Michael Krüger
MARX REDET
MARX REDET
Manchmal, wenn es im Westen aufklart,
schaue ich den glitzernden Geldflüssen zu,
die schäumend über die Ufer treten
und das eben noch dürre Land überschwemmen.
Mich amüsiert die Diktatur des Geschwätzes,
die sich als Theorie der Gesellschaft
bezahlt macht, wenn ich den Nachrichten
von unten glauben darf. Mir geht es gut.
Manchmal sehe ich Gott. Gut erholt sieht er aus.
Wir sprechen, nicht ohne Witz und dialektisch
erstaunlich versiert, über metaphysische Fragen.
Kürzlich fragte er mich nach der Ausgabe
meiner Gesammelten Werke, weil er sie
angeblich nirgendwo auftreiben konnte.
Nicht daß ich daran glauben will, sagte er,
aber es kann ja nichts schaden.
Ich gab ihm mein Handexemplar, das letzte
der blauen Ausgabe, samt Kommentaren.
Übrigens ist er gebildeter, als ich dachte,
Theologie ödet ihn an, der Dekonstruktion
streut er Sand ins Getriebe, Psychoanalyse
hält er für Unsinn und nimmt sie nicht
in den Mund. Erstaunlich sind seine Vorurteile.
Nietzsche zum Beispiel verzeiht er jede
noch so törichte Wendung, Hegel dagegen
kann er nicht leiden. Von seinem Projekt
spricht er aus Schüchternheit nie. Bitte,
sagte er kürzlich nach einem langen Blick
auf die Erde, bitte halten Sie sich bereit.