Tobias Burghardt 
Translator

on Lyrikline: 39 poems translated

from: aimara, catalán, español to: alemán

Original

Translation

Wayaway tatala

aimara | Elvira Espejo Ayca

kawkiy ukat saltanta wayaway tatalay
iskinsatway saltantha wayaway tatalay
kawkiy thamay thamanta wayaway tatalay
likin thakiy thamanta wayaway tatalay
kawkiruray thamantanta wayaway tatalay
jan int’at markar thamantanta wayaway tatalay
kawkitrajiy saltaninta wayaway tatalay
aykil markat saltaninta wayaway tatalay
kawkiy ukar saranta wayaway tatalay
jarat jarar saranta wayaway tatalay
jumapiniw awkñata wayaway tatalay
jumapiniw taykñata waway tatalay

© Elvira Espejo Ayca
Audio production: Haus für Poesie, 2022

Reisender Vater

alemán

Von wo ziehst du los, reisender Vater?

Von unserer Stadt wirst du losziehen, reisender Vater

Wo lang eilst du, reisender Vater?

Auf dem Talweg wirst du eilen, reisender Vater

Wo wirst du eilends erscheinen, reisender Vater?

In einem unbekannten Dorf wirst du in Eile ankommen, reisender Vater

Von wo willst du aufbrechen, reisender Vater?

Von der Kleinstadt Aiquile wirst du aufbrechen, reisender Vater

Wohin ziehst du los, reisender Vater?

Zum Ort der Stille wirst du gehen, reisender Vater

Du bist meine ewige Mutter, reisender Vater

Du bist mein ewiger Vater, reisender Vater

Aus: E. E. A.: „Hier und dort & Andines Liederbündel“. Übersetzung aus dem Quechua und Aymara ins bolivianische Spanisch von der Autorin. Herausgegeben und ins Deutsche übertragen von Juana Burghardt und Tobias Burghardt, Edition Delta, Stuttgart 2022

Janiway inatakiti

aimara | Elvira Espejo Ayca

kawkiy ukat ichhtastha
q’asirqutaway ichhtastha
janiway inatakiti
janiway q’asitakiti
kunaruray ichhtastha
panti awayur ichhtastha
janiway inatakiti
janiway q’asitakiti
kunaruray kirt’astha
kastillphant’aruw kirt’astha
janiway inatakiti
janiway q’asitakiti
kunantiray q’awt’astha
apsu q’urawint qawthastha
janiway inatakiti
janiway q’asitakiti

© Elvira Espejo Ayca
Audio production: Haus für Poesie, 2022

Nicht vergeblich

alemán

Woher brach ich auf

vom Q´asiri-See brach ich auf

Nicht vergeblich

Nicht zum Weinen

Worin brach ich auf

Im kirschroten Awayu brach ich auf

Nicht umsonst

Nicht zum Weinen

Worin wickelte ich ihn ein

In eine Decke aus Kastilien wickelte ich ihn ein

Nicht vergeblich

Nicht zum Weinen

Womit habe ich ihn gebunden

Mit einer bunten Schleuder habe ich ihn gebunden

Nicht vergeblich

Nicht zum Weinen

Aus: E. E. A.: „Hier und dort & Andines Liederbündel“. Übersetzung aus dem Quechua und Aymara ins bolivianische Spanisch von der Autorin. Herausgegeben und ins Deutsche übertragen von Juana Burghardt und Tobias Burghardt, Edition Delta, Stuttgart 2022

Chullumpi

aimara | Elvira Espejo Ayca

Kawkiy ukat antastha
Waya waya wayay chullumpi
Jila lumat antastha
Waya waya wayay chullumpi
Kawkiy ukat qushtastha
Waya waya wayay chullumpi
Turu maykut qushtastha
Waya waya wayay chullumpi
Kawkiy ukat jiktastha
Waya waya wayay chullumpi
Jujchu t’allat jiktastha
Waya waya wayay chullumpi
Kuna kamay antastha
Waya waya wayay chullumpi
Kumpiriskamay antastha
Waya waya wayay chullumpi

© Elvira Espejo Ayca
Audio production: Haus für Poesie, 2022

Chullumpi

alemán

Woher hast du die beträchtliche Brut

der Chullumpi hergetrieben?

Vom hohen Grat trieb ich

Die beträchtliche Brut der Chullumpi her

Woher hast du die beträchtliche Brut

Der Chullumpi aufgestöbert

Von Turu Mallku habe ich die beträchtliche Brut

Der Chullumpi hergetrieben

Woher ich die beträchtliche Brut

Der Chullumpi aufstöberte

Von Jujchu Mallku habe ich sie mitgebracht

Die beträchtliche Brut der Chullumpi

In welchen Farben trieb ich

Die beträchtliche Brut der Chullumpi her

In den Farben von Süßigkeiten

Die beträchtliche Brut der Chullumpi*


* Ruderente, Punataucher

Aus: E. E. A.: „Hier und dort & Andines Liederbündel“. Übersetzung aus dem Quechua und Aymara ins bolivianische Spanisch von der Autorin. Herausgegeben und ins Deutsche übertragen von Juana Burghardt und Tobias Burghardt, Edition Delta, Stuttgart 2022

Wara wara sami

aimara | Elvira Espejo Ayca

Wara waray aywinuqjipanay
Pukaratway arurapima
Lliphi lliphi chuyma katukama
Lliphi lliphi lluqu katukama

Wara waray lliphipjipanay
Uywiritway arurapima
Lliphi lliphi wila katukama
Lliphi lliphi sinta katukama

Wara waray qutuchasjipanay
Maya chuymay arurapima
Lliphi lliphi amuyt’ayapxita
Lliphi lliphi irpasiwayapxita

© Elvira Espejo Ayca
from: Phaqar kirki – T’ikha takiy takiy – Canto a las Flores
Audio production: Haus für Poesie, 2022

Beseelung an die Sterne

alemán

Wenn sich die Sterne scharen

Grüße ich dich aus Pukara

Die Leuchtkraft, die die Lunge erhält

Die Leuchtkraft, die das Herz erhält


Wenn die Sterne leuchten

Grüße ich dich von meinem großen Beschützer

Die Leuchtkraft, die das Blut erhält

Die Leuchtkraft, die den Weg erhält


Wenn die Sterne sich versammeln

Grüße ich dich aus einem Herzen

Die Leuchtkraft, die uns Denken lässt

Die Leuchtkraft, die uns leitet

Aus: E. E. A.: „Hier und dort & Andines Liederbündel“. Übersetzung aus dem Quechua und Aymara ins bolivianische Spanisch von der Autorin. Herausgegeben und ins Deutsche übertragen von Juana Burghardt und Tobias Burghardt, Edition Delta, Stuttgart 2022

Phaxsi sami

aimara | Elvira Espejo Ayca

Phaxsi sami qhana qhana qhana qhanay
Amtayarachh sami qhana qhana qhanay

Muspamaya sami qhana qhana  qhana qhanay
Phaxsi qhana sami qhana qhana qhanay

Warmi qhana sami qhana  qhana qhana qhanay
Mira kasta sami qhana qhana qhanay

Kinsa ch´íwu sami qhana  qhana qhana qhanay
Pusi ch´iwu sami qhana qhana qhanay

Muyupaya sami qhana qhana qhana qhanay
Mira kasta sami qhana qhana qhanay

© Elvira Espejo Ayca
from: Phaqar kirki – T’ikha takiy takiy – Canto a las Flores
Audio production: Haus für Poesie, 2022

Beseelung des Mondes

alemán

Beseelungen des Mondes leuchte, leuchte, leuchte, leuchte

Beseelungen der Erkenntnis leuchte, leuchte, leuchte


Beseelungen eines Traums leuchte, leuchte, leuchte, leuchte

Beseelungen des atmenden Mondes leuchte, leuchte, leuchte


Beseelungen eines weiblichen Lichts leuchte, leuchte, leuchte, leuchte

Beseelungen der Befruchtung leuchte, leuchte, leuchte


Beseelungen dreier Schatten leuchte, leuchte, leuchte, leuchte

Beseelungen vierer Schatten leuchte, leuchte, leuchte



Beseelungen, die mich umkreisen, leuchte, leuchte, leuchte, leuchte

Beseelungen der Befruchtung leuchte, leuchte, leuchte

Aus: E. E. A.: „Hier und dort & Andines Liederbündel“. Übersetzung aus dem Quechua und Aymara ins bolivianische Spanisch von der Autorin. Herausgegeben und ins Deutsche übertragen von Juana Burghardt und Tobias Burghardt, Edition Delta, Stuttgart 2022

Pukar sami

aimara | Elvira Espejo Ayca

Intitalay jalantjipana
Tupurayar sarañani

Intitalay jalantjipana
Pukararuy sarañani

Wara waray willinuqthipana
Tupurayar irsuñani

Wara waray willinuqthipana
Pukararuy irsuñani

Kuna laykuy irsuñani
Sami laykuy irsuñani

Kuna laykuy irsuñani
Uwir laykuy irsuñani

© Elvira Espejo Ayca
Audio production: Haus für Poesie, 2022

Beseelung von Pukara

alemán

Wenn die Sonne untergeht

Gehen wir nach Tupuraya


Wenn die Sonne untergeht

Gehen wir nach Pukara


Wenn die Sterne einströmen

Gelangen wir nach Tupuraya


Wenn die Sterne einströmen

Gelangen wir nach Pukara


Wofür steigen wir gemeinsam hinauf?

Wir steigen für unsere Beseelungen hinauf



Wofür steigen wir gemeinsam hinauf?

Wir steigen für unseren Hüter hinauf

Aus: E. E. A.: „Hier und dort & Andines Liederbündel“. Übersetzung aus dem Quechua und Aymara ins bolivianische Spanisch von der Autorin. Herausgegeben und ins Deutsche übertragen von Juana Burghardt und Tobias Burghardt, Edition Delta, Stuttgart 2022

FINAL DE RECITAL

catalán | Joan Margarit

Enlluernat pels focus
miro l’obscuritat on sou vosaltres.
Els focus són aquesta il·lusió
de l’ombra on escolteu la claredat
de la meva ceguesa: tots portem
un auditori fosc dins de nosaltres
escoltant en silenci aquesta història
de la seducció sense esperança.
Estimar és ser distant.
L’amor és ser estranger, però vosaltres
sou l’hospitalitat d’aquest silenci
que m’ha escoltat sabent que dintre vostre
he deixat d’existir, que no hauré estat
més que l’ombra estimada d'algú altre.

© Joan Margarit
from: Els motius del llop
Barcelona: Columna, 1993
Audio production: Institut Ramon Llull

DAS ENDE DER LESUNG

alemán

Von den Scheinwerfern geblendet,

betrachte ich die Dunkelheit, wo ihr seid.

Die Scheinwerfer sind diese Illusion

des Schattens, wo ihr die Klarheit

meiner Blindheit hört: wir alle tragen

einen dunklen Saal in uns,

wo wir still diese Geschichte

der Verführung ohne Hoffnung hören.

Lieben heißt, fern sein.

Liebe ist fremd sein, aber ihr

seid die Gastfreundschaft dieser Stille,

die mir zugehört hat, wissend, dass ich in euch

zu existieren aufhöre, dass ich nichts gewesen sein werde

als der geliebte Schatten irgendeines Anderen.

Aus dem Katalanischen von Juana Burghardt und Tobias Burghardt.

PRINCIPIS I FINALS

catalán | Joan Margarit

Un temps, vaig ser una noia de futur.
Podia llegir Horaci i Virgili en llatí,
recitar de memòria tot Keats.
Però, entrant en les coves dels adults,
em van caçar i vaig començar a parir
els fills d’un home estúpid i cregut.
Ara m’empleno el vas sempre que puc
i ploro si recordo un vers de Keats.
Una no sap, de jove, que cap lloc
no és el lloc on podrà restar per sempre.
També s’estranya quan no arriba mai
aquell o aquella en qui trobar descans.
Una ignora, de jove, que els principis
no tenen res a veure amb els finals.

© Joan Margarit
from: Els motius del llop
Barcelona: Columna, 1993
Audio production: Institut Ramon Llull

ANFÄNGE UND SCHLÜSSE

alemán

Eine Zeit lang war ich ein Mädchen mit Zukunft.

Ich konnte Horaz und Virgil auf Latein lesen,

den vollständigen Keats auswendig aufsagen.

Aber beim Eintritt in die Höhlen der Erwachsenen

wurde ich gefangen und brachte die Kinder

eines dummen, eingebildeten Mannes auf die Welt.

Jetzt fülle ich den Becher, sobald ich kann,

und weine, wenn ich einen Keats-Vers erinnere.

Sie weiß nicht, solange sie jung ist, dass es keinen

Ort gibt, an dem sie für immer bleiben kann.

Sie wundert sich auch, daß niemand kommt,

bei dem sie Ruhe findet.

Sie verkennt, solange sie jung ist, daß die Anfänge

niemals mit den Schlüssen übereinstimmen.

Aus dem Katalanischen von Juana Burghardt und Tobias Burghardt.

ELS MORTS

catalán | Joan Margarit

Els tres cops dels palmells damunt del mur:
Un, dos, tres: pica paret.
Ens llancem endavant mentre ressonen
i ens aturem mirant l’esquena de la Mort,
que es gira molt de pressa per sorprendre
els qui es mouen encara amb l’embranzida
i els fa fora per sempre d’aquest joc.

Un, dos, tres: pica paret.
Se’n va la llum. Com un punt d’or, l’espelma
fa tremolar les ombres de la cambra.
Per què fa tant de fred a la postguerra?
La Mort es tomba i veu com la meva germana,
amb febre, es mou i plora sota el gel.

Un, dos, tres: pica paret.
El passat era el rostre del meu pare:
presons i cicatrius, desercions.
Com el terroritzaven aquests cops
dels palmells contra el mur.
No pot acabar un gest d’impaciència.
La ira i la por el van delatar a la Mort.

Un, dos, tres: pica paret.
No ens apartàvem mai del seu costat.
I ara jugo amb la meva filla morta.
Per què no vaig endevinar els seus ulls?
Però el futur, astut, sempre fa trampa.
No vaig sentir els tres cops: em va somriure
i vora meu hi havia ja el seu buit.
I el joc havia de continuar.

Un, dos, tres: pica paret.
Ja no m’importa si la Mort em veu:
em giro per somriure als qui em segueixen.
Ara que he arribat a prop del mur,
no sé res del que hi pugui haver al darrere.
Només sé que me’n vaig amb els meus morts.

© Joan Margarit
from: Càlcul d’estructures
Barcelona: Proa, 2005
Audio production: Institut Ramon Llull

DIE TOTEN

alemán

Dreimal mit der Hand auf die Mauer schlagen:

Kaiser, wieviele Schritte darf ich gehen?

Wir laufen drauf los, während sie nachhallen,

und halten beim Anblick der Schulter des Todes inne,

der sich rascher umdreht, um die zu erwischen,

die sich noch schwungvoll bewegen,

er wirft sie für immer aus diesem Spiel.


Kaiser, wieviele Schritte darf ich gehen?

Das Licht geht unter. Wie ein goldene Punkt

lässt die Kerze die Schatten im Zimmer flackern.

Warum ist es in der Nachkriegszeit so bitterkalt?

Der Tod dreht sich um, ich sehe, wie meine Schwester

im Fieber sich bewegt und unter der Eiseskälte weint.


Kaiser, wieviele Schritte darf ich gehen?

Die Vergangenheit war das Antlitz meines Vaters:

Gefangenschaften und Narben, Fahnenfluchten.

Wie sehr erschreckten ihn die Schläge

mit der Hand gegen die Mauer.

Ich kann meine ungeduldige Haltung nicht aufgeben.

Die Wut und die Angst haben ihn an den Tod verraten.


Kaiser, wieviele Schritte darf ich gehen?

Wir wichen nicht mehr von seiner Seite.

Und jetzt spiele ich mit meiner toten Tochter.

Warum habe ich ihre Augen nicht enträtselt?

Aber die Zukunft schummelt immer mit List.

Ich habe die drei Schläge nicht gehört: sie lächelte mich an

und in meiner Nähe war bereits ihre Leere.

Und das Spiel mußte weiterlaufen.


Kaiser, wieviele Schritte darf ich gehen?

Mir ist es bereits egal, ob der Tod mich sieht:

Ich drehe mich um und lächle die Nachfolgenden an.

Da ich jetzt fast an der Mauer angekommen bin,

weiß ich nichts über das Dahinterliegende.

Ich weiß nur, daß ich zu meinen Toten gehe.

Aus dem Katalanischen von Juana Burghardt und Tobias Burghardt.

PRIMER AMOR

catalán | Joan Margarit

En la Girona trista dels set anys,
on els aparadors de la postguerra
tenien un color gris de penúria,
la ganiveteria era un esclat
de llum en els petits miralls d’acer.
Amb el front descansant damunt del vidre,
mirava una navalla, llarga i fina,
bella com una estàtua de marbre.
Com que els de casa no volien armes,
vaig comprar-la en secret i, en caminar,
la sentia, pesant, dins la butxaca.
A vegades l’obria a poc a poc
i sorgia la fulla recta i prima
amb la conventual fredor de l’arma.
Presència callada del perill:
vaig amagar-la, els trenta primers anys,
rere llibres de versos i després
dins un calaix, entre les teves calces
i entre les teves mitges.
Ara, a punt de complir els cinquanta quatre,
torno a mirar-la oberta al meu palmell,
tan perillosa com a la infantesa.
Sensual, freda. Més a prop del coll.

© Joan Margarit
from: Els motius del llop
Barcelona: Columna, 1993
Audio production: Institut Ramon Llull

ERSTE LIEBE

alemán

Im traurigen Girona meines siebten Jahrs,

wo die Schaufenster der Nachkriegszeit

die graue Farbe des Mangels hatten,

war das Messergeschäft ein Ausbruch

von Licht in den kleinen Spiegeln aus Stahl.

Die Stirn an die Scheibe gedrückt

betrachtete ich ein Taschenmesser, lang und schmal,

schön wie eine Statue aus Marmor.

Weil man zu Hause keine Waffen wollte,

habe ich es heimlich gekauft. Wenn ich ging,

schlug es mir in der Tasche gegen den Schenkel.

Manchmal öffnete ich es vorsichtig

und die gerade, dünne Klinge trat heraus

mit der klösterlichen Kälte der Waffe.

Verschwiegene Anwesenheit der Gefahr:

die ersten dreißig Jahre habe ich es versteckt,

hinter Gedichtbänden und später

in einer Schublade, zwischen deinen Höschen

und zwischen deinen Strümpfen.

Jetzt, kurz vor dem achtundsechzigsten Geburtstag,

betrachte ich es wieder, geöffnet auf meiner Handfläche,

so gefährlich wie in der Kindheit.

Sinnlich, kalt. Näher am Hals.

Aus dem Katalanischen von Juana Burghardt und Tobias Burghardt.

SOMNI D'UNA NIT D'ESTIU

catalán | Joan Margarit

Hem aturat el cotxe
vora un mur de xiprers.
Fa trenta anys que vivim junts.
Jo era un jove inexpert i tu una noia
desemparada i càlida.
L’ombra de l’última oportunitat
està ocultant la lluna.
Sóc un vell inexpert.
I tu una dona gran desemparada.

© Joan Margarit
from: Els motius del llop
Barcelona: Columna, 1993
Audio production: Institut Ramon Llull

SOMMERNACHTSTRAUM

alemán

Wir parkten den Wagen

bei der Wand aus Zypressen.

Seit dreißig Jahren leben wir gemeinsam.

Ich war ein unerfahrener Jüngling – du, ein Mädchen,

alleingelassen und warmherzig.

Der Schatten der letzten Gelegenheit

verdeckt nun den Mond.

Ich bin ein unerfahrener Alter.

Und du, eine alleingelassene, reife Frau.

Aus dem Katalanischen von Juana Burghardt und Tobias Burghardt.

Dibaxu XXIX

español | Juan Gelman

no stan muridus lus páxarus
di nuestrus bezus/
stan muridus lus bezus/
lus páxarus volan nil verdi sulvidar/

pondrí mi spantu londji/
dibaxu dil pasada/
qui arde
cayadu com'il sol/

[Translated from Sephardic into Spanisch by the author:]

Dibaxu
XXIX

no están muertos los pájaros
de nuestros besos/
están muertos los besos/
los pájaros vuelan en el verde olvidar/

pondré mi espanto lejos/
debajo del pasado/
que arde
callado como el sol/

© Juan Gelman
from: Dibaxu – Debajo – Darunter
Dürnau: Edition 350 in Verlag der Kooperative Dürnau (Oberschwaben), 1999
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin

DARUNTER XXIX

alemán

nicht gestorben sind die Vögel

unserer Küsse /

gestorben sind die Küsse /

die Vögel fliegen ins grüne Vergessen /


ich werde meinen Schrecken in die Ferne legen /

unter die Vergangenheit /

die glüht

schweigsam wie die Sonne /

Aus dem Sephardischen von Juana Burghardt und Tobias Burghardt

Aus: Dibaxu – Debajo – Darunter. Dürnau: Edition 350 in Verlag der Kooperative Dürnau (Oberschwaben) 1999

Dibaxu XVII

español | Juan Gelman

un vienti di separadas/
di bezus que no mus diéramus/
acama il trigu di tu ventre/
sus asusenas cun sol/

veni/
o querré no aver nasidu/
trayi tu agua clara/
las ramas floreserán/

mira istu:
soy un niniu rompidu/
timblu nila nochi
qui cayi di mí/

[Translated from Sephardic into Spanisch by the author:]

XVII

un viento de separados/
de besos que no nos dimos/
doblega al trigo de tu vientre/
sus azucenas con sol/

ven/
o querré no haber nacido/
trae tu agua clara/
las ramas florecerán/

mira esto:
soy un niño roto/
tiemblo en la noche
que cae de mí/

© Juan Gelman
from: Dibaxu – Debajo – Darunter
Dürnau: Edition 350 in Verlag der Kooperative Dürnau (Oberschwaben), 1999
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin

DARUNTER XVII

alemán

ein Wind von Getrennten /

von Küssen die wir uns nicht gaben /

biegt den Weizen deines Bauches /

seine sonnigen Lilien /


komm /

oder ich wollte nicht geboren sein /

bring dein klares Wasser /

die Zweige werden erblühen /


sieh nur:

ich bin ein zerbrochenes Kind /

ich zittere in der Nacht

die von mir fällt /

Aus dem Sephardischen von Juana Burghardt und Tobias Burghardt

Aus: Dibaxu – Debajo – Darunter. Dürnau: Edition 350 in Verlag der Kooperative Dürnau (Oberschwaben) 1999

Certezas

español | Juan Gelman

A Alberto Díaz

A ver cómo es.
Estaba quieta la inquietud por una vez,
la desazón en sazón y
¡cómo se parecía el mundo a Gerarda
envuelta en sensaciones de encaje!
Las palabras chocan contra la tarde y no
   la descomponen y
la furia no me deja solo conmigo.
Hay mucha sombra militar que no me deja
   solo en la esquina
donde Gerarda y yo decíamos "te soy" para decir
"me soy", en vos, que te fuiste a vivir con los muertos.
¿Eso se hace?
La primavera vive sin pensar,
pero yo no soy la primavera,
cuento huesos y sangre del sueño que vendrá.
También nosotros soñamos sobre sangre que vendrá.
En el revés del mundo crece el cosmos
y Gerarda está allí,
donde nuestro dolor será nada.

© Juan Gelman

GEWISSHEITEN

alemán

Mal schauen, wie es ist.

Ruhig ist die Unruhe dies eine Mal,

die Unzeit zur rechten Zeit; und

wie sehr ähnelt die Welt Gerarda,

eingehüllt in Empfindungen aus Spitzen!

Die Wörter stoßen gegen den Nachmittag

und stören ihn nicht,

die Wut läßt mich nicht mit mir alleine.

Es gibt eine Menge Militärschatten, der mich an der Ecke

nicht alleine läßt,

wo Gerarda und ich sagten: „ich bin dir“, um zu sagen:

„ich bin mir“, in dir, denn du bist gegangen,

um mit den Toten zu leben.

Tut man das?

Der Frühling ist gedankenlos,

aber ich bin nicht der Frühling,

ich zähle Knochen und Blut des kommenden Traums.

Auch wir träumen vom kommenden Blut.

Auf der Rückseite der Welt wächst der Kosmos,

und Gerarda ist da,

wo unser Schmerz nichts sein wird.


     (für Alberto Díaz)

Aus dem argentinischen Spanisch von Juana Burghardt und Tobias Burghardt

¿ Cómo ?

español | Juan Gelman

¿Cómo sabe Andrea que la poesía no tiene
   cuerpo, no tiene corazón y
en su hálito de niña pasa o puede pasar
y habla de lo que siempre no habla?
En la boca cuaja el mundo y a la luz
de pasados que Andrea ignora para nunca
su memoria es una casa nueva donde
otros rostros vivirán,
otros amaneceres, otros llantos.
Mejor así.
Todo lo que se hunde ahora, este tiempo que se
   disuelve,
serán para ella páginas amarillentas olvidables.
Un día sabrá que existieron como ella misma,
entre lo imaginario y lo real.
¡Ah, vida, qué mañana
cuando termines de escribir!

© Juan Gelman

WIE?

alemán

Wie weiß Andrea, dass die Poesie keinen Körper,

kein Herz hat und

durch ihr kindliches Wesen geschieht oder geschehen kann

und sagt, was sie immer ungesagt läßt?

Im Mund gerinnt die Welt und im Licht

der Vergangenheiten, die Andrea auf nimmer verkennt,

ihr Gedächtnis ist ein neues Haus, in dem

andere Gesichter leben werden,

andere Sonnenaufgänge, andere Klagen.

Besser so.

Alles, was jetzt versinkt, diese Zeit, die verrinnt,

werden für sie vergilbte, vergeßbare Blätter sein.

Eines Tages wird sie wissen, daß es sie gab wie sie selbst

zwischen dem Eingebildeten und dem Wirklichen.

Ach, Leben, welch ein Morgen,

wenn du aufhörst zu schreiben!

Aus dem argentinischen Spanisch von Juana Burghardt und Tobias Burghardt

Diferencias

español | Juan Gelman

Entre Hölderlin y la locura de Hölderlin
hay diferencias.
La poesía no es un destino.
Nadie sabe quién es la poesía para ella.
En el recinto del cielo hay jaulas
sin astros ni dolor. ¿La
niñita que dio vuelta la esquina
llorando es absurda? ¿Como
el sonido de mi hambre hoy? ¿La insania
camina por la calle? ¿Se queda
en cualquier casa?
¿La tuya?

© Juan Gelman
from: Huellas en el agua / Spuren im Wasser. Poemas / Gedichte
Zürich: teamart Verlag, 2003

Unterschiede

alemán

Zwischen Hölderlin und dem Wahn Hölderlins

gibt es Unterschiede.

Die Poesie ist keine Bestimmung.

Niemand weiß, wer die Poesie für sich ist.

Im Himmelsgehege gibt es Käfige

ohne Sterne noch Leid. Ist das

kleine Mädchen, das weinend um die Ecke

kam, abwegig? Wie

das Geräusch meines Hungers heute? Geht

der Unsinn auf der Straße? Bleibt er

in irgendeinem Haus?

In deinem?

Aus dem argentinischen Spanisch von Juana Burghardt und Tobias Burghardt

Aus: Huellas en el agua / Spuren im Wasser. Poemas / Gedichte
Zürich: teamart Verlag 2003


Humos

español | Juan Gelman

Está quieta la tarde en el café. Pasa
la niña que pide y
se llama Mari. Su tristeza
pisa la ciudad y rostros
que dieron su vida por la vida y
la niña repite. El sueño
es un libro enrollado, echa humo
como si fuera un horno grande. Su mano dice
que el mundo es cóncavo.

© Juan Gelman
from: Huellas en el agua / Spuren im Wasser. Poemas / Gedichte
Zürich: teamart Verlag, 2003

RAUCHSCHWADEN

alemán

Ruhig ist der Nachmittag im Café. Das kleine

Mädchen, das bettelt, kommt vorbei und

heißt Marie. Ihre Traurigkeit

betritt die Stadt und Gesichter,

die ihr Leben für das Leben gaben und

das kleine Mädchen widerspiegelt. Der Traum

ist eine Buchrolle, die schwelt,

als wäre er ein großer Ofen. Ihre Hand sagt,

daß die Welt hohl ist.

Aus dem argentinischen Spanisch von Juana Burghardt und Tobias Burghardt

Aus: Huellas en el agua / Spuren im Wasser. Poemas / Gedichte
Zürich: teamart Verlag 2003


El animal

español | Juan Gelman

Cohabito con un oscuro animal.
Lo que hago de día, de noche me lo come.
Lo que hago de noche, de día me lo come.
Lo único que no me come es la memoria. Se encarniza en
palpar hasta el más chico de mis errores y mis miedos.
No lo dejo dormir.
Soy su oscuro animal.

© Juan Gelman

DAS TIER

alemán

Ich wohne mit einem dunklen Tier.

Was ich tagsüber mache, frißt es mir nachts weg.

Was ich nachts mache, frißt es mir tagsüber weg.

Das Einzige, das es nicht frißt, ist das Gedächtnis. Verbissen spürt es sogar den allerkleinsten meiner Fehler und meiner Ängste auf.

Ich lasse es nicht schlafen.

Ich bin sein dunkles Tier.

Aus dem argentinischen Spanisch von Juana Burghardt und Tobias Burghardt

[está negra la madera de tu casa]

español | Juan Gelman

está negra la madera de tu casa
y el verde de tus plantas brilla como lustrado a mano/
te debe haber llovido mucha ausencia/
debe haberte apagado los fuegos que encendías
para leer tus pechos/
para saber quién anda por ahí/
en el verano de tu rigidez empujada/
¿qué sería la muerte sin la lluvia/
su ciencia de humo y claridad?/
temblabas como un cafetín/
pasaban tangos de gardel y toros ya suavísimos/
tus piernas ardían al lado de los ángeles
y volaban cenizas del secreto cremado/
¿cómo es posible el horror de saber?/
¡dale/viento!/
¡raspa la música que hace diamantes
en cada esquina de la sonreidora!/
¡la música que separa los nacimientos de los espantapájaros!
¡los espantapájaros verdaderos!/
¡que me conocen y no son yo!/
vos/que sabés hacer cuchillos
con un instante del amor/
cantá/sentada en los panes que horneo y nunca comeré/
¡cantá/para que corra la mañana
y se subleven los canarios
que lloran ocultamente!/

© Juan Gelman

ANKÜNDIGUNGEN. FRAGMENT

alemán

schwarz ist das Holz deines Hauses

und das Grün deiner Pflanzen glänzt wie handpoliert /

es wird dir wohl viel Abwesenheit geregnet haben /

es wird dir wohl die Feuer gelöscht haben,

           die du entfachtest

um deine Brüste zu lesen /

um zu wissen, was sich da aufhält /

im Sommer deiner gedrängten Strenge /

was wäre der Tod ohne Regen? /

seine Wissenschaft aus Rauch und Helligkeit? /

du zitterst wie ein Kaffeehaus /

man hörte Tangos von Gardel und schon sehr sanfte Stiere /

deine Beine glühten neben den Engeln

und Funken flogen vom eingeäscherten Geheimnis /

wie ist das Grauen des Wissens möglich? /

mach schon / Wind! /

kratze die Musik, welche Diamanten hervorbringt

an jeder Ecke der Lächelnden! /

die Musik, welche die Geburten der Vogelscheuche trennt /

die wahren Vogelscheuchen! /

die mich kennen und nicht ich sind! /

du / weißt, wie man Messer macht

aus einem Augenblick der Liebe /

singe / während du auf den Broten sitzt, die ich backe

und nie essen werde /

singe / damit der Morgen verläuft

und die Kanarienvögel aufbegehren

die insgeheim weinen /

Aus dem argentinischen Spanisch von Juana Burghardt und Tobias Burghardt

Niños

español | Juan Gelman

un niño hunde la mano en su fiebre y saca astros que tira al aire / y
ninguno ve /
yo tampoco los veo /
yo sólo veo un niño con fiebre que tiene los ojos cerrados y ve
animalitos que pasan por el cielo / pacen en su temblor /
yo no veo esos animalitos /
yo veo al niño que ve animalitos /
y me pregunto por qué esto pasa hoy /
¿pasaría otra cosa ayer? / ¿se sacaría el niño mucha pena
del alma ayer? / yo sólo sé que el niño tiene fiebre /
tiene el alma cerrada y la hunde
en las cenizas que dejará porque ardió /
pero ¿es así? / ¿hunde su alma en las cenizas de sí? / un árbol
mira detrás de la ventana al sol /
hay sol /
detrás de la ventana hay un árbol en la calle /
ahora por la calle pasa un niño con una mano en el bolsillo del
   pantalón /
está contento y saca la mano del bolsillo /
abre la mano y suelta fiebres que ninguno ve /
yo tampoco las veo /
yo sólo veo su palma abierta a la luz /
y él / ¿qué ve? /
¿ve bueyes que tiran del sol? /
yo no sé nada /
no sé qué ve el niño de la mano en el pantalón /
ni el niño que tiene fiebre y ve los huesos del atlántico
y los huesos de todos los mares revueltos en su corazón /
yo no veo nada / no sé nada /
ni sé en qué día nací /
conozco la fecha pero no el día en que nací /

© Juan Gelman
from: Huellas en el agua / Spuren im Wasser. Poemas / Gedichte
Zürich: teamart Verlag, 2003

KINDER

alemán

ein Kind versenkt die Hand in sein Fieber und holt Sterne heraus,

die es in die Luft wirft / und niemand sieht /

ich sehe sie auch nicht /

ich sehe nur ein Kind mit Fieber, das die Augen geschlossen hat und

Tierchen sieht, die am Himmel vorüberziehen / in seinem Zittern weiden /

ich sehe diese Tierchen nicht /

ich sehe das Kind, das Tierchen sieht /

und frage mich, warum dies heute geschieht /

geschähe gestern etwas anderes? / verarbeitete das Kind gestern

eine große Seelenqual? / ich weiß nur, daß das Kind Fieber hat /

es hat die Seele geschlossen und versenkt sie

in Aschen, die es zurücklassen wird, weil es glühte /

ist es jedoch so? / versenkt es seine Seele in die Aschen von sich? / ein Baum

schaut hinter dem Fenster zur Sonne /

die Sonne scheint /

hinter dem Fenster steht ein Baum auf der Straße /

jetzt geht ein Kind mit einer Hand in der Hosentasche auf der Straße /

es ist froh und nimmt die Hand aus der Tasche /

öffnet die Hand und läßt lauter Fieber frei, das niemand sieht /

ich sehe es auch nicht /

ich sehe nur die zum Licht hin offene Hand /

und das Kind / was sieht es? /

sieht es Ochsen, die an der Sonne ziehen? /

ich weiß nichts /

ich weiß nicht, was das Kind mit der Hand in der Hose sieht /

auch nicht das Kind, das Fieber hat und die Knochen des Atlantiks sieht

und die Knochen aller aufgewühlten Meere in seinem Herzen /

ich sehe nichts / ich weiß nichts /

ich weiß nicht einmal, an welchem Tag ich geboren wurde /

ich kenne das Datum, aber nicht den Tag, an dem ich geboren wurde /

oder ist dieser Tag jener, an dem ich zum x-ten Mal sterbe? /

ist es dieser Tag, an dem alle Verstorbenen

mit mir wieder sterben? / oder ich mit ihnen? /

in diesem offenen und sanftesten Licht? /

und was macht das Kind mit diesem Licht in seiner Hand? /

während alle arbeiten, um außerhalb dieses Lichts Geld zu machen? /

eingesperrt außerhalb dieses Lichts, das man nicht ohne ein inneres Licht sehen kann? /

ohne eine Liebe mit Kummer im Innern? /

jetzt ziehen die Briefe vorüber, die du mir geschrieben hast /

Sohn / du / der du so sehr aus diesem Licht kommst /

deine Briefe haben Fieber, von dem ich nichts weiß /

und nie etwas wissen werde /

sie sind wie Vögelchen, die mit deiner Gelassenheit fliegen /

Sterne, die du in die Luft geworfen hast und keiner sieht /

ich sehe sie nicht, auch nicht mein unsicherer Schmerz /

du dachtest an ein reineres Leben als dieses /

ein Leben, das man waschen /

in die Sonne deiner Güte hängen konnte /

ein Leben voller Gesichter / wie Reisen /

wo sind diese Gesichter? / diese Reisen? /

das Leben ist nackt wie ein uferloses Meer /

und ich kann das Leben nicht zurückdrehen /

es bis zu deiner Wiege tragen /

es auch nicht vorwärts bringen /

ich bin weniger wirklich als der Tisch, an dem ich esse /

ich esse, um wirklich zu sein, wie der Baum hinter dem Fenster /

jetzt stellte sich ihm ein Kind zur Seite /

es nimmt die Hand aus der Hosentasche /

es öffnet die Hand zum Licht

und denkt, daß der Tod der Tod ist

und nicht mehr als das /

Aus dem argentinischen Spanisch von Juana Burghardt und Tobias Burghardt.

Aus: Huellas en el agua / Spuren im Wasser. Poemas / Gedichte
Zürich: teamart Verlag 2003


Bajo la lluvia ajena, fragmento XVIII

español | Juan Gelman

El viento que entra en la cocina sacude el cartelón con el
rostro de alguna actriz del cine mudo, Mary Pickford tal vez.
Es bella, sus ojos brillan suavemente y con la boca construyen
una semisonrisa tiernísima, callada.
   También nosotros, aquí, somos actores mudos. Tenemos
brillos suaves, ternuras sucias de sangre seca como niños,
mucho silencio alrededor.
   La platea prefiere el film sonoro. ¿Quién hizo esta
película? De este lado de la pantalla, el nuestro, se oyen
muertos soltando vida de a poquito como un crujir de
sueños, los torturados gritan, crepita gente en la prisión, bajo
el estruendo de las botas militares la injusticia es un rugido
infernal. Del otro lado, parece que ven pasar fantasmas
pálidos y ningún piano los anuncia.
   Te amo, Mary Pickford, sé que ahora me amas. Entra el
viento y sacude nuestros amores de papel.

© Juan Gelman

UNTERM FREMDEN REGEN XVIII

alemán

Der Wind, der in die Küche weht, rüttelt am Plakat

mit dem Gesicht irgendeiner Schauspielerin vom Stummfilm.

Mary Pickford vielleicht. Sie ist schön, ihre Augen

leuchten sanft, und mit dem Mund bilden sie ein leichtes

Lächeln, unheimlich zärtlich und still.

   Auch wir hier sind stumme Schauspieler. Wir haben ein

sanftes Leuchten, verschmuddelte Zärtlichkeiten mit

trockenem Blut wie Kinder, viel Schweigen drumherum.

   Das Parkett bevorzugt den Tonfilm. Wer hat diesen

Streifen gedreht? Auf dieser Seite der Leinwald, unsere,

hört man, wie Tote allmählich, wie ein Ächzen des Traums,

Leben loslassen, die Gefolterten schreien, Leute

zerknirschen in der Gefangenschaft, unter dem Getöse der

Militärstiefel ist die Ungerechtigkeit ein teuflisches

Gebrüll. Auf der anderen Seite sehen sie scheinbar blasse

Gespenster, und kein Piano kündigt sie an.

   Ich liebe dich, Mary Pickford, ich weiß, daß du mich

jetzt liebst. Der Wind weht herein und rüttelt an unseren

Liebesgeschichten aus Papier.

Aus dem argentinischen Spanisch von Juana Burghardt und Tobias Burghardt

LA GOTA

español | José Emilio Pacheco

La gota es un modelo de concisión:
todo el universo
encerrado en un punto de agua.

La gota representa el diluvio y la sed.
Es el vasto Amazonas y el gran Océano.

La gota estuvo allí en el principio del mundo.
Es el espejo, el abismo,
la casa de la vida y la fluidez de la muerte.

Para abreviar, la gota está poblada de seres
que se combaten, se exterminan, se acoplan.
No pueden salir de ella,
gritan en vano.

Preguntan como todos:
¿de qué se trata,
hasta cuándo,
qué mal hicimos
para estar prisioneros de nuestra gota?

Y nadie escucha.
Sombra y silencio en torno de la gota,
brizna de luz entre la noche cósmica
en donde no hay respuesta.

© José Emilio Pacheco
from: Tarde o temprano. Poemas 1958-2000.
México: Edición de Ana Clavel. © Fondo de Cultura Económica , 1980

DER TROPFEN

alemán

Der Tropfen ist ein Modell für die Gedrängtheit:

das ganze Universum

in einem Wasserpunkt eingeschlossen.


Der Tropfen stellt die Sintflut und den Durst dar.

Er ist der weite Amazonas und der große Ozean.


Der Tropfen war zu Beginn der Welt da.

Er ist der Spiegel, der Abgrund,

das Haus des Lebens und das Fließen des Todes.


Kurzgefaßt, der Tropfen wird von Wesen bevölkert,

die sich bekämpfen, vernichten, zusammentun.

Sie können ihm nicht entrinnen

und schreien vergeblich.


Sie fragen wie alle:

Worum geht es?

Bis wann?

Was haben wir Schlimmen angerichtet,

um Gefangene unseres Tropfens zu sein?


Und niemand hört zu.

Schatten und Stille um den Tropfen,

Lichtfäden in der Weltennacht,

in der es keine Antwort gibt.

Aus dem Spanischen übersetzt von Juana Burghardt und Tobias Burghardt

LA ARAÑA DEL HOLIDAY HOUSE MOTEL

español | José Emilio Pacheco

Pasó por aquí la araña.

Veloz como fuego fatuo,
diminutiva como pulga la araña a escala,
su reducción final a un ser microbiano casi.

Subió a la cama,
leyó algo en el libro abierto
y se llevó un renglón en las patas.

Araña del motel en donde nadie sabe nada de nadie,
ella, la indiferente, lo sabe todo    
y transporta su ciencia: ¿adonde?

A la noche ínfima
de su dominio en tinieblas,
alcázar rampante
o tienda de campaña de seda ilesa
que no verán nuestros pobres ojos provisionales
aunque tan necesarios —para que exista el mundo—
como su tela.

Envuelta en su arrogancia pasa de nuevo.
Borra una línea más.
Arruina el sentido.
Es la miniaturización del terror la araña.

Aléjala si quieres pero no la mates.
Tú qué sabes qué intenta decir la araña.

© José Emilio Pacheco
from: Tarde o temprano. Poemas 1958-2000.
México: Edición de Ana Clavel. © Fondo de Cultura Económica , 1980

DIE SPINNE VOM HOLIDAY HOUSE MOTEL*

alemán

Die Spinne kam hier vorbei.


Flink wie ein törichtes Feuer,

winzig wie ein Floh, die Spinne nach Maßstab,

ihre endgültige Verringerung auf ein fast mikrobisches Wesen.


Sie stieg auf das Bett,

las ein wenig im offenen Buch

und nahm eine Zeile an den Beinen mit.


Spinne des Motels, wo keiner etwas von den anderen weiß,

sie, die Gleichgültige, weiß alles

und trägt ihre Wissenschaft mit sich: doch wohin?


In die mindere Nacht

ihrer Domäne in den Finsternissen,

aufgerichtete Festung

oder unversehrtes Seidenzelt,

das unsere armen, vorläufigen Augen nicht sehen werden,

obwohl sie so notwendig sind, damit die Welt besteht,

wie ihr Netz.


In ihre Überheblichkeit gehüllt, kommt sie wieder.

Sie entfernt noch eine Zeile.

Sie zerrüttet den Sinn.

Die Spinne ist die Verkleinerung des Schreckens.


Verscheuche sie, wenn du magst, aber töte sie nicht.

Da du weißt, was die Spinne sagen möchte.



*Das Motel von Malibu, wo sich nach der kalifornischen Legende Marilyn Monroe und John F. Kennedy trafen.

Aus dem Spanischen übersetzt von Juana Burghardt und Tobias Burghardt

EL ERIZO

español | José Emilio Pacheco

A VICENTE QUIRARTE

El erizo tiene miedo de todo y quiere dar miedo
en el fondo del agua o entre las piedras.
Es una flor armada de indefensión,
una estrella color de sangre,
derruida en su fuego muerto.

Zarza ardiente en el mar, perpetua llaga
resiste la tormenta en su lecho de espinas.
El erizo no huye: se presenta
en guerra pero inerme ante nuestros ojos.

Al fondo de su cuerpo la boca, herida abierta, discrepa
de su alambre de púas, su carcaj
de flechas dirigidas a ningún blanco.

Testigo vano de su hiriente agonía,
el erizo no cree en sí mismo ni en nada.
Es una esfera
cuya circunferencia está en el vacío.
Es una isla
asediada de lanzas por todas partes.

Soledad del erizo, martirio eterno
de este San Sebastián que nació acribillado.
El erizo nunca se ha visto.
No se conoce a sí mismo.
Tan sólo puede imaginarse a partir
de los otros erizos,
su áspero prójimo,
su semejante rechazante.

Bajo el mar que no vuelve avanza el erizo
con temerosos pies invisibles.
Se dirige sin pausa hacia la arena
en donde está la fuente del silencio.

© José Emilio Pacheco
from: Tarde o temprano. Poemas 1958-2000.
México: Edición de Ana Clavel. © Fondo de Cultura Económica , 1980

DER IGEL

alemán

FÜR VICENTE QUIRARTE



Der Igel fürchtet alles und möchte Furcht einflößen

in der Tiefe des Wassers oder zwischen Steinen.

Er ist eine Blume, mit Wehrlosigkeit bewaffnet,

ein Stern in der Farbe des Blutes,

zerschmettert in seinem toten Feuer.


Glühender Dorn im Meer, ewige Schwäre,

die den Sturm in ihrem Stachelbett übersteht.

Der Igel flieht nicht: er ist kriegs-

bereit, aber wehrlos vor unseren Augen.


Der Mund am unteren Ende seines Körpers, eine offene

Wunde, unterscheidet sich von seinem Stacheldraht,

sein Köcher für Pfeile, die auf sein Ziel gerichtet sind.


Als vergeblicher Zeuge seines verletzenden Siechtums

glaubt der Igel weder an sich selbst noch an etwas.

Er ist eine Kugel,

deren Umkreis in der Leere liegt.

Er ist eine Insel,

überall von Speeren umzingelt.


Die Einsamkeit des Igels, ein ewiges Martyrium

dieses Heiligen Stephans, der durchbohrt zur Welt kam.

Der Igel hat sich nie gesehen.

Er kennt sich nicht selbst.

Er kann sich nur

anhand anderer Igel vorstellen,

seine schroffen Nächsten,

sein ablehnendes Ebenbild.


Unterm nicht wiederkehrenden Meer kommt der Igel

mit furchtsamen, unsichtbaren Füßen voran.

Er geht unentwegt auf den Sand zu,

wo die Quelle der Stille liegt.

Aus dem Spanischen übersetzt von Juana Burghardt und Tobias Burghardt

EL CARDO

español | José Emilio Pacheco

El cardo es pura hostilidad.
Inmóvil escorpión, acecha y sabe
que alguien irá a clavarse en sus púas.

Planeta de odio, error de la tierra.

El cardo sólo sirve para herir,
sólo tiene lenguas
para la injuria.

Quiere vengarse de ser cardo.

Es la ofensa a todo.
el erizo que se difunde
para clavar su pica de rabia.

Y al cumplir su función morirse.

© José Emilio Pacheco
from: Tarde o temprano. Poemas 1958-2000.
México: Edición de Ana Clavel. © Fondo de Cultura Económica , 1980

DIE DISTEL

alemán

Die Distel ist reine Feindseligkeit.

Regloser Skorpion, der lauert und weiß,

daß sich jemand an seinen Stacheln stechen wird.


Planet des Hasses, Irrtum der Erde.


Die Distel ist nur zum Verwunden da

und beherrscht nur die Sprache

der Schmähung.


Sie möchte ihr Disteldasein rächen.


Eine Beleidigung für alles,

der Igel, der sich ausbreitet,

um seinen Zornesstachel einzustechen.


Und nach seiner erfüllten Bestimmung sterben.

Aus dem Spanischen übersetzt von Juana Burghardt und Tobias Burghardt

PREHISTORIA

español | José Emilio Pacheco

En las paredes de esta cueva
pinto el venado
para adueñarme de su carne,
para ser él,
para que su tuerza y su ligereza sean mías
y me vuelva el primero
entre los cazadores de la tribu.

En este santuario
divinizo las fuerzas que no comprendo.
Invento a Dios,
a semejanza del Gran Padre que anhelo ser
con poder absoluto sobre la tribu.

En este ladrillo
trazo las letras iniciales,
el alfabeto con que me apropio del mundo al simbolizarlo.
La T es la torre y desde allí gobierno y vigilo.
La M es el mar desconocido y temible.

Gracias a ti, alfabeto hecho por mi mano,
habrá un solo Dios: el mío.
Y no tolerará otras deidades.
Una sola verdad: la mía.
Y quien se oponga a ella recibirá su castigo.

Habrá jerarquías, memoria, ley:
mi ley: la ley del más fuerte
para que dure siempre mi poder sobre el mundo.

© José Emilio Pacheco
from: Tarde o temprano. Poemas 1958-2000.
México: Edición de Ana Clavel. © Fondo de Cultura Económica , 198

VORGESCHICHTE (I)

alemán

Auf die Wände dieser Höhle

male ich den Hirsch,

um mich seines Fleisches zu bemächtigen,

um er zu sein,

damit seine Kraft und Leichtfüßigkeit mir gehören

und ich zum Ersten werde

unter den Jägern des Stammes.


In diesem Hain

verherrliche ich die Kräfte, die ich nicht verstehe.

Ich erfinde Gott

nach dem Ebenbild des Großen Vaters, der ich

mit uneingeschränkter Macht über den Stamm sein will.


Auf diesen Ziegel

zeichne ich die Anfangsbuchstaben,

das Alphabet, mit dem ich in Symbolen die Welt einnehme.

Das T ist der Turm, von dort aus herrsche und bewache ich.

Das M ist das unbekannte und gefürchtete Meer.


Dank dir, von meiner Hand gezeichnetes Alphabet,

wird es nur einen Gott geben: meinen.

Und er wird keine anderen Götter dulden.

Nur eine Wahrheit: meine.

Und wer sich ihr widersetzt, erhält seine Strafe.


Es wird Hierarchien geben, Gedächtnis, Gesetz:

mein Gesetz: das Gesetz des Stärkeren,

damit meine Macht über die Welt für immer währt.

Aus dem Spanischen übersetzt von Juana Burghardt und Tobias Burghardt

PARE, LA MAR – IRREVOCABLE I JUSTA

catalán | Teresa Pascual

Pare, la mar —irrevocable i justa—
arrima al port la càrrega dels dies,
a coberta del fred i de la sal.
I en els bocois de plata que administres,
poses atentament el temps en ordre.
Fora, on ja no estem per a obeir
el referent fidel de les muntanyes,
apunta el vent a penes sobre l'aigua;
la terra, dins, exili de la mar,
segueix sense perdó les seues lleis
que contra el cos i des del cos les dicta.

© Teresa Pascual
from: El temps en ordre
Audio production: institut ramon llull

VATER, DAS MEER – UNABÄNDERLICH UND GERECHT

alemán

Vater, das Meer – unabänderlich und gerecht –

löscht im Hafen die Fracht der Tage

sicher vor Kälte und Salz.

Und in den Silberfässern, die du verwaltest,

räumst du sorgfältig die Zeit auf.

Draußen, wo der treue Bezug der Berge,

nach denen man sich richtet, nicht da ist,

beginnt der Wind zaghaft über dem Wasser zu wehen;

die Erde, innen, Verbannung des Meeres,

befolgt unerbittlich die eigenen Gesetze,

die gegen den Körper und vom Körper vorgeschrieben werden.

Übersetzt von Juana Burghardt und Tobias Burghardt.

EL TEU COS NO ÉS SAL I ÉS LA SAL

catalán | Teresa Pascual

El teu cos no és sal i és la sal
com no és pa tampoc i és el pa
que ara s’ha partit en dos i menge
sacrílega, santament, sacrifici,
eucaristia de la nit oberta.
No és casa el teu cos i és la casa
que podria habitar-se sense llums,
els ciris grocs encesos, olors grogues,
temps ferit sense culpa, sense origen,
altar sense condemna, eucaristia.

© Teresa Pascual
from: Currículum vitae
Audio production: institut ramon llull

DEIN KÖRPER IST KEIN SALZ UND IST DAS SALZ

alemán

Dein Körper ist kein Salz und ist das Salz,

wie er auch kein Brot ist und das Brot ist,

das ich nun zweigeteilt esse,

frevelhaft, heilig, Opfergabe,

Abendmahl der offenen Nacht.

Dein Körper ist keine Wohnung und ist die Wohnung,

die ohne Beleuchtung bewohnt werden könnte,

die gelben,  brennenden Kerzen, gelbe Gerüche,

verwundete Zeiten ohne Schuld, ohne Ursprung,

Altar ohne Verdammnis, Abendmahl.

Übersetzt von Juana Burghardt und Tobias Burghardt.

CAMINE NOUS ESPAIS

catalán | Teresa Pascual

Camine nous espais Unter den Linden
amb la por de qui pensa a escapar
i es troba ja perdut des de l’inici.
Explore una defensa entre les cares
que marxen sense veu i sense nom
dins d’un metro tancat com una asfíxia
i encalle en gels de blanca solitud
mentre avança el desert del soterrani.
I per què ara no puc Unter den Linden
notar la pau i l’ombra dels til·lers
si res no tinc, si ja no tinc de mi
més que el meu vell, el meu trist testimoni.

© Teresa Pascual
from: Arena
Audio production: institut ramon llull

ICH BEGING NEUE ORTE

alemán

Unter den Linden beging ich neue Orte

mit der Furcht derer, die an Flucht denken

und schon von Anfang an verloren sind.

Ich suchte nach Abwehr zwischen den Gesichtern,

die ohne Stimme und ohne Namen

erstickt in der verschlossenen U-Bahn fahren,

und blieb im Eis aus weißer Einsamkeit stecken,

während die Einöde des Untergrunds vordringt.

Und warum kann ich jetzt nicht Unter den Linden

den Frieden und Schatten der Linden bemerken,

wenn nichts, wenn von mir nichts sonst

als mein Alter, mein trauriges Zeugnis bleibt.

Übersetzt von Juana Burghardt und Tobias Burghardt.

En flotación

español | Fernando Rendón

I

Cuándo emprendimos la cruenta marcha desde el Apocalipsis de Sombra de Hombre, entre los alaridos de los guerreros, bajo un cielo pánico que hirió de muerte todas nuestras esperanzas y deseos.

Cuándo renunciamos a nosotros para echar nuestra suerte a espaldas del hermano, huyendo a las márgenes del delirio donde las ciudades del infierno ya no se avistan.

Cuándo supimos que las puertas de la primavera se abrirían y no se abrirían a nosotros solos, que echaríamos sin falta de menos a Sombra de Hombre, a quien amábamos desde el principio, cuando no había muerte en las florecidas praderas y los cenagales no habían surgido aún de la mente humana.

De nuevo entonces volver, deshacer en el corazón el nudo de nuestro dulce país herido, la nada de nuestro perdido sueño de una vida compartida en flotación.


II

Las alegres sombras de las guacamayas, refugiadas en las sombras de las copas de los árboles, parlotean sobre la algarabía de las sombras de los simios. La sombra de las frondas danza sobre la sombra del jaguar. Un sol violento es el refugio único de la salamandra. Sombras de nubes lentas sobre sombras agazapadas, sombras que acechan sobre sombras que temen. Una sombra de hombre elude la sombra de otro hombre.

El mar de sombras del hombre que llega se abate sobre la sombra del hombre que fue. Ulula el siempre insomne, el asombrado. Es de noche sobre el riachuelo de luz, que desemboca en la pupila de Sombra de Hombre, adhiriendo la sombra a la claridad.


III

¿De qué sirve al hombre su sombra en el desierto? La sombra de un árbol pesa más que la sombra de un hombre. En el desierto, la sombra de los insolados sabe que el paraíso es una sombra verdadera.


IV

                                                                    “Las piedras gritarán”.

Piedra, talismán que elegía a los príncipes, hueso de la presencia y el principio, reconozco tu espíritu sagrado.

Nuestros antepasados cavaron en la piedra de los encantamientos, entraron en la casa de piedra de los conjuros, donde la vida invisible habla.

Prehistórico reloj de luz, la sombra da vuelta a la piedra, que escucha los latidos del corazón del hombre.

La lira de Anfión alzó las piedras flotantes de Tebas. Voces brotadas de la piedra recorren el laberinto del oído.

Descendido de la piedra del sol y anegado de sombra, el hombre ya no escucha a la piedra, que canta.


V

Lapidarios revelan secretas transformaciones de los sólidos, nuevas emanaciones de la pulsión del alba, desde el corazón de la piedra que el rayo habitara un día, antes que un agua sin orillas emergiese bajo la luz flotante, fraguando un entretejido de flores y animales, para hacer una patria del bosque.

© Fernando Rendón
from: unpublished
Audio production: 2006 M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

In der Schwebe

alemán

I


Wann begannen wir den grausamen Marsch von der Apokalypse aus Menschenschatten, zwischen dem Kriegergebrüll, unter einem Furchthimmel, der alle unsere Erwartungen und Wünsche tödlich verwundete.


Wann verzichteten wir auf uns, um unser Schicksal auf die Schulter des Bruders zu laden, und flohen an die Ränder des Wahnsinns, wo die Höllenstädte nicht mehr in Sicht sind.


Wann wußten wir, daß sich die Frühlingspforten öffnen und sich nicht nur für uns öffnen würden, daß wir den Menschenschatten ausnahmslos vermissen würden, den wir von Anfang an liebten, als es keinen Tod auf den blühenden Wiesen gab und der Morast noch nicht in den Gedanken der Menschen aufgekommen war.


Dann erneut zurückkehren, den Knoten im Herzen unseres verwundeten, sanftmutigen Landes auflösen, das Nichts unseres verlorenen Traums von einem gemeinsamen Leben in der Schwebe.



II


Die lustigen Schatten der Arapapageien, in den Schatten der Baumwipfel versteckt, plappern über das fröhliche Treiben der Affenschatten. Der Farnschatten tanzt über dem Jaguarschatten. Eine wuchtige Sonne ist der einzige Unterschlupf des Salamanders. Träge Wolkenschatten über geduckte Schatten, lauernde Schatten, fürchtende Schatten. Ein Menschenschatten weicht einem anderen Menschenschatten aus.


Das Schattenmeer des Menschen, der ankommt, wirft sich über den Schatten des Menschen, der war. Da jammert der immer Schlaflose, der Verwunderte. Es ist Nacht über dem Lichtrinnsal, das in die Pupille des Menschenschattens mündet und den Schatten der Helligkeit hinzufügt.



III


Was nutzt der Schatten dem Menschen in der Wüste? Der Baumschatten wiegt schwerer als der Menschenschatten. In der Wüste weißt der Schatten der Menschen mit einem Hitzeschlag, daß das Paradies ein wahrer Schatten ist.



IV


                                               „Die Steine werden schreien“.



Stein, Talisman, der die Prinzen auserwählte, Knochen der Anwesenheit und des Anfangs, ich erkenne deinen heiligen Geist.


Unsere Vorfahren meißelten den Stein der Verzauberungen, gingen in das Steinhaus der Verschwörung ein, wo das unsichtbare Leben spricht.

Vorgeschichtliche Uhr aus Licht, der Schatten wendet den Stein, der das Pochen des Menschenherzens hört.


Amphions Leier hob die schwebenden Steine in Theben. Die Stimmen, die aus dem Stein drangen, durchlaufen das Gehörlabyrinth.


Im Abstieg vom Sonnenstein und in Schatten getränkt, hört der Mensch nicht mehr den Stein, der singt.



V


Steinplatten enthüllen geheime Wandlungen der Unerschütterlichen, neue Ausdünstungen im Morgentrieb, aus dem Herzen des Steines, das der Blitz einmal bewohnte, bevor ein uferloses Wasser unter dem schwebenden Licht aufkommt und ein Geflecht aus Blumen und Tieren schmiedet, um den Wald in Heimat zu verwandeln.

Aus dem Spanischen übersetzt von Juana Burghardt & Tobias Burghardt

Zoo

español | Fernando Rendón

La fiera es la jaula

El futuro nos llega como oruga no guarda afán el júbilo
El pasado es un lirón que ronca con pocos sueños hermosos
La esperanza es un blanco fénix
Y mi afán es una gacela escarlata perseguida por los galgos del rey

Este zoo es una ciudad de jaulas en cada puerta candados y herrumbrosas
cerraduras en cada ventana barrotes y ojos

En los rincones simios que niegan ser parientes de Darwin        panteras nocturnas
con ojos de incendio        cocodrilos que lloran como arrepentidos del amor        
boas con apetito de obispos y banqueros        guacamayos con los colores de la
poesía        hienas que ríen sin ganas ante el día deslustrado
leones que pierden la dignidad y la melena         tigres jeroglíficos        
hombres asomados a sus ojos en los ojos infinitos de los animales
y muchos carceleros encadenados a sus hierros

Cuando crezcáis ayudadnos a abrir todas las jaulas.

                                                                              A los niños

© Fernando Rendón
from: Contrahistoria
Audio production: 2006 M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Zoo

alemán

Das Biest ist der Käfig


Die Zukunft erreicht uns als Raupe     die Freude spart nicht

an Mühe

Die Vergangenheit ist ein Gartenschläfer, der mit wenigen

schönen Träumen schnarcht

Die Hoffnung ist ein weißer Phönix

Und meine Sorge gilt der roten Gazelle, die von den Windhunden

des Königs verfolgt wird


Dieser Zoo ist eine Stadt aus Käfigen, an jeder Tür

      Schlösser      und verrostete Verschlüsse     in jedem

Fenster Gitterstäbe und Augen


In den Ecken sind Affen, die sich weigern, mit Darwin verwandt

zu sein,     nächtliche Panther

mit Brandaugen Krokodile, die weinen, als bereuen sie die Liebe

Boas mit Appetit nach Bischöfen und Bankern      Arapapageie

in den Farben der

Gedichte     Hyänen, die vor dem glanzlosen Tag lustlos lachen

Löwen, welche die Würde und die Haarpracht verlieren

     hieroglyphische Tiger

Menschen, die in ihren Augen erscheinen, in den unendlichen

Augen der Tiere

und viele Zellenwächter, die an ihre Eisenstäbe gekettet sind


Wenn ihr groß seid, helft uns, die Käfige zu öffnen.


                                                         Für die Kinder

Aus dem Spanischen übersetzt von Juana Burghardt & Tobias Burghardt

Palestina

español | Fernando Rendón

Mestizos, somos árabes también. Alguien que llegó a España hace diez siglos
nos circula, conoce las estrellas, es caravana en el desierto.

Sarracenos con alfanjes y rodelas cabalgan todavía las llanuras hacia mezquitas
asombrosas, anegando espacios y aposentos con una lengua de medias lunas.

Otra vez persas y hebreos codiciando nuestros ríos de miel, prendiendo fuego
al campamento, flechando la ternura, de nuevo la langosta asolando los olivos,
dulce Palestina que guardas tu rostro tras un pasamontañas.

Y a pesar de todo aún zumban cedros milenarios, danza el cielo un son de júbilo
sobre tu amor armado.

Es la guerra de tus niños entre tierras de nadie que florecen mientras bulle
la alquimia en las arterias.

Estamos advertidos: un poder invisible nos escalpa.

© Fernando Rendón
from: La cuestión radiante
Audio production: 2006 M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Palästina

alemán

Mestizen, wir sind auch Araber. Jemand, der vor zehn Jahrhunderten aus Spanien kam, umringt uns, er kennt die Sterne und ist eine Karawanserei in der Wüste.


Sarazenen mit Krummsäbeln und Rundschilden reiten immer noch durch die Ebenen zu wundersamen Moscheen und überfluten Räume und Gemächer in der Sprache der Halbmonde.


Wieder Perser und Hebräer, die unsere Honigflüsse begehren und das Zeltlager in Brand setzen, die Zärtlichkeit spannen wie einen Bogen, erneut gefährden die Heuschrecken die Olivenhaine, süßes Palästina, du bewahrst dein Antlitz hinter einer Skimaske.


Und trotz allem summen noch tausendjährige Zedern, tanzt der Himmel vor Freude über deine bewaffnete Liebe.


Es ist der Krieg deiner Kinder auf blühendem Niemandsland, während die Alchimie in deinen Adern brodelt.


Wir sind gewarnt: eine unsichtbare Macht skalpiert uns.

Aus dem Spanischen übersetzt von Juana Burghardt & Tobias Burghardt

Duermevela

español | Fernando Rendón

A medida que moría,
                             me hacía humo.


Sueño que estoy soñando
tú estás en mi sueño con tus ojos llenos de amor
estás despierta contemplándome en tu sueño
nos soñamos los dos en un sueño en que no podemos tocarnos
este sueño es persistente y denso y lo envuelve todo
ahora se ve que ya podemos besarnos
este sueño es como el mar
sueño que estamos abrazados en el mar y que decimos disparates
este sueño tiene extrañas propiedades
puede estirarse y encogerse y no puede terminar
de quienes sueñan depende la vida de los muchos que no sueñan
sólo puede uno despertar y amar en un día abierto sin dejar de soñar
vivir contra la muerte y luchar en duermevela
atrayendo como un imán al tiempo que vendrá
porque solo lo que no existe no puede morir
en mi sueño la serena no existencia es más real
sé que hay qué fortalecer este sueño  
es preciso que nos desvelemos muchas noches soñando
mejor un sueño sin orillas en que el mundo se libera
cada segundo una oleada de sueño derriba tu realidad y derriba a la muerte
y te ves a ti mismo viviendo por primera vez

© Fernando Rendón
from: La cuestión radiante
Audio production: 2006 M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Halbschlaf

alemán

Indem ich starb,

                                              wurde ich Rauch.


Ich träume, daß ich träume,

du bist mit deinen Augen voller Liebe in meinem Traum,

du bist wach und betrachtest mich in deinem Traum,

wir träumen uns beide in einem Traum, in dem wir uns nicht

berühren können,

dieser Traum ist ausdauernd und schwer und hüllt alles ein,

nun sieht man, daß wir uns schon küssen können,

dieser Traum ist wie das Meer,

ich träume, wir umarmen uns im Meer und albern miteinander,

dieser Traum hat sonderbare Eigenschaften,

er kann sich ausdehnen und einziehen und kann nicht aufhören,

von den Träumenden hängt das Leben von vielen ab, die nicht

träumen,

einer kann nur aufwachen und an einem offenen Tag lieben, ohne

das Träumen zu beenden,

gegen den Tod leben und im Halbschlaf kämpfen

und dabei die kommende Zeit wie einen Magnet anziehen,

denn nur das, was nicht ist, kann nicht sterben,

in meinem Traum ist das gelassene Nicht-Sein wirklicher,

ich weiß, daß man diesen Traum bestärken muß,

es ist notwendig, daß wir viele Nächte lang träumend wachen,

eher ein uferloser Traum, in dem sich die Welt befreit,

jede Sekunde wirft ein Traumwellengang  deine Wirklichkeit und

auch deinen Tod um,

und du siehst dich selbst zum ersten Mal leben.

Aus dem Spanischen übersetzt von Juana Burghardt & Tobias Burghardt

El viaje está en la atmósfera

español | Fernando Rendón

“El poeta escribe todo de un solo aliento”
                    (Dylan Thomas)


El tiempo es breve, la lucha eterna.
Los siglos se resumen en un latido.
Debaten los antepasados únicos de todos:
y no hay un acuerdo secreto todavía en la sangre.
Cada hora es para la decisión.
El instante, para develar.
El relámpago abriga la dulce intemperie.
Despertamos: el sueño flota en su elemento.
En olor de multitud, también somos del viento; como el agua, del sueño.
El viaje está en la atmósfera.

© Fernando Rendón
from: La cuestión radiante
Audio production: 2006 M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Die Reise liegt in der Luft

alemán

„Der Dichter schreibt alles in einem Atemzug“

                                                  (Dylan Thomas)


Die Zeit ist knapp, der Kampf ewig.

Die Jahrhunderte ballen sich in einem Pulsschlag.

Die einzigen Ahnen aller streiten sich:

und da ist noch keine geheime Übereinkunft im Blut.

Jede Stunde gilt der Entscheidung.

Der Augenblick - der Enthüllung.

Der Blitz birgt die milde Witterung.

Wir erwachen: der Traum treibt in seinem Element.

Im Geruch der Menge gehören wir auch dem Wind; wie das Wasser

dem Traum.

Die Reise liegt in der Luft.

Aus dem Spanischen übersetzt von Juana Burghardt & Tobias Burghardt

Siglo XXI

español | Fernando Rendón

Entre dos comerciales el mundo ha cambiado

el papa editó un CD y recibirá su Grammy
mirándonos como siempre desde fuera del mundo

cantad todos en coro el nuevo CD
porque el amor ha muerto
y el mundo se ha hecho pedazos

la línea dura de los generales
bombardea a fondo la resistencia de la vida

la guerra es su fiesta largamente preparada

en un descanso de la orquesta
celebran la cifra de muertos enemigos

el bueno devino en malo
y el malo que se volvió bueno
es cada vez más asesino

la muerte tiene el control de los canales

© Fernando Rendón
from: La cuestión radiante
Audio production: 2006 M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Das 21. Jahrhundert

alemán

Die Welt hat sich zwischen zwei Werbefilmen verändert


der Pabst gab eine CD heraus bekommt seinen Grammy

und schaut uns dabei wie immer von der Außenseite der Welt an


singt alle im Chor die neue CD

weil die Liebe gestorben ist

und die Welt in Scherben liegt


das harte Vorgehen der Generäle

zerbombt gründlich den Widerstand des Lebens


der Krieg ist ein von langer Hand vorbereitetes Fest


während einer Orchesterpause

feiern sie die Zahl der Toten unter den Feinden


der Gute wurde zum Bösen

und der Böse der sich in den Guten verwandelte

ist immer mörderischer


der Tod hat die Kontrolle über die Sender

Aus dem Spanischen übersetzt von Juana Burghardt & Tobias Burghardt

No cree en Dios

español | Fernando Rendón

¡Qué escándalo!
El Papa no cree en Dios.
Un reportero lo ha entrevistado.
El Papa no cree en Dios.
No entregará el oro del Vaticano a los pobres.
No hará una huelga de hambre
para que los pueblos del mundo se acerquen al cielo.
El Papa no cree en Dios.
No es una novela de Jardiel Poncela.
No es una noticia sensacionalista.
No cree en Dios.
Vive rodeado de lujos y guardaespaldas.
Encerrado con una llave de oro en su Palacio.
Sólo se queja de tener 84.
De resto le va bien, le va bien.
Y no cree en Dios.
No cree en Dios.
No cree en Dios.

© Fernando Rendón
from: La cuestión radiante
Audio production: 2006 M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Er glaubt nicht an Gott

alemán

Was für ein Skandal!

Der Pabst glaubt nicht an Gott.

Ein Journalist hat ihn interviewt.

Der Pabst glaubt nicht an Gott.

Er wird das Gold des Vatikans nicht an die Armen aushändigen.

Er wird nicht in den Hungerstreik treten,

damit sich die Völker der Welt dem Himmel annähern.

Der Pabst glaubt nicht an Gott.

Es ist kein Roman von Jardiel Poncela.

Es ist keine Ente der Boulevardpresse.

Er glaubt nicht an Gott.

Er lebt umgeben von Luxus und Bodyguards.

In seinem Palast eingesperrt mit einem Goldschlüssel.

Er beklagt nur seine 84 Jahre.

Ansonsten geht es ihm gut, ganz gut.

Und er glaubt nicht an Gott.

Er glaubt nicht an Gott.

Er glaubt nicht an Gott.

Aus dem Spanischen übersetzt von Juana Burghardt & Tobias Burghardt

De humanos

español | Fernando Rendón

Bosque.
Encantado.
Talado.
Bosque ingenuo.
De humanos.
Bosque convertido en una legión de sillas.
De camas.
Bosque de armarios.
De ataúdes.
De espejos.
De espejos que reflejan el bosque derribado.  
Bosque de lanzas con puntas de acero.
Bosque de hachas.
Bosque de animales que sacrifican animales.
Bosque del Bosco medieval,
del que se extrae la leña donde arderán los condenados.
Bosque de herejes que combaten, ardiendo en la causa.
Bosque de amor y resistencia.
Para repoblar la tierra de árboles, de agua, de animales y de humanos.
Bosque de fuego, guerra del amor contra los enemigos del bosque.

© Fernando Rendón
from: La cuestión radiante
Audio production: 2006 M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Der Menschen

alemán

Wald.

Verzaubert.

Gefällt.

Argloser Wald.

Der Menschen.

Wald, der zur Stuhllegion wurde.

Betten.

Schrankwald.

Särge.

Spiegel.

Spiegel, die den niedergeschlagenen Wald wiedergeben.

Wald aus Lanzen mit Eisenspitzen.

Axtwald

Wald mit Tieren, die Tiere opfern.

Wald vom mittelalterlichen Bosco,

aus dem man die Scheite holt, um die Verdammten zu verbrennen.

Wald der Heiden, die glühend für die Sache kämpfen.

Wald der Liebe und des Widerstands.

Um die Erde mit Bäumen, Wasser, Tieren und Menschen wiederzubevölkern.

Feuerwald, Krieg der Liebe gegen die Feinde des Waldes.

Aus dem Spanischen übersetzt von Juana Burghardt & Tobias Burghardt

No existe un poema

español | Fernando Rendón

No existe un poema
No hay una música que te llame a ti
Que te alcance a ti
No hay una melodía que haga viajar a tu espíritu

No existe un poema
No hay una música que te nutre a ti
Que te toque a ti
No alcanzaron las canciones para ti
Ninguna canción arcaica te abrazó a ti
Mi amor pobre de canciones de amor
No te correspondió ninguna herencia
Los dioses no te arrojaron llamaradas de flores
No hicieron descender sobre ti todo el rojo oro del universo
El oro de la música legendaria
Todo el embriagador son de las hojas al viento
Configurando el universo de seres que te abrazan
En el entretejido de todos los tiempos

Mi amor sin canciones

© Fernando Rendón
from: La cuestión radiante
Audio production: 2006 M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Es gibt kein Gedicht

alemán

Es gibt kein Gedicht

Es gibt keine Musik die dich ruft

Die dich erreicht

Es gibt keine Melodie die deinen Geist reisen läßt


Es gibt kein Gedicht

Es gibt keine Musik die dich nährt

Die dich berührt

Die Lieder reichten nicht für dich

Kein archaisches Lied umarmte dich

Meine Liebe mit spärlichen Liebesliedern

Vermachte dir kein Erbe

Die Götter warfen dir keine Blumenwogen zu

Sie ließen nicht über dich das gesamte Rot des Alls niederkommen

Das Gold der sagenumwobenen Musik

Aller berauschenden Klänge der Blätter im Wind

Bildet das Weltall mit Wesen die dich umarmen

Im Geflecht aller Zeiten


Meine Liebe ohne Lieder

Aus dem Spanischen übersetzt von Juana Burghardt & Tobias Burghardt

Canción ártica

español | Fernando Rendón

Sueño que habito una región glaciar, donde mora un pueblo semidesnudo.

Aprendo a caminar, tanteando paredes heladas, sobre un frágil mar de
pequeños témpanos, que  eternamente se mueven.

Si me detengo, se hunde el hielo bajo mis pies, y debo entonces desplazarme sin
parar.

Es en la fugacidad de cada paso donde puedo descubrir la duración.

De repente, pasa una mujer en su trineo de azul, repleto de niños. Y canta.

© Fernando Rendón
from: La cuestión radiante
Audio production: 2006 M.Mechner, Literaturwerkstatt Berlin

Arktisches Lied

alemán

Ich träume, daß ich in einer Eisregion lebe, wo ein halbnacktes Volk wohnt.


Ich lerne zu laufen, indem ich eiskalte Wände abtaste, auf einem zerbrechlichen Meer aus kleinen Eisschollen, die immerzu wanken.


Wenn ich stehen bleibe, sinkt das Eis unter meinen Füßen, deswegen muß ich mich fortbewegen, ohne anzuhalten.


In der Flüchtigkeit eines jeden Schritts kann ich die Dauer entdecken.


Plötzlich kommt eine Frau auf einem blauen Schlitten voller Kinder vorbei. Und singt.

Aus dem Spanischen übersetzt von Juana Burghardt & Tobias Burghardt