北站 / Bei zhan

我感到我是一群人。
在老北站的天桥上,我身体里
有人开始争吵和议论,七嘴八舌。
我抽着烟,打量着火车站的废墟,
我想叫喊,嗓子里火辣辣的。

我感到我是一群人。
走在废弃的铁道上,踢着铁轨的卷锈,
哦,身体里拥挤不堪,好像有人上车,
有人下车。一辆火车迎面开来,
另一辆从我的身体里呼啸而出。

我感到我是一群人。
我走进一个空旷的房间,翻过一排栏杆,
在昔日的剪票口,突然,我的身体里
空荡荡的。哦,这个候车厅里没有旅客了,
站着和坐着的都是模糊的影子。

我感到我是一群人。
在附近的弄堂里,在烟摊上,在公用电话旁,
他们像汗珠一样出来。他们蹲着,跳着,
堵在我的前面。他们戴着手表,穿着花格衬衣,
提着沉甸甸的箱子像是拿着气球。

我感到我是一群人。
在面店吃面的时侯他们就在我的面前
围桌而坐。他们尖脸和方脸,哈哈大笑,他们有一点儿会计的
假正经。但是我饿极了。他们哼着旧电影的插曲,
跨入我的碗里。

我感到我是一群人。
但是他们聚成了一堆恐惧。我上公交车,
车就摇晃。进一个酒吧,里面停电。我只好步行
去虹口,外滩,广场,绕道回家。
我感到我的脚里有另外一双脚。

            
1997.6.10.

© Xiao Kaiyu
De: Xuexi zhi tian (Das süsse Lernen)
Beijing: Gongren, 2000
Producción de Audio: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Nordbahnhof

Ich habe das Gefühl, eine Horde von Menschen zu sein.
Auf der Fussgängerüberführung des alten Nordbahnhofs erhebt sich in meinem Körper
ein Stimmengewirr sich streitender und diskutierender Menschen.
Rauchend betrachte ich die Bahnhofsruinen,
ich möchte schreien, in meiner Kehle brennt es wie Feuer.

Ich habe das Gefühl, eine Horde von Menschen zu sein.
In den gekräuselten Rost der Schienen tretend gehe ich über die verlassenen Geleise.
Ach, in meinem Körper herrscht ein unerträgliches Gedränge, wie von ein- und
aussteigenden Menschen. Ein Zug kommt auf mich zu,
ein anderer fährt mit einem Pfiff aus meinem Körper.

Ich habe das Gefühl, eine Horde von Menschen zu sein.
Ich betrete eine grosse Halle, klettere über eine Reihe von Geländern,
an der einstigen Kontrollschranke wird es in meinem Körper plötzlich
ganz leer. Ach, in diesem Wartesaal sind keine Reisenden mehr,
nur noch verschwommene Schatten stehen und sitzen herum.

Ich habe das Gefühl, eine Horde von Menschen zu sein.
In den angrenzenden Gassen, auf den Zigarettenständen, neben den öffentlichen Telefonen
quellen sie wie Schweissperlen hervor. Sie hocken sich hin, springen umher,
versperren mir den Weg. Sie tragen Armbanduhren, bunt karierte Hemden
und schwere Koffer als wären es Luftballons.

Ich habe das Gefühl, eine Horde von Menschen zu sein.
Während ich in einer Nudelbude Nudeln esse, setzen sie sich mir gegenüber
um den Tisch. Schmale und breite Gesichter, die lauthals lachen, und etwas von der
     Scheinheiligkeit
eines Buchhalters haben. Aber ich bin sehr hungrig. Lieder aus alten Filmen summend
machen sie einen Schritt in meine Nudelschale.

Ich habe das Gefühl, eine Horde von Menschen zu sein.
Doch sie ballten sich zu einem Haufen des Grauens. Ich steige in einen Bus,
der sogleich zu schwanken beginnt, betrete eine Bar, drinnen ist Stromausfall. Mir bleibt
    nichts anderes übrig, als zu Fuss
nach Hongkou, zum Bund, zum grossen Platz, auf Umwegen nach Hause zu gehen.
Ich habe das Gefühl, dass in meinen Füssen noch ein anderes Paar Füsse steckt.  
 

10. 6. 1997

Hongkou: Das Viertel der ehemaligen japanischen Konzession im nördlichen Shanghai.
Der Bund (anglo-indisch: „Kaimauer“): Shanghais alte Uferpromenade mit repräsentativen Bauten im klassizistischen Stil aus der Zeit der Kolonialmächte.

© Aus dem Chinesischen von Raffael Keller