Armin Senser
Ekloge: Borkum
Anfang und Ende der Insel liegen im Dunkeln.
Im Gegensatz zum Leben tritt, wenigstens alle paar
Stunden, die Wahrheit ans Licht. Bis dorthin
verbraucht der Weg die ganze Zeit der Rückkehr.
Unaufhörlich rüttelt der Wind an allem Handfesten.
Spuren werden verwischt. Bewegung reduziert –
oder besser erweitert sich – zu einem Standortwechsel:
Sein und Nichtsein sind da eins für den Betrachter.
Die Dünen haben schütteres Haar. Während das Quarz
dein Amalgam aufpoliert, schreckt der Schmerz von
seinem Lager und näßt das Auge. Die Zähne, von Kälte
gespeist, verunstalten klappernd den männlichen Torso.
*
Gesetz der Kälte ist Sparsamkeit. Das Stativ überläßt
seinem Auge, das Licht einzuholen. Wortanfänge bleiben
am Gedanken kleben. Je langsamer die Zeit, desto kälter also.
Ewigkeit wird da zum Raum oder zur unerträglichen Hitze.
Jeder Körper wird früher oder später Opfer des Klimas.
Das einzige, was dir noch einfällt, ist: Ein Solarium oder der
Wechsel des Breitengrades. Aber Heimweh ist Sehnsucht
nach Kälte oder der Wunsch, eine Sonnenbrille zu tragen.
*
Dort wird nie hier sein. Keine Straße, Rock, keine Stimme
findet Eingang ins Gehör: Die Muschel treibt aufs offene Meer.
Was Ort und Körper trennt, liegt im Gedächtnis der Sprache.
Mundart verstehen. Als Souvenir ist die Inselmischung
ungeeignet. Im Leben sind Reime ebenso fehl am Platz
wie in jedem Derivat des deutschen Sprachschatzes.