anatomie der erinnerung

die brücke über dem kleinen fluß war gestützt,
ließ schritte leichter werden. buschwindröschen
kletterten hänge hinauf. und das licht spielte
mit den nackten zweigen. ihre klänge trugen
schwarze federn, glitten in den gehörgängen aus.
das wasser hatte den bahndamm eingebettet
und trieb in den zügen waggon um waggon
in die verwunkenen bahnhöfe. ich hatte den kopf
an die entfernten gleise gelegt und schloss die augen
zu einem gesicht, das ich nicht mehr sehen konnte.
von den rändern her näherte sich die alternde haut.
ich hörte dem kind zu, als es erzählte, wie es mir
entlaufen war. immer wieder hätte ich geschrieen.
du darfst mich nicht ohne dich gehen lassen.
aber es war zu spät für das echo. als sich die augen
öffneten, fielen weiße blüten der kirschbäume
auf die bepflanzten hügel. nie trugen sie früchte
oder erzählten vom schnee. was hätte ich auch
sagen sollen. der finger lag auf meinen lippen.

© Andreas Altmann
Producción de Audio: Goethe Institut, 2015