Paulus Böhmer 

Translator

Als Eva ihre Zähne schlug,
scharf vor Neugier,
in den Apfel biss, dass es die Lust war,

verlor die Welt der Früchte
die Schale ihrer Verstellung.
Geburtsmale erschienen
auf der Haut der Äpfel.

Zwischen den Palmenbäumen der Wolken
erzitterte eine Mondbanane,
Evas kahler Kopf
ähnelte einem Blumenkohl und ihre Wangen bekamen
die Form eines Apfels, rot und reif.

So zahlreich sind die Jahre, die ich verloren,

so zahlreich die guten Bücher, die ich nicht gelesen,
sie vermehren sich von Tag zu Tag.

Und so zahlreich sind die Frauen, die ich nicht kannte,
sie vermehren sich von Nacht zu Nacht.
Und die Nacht ist immer ein einsamer Reiter –

Der Wind, der in seinem Herzen heult, sein schwingendes Schwert.
Wem lebe ich, wenn ich liege und mich erhebe,
auf dem Rücken der harten Erde reite
in den letzten Krückenjahren meines Lebens.

Komm, komm, es ist schwer zu kommen. Einst sah ich in dir
meine Frau und auch etwas von Mutter.
Wenige sind meine Erinnerungen. Und wenige
legte ich in eine Flasche, mit einem Korken verstopfend,
meinen Namen aufschreibend und meinen Ort, und warf sie ins Meer.

Mein Name ist berüchtigt seit Generationen

wegen eines bösen Gleichnisses, das die Geschichtsschreiber
dem Gründer der Dynastie anhefteten. Seither wird sein heiliger Name

von Kindern und Erwachsenen geringschätzig erwähnt,
als eine Art Fluch, der auf mir lastet. Meine großen Schritte
erinnern alle an das Echo seiner schwerfälligen Schritte,  

die bis heute nicht aufhören, in meinem Bewusstsein zu hallen.
Wegen der Veränderlichkeit der Materie und der Änderung des Klimas
sind meine Tage zerstreut unter tausend strahlenden Drähten,
die seinen Ruhm und seinen Namen nicht vergessen machten.

Aus Lehm erschaffen, aus Schlamm, aus
jüdischen Flüstersprüchen, die dank der Pogrome heilig wurden.
Ich hingegen bin Schöpfung eines Labors, postelektronisches Produkt,
ich bin ein genetisches Schutzgebiet.
Wir beide sind Inbilder vieler Generationen.

Mein digitaler Kopf, der pulsierendste Ort in meinem Körper,
ist rein von Göttern und menschlichen Schwächen. Ich bin der neue Mann.
Eingehüllt sind meine inneren Organe und das Geflecht meiner Nerven
in die Uniform der Nation, die sich unter dem Auge der Sonne erneuert, erneuert.
Ich habe Über-Kraft inne, ich habe kein ewiges Leben.
Ich bin der Nachkomme des Golems.

Wie den Körper im Traum vergisst man ihn sehr leicht
er wächst nur in dem Maß in dem das Licht versinkt.

Anfangs nur ein Junges der Dunkelheit
aus deinem Herz gerissen
leckt es deine Schenkel mit rauer Zunge.

Und es ist fast belustigend wenn du daran denkst:
  die Toten werfen ihm einen weißen Knochen hin
Doch nach einer Stunde schon in der Größe eines Schritts
beißt er mit jedem Schritt     hungrig danach, zu sein.

Du beginnst zu verstehen je dunkler es wird.
Deine Spuren verlangsamen auf der Brücke.

Die Nacht ist ein Strom ein länger werdendes Tier
       ein Schlund der Dunkelheit  mit hundert Schlangenzähnen
die Nacht ist Wasser und Kälte.

Jetzt fürchtest du dich
Wirfst ihm hin
Einen Knochen, eine Hand oder eine andere Liebe –
Unwichtig. So oder so  in einen einzigen Augenblick
werdet ihr eins.

Wenn die Toten ihre Wiedergeburt planen,
duften die Friedhöfe wie Frühling.

Sie kommen näher näher als der Traum
verirren sich aus ihrer Welt um hin zur Welt zu sterben.

Du nimmst sie plötzlich wahr dein Körper schreckt zurück
sie ziehen an dir vorbei als seiest du ein Geist.

Die Kuppel der Landschaft -  der Himmel, einige leichte Wolken
ist nur ein hauchdünner Vorhang kein Schutz.

Klang von Muscheln Klang von Glocken  in deinem Ohr
                  Mit jedem Atemzug ziehst du Gegenwart ein.

Im Frühling wird alles wieder offengelegt im Fleisch.
Im Wind hängen glitzernde Spiegel Augen blühen an jedem Ort.

Zum Gedenken an Dan Pagis

Und die Dämmerung ist ein Niemandsland
Gottes. Der müde ist zu sagen: Es werde Licht.

Und die Dämmerung - zwölf Gesichter
des Todes: Wer zum Leben
und wer zur Nacht.

Und die Dämmerung - die Hand des Dichters,
die den Tod
auf den Schreibtisch legte
wie ein Gedicht.

Und die Dämmerung – ein Echo
und das Echo füllte sich mit Blut
und das Blut dunkelte wie Luft.
Auch die Stille in den Hunden begann zu heulen:
Nacht, Nacht.

Und die Dämmerung ist das Delta des LebenTodes.
Nur der Dichter, Zigeuner von Schatten und Worten,
der Schatten sein eigenes Königreich,
erschafft wie seine Worte seine Geburt
und wie seine Tage dokumentiert er seinen Tod,
der längst schon auf’s Papier gespritzt,

prächtig bis zur Erschöpfung.
Nur das Gedicht brennt und leuchtet wie ein Leuchtturm
für alle Tagesfahrer und alle Nachtwanderer.
Unser Leben ist aus dem Lehm: Das ist schon gesagt worden –
was zu Fleisch wurde,
wird wieder zu Lehm.
Friede. Friede Deiner Vergangenheit. Dichter der Ewigkeit.

Und wieder deine Augen einer Reise entgegen:
Ein fernes Licht hat sie angezündet.

Es steigt die Melodie vom Fenster des Meeres:
Flut, Sehnsucht von befallen,
zieht aus der Ferne heran,

deckt Schicksale auf. Frauen wissen meistens,
wie man daraus einen Funken Wachtraum produziert:
Sie schmücken sich aufgewühlt, ein Verlangen
läuft über ihr Gesicht.

Auch Du
polsterst dich mit Sehnsucht,
auch Du
legst eine Erneuerung an,
in der sauersüßen Luft.

Tage sprühen schlitzäugige Erwartungen.
Und wieder die unausweichliche Verführung
der Echos aus den Fernen,
das Sich-Hinwenden zum Unbekannten,
Wünsche, in der Hosentasche zusammengefaltet wie ein Tuch.

Das ist menschlich: Nach dem Verbogenen strebend,
dem Offenkundigen gleichgültig gegenüber,
versöhnlich gegenüber
den Vertreibern von Hoffnungen,
den Einflüsterern von Illusionen,
den Aufstöberern von Glückseligkeiten –
kein Ersatz
für verschwundene Tage.

Der Mond reift in den Zweigen der Pappel.
Morgengrauen verwundet die Augen der Fischer, in ihren Armen
Zappeln, um zu entkommen,
Schwalben aus Blut.
Morgengrauen verwundet ihren Mund.
Radio.
Wenn sie auch nur einen einzigen Fisch fangen würden,
könnte geschehen, möglicherweise,
ein Wunder.

Jeschua schreitet auf dem Wasser,
auf seinen Brustwarzen ein heiliger Geist.
Ein heiliger Geist
umweht seine durchsichtig traurige Männlichkeit.
Runde Steine, Nonnen.

Das Wasser hat sein eigenes Leben.
Runde Steine. Nonnen
Steigen zum tauchen hinab. Taubenschwärme.
Vögel befreien ihre Scham von Unkraut.
Der Morgen ist rein.

Ein Weinfleck breitet sich aus im See.
Stücke Brots schwimmen oben auf.
Der Morgen ist rein.

Die Lehrerin spricht           er hört
keine Worte                       nur Musik
Zwei Bäume rotten sich zusammen im Fenster
Tintenfiguren                      im Heft.

Er zählt die Traumfiguren wieder auf
zwei Bäume                      die Lehrerin spricht
die Liebste schließt ein Fenster.

Er sitzt am Seitenrand
Bäume wiegen sich im Heft
sein Herz kreist mit der Uhr an der Wand
und jetzt                             ein letztes Klingeln:

Er schließt die Augen              hört
notiert ´da sind keine Worte`.

Das Tier zwischen meinen Beinen heult
Das Tier zwischen Deinen Beinen an.

Der Mond zwischen meinen Zähnen heult
Den Mond in Deinem Herzen an.

Das Tier in mir riecht Dich immer.

Unter einem Himmel, so dunkel wie der Schwanz eines Hundes,
rührt sich eine Hure mit ihren Wohltaten.
Eine träge Nacht wird es, tratschen ihre Schenkel,
die Süße meiner Hüften in schwerem Warten, die Süße meiner Hüften
in dunklem Warten,
ihre Augen pfeifen den Passanten in ihrer Einsamkeit nach,
und der Beutel der Lust ist leer.

Eine Frau im Fenster streut mir Blicke zu
wie Brotkrümel für die Vögel,

ich halte die Schnur des Abends fest,
auf dass die Strasse ihr Gesicht nicht verliert,

Purpur im Fenster und langer Farn,
scheint jetzt, als erhöbe er sich von der Wand,

ein mit Luft voll gesogener Abend und sein warmes Tropfen,
ihre Augen feucht vor lauter Versprechen:
Öffne mir ein Tor, gib mir eine Ruhestatt. In Dir.

Hier innen gibt es Harmonie,
Glück des Wahrwerdens,
beim Warten auf uns selbst ist Poesie mehr als alles.

Für Arye Sachs

Die Fähigkeit, ein Vogel zu sein,
ist, unter anderem, die Fähigkeit,
stets ein passendes Klima zu wählen,
daher die Gabe, hoch aufzusteigen –
zu den Landschaften der Sonne.

Nicht so wie die Poeten, die all ihre Tage den Schatten
von Vögeln mit hellen Pupillen verfolgen
und die Worte wie Flugkörner hochhalten –
nur manchmal springen sie von Brücken und zerschmettern
in ihre stürmischen Gedichte hinein. Während die Vögel
gemächlich über die Brücken ziehen, über das Leben hin.

Komm, lass uns Liebe machen, nicht Wirklichkeit.
Ich habe keine Kraft mehr zum sterben
Immer nur sterben.
Diese Andersartigkeit, Deine und meine,
ist weniger gefährlich. (Zumindest
meiner Meinung nach.)
Nein. Wage es nicht,
versuche es nicht einmal,
mich zu verstehen.
Umgekehrt:
Behandele mich wie einen Feind,
spioniere mir leichtfüßig nach,
sei aufmerksam.
Notiere dir genau
alle Wachposten,
alle Geheimeingänge,
die Kollaborateure,
die gedungenen Mörder,
kurzum-
bereite dich vor soweit du es kannst

danach
wird das Los geworfen
und es wird nicht mehr klar sein
wer der Doppelagent und was der Grund des Mordes
und wer
das Spielbrett
zerriss.

auf einem Sonnensattel brüllen galoppieren sie
werfen mir Licht entgegen wie ein Lasso
während meine Pupillen Schlafpfützen atmen
sehe ich einen Tag im Ofen aufgehen
schon ist der Himmel mit dem Alter des Morgens meliert
ortet mich durch Fledermausspuren
in einem verriegelten Zimmer in einem geschützten Bett
unter der warmen Decke bin ich Gefangener des Tages
nur die Gewohnheit stottert einen dumpfen Gang
bis zum Badezimmer im Waschbecken vor dem Spiegel
verschanze ich mich in der Wohligkeit die in mir noch ist
eine Sonnenhand umhüllt alle Wände wäscht mich
Blutspuren auf meiner Wange das Licht der Rasierklinge
die stets danach trachtet die Borsten meines Halses einzufangen
und alles was geteilt wird und alles was zusammengefügt wird
steigt auf und steigt ab auf der Schaukel des Tages.

Sie gehen verloren in den Weiten Tel Avivs,
sie verlassen das Land in Ecstasy-Karawanen;
Schatten und Licht zerreißen ihre Körper,
ihre Hände ausgestreckt zum Schutz vor jeglichem Hauch,
ihre Gesichter klaffen auf und ihre Seele verweht;
sie werfen ein Auge auf dich und im Auge ist ihre Seele,
und wenn sie sehen, daß du gesehen – bedecken sie sich mit Dunkel.
Sie verkaufen nicht, kaufen nicht, sind abwesend anwesend,
sie zerschellen in Stille, irren umher ohne Beine

weit weg von Sklaven- und Waffenhändlern,
stumpf vor Schmerz, vor Stumpfheit weh,
verdunsten sie ganz leise aus dem Land,
gehen verloren in den Weiten der Galaxie.
Wer etwas weiß vom Ort ihres Aufenthalts
verbürgt sich mit ihrer Seele,
verbürgt sich mit seiner Seele.

Wie

Wie soll ich es dir sagen? – Du bist unerträglich nah.
Du bist die Frucht, die im Herzen platzt.
Du bist der Name im stummen Mund gesprochen.
Wie ein Meer in der Erde Hand.
Ich berühre und beneide meine berührende Hand,
berühre berühre und sehne mich danach zu berühren.

Schrecken des Augenblicks, der nicht vergeht:
Du bist hier drinnen hier drinnen hier.
Hier brennt das Feuer der Seele,
hier ist das Herz nicht verzehrt.