:
trabaja en materiales plásticos,
como una fórmula esotérica.
¿Toda la vida yo también
trabajaré en lo mismo,
en la escritura,
en la palabra plástica y no rígida,
que es la palabra que se saca de lo más profundo?
¿De qué petróleo íntimo
nos salen las palabras que escribimos
y a qué profundidad
brota el estilo sin esfuerzo?
¿Qué tan al fondo
están las gotas de lenguaje
que nos curan
y nos redimen de la superficie
hablada?
Voluble como él, nacido
donde le tocó nacer,
busco lo mismo: una lisura que no existe,
una materia fácil como un soplo,
algo que dicho y repetido no se arrugue
y vuelva exactamente a su contorno.

© Fabio Morábito und Verlag
from: Alguien de lava
Mexico: Ediciones Era: Conaculta, 2002
Audio production: 2005, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

[Mein Vater arbeitete immer das Gleiche...]

alemán

Mein Vater arbeitete immer das Gleiche.
Er, der so rastlos war,
der bei so vielen Unternehmen eintrat, austrat,
arbeitete sein ganzes Leben lang mit Kunststoff,
vielleicht weil er geboren wurde, wo es keine Berge gab,
in einem Land, das nicht das seine war,
und ihn ein Stoff verführte,
der seinen Ursprung vergisst,
aber versteht, zu seiner Form zurückzukehren
wie der Körper
und geschöpft wird aus tiefster Tiefe: dem Erdöl,
dort, wo Länder nicht existieren.
Denn mein Vater schätzte
Beweglichkeit
an Menschen wie Dingen.
Fremd waren ihm Wahrheiten, die sich erheben,
und die Mühen und Umwege,
dank derer Pflanzensaft seinen Weg findet,
wenig neigte er zu Holz und Glaubensbekenntnissen,
allem, was Humor verliert
und sich mit Falten ziert,
geboren am Ufer einer Wüste,
wo das Fehlen aller Unebenheiten fernhält
von den feinen Suchbewegungen der Seele.
Deswegen vielleicht verführte ihn der Kunststoff,
der aus tiefster Tiefe kommt,
der letzten Stufe der Welt,
die wir erreichen,
wo der Traum eines Lebens aufsteigt,
jugendlich und magisch,
unzerbrechlich,
ohne diese Knoten, die an der Oberfläche
schmerzliches Wachstum verraten.
Was zu uns kommt
aus der tiefsten Tiefe
kommt uns zu wie ein Hauch
oder ein Traum,
und jenen, die nachbohrten,
was mein Vater denn machte,
antwortete ich ein Leben lang:
„er arbeitete mit Kunststoffen“,
wie eine esoterische Formel.
Werde auch ich das ganze Leben
das Gleiche arbeiten
vertieft ins Schreiben,
in das plastische, nicht starre Wort,
jenes Wort, geschöpft aus tiefster Tiefe?
Aus welchem innerem Erdöl
fließen uns die Worte an, die wir schreiben,
und in welcher Tiefe
blüht ein ungezwungener Stil?
Wie tief am Grunde
liegen die Tropfen der Sprache,
die uns heilen
und erlösen von der Oberfläche,
die sich spricht?
Rastlos wie er, geboren,
wo der Zufall es wollte,
suche ich das Gleiche: eine Glätte, die es nicht gibt,
einen Stoff, einfach wie ein Hauch,  
etwas, das gesagt und wiederholt, sich nicht faltet
und exakt zurückkehrt in seine Form.

Aus dem Spanischen auf der Grundlage von Interlinearversionen übertragen von Ulrike Draesner

[la parole est le chiffre du conte]

francés | Tanella Boni

la parole est le chiffre du conte
pourvu que les mots me viennent en silence
j’invoque l’esprit des mots
tous les matins à l’heure où ma mémoire
raconte à la terre
la trahison du Temps qui chemine
sur le sol de ma peau
aux racines rhizomes
sur le paysage mouvant
qui conte ses grains de sable

je ne sais plus
si mes yeux m’appartiennent encore
mes yeux habitent parmi les larmes
les gouttes de pluie les mottes de sel
les larmes racontent nuit et jour
à l’auréole de mon ombre
ce que l’émotion a perdu
depuis le dernier voyage
en compagnie de ta solitude seule
ta solitude de bel homme
aux pas de feu au sourire d’étoile
ta solitude fière comme la mer infinie
la mer royaume de toute souffrance
des rescapés de l’histoire

© L ‘Harmattan
from: Chaque jour l’espérance
Paris: L ‘Harmattan , 2002
Audio production: 2002, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

[das wort ist die zahl der erzählung]

alemán

das wort ist die zahl der erzählung
vorausgesetzt daß wörter mir in stille kommen
ich rufe den geist der sprache an
jeden morgen zur stunde in der mein gedächnis
der erde vom verrat
der Zeit erzählt die vordringt
auf dem boden meiner haut
zu den rhizomatischen wurzeln
in der wandernden landschaft
die die körner zählt ihres sandes
 
ich weiß nicht mehr
ob mir meine augen noch gehören
meine augen inmitten von tränen
tropfen des regens klumpen des salzes
tag und nacht erzählen die tränen
der gloriole meines schattens
was das gefühl verloren hat
seit der letzten reise
in begleitung deiner einzigen einsamkeit
der einsamkeit des schönen mannes
mit den schritten wie feuer dem lächeln eines sterns
deiner einsamkeit stolz wie das meer ohne grenzen
das meer königreich all des leids
der überlebenden der geschichte

Übersetzt von Ulrike Draesner

[Kun kuu värjää kaupungin, kristalli välkkyy...]

finés | Olli Heikkonen

Kun kuu värjää kaupungin, kristalli välkkyy
ja poreilee kirpeä juoma.
Ilta ripottaa tähdet lammikoiden pintaan.
Jään ylle leviää silkkinen viitta.
Tämä näky lumoaa meidät
kaksi hiljaista, höyryävää suuta.
Tämä on humala ilman viinaa, umpihumala tähtien soidessa,
tämä on juhlahetki avaruuden laidalla,
jalkojen alla fossiilien kohina.
Siis juokaamme malja: enää painovoima ei päde,
ja höyry saa kätkeä meidät.

© Olli Heikkonen
from: Jakutian aurinko
Helsinki: TAMMI, 2000
ISBN: 951-31-1785-5
Audio production: 2001, M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

[Taucht der Mond die Stadt in sein Licht, blinkt das Kristall...]

alemán

Taucht der Mond die Stadt in sein Licht, blinkt das Kristall
und es perlt das herbe Getränk.
Sterne streut der Abend auf die Tümpel.
Über das Eis breitet sich ein seidenes Cape.
Dieser Anblick bezaubert uns,
vier stille Lippen, Atem vorm Mund.
Trunken sind wir ohne Schnaps, volltrunken vom Klang der Sterne,
dieser Augenblick, so schön, am Rand des Alls,
unter den Füßen das Rauschen der Fossilien.
Laßt uns trinken darauf: die Schwerkraft ist aufgehoben
und der Atem darf uns verbergen.

Nachdichtung von Ulrike Draesner
© by Ulrike Draesner

[je ne sais par quel chemin de traverse]

francés | Tanella Boni

je ne sais par quel chemin de traverse
arriver au sommet du poème
par liens et par mots
je t’envoie une lettre muette
comme toutes celles à toi
adressées cette année
ma parole restera lettre morte
j’en fais de l’humus
pour l’humanité à bâtir
ne sois pas étonné
que demain je chante
un jour nouveau
car le cri de l’espérance
chaque jour frappe à ma porte
montre des abysses marines
vers la lampe de chevet des étoiles
amies éternelles
car les étoiles taillent nos mots de terre
en émotions d’astre

© L ‘Harmattan
from: Chaque jour l’espérance
Paris: L ‘Harmattan , 2002
Audio production: 2002, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

[ich weiß nicht auf welch verstecktem pfad]

alemán

ich weiß nicht auf welch verstecktem pfad
ich den gipfel des gedichtes erreichen kann
durch verbindungen und durch worte
ich schicke dir einen stummen brief
wie alle an dich adressierten
briefe dieses jahres wird
was ich sage ohne antwort bleiben
ich mache humus daraus
um die menschlichkeit zu förder
sei nicht erstaunt
daß ich morgen singe
ein neuer tag
denn der schrei der hoffnung
klopft jeden tag an meine tür
steigt von den abgründen des meeres
zur nachttischlampe der sterne
ewigen freunden
weil sterne unsere irdischen worte
übersetzen ins fühlen der gestirne

Übersetzt von Ulrike Draesner

[Jää vääntyy paasiksi rantaan. Maailman reuna, sanottiin...]

finés | Olli Heikkonen

Jää vääntyy paasiksi rantaan. Maailman reuna, sanottiin,
mutta nyttemmin kuulee myös muuta. Voimalinjat surisevat
ja raidetta vedetään. Metsä kivettyy ja kansat kastetaan liittoon.
Puujumala risahtaa. Se poltetaan Kansan torilla, sillä uusi jumala
on jo valittu. Maa kaapeloidaan ja valjastetaan, mutta kiitos
viimeisestä, paperi on vihreää, puu mustaa, mitä muuta
halusit tietää. Lumi kohisee. Vesi kolahtaa putkeen.
Eilen naapuri halkaisi lantun ja ojensi puolikkaan. Koversin sen.
Sydämen söimme. Itkin vain hiukan kun näin auringon.

© Olli Heikkonen
from: Jakutian aurinko
Helsinki: TAMMI, 2000
ISBN: 951-31-1785-5
Audio production: 2001, M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

[Eisschollen schieben zum Ufer, türmen sich auf. Das Ende der Welt, sagte man...]

alemán

Eisschollen schieben zum Ufer, türmen sich auf. Das Ende der Welt, sagte man,
aber neuerdings hört man auch anderes. Starkstromleitungen summen,
man verlegt Gleise. Wald versteinert und Völker werden in eine Union getauft.
Der Gott aus Holz knackt. Auf dem Platz des Volkes verbrennt man ihn, denn der neue Gott
ist schon gewählt. Verkabelt wird das Land und angeschirrt, aber danke
für neulich, Papier ist grün, Holz schwarz, was sonst noch wolltest
du wissen. Der Schnee rauscht. Das Wasser knallt ins Rohr.
Gestern spaltete der Nachbar eine Steckrübe und überreichte mir die Hälfte. Ich höhlte sie aus.
Wir aßen das Herz. Ich weinte nur wenig, als ich die Sonne sah.

Nachdichtung von Ulrike Draesner
© by Ulrike Draesner


[cette parole dite]

francés | Tanella Boni

cette parole dite
est une eau de source parfumée
eau-gingembre eau-ananas eau-citron
parole d’un beau roman
qui jamais ne s’écrira
à quatre mains
à deux voix
à deux souffles liés en gerbes
arc-en-ciel
les deux souffles sont des îles
voisines dans l’océan
de la vie
les deux souffles s’oublient
se désirent
au même endroit
séparément

© L ‘Harmattan
from: Chaque jour l’espérance
Paris: L ‘Harmattan, 2002
Audio production: 2002, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

[all diese worte]

alemán

all diese worte
sind wasser aus einer aromatischen quelle
ingwerwasser ananaswasser zitronenwasser
worte eines schönen romans
der nie geschrieben wird
zu vier händen
in zwei stimmen
in zwei atemzügen gebunden zu einem strauß
regenbogen
die beiden atemzüge sind benachbarte
inseln im ozean
des lebens
die beiden atemzüge vergessen sich
begehren sich
am selben ort
jeder für sich

Übersetzt von Ulrike Draesner

[écrire le cri]

francés | Tanella Boni

écrire le cri
la vie
une chanson promise à la mer
au premier matin du monde
le cri sourd d’un cœur de femme
le cri colère quotidienne
gravit la montagne du mot
en rythmes et poèmes
tripes et voix
lianes et liens

mille attaches meurent
à l’ombre de soupirs
mille attaches manquent
une rencontre
tirent leur révérence
croisée en étincelle

liens brisés parmi le chaos
morceaux épars
débris à coller au corps
dedans le cœur agonise
ô miracle un nouveau départ
se dessine
silhouette au vent
la silhouette salue l’aurore
chemin infiniment beau
de l’éternité à risque
à très haut risque
la vie à deux

© L ‘Harmattan
from: Chaque jour l’espérance
Paris: L ‘Harmattan , 2002
Audio production: 2002, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

[den schrei schreiben]

alemán

den schrei schreiben
das leben
ein lied versprochen dem meer
am ersten morgen der welt
der schrei stumm aus dem herzen einer frau
der schrei alltägliche wut
erklimmt das gebirge der worte
in rhythmus und gedicht
eingeweide und stimme
liane und liaison
 
tausend bindungen sterben
im schatten von seufzern
tausend bindungen machen
noch keine begegnung
von der bühne treten sie
wie ein blitz
 
liaison zerbrochen im chaos
stücke verstreut
scherben, zu kleben am körper
drinnen das herz in tödlichem kampf
o wunder ein neuer anfang
zeichnet sich ab
silhouette im wind
die silhouette grüßt die morgenröte
unendlich schöner weg
einer ewigkeit bei hohem risiko
sehr hohes risiko
das leben zu zweit

Übersetzt von Ulrike Draesner

Verden satt sammen

noruego | Torgeir Rebolledo Pedersen

Tre inn i ettertankens katedral og knele for den
kjensgjerning at kjeks er kjød, at vin er blod
og nedstigne oppstandne i en annen verden:
Fjellet satt sammen sti for sti stein for stein
bekk for bekk stryk for stryk fall for fall
Engene satt sammen duft for duft blomst for blomst
rotsystem for rotsystem, byene satt sammen gate
for gate rennestein for rennestein brostein for
brostein (selve gatas legeme satt sammen, kobbelet
satt sammen) bikkje for bikkje bjeff for bjeff
Kattene satt sammen pote for pote mjau for mjau
Guttene satt sammen kjærtegn for kjærtegn
Jentene satt sammen kjærtegn for kjærtegn
Og guttene og jentene satt sammen, folk satt
sammen øye for øye tann for tann (verden tatt fra
hverandre) og gitt oss i en annen verden til
hverandre

© Forlaget Oktober
from: Blåveisfra
Oslo: Forlaget Oktober, 1998
Audio production: 2007, Skrivekunst-akademiet i Hordaland

Welt, zusammengesetzt

alemán

Tritt in die Kathedrale des genaueren Nachdenkens und knie nieder
vor der Tatsache dass Brot Fleisch ist dass Wein Blut
dass Hinabgestiegene Auferstandene sind in einer anderen Welt:
dieser Berg zusammengesetzt Steig um Steig, Stein um Stein
Bach um Bach Schnelle um Schnelle Gefälle um Gefälle
Diese Wiesen zusammengesetzt Duft um Duft Blüte um Blüte
Wurzelwerk um Wurzelwerk diese Städte zusammengesetzt Straße
um Straße Gosse um Gosse Pflasterstein um
Pflasterstein (der Körper eben dieser Straßen zusammengesetzt, Katzenköpfe
zusammengesetzt) Katze um Katze Miau um Miau
Diese Köter zusammengesetzt Pfote um Pfote Gebell um Gebell
Diese Jungen zusammengesetzt Liebkosung um Liebkosung
Diese Mädchen zusammengesetzt Liebkosung um Liebkosung
Und diese Jungen und diese Mädchen zusammengesetzt Menschen zusammen-
gesetzt Auge um Auge Zahn um Zahn (die Welt auseinander
genommen) und in einer anderen Welt uns gegeben füreinander

Aus dem Norwegischen von Ulrike Draesner

Verden i hvitt

noruego | Torgeir Rebolledo Pedersen

Hverdagene
slik de slår rot

Høytidene slik de får fot
og stjerner i toppene

stedet blir til mens man står
verden blir til mens det snør

Gårsdagens grove trekk glattet ut
Verden ligger og venter

Lengter etter å bli erfart
Lengter kanskje etter mitt skispor

Eller er det mine ski som lengter
etter å legge verden for sine tupper

Verden som kan vinnes
av hvem det måtte være

Pokalen Verden
Vandrende

© Forlaget Oktober
from: Geitehjerte
Oslo: Forlaget Oktober, 2006
Audio production: 2007, Skrivekunst-akademiet i Hordaland

Welt in Weiß

alemán

Wochentage
wie sie Wurzeln schlagen

Festtage wie sie Tannen richten
und Sterne in den Wipfeln tragen

der Ort entsteht während man steht
die Welt entsteht während es schneit

Die groben Züge des gestrigen Tages werden geglättet
Wartend liegt die Welt

Sehnt sich danach erfahren zu werden
Sehnt sich nach meiner Skispur vielleicht

Oder sind es meine Ski die sich danach sehnen
die Welt unter ihre Spitzen zu nehmen

Die Welt die von wem auch immer
gewonnen werden kann

die Welt ein
Wanderpokal

Aus dem Norwegischen von Ulrike Draesner

Stille samles skyene

noruego | Torgeir Rebolledo Pedersen

Stille samles skyene
Stille gjetes de

Stille gresser de seg grå
Stille stuper de

Tusner dråper stuper
Stille samles regnet inn

Stille flyter elvene
Stille flyter Chuna i Angara

Stille flyter Angara i Jenisei
Stille flyter Luvua i Lualaba

Stille flyter Mississippi slikker
sine bredders sår

Stille flyter hun i landskapet
Favner det med kjærlige meandere

Stille kommer elvene
avlingen til unnsetning

Stille kommer kornet
Stille hvisker elvene

Stinkende av liv
Duftende av død

Stille samles det
Alt vi tror på

Alt vi tror med
Stille stiger det

Stille samles skyene
Stille gjetes de

Stille gresser de seg grå

© Forlaget Oktober
from: Geitehjerte
Oslo: Forlaget Oktober, 2006
Audio production: 2007, Skrivekunst-akademiet i Hordaland

Leise sammeln sich die Schäfchenwolken

alemán

Leise sammeln sich die Schäfchenwolken
Leise werden sie gehütet

Leise grasen sie sich grau
Leise fallen sie

Tausend Tropfen fallen
Leise sammelt sich der Regen

Leise steigen die Flüsse
Leise fließt die Tschuna in die Angara

Leise fließt die Angara in den Jenissei
Leise fließt der Luvua in den Lualaba

Leise fließt der Mississippi
leckt sich seine weiten Wunden

Leise fließt er durch die Landschaft
umarmt sie zärtlich in Mäandern

Leise kommen die Flüsse
der Ernte zu Hilfe

Leise kommt das Korn
Leise sprechen die Flüsse

Stinken von Leben
Duften von Tod

Leise sammelt sich
Woran wir glauben

Wodurch wir glauben
Leise steigt es

Leise sammeln sich die Schäfchenwolken
Leise werden sie gehütet

Leise grasen sie sich grau

Aus dem Norwegischen von Ulrike Draesner

Som tidene skifter

noruego | Torgeir Rebolledo Pedersen

I tilfelle dåp eller død
Ettersom lys faller inn eller ut

Ettersom tidene skifter fra drøm til dag
i demringers garderober

Ettersom tidene skifter
fra søvnsnakk til tale

Ettersom rommet skifter
Ettersom tall tar ordet

Taler om tårn som skal komme
om blikk som skal briste

Om hjerter som skal henrykkes
Om sekter som skal følge sekters gang

Om hoder som skal henrulle
Om tårn som skal falle

I regnskapets time
Om tall som skal klekkes og knuses

I tilfelle død eller dåp
har tiden en kjole et sted

Slik lyset
har sakristi i prismet

Der et nesten usynlig skinn kryper inn
og stiger ut i fulle pontefikalier

© Forlaget Oktober
from: Geitehjerte
Oslo: Forlaget Oktober, 2006
Audio production: 2007, Skrivekunst-akademiet i Hordaland

Wie sich die Zeiten ändern

alemán

Im Falle von Taufe oder Tod
Wenn das Licht einstrahlt oder ausstrahlt

Wenn die Zeiten sich ändern von Traum zu Tag
in den Kleiderkammern der Dämmerung

Wenn die Zeiten sich ändern
vom Gemurmel des Schlafs zu Sprache

Wenn die Räume sich ändern
Wenn die Zahlen das Wort ergreifen

Über Türme sprechen die kommen
Über Blicke die zerspringen

Über Herzen die hingerissen werden
Über Sekten die dem Lauf der Sekten folgen

Über Köpfe die rollen
Über Türme die fallen

In der Stunde der Abrechnung
über Zahlen die bebrütet werden oder verhütet

Im Falle von Taufe oder Tod
hält irgendwo die Zeit ein Kleid bereit

Wie das Licht
sich das Prisma hält als Sakristei

in die ein kaum sichtbarer Schimmer fällt
kriecht und aufsteigt in geistlicher Tracht

Aus dem Norwegischen von Ulrike Draesner

Som folkflest (blåveisfra) der folkfærrest er fra

noruego | Torgeir Rebolledo Pedersen

Jeg er som folkflest, småkårsfra
og nøkkelen til meg har du
Et vennlig smil
litt ros, litt måneskinn
i ny og ne, en bue en bunt
solstråler i koggeret
Stråler nok å treffe meg med

Jeg er som folkflest, barfrostfra
I evighetens perspektiv
et flyktig folk
Derfor har jeg dekkblader
Dekkblader som innebærer
hvemsomhelst og
kronblader som åpenbarer meg

© Forlaget Oktober
from: Blåveisfra
Oslo: Forlaget Oktober, 1998
Audio production: 2007, Skrivekunst-akademiet i Hordaland

Wie Diemeisten (blaublumweit) woher Diewenigsten sind

alemán

Ich stamme wie Diemeisten aus einfachen Verhältnissen
und den Schlüssel zu mir hast du
Ein freundliches Lächeln
kleines Lob, kleiner Mondenschein
mal an mal aus, ein Bogen, ein Bündel
Sonnenstrahlen im Köcher
Strahlen genug, mich zu treffen damit

Ich komme wie Diemeisten aus frostiger Kälte
Vom Standpunkt der Ewigkeit
ein vergängliches/hinfälliges Völkchen
Daher habe ich Kelchblätter
Kelchblätter, die Wenauchimmer
umschließen, und
Kronblätter, die mich offenbaren

Aus dem Norwegischen von Ulrike Draesner

NOSTALGIA

portugués | Tony Tcheka


Cinzento nicotina
serpenteia o meu quarto
argola o tempo que não passa

                 Tu não apareces
                             nada acontece….

O som sobe em 33 rotações
a voz sofrida de Ottis Reding
sustenta o calor de um canto soul

Emerges de uma nota de piano
por momentos bailas
na circunferência de uma bola de fumo
que se esquiva pela persiana

Fica o som dilatado do sax
a dar passagem a Ottis
a sentenciar “time is over”


Nada acontece…
Nicotino o espaço que se fecha
sobre mim sem ti

© Tony Tcheka
Audio production: 2008 Literaturwerkstatt Berlin

NOSTALGIA

alemán


Nikotingrau
ringelt sich durch ein Zimmer
kringelt die Zeit, die nicht vergeht

               Du kommst nicht
                            nichts geschieht ...

Das Lied dreht jetzt auf 33
die leidende Stimme von Ottis Reding
hält die Hitze eines Soulstücks

Du tauchst aus einer Klaviernote auf
für Augenblicke tanzt du
im Kreis eines Rauchkringels
der durch die Jalousie entschwindet

Bleibt die gedehnte Melodie des Saxophons
die Ottis Platz macht
der urteilt „time is over“


               Nichts geschieht …
Ich verqualme den Raum, der sich schließt
    um mich ohne dich

Deutsche Fassung von Ulrike Draesner.
Die Übersetzung entstand im Rahmen des Übersetzungsworkshops VERSschmuggel des Poesiefestivals Berlin 2008

ЦИПА

macedonio | Katica Kulavkova

за тебе е значаен внатрешниот свет:
зачетокот, отровот, обликот

безлична навидум
се менуваш без престан
ти мазна, ти гипка, ти пожелна
ни бегаш од раце
додека ја толкуваме неизбежноста
и отвораме оган против самите себеси
а ти, и натаму проѕирна по природа,
ни го свртуваш вниманието
и го поставуваш основното прашање
но нас, но нас нè интересираат
деталите

кога те допревме
лиги ни потекоа
да не можеме да скриеме дека сме луѓе
и дека ја сакаме совршеноста
и во тебе, и надвор.

© Katica Kulavkova
from: Нашиот согласник
Скопје: Мисла, 1981
Audio production: 2007, Nikola Madzirov & MIM

Membran

alemán

Für dich ist inneres Licht von Bedeutung: Beginn, Gift, Figur
unpersönlich auf den ersten Blick

veränderst du dich ununterbrochen
du glatte, du geschmeidige, du gierig ersehnte
fließt uns aus den Händen
während wir die Unausweichlichkeit erklären
und das Feuer gegen uns selbst eröffnen
aber du, transparent von Natur wie eh und je,
lenkst unsere Aufmerksamkeit
und stellst die grundsätzliche Frage
aber uns, aber uns interessieren
Details!

Als wir dich berührten
floß uns der Speichel
verstecken daß wir Menschen sind können wir nicht
streben nach Vollendung
in dir und außerhalb deiner.

Aus dem Makedonischen: Ulrike Draesner
aus: Unverhoffte Himmel. Zeitgenössische makedonische Poesie.
Herausgegeben von Norbert Randow & Johann P. Tammen. edition die horen 32.
© 2003 by edition die horen

ХРОНОС [3]

macedonio | Katica Kulavkova

3. Време, Човек

Драма, Сатурне:
Јас станувам носечки лик, противник
Ти почетна сила, нагон кон целината;

Јас тапкам одовде-донде
Ти кружиш цикличен, прстенест;

Јас им се подбивам на повторувањата
Ти повторуваш, ретко но редно
демонски син-хроничен, цел;

Јас бришам, ишкам епохи, слушаш ли,
е п о х и, ех да можам да летнам
Ти гледаш од високо
пишуваш и леташ.

Некаде се доближуваме еден до друг:
Ти си ги јадеш сопствените деца
Јас си ги јадам.
Ти кажува ли тоа нешто?

Или си ти во мене
или јас во Тебе!

Сè почнува одново:

одново почнува
секогаш време, човек
време во чо-век, лет
а ѓаволов свет.

© Katica Kulavkova
from: Домино
Куманово : Поткозјачки средби, 1993
Audio production: 2007, Nikola Madzirov & MIM

Chronos [3]

alemán

3. Die Zeit, der Mensch

Das Drama, Saturn:
eine Hauptfigur werde ich, Gegner
du hingegen bist Kraft des Beginns,Trieb, der aufs Ganze zielt;

Ich tappe hierhin, dorthin
du kreist, Zyklus, ein Ring;

ich spotte der Wiederholungen
du wiederholst, selten aber sicher dämonisch,
synchronisch, total;

Ich wische weg, scheuche Epochen, hörst du,
E p o c h e n, könnt ich nur fliegen
du schaust von oben
schreibst und fliegst.

Einer dem anderen - irgendwo nähern wir uns:
du frißt deine eigenen Kinder,
ich fresse sie auch,
sagt dir das was?

Entweder du steckst in mir
oder ich steckein dir!

Alles beginnt von neuem:

von neuem beginnt
jedesmal die Zeit, der Mensch
die Zeit im Menschen, Flug
teuflisch der Welt Trug.

Aus dem Makedonischen: Ulrike Draesner
aus: Unverhoffte Himmel. Zeitgenössische makedonische Poesie.
Herausgegeben von Norbert Randow & Johann P. Tammen. edition die horen 32.
© 2003 by edition die horen

ХРОНОС [2]

macedonio | Katica Kulavkova

2. Завист, Сатурне

Се впикуваш во сè, насекаде
и во живо, и во мртво
јадливо, отровно
на сон ми доаѓаш
каде не, кога не
и покрај сè - молам да те видам.
Ѓаволу волшебен, опсесијо!

Опсесијо моја, време
се навикнувам на тебе
се навикнувам на себе
па почнувам и јас,
налик на владетел семожен
да мислам. Да се умислувам.

Наоколу карти, божества, хороскопи
слики, книги, мемоари
пресметки, математики, хронометрии
ти стануваш појдовна точка за сè
да може да се сложи

ти си ѓаволски склоп
структура на структури

Време, Литературо

покажи ми ја темната страна
вишокот, несводливоста
хроничната невидливост
нашата обострана завист.

Завист, Сатурне
погрешно разбран, недоразбирањето
почеток е на драмата:

© Katica Kulavkova
from: Домино
Куманово : Поткозјачки средби, 1993
Audio production: 2007, Nikola Madzirov & MIM

Chronos [2]

alemán

2. Neidhammel, Saturn

Drängst in alles, überallhin
in Lebendiges, in Totes
Eßbares, Giftiges
dringst in meinen Traum
wo wärst du nicht, wann nicht,
und bei all dem - bitte ich, dich zu sehen.
Zauberhafter Teufel, Obsession!

Zeit, meine Obsession,
ich gewöhne mich an dich
ich gewöhne mich an mich
und auch ich beginne wie
ein allmächtiger Herrscher zu denken
Mich in diese Gedanken zu verlieren.

Rundum Karten, Horoskope, Götter
Bilder, Memoiren, Bücher
Berechnungen, Mathematiken, Zeitmessungen
du wirst der Beginn von allem
damit alles sich zusammensetzen kann

du teuflische Verbindung,
Struktur von Strukturen

            Zeit du, Literatur

zeig mir die dunkle Seite Überschuß,
Unreduzierbarkeit
chronische Unsichtbarkeit zeig uns
unsere Mißgunst auf uns.

Neidhammel du, Saturn,
nicht verstehen, mißverstehen
damit setzt das Drama ein:

Aus dem Makedonischen: Ulrike Draesner
aus: Unverhoffte Himmel. Zeitgenössische makedonische Poesie.
Herausgegeben von Norbert Randow & Johann P. Tammen. edition die horen 32.
© 2003 by edition die horen

ХРОНОС [1]

macedonio | Katica Kulavkova

1. Ѓаволски склоп

Јадеш, лапаш, грицкаш, голташ
секогаш гладен, засекогаш страдно
зјапаш. Твојот апсолут е несфатлив.

Овде сум на една топка-вртелешка
горделива, среброљубива, властољубива
се обидувам, не без напор, да те сфатам!

Приказни смислувам, митови, стории
за да те кажам: те именувам, ти се обраќам
и те сликам, те олицетворувам, те отелотворувам
и, да признаам, сè што сум напишал досега
до тебе обраќање е:
веслање по вода, воздух, етер, земја
учење на твојот јазик
следење на твојот пат.

Пат, а пак
те делам, те двојам, те цепкам
кратам, сечам, шкопам, кастрам
се подлажувам - те држам в раце!
те сместувам во книги
те памтам, памтењето го предавам
од едни на други
поправки правам, предавство
знаци, севозможни форми
за да ми кажеш по нешто, па сепак
те немам!

© Katica Kulavkova
from: Домино
Куманово : Поткозјачки средби, 1993
Audio production: 2007, Nikola Madzirov & MIM

Chronos [1]

alemán

1. Teuflische Verbindung

Ißt, schlingst, schluckst, nagst
stets hungrig, gequält stets,
starrst. Dein Absolut, begreiflich ist es nicht.

Auf einem Ball stehend kreise! ich gefalle mir selbst,
gierig nach Geld, hungrig auf Macht,
versuche, nicht ohne Anstrengung, zu fassen dich!

Geschichten denk ich mir aus, Mythen, Erzählungen
daß ich dich sag: ruf deinen Namen, dreh mich nach dir
und male dich, Spiegel dich wieder, dein Körper bin ich
und gebe zu, alles, was ich bisher schrieb
dreht sich um dich:
            Rudern auf Wasser, Luft, Äther, Erde
            Erlernen deiner Sprache,
            Verfolgen deines Weges.

Weges, aber doch
teil ich dich, doppel dich, spalt dich
kürze, schneide, beschneide, kastriere dich,
belüge mich - daß ich dich in Händen halte!
Dich bring ich in Büchern unter,
mich erinnere ich an dich, vom einen
zum anderen geb ich Erinnerung, die alte,
weiter, berichtige, verrate,
mache Zeichen, alle möglichen Gesten
damit du mir etwas sagst, und doch
daß ich dich nicht halte.

Aus dem Makedonischen: Ulrike Draesner
aus: Unverhoffte Himmel. Zeitgenössische makedonische Poesie.
Herausgegeben von Norbert Randow & Johann P. Tammen. edition die horen 32.
© 2003 by edition die horen

ТИГРИТЕ, ЛЕОПАРДИТЕ, ЛАВОВИТЕ

macedonio | Katica Kulavkova

„Тие ѕверки ги напаѓаат само оние кои се
плашат од нив или од коишто се плашат тие...“

Елифас Леви, Магијата на магите, Градец 63 (1985)


По кралските градини на Асирија
шетале меланхолично, шетале благосклоно
тигрите, леопардите, лавовите.
Во порфирните одаи, библиотеките
и зигуратите молкома копнееле
не ревеле, не блуделе, не ловеле
ни ноќе, ни дење
не биле опасни, ни слободни
па сепак живееле!

Што ги омајало, што ги магепсало
та станале милозливи и кротки
мачките, покорни само кога љубат?

Ни чуварите, ни дворјанките
нити сите кралеви не, магите само
ѕвездочатци ја знаеле тајната
за нивната неприродна кроткост.

Од видовитост опседнати
по саноќ страхувале
да не би Небото да ги изневери луѓето
да не им го одземе од очите фасцинантниот
сјај, астралниот отсјај пред којшто
горостасните суштества отстапувале
со извесна нежност
по крв жедни, од крвта се откажувале,

да не би да го заборават
тигрите, леопардите, лавовите
времето кога со љубов биле гледани
и егзалтирани

о, да не би да престане дејството
на космичкиот искон - хипнозата
да не би да е смртна Светлоста
нивната душа, нашата!

© Katica Kulavkova
from: Жедби: престапни песни
Скопје : Мисла, 1989
Audio production: 2007, Nikola Madzirov & MIM

Tiger, Leoparden, Löwen

alemán

»Diese Tiere greifen nur diejenigen an, die sich vor ihnen fürchten und vor denen sie sich fürchten...«
Eliphas Uevi, Die Magie der Magier, Cradec 63 (1985)


Durch die königlichen Gärten Assyriens
spazierten melancholisch, spazierten wohlgemut
Tiger, Leoparden, Löwen. Im Zimmer
aus Porphyr und der Zikkurats Schimmer
schwiegen und sehnten sie sich
kein Brüllen, keine Liebe, kein jagender Stich
weder bei Nacht noch bei Tag
nicht gefährlich waren sie, nicht frei
und doch lebten sie, noch immer'.

Was verzauberte, was verhexte sie daß
sie freundlich wurden und sanft
die Katzen, fügsam nur, wenn sie lieben?

Weder Wächter noch Edelfrauen
auch keiner der Könige, allein die Magier,
die Sterndeuter, kannten das Geheimnis
dieser naturwidrigen Sanftmut.

Umschlossen von ihrer Hellsichtigkeit
fürchteten sie Nacht für Nacht
daß der Himmel die Menschen täusche
daß er ihnen wieder von den Augen nehme jene glänzende
Pracht, ja, diesen astralen Widerschein,
vor dem die riesigen Wesen scheuten
mit einer gewissen Zärtlichkeit,
durstig auf Blut, Blutdurst bereuten,

auf daß Tiger, Leoparden, Löwen
nicht vergessen
die Zeit als mit Liebe sie wurden angesehen
und wollten dabei vor Freude vergehen

oh, daß die Wirkung
des kosmischen Ursprunges nicht ende - die Hypnose
daß nicht tödlich seien dieses Lichtes Lose
ihre Seele, die unsere!

Aus dem Makedonischen: Ulrike Draesner
aus: Unverhoffte Himmel. Zeitgenössische makedonische Poesie.
Herausgegeben von Norbert Randow & Johann P. Tammen. edition die horen 32.
© 2003 by edition die horen

СЕКРЕТ

macedonio | Katica Kulavkova

Од нас ќе остане
нашиот изопштен
и притаен одливок
мал како хаику, како врв
мал од што е далеку
- како сонце

тој жив талог
во којшто со време
сме се претопувале
грч по грч, капка по капка
крводарителски.

Ќе остане на дното
ни жегата ни жедта
нема да помогнат
да сркнеме од секретот
да се плукнеме, назад.

Ќе се стаи и она што
со цедело по грешка
низ пукнатината во којашто
еден живот се должи на друг.

Стрвоста и поривите ќе ни ги припитомат
и превоспитаат: на туѓи имиња
ќе се одѕиваме како на свои.
Верноста е времена, ах обичаи!

Небото, потоа, како опитно огледало
ќе се замагли од нашиот топол здив:

обичен доказ дека е студено,
ладно
Дно.

© Katica Kulavkova
from: Жедби: престапни песни
Скопје : Мисла, 1989
Audio production: 2007, Nikola Madzirov & MIM

Ausscheidung

alemán

Bleiben wird von uns
Nur ein ganz bescheidener Rest
Exkommuniziert
Klein wie ein Haiku, wie eine Nadelspitze
Klein, weil weit weg
wie die Sonne

eine lebende Ablagerung
wo wir verschmolzen sind
mit der Zeit
Krampf auf Krampf, Tropfen für Tropfen
wie Blutspender.

Auf dem Grund wird sie bleiben,
Weder die Trockenheit noch der Durst
Werden uns die Ausscheidung
Kosten lassen,
Spucken, gegen den Strich.

Zuletzt wird sich alles setzen,
Sogar das, was aus Versehen herausgetröpfelt ist
Entlang des Risses,
Wo sich ein Leben im anderen verlängert.

Unsere Gier und unser Appetit sind bezähmt
Und umerzogen: Wir werden auf fremde Namen hören
wie auf unsere eigenen Namen.
Die Treue ist vergänglich, ah was für Sitten!

Der Himmel wird sich, alsdann, wie ein Experimentalspiegel
Unter unserem heissen Atem beschlagen:

Einfacher Beweis, dass eisige Kälte herrscht
Der Grund.

Aus dem Makedonischen: Ulrike Draesner
aus: Unverhoffte Himmel. Zeitgenössische makedonische Poesie.
Herausgegeben von Norbert Randow & Johann P. Tammen. edition die horen 32.
© 2003 by edition die horen

МРАВКИ

macedonio | Katica Kulavkova

Години-гадинки минаа
куќата откако ми ја зазедовте
тихум, но корка леб ко на срце

се најадовте, се напоивте
од лазење пожолтевте
карактерот си го изостривте
ни од крстот уплашени
ни од ѓаволот.

Што пат изодивте
меѓу ѕидови
од пукнатинка до пукнатинка
од светло на морно
што рода изгубивте
што зборој проголтавте
на отров не се наситивте
се навикнавте
здивевте
друг дом не посакавте!

Боцкате со револт на малите
и неистребливите
полни мравја киселина
зелен јад, јад-бог
за да ги бележите јасно
патиштата кои треба да се заборават.

Направете грешка
на рамнодушје поучете се
од заглавјето подистајте ми се
оставете ме, преселете се

и онака кај и да сте
пожелни не сте!

© Katica Kulavkova
from: Жедби: престапни песни
Скопје: Мисла, 1989
Audio production: 2007, Nikola Madzirov & MIM

Ameisen

alemán

Ungeziefer- unklare Jahre vergingen
seit ihr mir mein Haus raubtet, still aber
wie eine Rinde Brot auf dem Herzen

aßet ihr euch satt, und satt tränket ihr euch
wurdet vom Kriechen gelb
euer Charakter geschliffen
geschreckt weder von Teufel
noch Kreuz.

Welch langen Weg ihr krocht
zwischen Wänden ihr
von Riß zu Riß
von Dunkel zu Hell
wie viele Generationen von euch
blieben auf der Strecke
ihr, wie viele Worte schlucktet ihr
euch machte Gift nicht satt
ihr gewöhntet euch daran
holtet Luft, ihr,
ihr-ein anderes Haus wolltet ihr nicht!

Ihr beißt, Revolte der Kleinen
der Unausrottbaren
voller Ameisensäure
grünem Gift, giftigem Gott um
Wege zu kennzeichnen
die vergessen werden müssen.

Macht einen Fehler
werdet gleichgültig verschwindet
von meinem Kissen siedelt um,
laßt die Bissen

wo ihr so auch seid,
unerwunscht seid ihr so!

Aus dem Makedonischen: Ulrike Draesner
aus: Unverhoffte Himmel. Zeitgenössische makedonische Poesie.
Herausgegeben von Norbert Randow & Johann P. Tammen. edition die horen 32.
© 2003 by edition die horen

Morfars trokeer.

noruego | Torgeir Rebolledo Pedersen

Morfar var født fattig. Men den som lander
tungt i livet, kan ha lett for kunsten. Tung-
lett. Tung-lett.Trokeisk trasket morfar, han
diktet vidt og bredt. Tungt for livet. Lett for
døden. Tung-lett. Tung-lett. Trokeisk trasket
han, i døden plutselig. Han måtte ta til takke
med en massegrav. Man sier store poeter dør
med jambene på. Morfar fakk ikke å skrifte.

© Forlaget Oktober
from: Geitehjerte
Oslo: Forlaget Oktober, 2006
Audio production: 2007, Skrivekunst-akademiet i Hordaland

Der Vater meiner Mutter, in Trochäen

alemán

Der Vater meiner Mutter wurde arm geboren. Aber wer in einem
schweren Leben landet, kann es leicht haben in der Kunst. Schwer-
leicht. Schwer-leicht. In Trochäen trottete der Vater meiner Mutter,
dichtete weit den Horizont. Schweres Leben. Leichtes
Sterben. Schwer-leicht. Schwer-leicht. In Trochäen trottete
er, plötzlich in den Tod. Mit einem Massengrab war’s ihm gedankt.
Man sagt, dass große Dichter mit Jamben sterben an den Füßen.
Zeit, sich umzuziehen, fand der Vater meiner Mutter nicht

Aus dem Norwegischen von Ulrike Draesner

Mažasis Buda

lituano | Gintaras Grajauskas

visada taip:
nei iš šio nei iš to
jie ima rėkti

paskui lyg susitaiko su kažkuo

nutyla ir žiūri į skirtingus kampus
ilgai, kol vėl nei iš šio, nei iš to
kaip pradės

as tada imu ir pasakau
kas ant seilės užėjo, bet garsiai:
rytoj bus debesuota
su pragiedruliais!

(jie abstulbsta: sužiūra vienas
į kitą: beprotnamis, sako kažkuris)

o ką aš daugiau galiu, aš,
66-ųjų metų laidos portatyvinis
radijo imtuvėlis.

© Gintaras Grajauskas
from: unveröffentlichtem Manuskript / not published
Audio production: 2002 Books from Lithuania

Kleiner Buddha

alemán

immer dasselbe:
nicht hü, nicht hott,
sie fangen an zu schreien

später scheinen sie sich damit abzufinden

verstummen und schauen lange in
entgegengesetzte Ecken, bis sie wieder loslegen
nicht hott, nicht hü

zu meiner eigenen Überraschung sage ich,
was mir auf der Zunge liegt, und zwar laut:
morgen wird es wolkig sein
mit Aufheiterungen!

(Sie sind bestürzt: schauen sich
an: Irrenhaus, sagt einer)

was kann ich aber mehr, ich
ein kleines tragbares Radio,
Baujahr 66.

Nach einer Interlinearübersetzung von Antanas Gailius

ins Deutsche übertragen von Ulrike Draesner




Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Goethe-Instituts Vilnius



Kineskopas

lituano | Gintaras Grajauskas

tas daiktas į kurį žiūrime
vadinasi kineskopas

jis tik atrodo plokščias
o iš tikrųjų yra kaip krepšys
pilnas mažų taškelių
šokinėjančių tarsi
švytinčios kalėdinės
blusos

kai taškeliai gauna įsakymą
klusniai stoja į savo vietas
ir susidėlioja į “medį”, “dangoraižį”
“Balkanų krizę” ar “L. di Caprio”
(tik pažvelk, kaip šviečia jo “balti
marškiniai” - tai vis nuo taškelių)

taigi jei pamatysi ką nors
baisaus - nesigąsdink, nesiduok
apgaunamas

nėra ten nei džiunglių, nei potvynių
anei zombių su zeimeriais

bet aš nesakau, kad nieko nėra
(kaip kad sako tamsybininkai)

yra begalinė daugybė

taškelių

© Gintaras Grajauskas
from: unveröffentlichtem Manuskript / not published
Audio production: 2002 Books from Lithuania

Bildröhre

alemán

das Ding auf das wir schauen
heißt Bildröhre

sieht flach aus, aber ist
in Wirklichkeit ein Korb
voll winziger Pünktchen
die springen wie
leuchtende Weihnachts
flöhe

erhalten sie einen Befehl
bezieht jedes gehorsam Stellung
zu ”Baum” oder ”Hochhaus” legen sie sich,
zu ”Balkankrise” oder ”L. di Caprio”
(schau mal, wie sein ”weißes Hemd”
strahlt – nur der Pünktchen wegen)

falls du also etwas Schreckliches
siehst – hab keine Angst, laß dich nicht
täuschen

es gibt weder Dschungel noch Fluten
noch Zombies mit Motorsägen

aber ich sage nicht, daß es nichts gibt
(wie es die  Ahnungslosen tun)

es gibt eine unendliche Menge

Pünktchen

Nach einer Interlinearübersetzung von Antanas Gailius

ins Deutsche übertragen von Ulrike Draesner




Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Goethe-Instituts Vilnius



La meg spre

noruego | Torgeir Rebolledo Pedersen

La meg spre for vær og vind
For i all beskjedenhet å
minne verden om mitt nærvær

Minne verden om en annen verden
Om et mulig marked
for andre intensjoner

La meg spre for vær og vind
For i all beskjedenhet å
minne verden om mitt fravær

Minne verden om en annen verden
Om et mulig marked
for andre intensjoners aske

© Forlaget Oktober
from: Geitehjerte
Oslo: Forlaget Oktober, 2006
Audio production: 2007, Skrivekunst-akademiet i Hordaland

Verströmen will ich mich

alemán

Verströmen will ich mich mit Wetter und Wind
Auf dass die Welt in aller Bescheidenheit
sich meiner Anwesenheit erinnere

Sich einer anderen Welt erinnere
eines denkbaren Marktes
mit anderen Absichten

Verströmen will ich mich mit Wetter und Wind
Auf dass die Welt in aller Bescheidenheit
sich meiner Abwesenheit erinnere

Sich einer anderen Welt erinnere
eines denkbaren Marktes
mit der Asche anderer Absichten

Aus dem Norwegischen von Ulrike Draesner

Karhupuisto

finés | Merja Virolainen

Snakarin taikalähteeseen
kauan, kauan tuijotettuaan
Kimmo hellittää pusakkaa yltä,
vetää puistonpenkillä
viime siivut flindastaan.
Ja katso, kivikarhu loikkaa jalustalta,
roskiksesta hiipii kettu poikineen.
Kotkansiipi versoo ympärillä,
rakoileva katu työntää mustikkaa.
Pysäkille kyntää yöratikka
metsälauhan udussa,
ovet rämähtävät auki,
mäyrät, siilit, huiskahännät
hypähtävät mättäälle.
Metsän väki tulvii kirjastolta,
näädät, jänöjussit, metsot
lekuttavat kirkkopuiston varjoista.  
Urut ratkeavat pauhuun,
rappaus lohkeilee ja pöllyää
yöperhosiksi taivaalle.
Pää nuokahtaa rintaan,
parrakas poika havahtuu unesta,   
ja kaksi sinipiikaa korjaa sammuneen
Flemarilla vartovaan veneeseen.

© Merja Virolainen
from: Pilvet peittävät sisäänsä pilvet. Poems
Helsinki: Tammi, 2000
Audio production: 2001 M.Mechner, literaturWERKstatt berlin

Bärenpark

alemán

Als er lange lange in die Zauberquelle
der Imbißbude gestarrt hat,
öffnet Kimmo sich die Jacke, gemütlich
auf der Parkbank zieht er sich
den letzten Schluck aus seiner Pulle rein.
Siehe da, der Steinbär springt vom Sockel,
aus dem Müllkorb schleicht ein Fuchs mit Jungen,
ringsum sprießt der Adlerfarn,
die rissige Straße stößt Blaubeeren aus.
Zur Haltestelle pflügt eine Tram durch den
zarten Schleier der Waldschmielen,
die Türen werden aufgerissen,
Maulwürfe, Igel, Eichhörnchen
bespringen das Moos.
Waldvolk strömt von der Bibliothek heran,
Marder, Hoppelhäschen, Auerhähne
flattern aus den Schatten des Kirchparks.
Ein Dröhnen - die Orgel hebt an,
Putz bröckelt und stiebt
als Nachtfalter zum Himmel.
Der Kopf sackt auf die Brust
ein bärtiger Bub erwacht aus dem Traum,
zwei Bullen lesen ihn auf, den etwas umnachtet,
zur Straße gebracht, wird ins wartende Boot er verfrachtet.


Nachdichtung: Ulrike Draesner


© Ulrike Draesner



Kaitra

lituano | Gintaras Grajauskas

kaitra ir vos juntamas atmatų dvokas
nuo šiukšlių konteinerių, ištrūkus
saga, įsispaudus asfalte, oras
nejudrus, klijingas, deginantis šnerves,

skalbiniai jame stingsta ir žmonės. Reikėtų
pajudinti ranką, įsitikinti, jog dar nevirtai
inkliuzu šitam peizaže: kaži kokios
gamyklos, kaminai kaitroje, darosi bloga

vien pagalvojus. Sėdžiu ant šaligatvio
krašto nesiryždamas užsirūkyti, pykina
nuo visko, nuo įkaitusio oro virpulio,
tolimo kūdikio verksmo, sėdžiu

nejudėdamas, ir tik vaikėzų būrys
važinėjasi sau riedučiais: skuduruoti
lyg kokie beduinai, iššaukiančiai
prisimerkę vis pažvelgia į mane,

brėždami begalinius ratus, pravažiuodami
vis arčiau ir arčiau, žybčiodami
akim, sklidini syvų, ginkluoti trumpais
keiksmažodžiais, kurių, dievaž, nusipelniau

sėdžiu, nedrįsdamas patikėti, apstulbęs,
iš lėto sendamas.

© Gintaras Grajauskas
from: Kaulinė dūdelė (Knochenflöte)
Vilnius: Vaga, 1999
Audio production: 2002 Books from Lithuania

Hitze

alemán

Hitze, ein Hauch Kompostgestank
von der Tonne, in den Teer getreten
ein verlorener Knopf, die Luft
wie Klebstoff zäh, kribbelt in der Nase

Wäsche wird steif darin, Menschen auch. Man müßte
die Hand heben, sich vergewissern, daß man nicht zu einem
Einschluß geworden ist in dieser Landschaft: Fabrikkamine
in der knallenden Hitze, schon beim Gedanken daran

wird einem schlecht. Ich sitze am Rand des Gehsteigs,
wage es nicht, eine Zigarette anzuzünden, gleich kommt’s
mir hoch, von den Wirbeln der erhitzten Luft,
dem fernen Schreien eines Säuglings, sitze

reglos, nur ein paar Halbstarke fahren, mit sich
selbst beschäftigt, inline skates. Schäbig
gekleidet wie dahergelaufene Beduinen, die  Augen
halb zugekniffen, schauen sie ab und an zu mir

ziehen unendliche Kreise, immer näher an mich
heran, mit blitzenden Augen
voll von Säften, bewaffnet mit kurzen
Schimpfwörtern, die ich, bei Gott, verdiene,

sitze ich, kann es kaum fassen, bestürzt,
langsam alternd.

Nach einer Interlinearübersetzung von Antanas Gailius

ins Deutsche übertragen von Ulrike Draesner




Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Goethe-Instituts Vilnius




Jakten på jaet 1

noruego | Torgeir Rebolledo Pedersen

Skål skåler hun
Skål for den lille
forskjellen den
mellom deg og meg

Skål sier jeg skål for den store
likheten den
mellom deg og meg
Det at vi svinger sammen
Interferensen som synger oss
Vi som er av samme
stoff og samme sang

Er dette et frieri spør hun
Selvfølgelig er det et frieri
Et evig frieri
En peppersvenn
som heroisk anholder om
en peppermøs hånd

Svaret hennes er nei og
atter nei hun går

Duknakket står jeg
igjen (alltid igjen)
Kjærligheten er en evig
audition for å slippe til
hos hverandre helt
inn til beinet
for å spille
hovedrollen i hverandre
med gester store
som sjiraffer

Så blåser vinden
en by på havet
Jeg løper etter henne
Roper elskede
Frykt ikke
for brenningene
Roper
Frykt ikke
for det frykteligste
for jeg er vindstilleren jeg
skal roe vindene
og bone havet blankt

Skinn
bare på meg
Solskinnerske

Brån meg
Snøbrånerske
Så skal jeg springe
deg i møte med de
håpefulleste lysegrønneste
brev min Løvspretterske
min Skarpretterske
min Livgiverske
mitt hjertes utkårne
min smertes utskårne
din drukne rhododendron full
av deg ditt festspill

Skål for den store
likheten den
mellom deg og meg

Det at vi begge
er av dette dødelige som
livet lever av
Dette dødelige ja

© Forlaget Oktober
from: Geitehjerte
Oslo: Forlaget Oktober, 2006
Audio production: 2007, Skrivekunst-akademiet i Hordaland

Die Jagd auf das Ja, 1

alemán

Prost, prostet sie
Prost auf den kleinen
Unterschied, den
zwischen dir und mir

Prost, sage ich, Prost auf die große
Gleichheit zwischen
dir und mir
Darauf, dass unser Klang zusammenpasst
auf die Frequenz, die uns singt
Wir, die aus dem gleichen Stoff
sind, aus der gleichen Melodie

Ist dies ein Antrag, fragte sie
Selbstverständlich
Ein ewiger Antrag
Ein Hagestolz
der um einer alten Jungfer
Hand anhält wie ein Held

Ihre Antwort ist nein
und noch mal nein, sie geht

Geknickt steh ich
wieder (immer wieder) da
Die Liebe ist ein ewiges
Vorsingen um sich einander
bis auf die Knochen zu öffnen und
um die Hauptrolle zu tauschen
mit großen Gesten
wie Giraffen

Dann dreht der Wind
bläst eine Stadt hinweg

Ich laufe ihr nach
Rufe Geliebte,
Fürchte dich nicht
vor der Brandung
Rufe
Fürchte dich nicht
vor dem Fürchterlichsten
Ich bin der Bezwinger des Windes
die Winde werde ich zähmen
blank bohnern das Meer

Scheine nur auf mich
Sonnenscheinerin

Schmilz mich
Schneeschmelzerin
Dann werde ich dir entgegen
springen mit den
hoffnungsvollsten lindgrünsten
Briefen meine Blattsprießerin
meine Scharfrichterin
meine Lebensspenderin
meines Herzens Auserwählte
meines Schmerzes Auserzählte
ich, dein trunkener Rhododendron
gefüllt mit dir, dein Festspiel

Prost auf die große
Gleichheit zwischen
dir und mir

Darauf, dass, einander nah
wir aus jenem Tödlichen sind
von dem das Leben lebt
Diesem tödlichen Ja.

Aus dem Norwegischen von Ulrike Draesner

CONCERTO DE “DJUNTA MON”

portugués | Tony Tcheka

I

A dor encosta-se a mim
abraça-me forte
espalha-se pelo corpo
em glândulas de fome

Enfermo
declino o convite
para a grande festa da liberdade
Estou no meu tempo
no meu espaço
na minha tabanca
     onde festa
      não cabe
             Grassa o choro
                       a doença
                                  crianças morrendo
                                                       dia a dia
                                                              hora a hora!


                II

Não…
Não vou a Berlim
ver o muro em pedaços
Viajo sim no olhar desesperado
do menino moçambicano
nicando a raiz seca
que desistiu de crescer
para morrer na boca pequena

Na África-tabanca
morre-se
aos pedaços
e
pedaços que não são saudades
da minha herdade
deixo-os fluir ao vento
até que a história
faça a contrição
do tempo madrasta


                  III

Mas se amanhã levantarem o cerco
que nos tolhe o sol
prometo
que
             levarei os nossos cikós
             os nossos tambores
             os nossos djidius

e
com os vossos pianos e saxs
dançaremos na voz de Sinatra Pavaroti
Nina Simone e Milles Davies
no cume da estátua da liberdade

O batuque terá o sabor
das pedras ontem feitas muro
e de cada pedaço da vergonha caída
nascerá um tambor para o concerto
de djunta-mon!

© Tony Tcheka
Audio production: 2008 Literaturwerkstatt Berlin

Konzert der „Djunta mon“

alemán

I

Der Schmerz schmiegt sich an mich
umarmt mich voller Kraft
breitet sich im Körper aus
in den Hungerdrüsen

Ich bin krank
nein, ich gehe nicht hinaus
die Wiedervereinigung mitfeiern
ich bleibe in meiner Zeit
in meinem Bereich
in meinem Dorf
dort ist ein Fest
               fehl am Platz
             dort herrschen Tränen
    Krankheiten
  sterben Kinder
           Tag um Tag
     Stunde um Stunde


                    II

Nein ...
Ich fahre nicht nach Berlin
um die in Stücke geschlagene Mauer zu sehen
ich reise im verzweifelten Blick
des Jungen aus Mosambik
der eine trockene Wurzel kaut
die aufgehört hat zu wachsen
um in seinem kleinen Mund zu sterben

Im Dorf Afrika
stirbt es sich
Stück um Stück
aber
jene Stücke, die nicht zur Weh- und Sehnsucht
meines Hofs gehören
lasse ich in den Wind fließen
bis die Geschichte
die stiefmütterliche Zeit
bereut


                   III

Doch wenn sie morgen die Umzäunung fortnehmen
die uns von der Sonne trennt
verspreche ich
dass
ich unsere Sikos
unsere Trommeln
unsere Djidius nehme

und
mit euren Saxophonen und Klavieren
werden wir zur Stimme von Sinatra Pavarotti
Nina Simone und Miles Davies
auf der Spitze der Freiheitsstatue tanzen

Der Batuque wird nach den Steinen
schmecken, die gestern noch die Mauer bildeten
und aus jedem Stück gefallener Schande
wirdeine Trommel geboren für das Konzert
von Djunta mon!

Deutsche Fassung von Ulrike Draesner.
Die Übersetzung entstand im Rahmen des Übersetzungsworkshops VERSschmuggel des Poesiefestivals Berlin 2008

BATUCADA NA NOITE

portugués | Tony Tcheka


Bissau cresce
quando o sol desce
vem com o fio da noite
e só adormece
quando amanhece

O álcool
e o week-end
inflamam corpos
cheios de adornos

Na noite
há insónias
e sónias de muitos nomes
não é só o mote
aqui há funky
há merengada
e antilhesas na madrugada
Lufadas de amor
moldam corpos
suarentos de ardor
há um saracoteio
permanente
na passarelle da noite
sedas flutuantes
coxas remexendo
num sincopado
que dá síncope

O odor
mastiga o ar
sem pudor mistura-se
confunde-se
catinga
chanel
paco rabane
água cheiro
suor
e dior
ça va comme ça…
O old scotch
dá o toque final
É fatal
afinal porque não…

A batucada cresce
abre o espaço
a cidade não dorme

© Tony Tcheka
Audio production: 2008 Literaturwerkstatt Berlin

Batucada, in der Nacht

alemán

Bissau dehnt sich aus
wenn die Sonne sinkt
folgt dem Stoff der Nacht
und schläft erst
wenn der Morgen graut

Drinks
und Weekend
- gestylte Körper sind jetzt
Feuer und Flamme

In der Nacht
voller Insomnia
und Sonias mit vielen Namen
aber nicht nur das ist die Devise
es gibt funky
Musik à la Merengue
Antillenklang im Morgenrot
frische Liebesbrisen
formen heißgeschwitzte
Körper in der Glut
ein Wippen auch
ununterbrochen
auf dem Laufsteg Nacht
fließende Hüllen
sich wiegende Hüften
ohne jemals stillzustehen
bis das Herz fast steht

Der Geruch
kaut die Luft
schamlos mischt er sich
vermengt sich
afrikanischer Geruch
Chanel
Paco Rabanne
Eau de cologne
Schwitzseñor
auf  Dior
ça va comme ça …
alter Scotch
zielt aufs Totale
ins Fatale
welch Finale, warum nicht

Die Batucada dehnt sich
macht Raum
nie schläft die Stadt

Deutsche Fassung von Ulrike Draesner.
Die Übersetzung entstand im Rahmen des Übersetzungsworkshops VERSschmuggel des Poesiefestivals Berlin 2008

Å leve for det jeg vet
Å falle for det jeg tror på

noruego | Torgeir Rebolledo Pedersen

Å leve for det jeg vet
Og for det jeg får vite
Hvor jeg skal elske
Hvem jeg skal elske
Og hva vi skal elske om
Om verden reiser seg før den faller?
Og om den reiser seg om igjen?
Om barn vil bli snødd for
Om skjørbein blir strødd for
Å leve for det jeg vet
Å falle for det jeg tror på
Så lenge skjørbein blir strødd for
Så lenge barn vil bli snødd for

© Forlaget Oktober
from: Blåveisfra
Oslo: Forlaget Oktober, 1998
Audio production: 2007, Skrivekunst-akademiet i Hordaland

Dafür leben, was ich weiß
Dem mich hingeben, woran ich glaube

alemán

Dafür leben, was ich weiß
und für alles, was ich zu wissen bekomme
Wo ich lieben werde
Wen ich lieben werde
Und was wir lieben werden
Ob die Welt sich erhebt, bevor sie untergeht?
Und ob sie sich dann noch einmal erhebt?
Ob Schnee fällt für Kinder
Ob für spröde Knochen gestreut wird
Dafür leben, was ich weiß
Dem mich hingeben, woran ich glaube
So lange für spröde Knochen gestreut wird
So lange Schnee fällt für Kinder

Aus dem Norwegischen von Ulrike Draesner