Sabina Naef 
Translator

on Lyrikline: 5 poems translated

from: inglés to: alemán

Original

Translation

Wolf, Leopard, Falcon, Fawn

inglés | Anthony Lawrence

For you there is more to the slow liquid dancing of my tongue
than working for sighs at the heart of your loins.

Each time I part the moist petals of the larkspur
and open the folds of the sealed spider orchid,

I drink the silver threads of your waters;
I float my own mouth across your swell.

Your taste is the spittle of timberwolves,
flecked with the blood of a wounded fawn;

your scent is a black leopard hunting the wind.
When I trace with my lips your flower's vein,

your breath startles in my hair like a small rare bird.
You open and close, hiding and blooming

like a scarlet sea anemone at my touch.
As I kneel before you, speaking in tongues,

my language is thick with the oil of you.
We are sacrificial, we are beautiful, our call

is the call of the Peregrine Falcon, and no matter what happens
from this moment to the next, there will always

be wild animals to which we can compare ourselves:
the wolf that leaves its shadow on the bed;

the leopard whose eyes have been cast in fire;
the sleeping fawn in a thicket of blood ...

And the falcon, riding an intricate wind, has woven
its accurate flight through the dreamscape of our room.

As I lift my head, it circles and screams, its wings fan over us,
and as we lose ourselves again

in the salty puzzle of our bodies, we listen, but the wind
and the falcon are far beyond our hearing.

© A.L.
from: Dreaming in Stone
North Ryde, NSW: Angus & Robertson, 1989
Audio production: M.Mechner, literaturWERKstatt berlin, 2003

Wolf, Leopard, Falke, Rehkitz

alemán

Für dich ist das langsame, flüssige Tanzen meiner Zunge mehr
als das Herbeiführen von Seufzern im Herzen deiner Lenden.

Immer, wenn ich die nassen Blütenblätter des Rittersporns trenne
und die Falten der versiegelten Spinnenorchidee öffne,

trinke ich die silbernen Fäden deines Wassers;
Ich lasse meinen Mund durch deine Dünung gleiten.

Dein Geschmack ist der Speichel von Timberwölfen,
mit dem Blut eines verwundeten Rehkitzes gesprenkelt;

dein Geruch ist ein schwarzer Leopard, der den Wind jagt.
Wenn ich mit meinen Lippen der Ader deiner Blume nachspüre,

schreckt dein Atem in meinem Haar auf wie ein kleiner seltener Vogel.
Du öffnest und schließt dich, versteckst dich und blühst

wie eine scharlachrote Seeanemone unter meiner Berührung.
Als ich vor dir knie, in Zungen spreche,

ist meine Sprache dickflüssig von deinem Öl.
Wir sind Opfer, wir sind wunderschön, unser Ruf

ist der Ruf des Wanderfalkens, und was immer geschehen mag,
von diesem Augenblick zum nächsten, immer wird es

wilde Tiere geben, mit denen wir uns vergleichen können:
der Wolf, der seinen Schatten auf dem Bett hinterlässt;

der Leopard, dessen Augen in Feuer gegossen sind;
das schlafende Rehkitz in einem Dickicht aus Blut...

Und der Falke, der sich von einem kniffligen Wind tragen lässt,
hat seinen traumwandlerischen Flug durch die Landschaft unseres Zimmers gewoben.

Wie ich meinen Kopf hebe, kreist er und schreit, seine Flügel fächeln über uns,
und als wir uns erneut verlieren

im salzigen Puzzle unserer Körper, lauschen wir, aber der Wind
und der Falke befinden sich jenseits unseres Gehörs.

aus dem australischen Englisch von Sabina Naef




auch in: Hochzeit der Elemente. Zeitgenössische australische Dichtung.

Hg. von Ivor Indyk

Köln: Du Mont 2004

Watching Dennis Potter Drink

inglés | Anthony Lawrence

Watching Dennis Potter drink
liquid morphine from a hip flask
while being interviewed for the last time,

I became aware of a nerve
flicking around in the base of my thumb,
as if there were a tiny animal under the skin.

Then I knew: he was drinking morphine
because the animal under his skin was real,
and when it moved it feasted, eating him alive.

He could have taken tablets, or held
an intravenous drip's exposed vein
like a transparent microphone cord,

but the hip flask gave his pain-relief style,
as if he were imbibing an old, smoky Scotch,
the animal lying down in his blood,

its steady, ravenous work put on hold
as he spoke candidly about poetry and disease,
then slipped the flask like a silver Derringer

into the inside pocket of his coat,
the morphine drained, the animal
raking his ribs as it shifted in its sleep.


Dennis Potter: English scriptwriter, best know for his television dramas.

© A.L.
from: New and Selected Poems 1989-2000
St Lucia: University of Queensland Press, 2000
Audio production: M.Mechner, literaturWERKstatt berlin, 2003

Als ich Dennis Potter beim Trinken zusah

alemán

Als ich zusah, wie Dennis Potter
flüssiges Morphium aus einem Flachmann trank,
während er zum letzten Mal interviewt wurde,

bemerkte ich einen Nerv,
der im unteren Teil meines Daumens zuckte,
als hätte sich dort ein winziges Tier unter der Haut eingenistet.

Da wusste ich: er trank Morphium,
weil das Tier unter seiner Haut echt war,
und wenn es sich bewegte, fraß es sich voll, fraß ihn bei lebendigem Leib.

Er hätte Tabletten nehmen können, oder
den Schlauch eines Tropfs halten
wie ein transparentes Mikrofonkabel,

aber der Flachmann gab seiner Schmerzstillung Stil,
als tränke er einen alten, rauchigen Scotch;
das Tier in seinem Blut hatte sich niedergelegt,

sein stetes, gefräßiges Werk eingestellt,
als er offen über Dichtung und Krankheit sprach,
dann den Flachmann wie einen silbernen Derringer

in die Innentasche seines Mantels gleiten ließ,
das Morphium ausgetrunken, das Tier
in seinen Rippen wühlend, wenn es sich bewegte im Schlaf.

aus dem australischen Englisch von Sabina Naef




auch in: Hochzeit der Elemente. Zeitgenössische australische Dichtung.

Hg. von Ivor Indyk

Köln: Du Mont 2004

The Glance Returned

inglés | Anthony Lawrence

When you are seven years old,
lying in the back of a station wagon
while your parents play night tennis;
when the knowledge that you are going
to die one day comes through
the rallies, players’ voices,
and songs from a dashboard radio
left on like an audible night light;
you listen hard to the faultless
workings of your life: your heartbeat
muffled under a blanket; your breath,
painting cone-shaped plumes on the glass;
You trade sleep for the ache
of a nameless concept, and feel
the margins of your days begin to close.
You are not prepared for this.
You leave the car and look beyond
the capped, swinging court lights,
blurred by an attendant rain of moths
and flying ants, and you search
the sky for meaning. Linking stars
and smears of low, transparent cloud,
you find a wound in the side
of an overripe fig; a lizard,
its position on a stone betrayed
only when it blinks. But then
a tennis ball clears the fence,
a player laughs, and your parents return
smelling of sweat and cigarettes.
When they ask why you’re up so late;
what you're doing outside the car;
you've not the words for what you know.
On the way home, you lie down
and stare at the backs of their heads,
which are dark, then silver
in the lights of an overtaking lorry.
Your father turns the radio off.
Your mother turns to look at him.
They do not speak. You touch yourself
under the blanket, carefully,
and forget about death for awhile.
When the backs of their heads
flare again, you promise yourself
you’ll remember that moment;
and you do, thirty-two years later,
sitting up in bed, when your wife’s face
is lit by a car pulling into the drive.
In the dark again, you sense her
glance at you. The glance returned,
you ask if she remembers
how old she was, or what she was doing
when her first thoughts of death arrived.
When she doesn’t answer, you say
Star, fig, lizard, and wait for the lights
of another car to print
the shadows of your heads on the wall.

© A.L.
from: New and Selected Poems 1989-2000
St Lucia : University of Queensland Press, 2000
Audio production: M.Mechner, literaturWERKstatt berlin, 2003

Der wiedergekehrte Blick

alemán

Wenn du sieben Jahre alt bist,
hinten im Kombi liegst,
während deine Eltern Nachttennis spielen;
wenn das Wissen, dass du
eines Tages sterben wirst,
durch die Ballwechsel, Stimmen der Spieler
und Lieder eines Autoradios,
das wie ein hörbares Nachtlicht angelassen wurde, dringt;
horchst du auf das tadellose
Funktionieren deines Lebens: dein Herzschlag,
von einer Decke gedämpft, dein Atem,
kegelförmige Federn aufs Glas hauchend.
Du tauschst Schlaf gegen den Schmerz
einer namenlosen Vorstellung und spürst,
wie sich die Ränder deiner Tage zu schließen beginnen.
Darauf bist du nicht vorbereitet.
Du verlässt den Wagen und schaust
über die schaukelnden Lampen auf dem Platz hinweg,
die getrübt sind vom sie umgebenden Regen aus Motten
und fliegenden Ameisen, und du suchst
den Himmel nach Bedeutung ab. Verbindest du die Sterne
und die Flecken einer niedrigen, durchsichtigen Wolke,
dann stößt du auf eine Wunde auf der Seite
einer überreifen Feige, auf eine Eidechse,
die ihre Position auf einem Stein nur verrät,
wenn sie blinzelt. Aber dann
wird ein Tennisball über den Zaun geschmettert,
ein Spieler lacht und deine Eltern kommen zurück,
nach Schweiß und Zigaretten riechend.
Wenn sie fragen, warum du so spät noch auf bist,
was du außerhalb des Wagens machst,
fehlen dir die Worte für das, was du weißt.
Auf dem Weg nach Hause legst du dich nieder
und starrst ihre Hinterköpfe an,
die dunkel sind, dann silbern
in den Scheinwerfern eines überholenden LKWs.
Dein Vater schaltet das Radio aus.
Deine Mutter dreht sich zu ihm und sieht ihn an.
Sie reden nicht. Du berührst dich
unter der Decke, vorsichtig,
und vergisst den Tod für eine Weile.
Als ihre Hinterköpfe
wieder aufleuchten, versprichst du dir,
dich an diesen Augenblick zu erinnern,
und das tust du, zweiunddreißig Jahre später,
aufrecht im Bett sitzend, als das Gesicht deiner Frau
von einem Auto erhellt wird, das in der Auffahrt hält.
Wieder im Dunkeln, spürst du ihren
Blick auf dir. Der Blick ist wiedergekehrt,
und du fragst, ob sie sich erinnert,
wie alt sie war oder was sie gerade tat,
als ihre ersten Gedanken an den Tod auftauchten.
Als sie nicht antwortet, sagst du
Stern, Feige, Eidechse, und wartest darauf, dass die Scheinwerfer
eines anderen Autos
die Schatten eurer Köpfe auf die Wand projiziert.

aus dem australischen Englisch von Sabina Naef




auch in: Hochzeit der Elemente. Zeitgenössische australische Dichtung.

Hg. von Ivor Indyk

Köln: Du Mont 2004

Kelp

inglés | Anthony Lawrence

This pliable, light-keeping amber stem,
fleshed with sea leather
and a hollow, reef-tapping cup

is enough to take me into and beyond
the six lyrical syllables
that complete and illuminate your name.

There have been other triggers
for this mantra, in which air and water
feature tellingly in its use

and frequency: the yellow tail
on the paper kite I made for our son
rippled audibly, distracting him

from where he stood at the waterline,
throwing stones. He looked up,
heard your name repeated

in his father’s words, then turned
his hand to finding crabs
in the gritty seepage a lifted rock reveals.

Underwater footage of a kelp forest:
tidal surge as wind in the tight, dark
weave and sway of the canopy,

and I return to find you in the bath
with a flannel draped over your eyes,
the dense, contained map lines of your pubis

moving almost imperceptibly
when you change position or thought
beneath a dream-preserving cloth.

This amber stem. This long-tailed paper kite.
To think of them is to say your name,
again and then again, with love.

© A.L.
from: The Sleep of a learning man
Sydney : Giramondo, 2003
Audio production: M.Mechner, literaturWERKstatt berlin, 2003

Seetang

alemán

Dieser biegsame, lichte bernsteinfarbene Stiel
belebt mit Seeleder
und einem hohlen, riffklopfenden Kelch

genügt, um mich in und über
die sechs lyrischen Silben hinaus
zu bringen, die deinen Namen ergänzen und erhellen.

Es gab andere Auslöser
für dieses Mantra, in dem Luft und Wasser
sich kraftvoll

verbinden: der gelbe Schweif
des Papierdachens, den ich für unseren Sohn gemacht habe,
zerriss hörbar und lenkte ihn ab,

an seinem Platz am Ufer, wo er stand
und Steine warf. Er blickte auf,
hörte deinen Namen wiederholt

in den Worten seines Vaters
und suchte im sandigen Sickerwasser
unter aufgehobenen Steinen nach Krabben.

Unterwasseraufnahmen eines Seetangwaldes:
Flutwoge im festen, dunklen
Hin- und Herschaukeln des Laubdaches,

und ich kehre zurück, entdecke dich in der Badewanne
mit einem Waschlappen über deinen Augen drapiert,
die dichten, eingerahmten Kartenlinien deines Schambeins

bewegen sich fast unmerklich,
wenn du Haltung oder Gedanke änderst
unter einem traumbehütenden Tuch.

Dieser bernsteinfarbene Stiel. Dieser Papierdrachen mit dem langen Schweif.
Daran denken: Deinen Namen aussprechen,
immer und immer wieder, with love.

aus dem australischen Englisch von Sabina Naef




auch in: Hochzeit der Elemente. Zeitgenössische australische Dichtung.

Hg. von Ivor Indyk

Köln: Du Mont 2004

Eating Honey

inglés | Anthony Lawrence

A cold extraction
from the sacred geometry of the combs,
my tongue released
into the essence of destinations, arrivals,
and a process bellowed smoke reveals
under the rooves of white weatherboards.
Taste this, I say, in your absence,
and I am prayerful,
despite the distracted presence
of a keeper and his son.
What I swallow is alive,
and applied to wounds
can be restorative, redolent
of the industry of gums
in the season of their flowering.
I love you, I do not say,
and turn from a netted man
and his village of imported queens
to smear a salve of honey
into the skin
on the undersides of my wrists.
When the man and his son have gone,
I taste myself, and return
to the place we have chosen -
a landscape hard-won and barren
of the constancy of love,
and I remember how we are measured
by what we do and say,
when no-one is watching, when alone.

© A.L.
from: The Sleep of a learning man
Sydney: Giramondo, 2003
Audio production: M.Mechner, literaturWERKstatt berlin, 2003

Beim Essen von Honig

alemán

Eine kalte Extraktion
aus der heiligen Geometrie der Honigwaben,
meine Zunge entlassen
in die Essenz von Reisezielen, Ankünften,
und ein künstlich geblasener Rauch entweicht
unter den Dächern weißer Schindeln.
Koste das, sage ich in deiner Abwesenheit,
und ich bin andächtig,
trotz der zerstreuten Gegenwart
eines Bienenzüchters und seines Sohnes.
Was ich schlucke, ist lebendig,
und auf Wunden aufgetragen
kann es heilend sein, duftend
nach Gummibäumen
in der Zeit ihrer Blüte.
Ich liebe dich, sage ich nicht,
wende mich von einem in Netz gehüllten Mann
und seinem Dorf importierter Königinnen ab,
um die Unterseite meiner Handgelenke
mit einer Honigsalbe einzureiben.
Als der Mann und sein Sohn gegangen sind,
koste ich mich, und kehre an
die Stelle zurück, die wir ausgesucht haben -
eine hart errungene Landschaft, ohne
Beständigkeit von Liebe,
und ich erinnere mich, wie wir gemessen werden
an dem, was wir tun und sagen
wenn keiner zusieht, wenn allein.

aus dem australischen Englisch von Sabina Naef




auch in: Hochzeit der Elemente. Zeitgenössische australische Dichtung.

Hg. von Ivor Indyk

Köln: Du Mont 2004