Jake Schneider 
Translator

on Lyrikline: 12 poems translated

from: german to: english

Original

Translation

Sieben Dignitäten. Notre Dame de Paris et des Fleurs. 15. April 2019 ff.

german | Alexandru Bulucz

VI

Seliger Antonin,

es schaukelt das Meer seine Leichen an Land,
doch beweint wird das Holz u. die eichenen Särge, der Stein u. der Ziegel.
Wenn zwei über Taktgefühl streiten, dann freuen sich Steinmetz u. Schreiner.
Verstehst du, mein Lieber? Du schon, u. ich danke dafür!
… u. verstündest du nicht, ich erzählte Geschichten:

Ich hab’ sie von Vater … behauptet,
wo einem Gedanken, Gebete an Gott widerfahren, da sei auch das Trosthaus.
Alleine, sein Trosthaus ist meistens sein Scheißhaus.
Ich muss wiederholen: Sein Gott’shaus ist meistens sein Kothaus.
Dort macht er vor Gott u. vor Kot den Kotau,

u. er qualmt wie Agafia Karpaten,
er wirft wie Cioran seine Stummel ins Scheißgrab hinein
nach dem Stoß- o. Stundengebet, was weiß ich,
ob gerad’ ’ne Verstopfung, ein Durchmarsch, gar beides geschieht.
Ich erfahre ja gleich, wie es stinkt.

So zieht er den Griff an der blechernen Kette nach unten, um runterzuspülen,
verlässt seine liebste der Frau’n mit dem fettesten Grinsegesicht als ein Priester,
gefolgt vom Karpaten-Entleerungs-Geruch der Boswellia humana,
der gar nicht so böswillig ist. Ich betrete das Trosthaus,
dort pendelt noch immer das Rauchfass, zerschneidet noch immer den Weihrauch,

verteilt noch immer den Odor.

© Schöffling
from: was Petersilie über die Seele weiß
Frankfurt am Main: Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung GmbH, 2020
Audio production: Haus für Poesie, 2022

Seven Dignitites. Notre Dame de Paris et des Fleurs. April 15, 2019 ff.

english

VI


Blessed St. Antonin,


The ocean doth cradle its corpses ashore,

but we weep over wood & the coffins of oak, over stone & gray shingles.

When two people clash over tactfulness, mason & carpenter smile.

Don’t you get it, my dear? Sure you do, & I’m grateful for that!

… & perchance you do not, I’d have stories to tell:


I have this from Father … who claimed

that the place where a man prays to God holds a house of relief.

Yet again, his relief house is often his crap-house.

Once more, I’ll repeat it: his God house is often his bog-house.

That’s where he kowtows to his God & to bog,


& he smokes like Agafia, Carpațis,

like Cioran he tosses his stubs in the pit

having prayed aspirations or breviaries, after

a case of the runs or the bungs, or of both, I can’t say.

But I’ll know soon enough how it stinks.


So he yanks the tin chain by the handle to flush

& abandons his dearest of ladies with broadest of smiles, as a priest

with a trail of Carpați intestinal odor: Boswellia humana,

which really is not that Orwellian. I enter the house of relief,

where the censer still swings, is still cutting the frankincense,


spreading the odor around.

Translated from the German by Jake Schneider

Zur Henkersmahlszeit mit der Erinnerungskutsche I

german | Alexandru Bulucz

                                                      vom 7. o. 8. Juli auf den 8. o. 9. Juli 2000

Sie fährt uns zu Mittag am Wasser entlang, am Mureş, nennt’s Mieresch, nennt’s Marosch.
Der reist aus dem Ldkr. Harghita, stürzt in die Theiß. Die stürzt in die Donau, reist aus
der Nähe von Rachiw. Die reist aus dem Schwarzwald, trifft ins Schwarze der Meere.

Wie selbstlos Flüsse doch sind, wenn Mündung Entmündigung ist.

Wir fragen die Beeren am Wegrand nach Wasserstandshöhen. Die holen sich Bandwurm-
beratung herbei. Der verkriecht sich zurück in den Rotfuchs. Der wiederum meint,
noch gestern seien die Pferde getreidelt. Die schnauben uns an, das sei Antwort genug.

Wie selbstlos Flüsse doch sind, wenn es ihnen bis hier steht.

Wir tränken in Senf die Ćevapčići, heiß, u. gehen dann über zur Kuttelflecksuppe.
Hausrinder blöken uns an, es gehöre sich nicht, Rosinen zu picken, kurz vor der Grenzgängerei.
Wir fischen uns weiter veressigte Pansen heraus u. würgen Erinn’rung aus Gärkammern hoch.

Seht doch den Fleck auf Gorbatschows Kopf: die lettische Karte, sich drehend im UZS!

© Schöffling
from: was Petersilie über die Seele weiß
Frankfurt am Main: Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung GmbH, 2020
Audio production: Haus für Poesie, 2022

To the Last Meal by Memory Carriage I

english

from July 7 or 8 to 8 or 9, 2000


It takes us at noon down the riverbank, the Mureş, call it Mieresch, call it Marosh.

Which travels from Harghita County, empties into the Tisa. Which empties into the Danube, traveling from

outside Rakhiv. Which travels from the Black Forest, hits the Black of the Seas.


How selfless rivers really are when a river mouth’s a muzzle.


We ask the roadside berries about water tables. They hold a consultation

with a tapeworm. Who curls back up into the red fox. Who in turn believes

the horses were still hauling yesterday. Who snort at us: that’s your answer.


How selfless rivers really are when they’ve had it up to here.


We’d dunk the ćevapčići, hot, in mustard & then proceed to the tripe soup.

Cattle bleat at us, it doesn’t do to nitpick so soon before the border business.

We keep fishing out vinegared rumens & heaving memory up from brew chambers.


Check out the blotch on Gorbachev’s head: a Latvian map rotating clockwise!

Translated from the German by Jake Schneider

[125 Episoden Monk]

german | Alexandru Bulucz

125 Episoden Monk. In Worten: einhundertfünfundzwanzig Episoden, Monk!
Stell’ dir vor, wie oft du mich begleitet hast in deiner Trauer, ohne Trudy, deine Frau,
zu sein. Aber ja, wie oft denn eigentlich? Hast du einmal nur erzählt, was hundertfünf-
undzwanzigmal geschehen ist, o. hundertfünfundzwanzigmal, was einmal … usw. usf.?

Hast alle widerlegt, Sigi den Beweis erbracht, dass Trauerarbeit eine Irreführung ist,
Werner plausibel vorgemacht, wie sogenannter Umgang mit Verlusten Phrasen drischt,
die Zeit der Lüge überführt, die Wunden restlos heilen soll. Sie heilt nichts, weder die
noch die u. weder viel noch wenig. Ich habe alle Skripte durch u. muss zum Schluss

zum Schluss, dass Schweigen größer ist als Sprechen. Auf der Rückseite des Teppichs
streichst du nämlich Silben wie die zweite aus dem Umgang durch, als seiest du statt
Trudy um … Selbstbetrug? Ist dies der Kompromiss? Sprich: Ich könnte leben, tu’ es
jedoch nicht? Du sprichst wie Franz! Sprich: Ich leb’ wie nicht? Jetzt sprichst du

wie Tassilo Herbert! Sprich: Ich kann nicht leben in genormter Zeit normal? Sprich
doch nicht wie Victor fast, nicht fast wie Teddie! Sprich für dich u. nicht von and’ren
Warten aus! … u. wie nun äußert sich die Trauer? Als Angst vor jeglicher Veränderung.
Würd’ lachen, wenn’s mich nicht beträfe. Wie ich Reisen sehe, dazu stehe?

Geh mir weg mit Reisen! In die Berge, um zu wandern? Ich käme bis zur ersten Bank!
Aber wenn ich wirklich in die Berge reiste, ich würd’ am liebsten geradeaus nach oben
bis zum Gipfel, nähme selbst den Umweg, auf u. ab u. zick u. zack. Wär’ es bloß
nicht tragikomisch, wenn du sagst, ich habe mit Veränd’rung kein Problem, nur will ich,

wenn sie eintritt, nicht in ihrer Nähe sein. Monk, auch ich kann komisch sein. Hör’ zu:
Der einst als Leninist der FAZ Beschimpfte – lies ihn mal! – vertritt die Meinung,
Sahne sei fürs Kochen, was fürs Schreiben Kitsch. Ich sag’ dazu nur: Nö, mein Kitsch
ist Schmand. Ist das nicht sauer u. saukomisch, beinah tragikomisch? Lassen wir’s so steh’n.

Heißt die Mitte von nicht leben u. noch nicht gestorben sein nicht Schreiben, Monk,
Askese, drin des Leichnams Lage imitiert wird? Ist der Alk Thromboseprophylaxe,
ist der Kaffee, ist das Qualmen wie ein Schlot Genuss? Am Ende wird ein jeder eingeholt.
Der da oben kennt rein gar nichts, u. heilig ist ihm nichts. Auch Sünde schafft Erlösung.

Ist es schlicht u. einfach Materialermüdung, ist man Baum im Spätholzstadium,
sind die Jahresringe angezählt? Trotzdem piesackt, piekst Gewissen einen an.
Hätte, hätte, Fahrradkette, rette sich wer kann. Was tun? Ich frag’ für einen Freund,
doch auch für Kant, für Marx u. für Godard. Auf irgendeine Fremdeinwirkung warten?

Es ist ein großer Trost, dass Franz nicht feuershalber Funken schlug. Mit dem Schreiben
wollt’ er einzig u. alleine seinen Leichnam luminieren. Nur eins bleibt vage: ob von außen
o. innen. Ihm schwebt die Leuchtkraftkompetenz von Käfern vor? Ist der Leichnam
ein sakrales Fenster? Sonne dringt durch Buntglas u. Symbolik in den Kircheninnenraum?

Wie begeht man einen Leichnam? … o. schreibt man ohne Zeug zum Schreiben?
Wie die Jahresringe ihres Baums Geschichte? Was, wenn einer dunkel schreibt, Recht-
schreibfehler Dunkles obendrein verdunkeln u. der Steig’rung höchste Stufe der Beleuchtung
nicht mehr dient? Wie kontrastvermittelt röntgen, wenn vom Dunkel einer herkommt?

© Schöffling
from: was Petersilie über die Seele weiß
Frankfurt am Main: Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung GmbH, 2020
Audio production: Haus für Poesie, 2022

[125 episodes of Monk]

english

125 episodes of Monk. In words: one hundred & fifty episodes, Monk!

Just imagine how often you joined me in your grief, to be without Trudy,

your wife. But how often was it?! Did you describe only once what happened a hundred & twenty-

five times, or a hundred & twenty-five times what happened … & so on?


You debunked them all, presented proof to Sigi that grief work is a sham,

laid out to Werner that Umgang, “coping with loss,” is a hollow buzzword,

exposing time, that supposed miracle cure, as a liar. It cures nothing, not these

let alone those. I’ve made it through all scripts & can now conclusively


conclude that zipping lips is greater than speaking. On the flip side of the carpet,

that is, you strike syllables like the second of Umgang, as if your time were up

& not Trudy’s … Delusion? Is that the compromise? As in: I could live, but just

don’t? You’re talking like Franz! As in: I live like I don’t? Now you’re talking


like Tassilo Herbert! As in: I can’t live a regular life in regulated time? Don’t

talk almost like Victor or almost like Teddie! Speak for yourself & don’t put words

in other mouths! … & how does grief manifest then? As fear of any change.

I’d chuckle if I weren’t implicated. You want to hear my take on traveling?


Leave me be with travel chatter! Mountains, hiking? I’d reach the first bench!

But if I ever made it to the mountains I would prefer to march straight on up

to the summit, or even take the long cut, up & down & zig & zag. If only it

weren’t tragicomedy when you said you’ve got no trouble with change, you just


don’t want to be around when it happens. Monk, I can do comedy too. Listen up:

That guy the FAZ once branded a Leninistcheck out his stuff!—maintains

that cream is to cooking what kitsch is to reading. My two cents: Nah, my kitsch

is sour cream. Isn’t that some bitter comedy, practically tragicomedy? Let’s drop it.


Monk, don’t you think the midpoint between not alive & not yet dead is writing,

asceticism, mimicking in it the status of a corpse? Is the booze anti-thrombosis,

is the coffee, are the smokes pleasure-chimneys? In the end we each get our summons.

The man upstairs knows nothing, & nothing is sacred to him. Even sin creates redemption.


Is it plain & simple material fatigue, are we trees in the summerwood stage,

are our rings numbered? All the same your conscience pesters, prods at you.

Shoulda, coulda, woulda, betta get out if you can. What to do? Asking for a friend,

but also for Kant, Marx, & Godard. Wait around for some outside intervention?


It’s a huge relief that Franz didn’t strike sparks for the sake of fire. In writing

he hoped to illumine his corpse, plain & simple. Just one part left vague: from

the outside or inside? Is he imagining the bioluminescence of beetles? Is a corpse

a sacred window? Sun seeping through stained glass & symbolism into the nave?


How can someone solemnly trespass a corpse? … or write without writing supplies?

The way yearly rings do their tree’s history? What if someone writes darkly, & spell-

ing errors darken dark for good measure & the superlative can no longer serve

illumination? How can you radiocontrast if a person comes over from darkness?

Translated from the German by Jake Schneider

[Als Statussymbol]

german | Alexandru Bulucz

                                           … hat die Axt des Hinterwäldlers lange der Cultur
                                                  der Dörfer und Städte vorarbeiten müssen …
                                                                                                      Ludwig Preller

Als Statussymbol für alle, die keines mehr brauchten, fuhr uns der Dacia dorthin.
… u. was waren wir hörig in Kreischquell beim Hirtenrumänisch heiliger Mütter!
Die gaben die Schollenpflicht weiter an uns wie an Scheune u. Stall seine Helligkeit
Heu. Am Bächlein klebte Agafia mit Spucke Karpaten-Stummel zusammen u. rauchte

auf Lunge das Zeug, was das Zeug hielt. Zitzen melkten sich selber, wir tranken
aus Kübeln die fetteste Milch. Die wärmte den Magen u. lullte uns Lulatsche ein.
Wir, Rumäniens letzte Mokaner, bei Gott, ich übertreibe mitnichten, waren ganz
Schnurrbart aus Schaum u. wir maunzten aus Wäldern die Wölfe, die Bären hervor.

Der eine brach sich am Fischteich ein Schienbein u. weinte als lachender Dritter
vor Mitleid mit Mitleid, mit Leid. Huckepack nahm uns die Uhr wie die Lurchin
den Lurch, u. selbst als die Kühe auf Schrägen ins Straucheln gerieten, sodass
Schellen laut klirrten, kamen die Hirten nicht drauf u. nicht drauf, dass sie irrten.

Als Statussymbol für alle, die keines mehr brauchten, fuhr uns der Dacia zurück.
Wir prellten die Zecke in uns mit der Axt, der stibitzten, u. zechten mit Prellern
den Dorfdeppen zu, deren Axt die Kultur mit waldigem Zwiespalt von Buchen
u. Fichten fürs Funkenflugfeuer versah, bis tief in die Nacht u. darüber hinab.

© Schöffling
from: was Petersilie über die Seele weiß
Frankfurt am Main: Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung GmbH, 2020
Audio production: Haus für Poesie, 2022

[A status symbol]

english

it took years of the backwoodsman’s axe

to lay the ground for the civilization of villages and towns…

—Ludwig Preller


A status symbol for those who no longer needed one, the Dacia chauffeured us over.

… & whose lieges were we in Crișcior hearing holy mothers’ shepherd Romanian!

They passed the pasture duty down to us, just as straw lends its lightness to stable

& barn stall. By the stream, Agafia spittled up Carpați smoke-stubs & inhaled


the hell out of the stuff. Udders milked themselves, we gulped pail after pail

of the fattest milk. Which warmed the belly up & soothed us beanpoles down.

We, Romania’s last of the Mocani, by God, I kid you not, were completely

foam mustache & we mewed out the wolves, the bears from the woodlands.


One of us broke a shinbone at the fishpond & burst into tears as a giggling outsider

sympathetic with sympathy, with woe. We piggybacked on the clock like a she-frog

with a he-frog & even when the cows on foothills lost their firm footing, causing

a loud jingling of bells, it didn’t occur to the cowherds that their herds had swerved.


A status symbol for those who no longer needed one, the Dacia chauffeured us back.

We tricked our inner tick with the pilfered axe, drank & dashed with tricksters

on to the village idiot whose axe gave civilization a woodsy dichotomy of beeches

& spruces for the flying-spark flames, late into the night & below & beyond it.

Translated from the German by Jake Schneider

[Die Tage]

german | Alexandru Bulucz

Die Tage über die Pyramiden von Gizeh nachgedacht –
werde sie vermutlich niemals sehen, zu viel Reiseangst.
Es war an der Zeit, trage sie schließlich ständig im Mund,
die Gizehs, die Eindrehfilter meiner Selbstgedrehten.
Kam von Kairo über Kalkstein zum Kairos des Stillens

von Durst im Sommer auf einem Weißenburger* Markt
vor 2000. Der spitzen Messer Schneiden aus rostfreiem
Stahl funken Bilder zurück in die Gegenwart, flunkern.
War es die Demut vor der Armut der Durstigen? Es war
auf jeden Fall kühn von den Obst- u. Gemüsehändlern,

Kunden die Wassermelonen, die sie auserwählten,
erst kosten zu lassen. Es gab sie ja nicht in Stücken,
sondern ganz o. gar nicht. Dass kleinere Melonen
unverkäuflich werden könnten, war halb so schlimm.
Große, gewichtige jedoch?! Hätten auch aus Gründen

des Geschmacks auf Ablehnung stoßen können, nicht
süß genug, was weiß ich, nicht nur wegen Verdorbenheit,
der inneren. Drei sichere Stiche mit dem spitzen Messer
in die Panzerbeeren, u. sie gingen fast von selber auf,
knackend unter der Spannung um das Fruchtfleisch.

Mit dem vierten, der bei weitem nicht so tief war
wie die ersten, holten die Händler die Tetraeder
aus ihren Planeten heraus. Mit Dreieckspyramiden
an Stielen, Messern an den Mündern der Kunden
begann das Stillen von Durst. Demut vor der Armut

der Durstigen u. Vertrauen in die Bewaffneten.
Habe niemals eine Melone abgelehnt, fällt mir ein,
auch wenn sie mir nicht schmeckte. Die Händler
stöpselten die angebissenen Dreieckspyramiden
wieder in die Melonen ein, als sei nichts gewesen.


* Alba Iulia (deutsch Karlsburg oder Weißenburg, ungarisch Gyulafehérvár) ist die Hauptstadt des Kreises Alba in Siebenbürgen, Rumänien.

© Alexandru Bulucz
from: Unpublished
Audio production: Haus für Poesie, 2022

[Lately]

english

Lately I’ve been dwelling on the Pyramids of Gizeh—

which I’ll likely never get to see, too scared of traveling.

It was about time, considering I’m always carrying them

in my lips, those Gizehs, filters I roll into my rollies.

Came from Cairo via chalkstone to the kairos of thirst-


quenching one pre-2000 summer at a street market

back in Alba Iulia. Those stainless-steel knife tips

still strike, or spur on, sparks of images to this day.

Was it meek deference to the poverty of the thirsty?

Smart move, anyway, by the fruit-&-vegetable vendors,


giving customers who’d selected their watermelon

a first taste. They weren’t for sale by the slice,

it was all or nothing. The risk of making some

smaller melon unsellable was not such a big deal.

But the big, hefty ones?! The grounds for rejection


could have been tied to their flavor, not sweet

enough, or whatever the case may be, not just inner

spoilage. Three practiced pricks with a pointed knife

into those ironclad berries, & they’d practically pop

themselves open, snapping from the flesh’s tension.


With the fourth, which didn’t dig nearly as deep

as the rest, the vendors would slide the tetrahedra

out of their planetoids. With triangular pyramids

on sticks, knives held out to customers’ mouths,

the thirst-quenching commenced. Meek deference


to the poverty of the thirsty & trust in the armed.

I never rejected a melon, I now realize,

even if it wasn’t that tasty. The vendors

would stopper the melons with the nibbled

triangular pyramids as if nothing had happened.

Translated from the German by Jake Schneider

Geweiharchiv

german | Ron Winkler

meine Eltern schlugen häufig das Buch
der leisen Streite auf. meist ging ich
in einem solchen Fall mit einem
der drei Hunde meiner Kindheit spazieren.
sie jaulten ganze Idyllen zusammen.
die Schwester spielte Großmutter und hörte
schlecht. die Großmutter selbst hörte gut,
galt aber praktisch als ständig verreist in die Welt
der Walzer. Großvater war bereits
sein eigenes stilles Buch. man las es
aus Fotoalben zusammen. das waren Nachmittage
schwer und verraucht wie die Brokatvorhänge
der guten Stube. grünkohlgrün mit goldener Borte:
jeder Gast lobte die Wahl, dann den Likör.
Besuche waren Friedensfahrten, man übte
Philanthropie und Freiheit: hier spielten Geweihe
die Rolle der Großen Vorsitzenden an der Wand.
nach der Schule begann das Bewusstsein
als Testbild (zweites Programm), es beruhigte,
wenn die Schwester einen ihrer Pickeltode starb
oder Großmutter den Plattenspieler
auf Tango beschleunigte. ich erntete Kleingeld
von ihr, für meine Geduld, und Pralinen.
erst verabscheute ich sie, später waren sie mir
die süßen Zweigstellen des Stammbaums.
sie ließen die Zunge fliehen.

© Schöffling & Co.
from: Fragmentierte Gewässer. Gedichte
Berlin: Berlin Verlag, 2007
Audio production: 2005, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

antler archive

english

my parents frequently flipped open

the book of quiet conflict. usually

if that happened I’d go walk one of

my childhood’s three dogs.

they’d yowl whole utopias together.

sister played grandmother and had

bad hearing. grandmother herself heard fine,

but might as well have been on permanent vacation

in the world of the waltz. by then grandfather

was his own calm book. we’d read it

together out of photo albums. those were afternoons

heavy and full of smoke like the brocade curtains

in the good parlor. kale green with gold

edging: every guest praised the choice, then the liqueur.

visits were Tours de la Paix, you’d practice

philanthropy and freedom: here antlers played

the role of the Chairman on the wall.

after school, consciousness began

as a test pattern (channel two), it was soothing

when sister was dying one of her pimple deaths

or grandmother had geared up the turntable

to a tango. I reaped pocket change

from her for my patience, and pralines.

at first I detested them all. later they were

the sweet local branches of my family tree.

they made my tongue escape.

Translated by JD Schneider

Gespräche mit Baumrinden II

german | Alexandru Bulucz

Nie nahmst du’s ab, als ich von Boris träumte,
von Feldern grüner Pastinaken. Es war dir gleich,
was sich verbarg hinter dem Geschmack des Dills
im Käse aus der Teigtasche,

was Petersilie über die Seele weiß.
Nie fragtest du nach den transsilvanischen Äpfeln
u. warum sie in der kühlenden Erde lagern,
den Pilzen, die Majka anbriet u. salzte,

den Zwetschgen, dem Schnaps, dem Urgroßvater,
dem Holzkreuz am Bach. Radieschen für Radieschen,
Zwiebel für Zwiebel hast du weggeschaut.
Nie auf den Sonnenflecken im Zimmer

weißen Holunder für Holunderwasser trocknen lassen.
Weder in Andrejs unreife Dreiecksbirnen gebissen,
die ich vom Wegrand für uns klaubte,
noch in die bitteren Quitten wie Emil der Rabe.

Nie vom Brot die dunkle Rinde gekaut,
die Marmelade, die Mutter uns brachte,
das weiße Hirn einer unreifen Walnuss,
deren Haut man mit den Nägeln abzieht.

Keine Wand mit Unsinn beschmutzt
mit ihrer grünen Schale.
Dir keinen Apfelstiel als Erde gedacht,
keinen Apfel als Sonne,

gabst keinem Aberglauben nach,
drehtest keinen Apfelstiel, bis er abriss,
um zu erfahren, wie viele Umläufe um die Sonne
du noch brauchst bis zum Ende deiner Bahn.

Wieder u. wieder flog der Stumpf deines Apfels
auf den Kompost. Nie rechnetest du
in Nachbars Garten mit dem Hundebiss
in der Krone des Kirschbaums mit einem Ohr

als Kurztrieb von zwei Süßkirschen.
Nie hat’s dich gejuckt am Rücken
ein Hagebuttensamen, -seamus.
Nie hast du versucht,

die Rückenschmerzen vom Spargelstechen
mit dem Schmerz von Brennnesselhieben auszutreiben,
bis Brennnessel Ersatz war für Spinat,
Bärlauch für Knoblauch.

Nie nach dem Diebstahl des Lauchs
die Schwarzerde im Mund Schwarzrede an Gott,
weil du kein Wasser hast, die Erde abzuwaschen.
Nie hat dich wie mich der schlesische Engel besucht

beim Pfandflaschensammeln.
Warum sagst du es dennoch wie ich
den Käfern in der Rinde
in winzigen Worten für winzige Schritte?

© Schöffling
from: was Petersilie über die Seele weiß
Frankfurt am Main: Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung GmbH, 2020
Audio production: Haus für Poesie, 2022

Conversations with Tree Bark II

english

You never bought it when I dreamt of Boris,

of parsnip—Pastinaken—fields. Didn’t care

what’s hidden underneath the taste of dill

in dumplings’ cheesy fillings,


what parsley understands about the soul.

You never wondered about Transylvanian apples

or why they’re kept in cooling earth,

the mushrooms Majka fried & salted,


the prunes, the schnapps, the great-grandfather,

the stream-side cross of wood. & radish by radish,

onion by onion, you turned a blind eye.

Never have you left white elderflowers


in sun patches to dry for elderflower cordial.

Nor crunched into Andrei’s triangular pears

which I picked for us by the roadside,

nor into bitter quinces like Emil the raven.


Never chewed the bread’s dark crust,

the jam that Mother brought us,

the white brain of an unripe walnut

whose skin you scrape off with your nails.


No walls defiled with nonsense

by way of the nut’s green rind.

Never pretended an apple stem was Earth,

or an apple the sun,


haven’t indulged any superstitions,

twisted an apple stem till it tore

to determine the number of turns

round the sun you had left in your orbit.


Lobbed your apple core over & over

onto the compost. In the neighbor’s yard,

you never expected the dog bite

in the cherry tree canopy with an ear


as the short shoot of two sweet cherries.

You’ve never had an itchy back,

a rosehip seed or a Seamus.

You’ve never attempted


to purge backache from cutting asparagus

with the ache of stinging-nettle lashes,

until nettles stood in for spinach,

& wild ramps for garlic.


Never after the thieving of the leek

the dark grit on your tongue did you talk darkly to God

for lack of water to rinse out the grit.

The angel of Silesia never paid you a visit, like me,


when gathering redeemable bottles.

Why do you keep saying it like me

to the beetles under the bark

in tiny words for tiny footsteps?

Translated from the German by Jake Schneider

Stundenholz

german | Alexandru Bulucz

Seid gegrüßt, Rose, erbarmt Euch, hab’ Euch verwechselt, gestern
für was denn gehalten, einen Stein, einen Stein im Vogelzug.
Der war ein Wasservogel, u. ich im Kehlsack eine wurzellose
Zwerglinse, um an anderen Orten, in anderen Wassern zu blühen.

Habt Gnade mit mir Verborgenem. Ich bin der Herr, der bei Euch
u. bei ihr zugleich gewesen. Wir flogen Karpatenhügel entlang,
über den Südlichen Bug. Den bukowinischen Fragen, wo Heimat
beginne, Erinnerung ende, glaub’ ich die Fragezeichen. Wir flogen

über Holzrauch von Klöstern, über liturgische Rufe aus Stunden-
trommeln von Mönchen, toaca-Klänge spannten eine Himmelsleiter
auf uns zu u. über uns hinaus. Wir beteten mit den Orthodoxen,
den Mönchen, die zu uns heraufkletterten, den Kopten, Griechen,

Armeniern, Bulgaren, Russen (den Litauern, Letten u. Esten).
Ahnt Ihr, Rose, was ich glaube? Dass die rumänischen Mütter
ihre Söhne zu Mönchen erziehen. Früh schon zeigen sie ihnen,
wie salată de vinete gemacht wird. Mit dem aus der Buche

geschnitzten Äxtlein klöppelt der kleine Mönch das Fruchtfleisch
der gegrillten Aubergine klein auf dem Brett aus Stundenholz.
Er lernt die Schlagtechnik u. erste freie Rhythmen für die toaca.
So also betet er u. weiß es nicht. So also lehnen sie die Gegenleiter

an die Wand der Erinnerungskapelle. Wäre ich gestern hinunter-
geklettert, ich hätte, was unter der Schädeldecke begraben liegt,
aufsuchen können. Aber vielleicht wäre sie geschlossen gewesen.
Ihr wisst ja, was Kafkas Kutscher – o. war der Kutscher Kafka? –

sagte, als er an die hohe Mauer kam u. die Fahrt einstellen musste.
Er sagte, es sei eine Stirn. Nur rückwärts steht nichts im Wege,
sodass wir verrückt vor Kummer werden. Also flogen wir weiter
über Lust, Lust u. Verlust, über den Schmerz, den nicht gespiegelten.

Wir flogen über das Gedächtnis, das schmerzlich erinnerte, flogen
eine Löschfluglinie stracks nach Năvodari ans Schwarze Meer.
Dieses Meer scheint mir wie ein Sammelbecken der Augenblicke,
der Augenblicke Maria Magdalenas. Die meinen Augenblicke

Madeleines sind gesalzener Kukuruz u. Wassermelonen.
In Siebenbürgen nennt man die Wassermelone Wasserpäddem.
Rumänisch lubeniță. Ich nannte sie stets lebeniță, als ob
ich deutschlos nicht wusste, was heute Leben heißt. Gesalzener

Kukuruz u. Wassermelonen also. In dieser Reihenfolge. Jener vor
diesen, diese nach jenem, Salz vor Süße nach Salz. Ich leckte
gesalzenen Kukuruz wie das Wild Bergkerne, dann fraß ich
Körner, u. nach Aussaugen des Kolbens, des weichgekochten,

fraß ich Teile des Kolbens selbst. Mit dem Tier im Mönch erging
es den Wassermelonen noch schlimmer. Die Milchzähne
machten Halt vor nichts. Grüne Fruchtrinde, rotes Fleisch,
schwarze Kerne, ein Ende aus nichts. Aber muss man den Augen-

blick nicht aus zeitlicher Distanz betrachten, damit er überhaupt
zu einem solchen wird? Die einen reden von der Präexistenz Christi,
vielleicht sollten die anderen, die ich bin, von derjenigen Madeleines
reden. Eine Art verschränktes Erinnern, wie die zum Gebet

gefalteten Hände, u. was zu was u. was zu wem u. wer zu wem
warum u. wann gehört, tut nichts zur Sache. Es spielt keine Rolle,
ob ich den Kukuruz auch in Năvodari … In dieser Reihenfolge
also. Salz vor Süße nach Salz. Wie eine irreparable Verkalkung

von Gefäßen im Hirn, die das Gefühl für Chronologien löscht.
Also stelle ich mir vor, dass es Demenzaugenblicke sind. Dunkel
u. leuchtend zugleich. Noch einmal, Rose, seid gegrüßt u. erbarmt
Euch, ich habe Euch verwechselt, für eine andere gehalten,

eine Wasserzugvogelerscheinung, u. ich im Kehlsack die wurzellose
Zwerglinse, da ich andernorts blühen sollte. Habt Gnade,
denn ich bin der Herr, der bei Euch u. bei ihr zugleich gewesen,
irrtümlich göttlicher Fremdgeher. Wie es zur Verwechslung kam?!

Ich dachte an ihren Satz der Identität, in dem Euer Name vier Mal
genannt ist, u. Ihr verschwindet von Mal zu Mal. Sie hat Euch
wie ein Missverständnis ausgeräumt u. es mir einverleibt.
Seid gegrüßt, Rose u. Stein, voll der Gnade, gebenedeit seid ihr

unter den Menschen, gebenedeit sei euer Leib u. Korpus.

© Schöffling
from: was Petersilie über die Seele weiß
Frankfurt am Main: Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung GmbH, 2020
Audio production: Haus für Poesie, 2022

Hourly Semantron

english

Hail, Rose, have mercy, I mistook you, I took you for what

exactly yesterday, for a Stein, a stone among migratory birds.

It was a waterbird, & I in the throat pouch a rootless

duckweed, so as to bloom in other places, other waters.


Take pity on my secrecy. I am the lord who dwelt with you

& with her at the same time. We flew along Carpathian hills,

above the Southern Bug. On Bukovinian questions, where homeland

begins, memory ends, I place faith in the question marks. We flew


over monastic woodsmoke, past liturgical calls from monks

drumming the hours, toaca beats extending a heavenly ladder

toward & beyond us. We said prayers with the Orthodox,

the monks who climbed up to us, the Copts, Greeks, Armenians,


Russians, Bulgarians, (Lithuanians, Latvians, & Estonians).

Do you know what I think, Rose? That Romanian mothers

raise their sons to be monks. They teach them from an early age

to make salată de vinete. Using a mini hatchet whittled


out of beechwood, the little monk tats up grilled eggplant

into little lace doilies on a portable semantron board.

He learns how to beat the toaca & a few simple rhythms,

& so he prays unwittingly. So they lean the anti-ladder


up against the wall of the memory chapel. Had I climbed down

yesterday, I could have gone & visited whatever lies buried

beneath the skull’s roof. But maybe it would have been closed.

You know, Kafka’s coachman said—or was the coachman Kafka?—


when he came to a tall wall & needed to stop the carriage.

He said it was a forehead. The coast is only clear in hindsight,

which drives us berserk with worry. So we flew onward

above longing, longing & loss, above the pain, unmirrored pain.


We flew above the memory, the painful reminder, flew straight

as the waterbomber flies, to Năvodari on the Black Sea coast.

To me that sea seems like a reservoir of moments,

moments of Mary Magdalene. The madeleines


to my moments are salted corn kernels & watermelons.

In Transylvania German, watermelons are Wasserpäddem,

lubeniță in Romanian. I always called them lebeniță, as if I,

German-less, were unaware what life meant today. So, salted


corn kernels & watermelons. In that order. B before

C, B after A, salt before sweet after salt. I’d lick

salted corn like wild mountain seeds, then I’d gobble

kernels, & after sucking dry the soft-cooked cob,


even gobbled at said cob. The watermelons had it even worse

with the monk’s inner animal. Those milk teeth would

stop at nothing. Green watermelon rinds, red flesh,

black seeds, an end made of nothingness. But shouldn’t


the moment be viewed from a temporal distance if it is to become

one at all? There are those who invoke Christ’s pre-existence

& perhaps the others, who are myself, should be invoking

Madeleine’s. A kind of interlaced remembering, like hands


folded in prayer & what belongs with what & what to whom & who

to whom, why & when, has no bearing on the issue. No matter

whether I also … the corn in Năvodari … In that very order

then. Salt before sweet after salt. Like an irreparable clogging


of cerebral vessels that erases the sense of chronology.

& so I imagine these are moments of dementia. Dark

& luminous at once. Again, Rose, accept my greetings & have

mercy, I mistook you for, confused you for someone else,


an apparition of migratory waterfowl, & I in the throat pouch

rootless duckweed, as I was meant to bloom elsewhere. Take pity,

for I am the lord who has dwelt with you & with her at once,

erroneously divine adulterer. How did this mix-up come to be?!


I thought of her law of identity, in which your name is named four

times, & you vanish from time to time. She cleared you up

like a misunderstanding & incorporated it into me.

Hail, Rose & Stein, full of grace, blessed are you


among people, blessed be your body & corpus.

Translated from the German by Jake Schneider

Landschaft bei Tannenhof*

german | Alexandru Bulucz

Keiner war in der Lage,
über den eigenen Tellerrand zu schauen,
jeder war der Mittelpunkt seines Hungers.

Mit ihren Sensen glichen die Mähder Schulzirkeln,
ihre Standbeine waren die Nadeln,
mit denen sie sich auf Erden fixierten.
So wurden ihre Standbeine Kreismittelpunkte,
u. die Längen ihrer Sensenbäume,
deren Klingen sich stählern durchs Frühsommergras zirkelten,
die jeweiligen Radien ihrer Kreise.

Sehen Sie?!
Das war eine Anthropozentrik,
die den Namen verdiente,
eine wahre geometrische Anthropozentrik!

Die Sichtverhältnisse des Glücks waren auf ein Minimum reduziert,
die Welt war eine Scheibe,
u. die Blitze u. Donner,
die von außen auf sie einschlugen,
Gotteszeichen,
u. der Aberglaube,
der dabei entstand,
poetisch groß.

Ja, eine Scheibe war die Welt
mit dem Radius einer Blechschüssel o. eines Sensenbaums o. des
                                                                                leinenen Kreises,
den Urgroßmutters schwarzer Rock auf dem Boden bildete,
wenn sie sommers aus heiterem Himmel inmitten des Hofes,
wo sie soeben harten trockenen Mais abgerebelt hatte,
sich hinhockte u. wildpinkelte.
Sehen Sie?!
Sie trug sommers keine Unterwäsche unterm Rock.

Sehen Sie
das unverschämte, vorkopernikanische u. hündisch sein Revier
                                                                    markierende Glück?!

Wir befanden uns in einer Diesigkeit des Glücks sondergleichen,
wir waren ganz dizzy vor Glück.

Wieder so blindwütig glücklich, so glückswütig blind sein!


* Brad (deutsch Tannenhof, ungarisch Brád) ist eine Kleinstadt im Kreis Hunedoara in Siebenbürgen, Rumänien.

© Alexandru Bulucz
from: Unpublished
Audio production: Haus für Poesie, 2022

Landscape Near the Town of Brad

english

No one was capable

of seeing beyond their own plates,

everyone the midpoint of their hunger.


With their blades the scythes resembled school compasses,

their sturdy handles the pins

with which they grounded themselves.

So their handles became the midpoints of circles

& the lengths of their scythe-arms,

whose blades steely twisted through June’s early grass,

became the radii of their respective circles.


Do you see?!

That was anthropocentrism

befitting the name,

real geometrical anthropocentrism!


The visibility conditions of ease were down to a minimum,

the world was a disc,

& the thunder & lightning

that struck it from outside

were signs from God,

& the superstition

that emerged

waxed poetic.


Yes, the world was a disc

with the radius of a tin bowl or a scythe-arm or the linen ring

traced on the floor by my great-grandmother’s black skirt

in summer, when out of the blue,

smack in the middle of the farm

where she had been kernelling hard, dry corn,

she squatted down & tinkled rough.

Do you see?!

In summer she wouldn’t wear underwear under that skirt.


Do you see

the shameless, pre-Copernican, doglike territory-marking ease?!


We found ourselves in a misty ease par excellence,

we were downright dizzy with ease.


Oh to be full of such easy blind fury again, such easy furious blindness!

Translated from the German by Jake Schneider

Kreischqueller Heuweg*

german | Alexandru Bulucz

Kutscher, der Bursche mit Stoppeln im Bart, war ein Rom,
dessen Zweispänner, Peter u. Werner, verschnaufte im Haben,
u. ferner lief ich tief im Soll auf dem holprigen Heuweg
im Traum zum Gehöft, als die Hügel um einen wie Arme
gen Himmel sich reckten, um Beistand von Gott zu erbitten.

Diesseitig diesig das Glück! Paradies eines Hörens
des frühesten Gackerns u. Kikerikis, auf dass Majka
von Kolben in Blecheimer festeste Maiskörner reble
u. schwungvoll von links mit der Rechten dann streue
die Goldzähne Schnäbeln von Zahnlosen hin.

Flugs, ob des heftigen Ausbruchs von Schweiß, zu den Fischen
im Bach u. die Schräge hinan auf den Scheitel zum Leckstein,
vergessen, was Wetzsteine rufen aus Wassern in Kumpfen
an Hüften, die stählern sich zirkeln durchs Frühsommergras:

„Scharf ward durch einen die Axt aus dem eichenen Hackklotz,
dem blutende Wunden sie schlug.“ Es gab Kikeriki
für die tüchtigen Mähder, den fahrenden Rom an dem Abend
u. reichlich Polenta, die glänzte im Teller ganz hold.

* Crișcior (ungarisch Kristyór, deutsch Kreischquell) ist eine Gemeinde im Kreis Hunedoara in Siebenbürgen, Rumänien.

© Alexandru Bulucz
from: Unpublished
Audio production: Haus für Poesie, 2022

Crișcior Straw Road

english

The coachman, the lad with the stubbly beard, was a Rom

whose two draft horses, Peter & Werner, were sniffing their wealth,

while I headed in debt down the bumpy straw road,

in a dream to the grange, as the hills all around raised their arms

to the skies in a plea for the Lord’s urgent aid.


Oh how mortally misty is luck! What an Eden to hear

the first cackles & crowing of cocks, at which Majka

pries off the tough kernels from cobs in the glinting tin pail

before flinging her hand right to left as she scatters

gold teeth for the beaks of the toothless ones.


Swift, after breaking a serious sweat, to the fish

in the brook, down the crest of the slope to the salt lick,

forgetting what whetstones would shout from their watery

pouches on hips that twist steely through June’s early grass:


“Sharpened the blade of the axe from the oak chopping-block,

as it struck at the blood-seeping wounds” & the cocks doodle-dooed

for industrious reapers, the traveling Rom in the evening

& plenty polenta that glistened quite bright in its dish.

Translated from the German by Jake Schneider

Provence, Place du Marché

german | Ron Winkler

die Olivenhändler bestritten, mit Universen zu handeln.

bei den Orangen wiederum lobte man sich dafür.

dabei kaschierten sie bloß eine bittere Jugend.

bemerkenswert die Fischigkeit mancher Stände.

erstaunlich viele Meeresbewohner waren auf einen Mont Blanc gelangt.

ihre Kälte sprach uns französisch an – fälschlicherweise.

nachdem wir die Barrikaden der Fleischer durchbrochen hatten,

erholten wir uns am Rund der Melonen. für ein Trinkgeld

schon gab es Fleurs du Malheur.

© Schöffling & Co.
from: Fragmentierte Gewässer. Gedichte
Berlin: Berlin Verlag, 2007
Audio production: 2005, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Provence, Place du Marché

english

the olivemongers denied haggling over universes.

then the oranges nominated themselves.

with that they merely concealed a bitter youth.

noteworthy the fishiness of some stands.

astonished were many sea-dwellers having reached a Mont Blanc.

their coldness spoke French to us–misleadingly.

after we’d broken through the butcher’s barricades,

we had a rest on the round of the melons.  for a tip’s worth

there were always flowers of misfortune.

Translated by JD Schneider

Fotomahlzeiten

german | Ron Winkler

Silbergeschirr war das Zaumzeug
des Sonntags, aus der Küche kamen
dampfende Speisen, aus Liebe
Servietten, nichts war uns so nah
wie der Tisch, der den Fortbestand
sicherte. geschlossene Hände beteten
unter ihm hungrige Magerunser,
echtes Stallfleisch, pure Brust,
zum Abschluss ging es immer
ans Eingemachte, die privaten Pflaumen
nach vorwiegend volkseigenen Kartoffeln:
kein Satz war so sauber
geschält, auch wenn die Gespräche
glänzten wie der Foto-
Vater in seinen besten Jahren;
nie zu verhindern am Ende
der Magenbitter einer Müdigkeit
wie von Eulen gemietet.

© Schöffling & Co.
from: Fragmentierte Gewässer. Gedichte
Berlin: Berlin Verlag, 2007
Audio production: 2005, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

photograph mealtimes

english

silver plates were the bridle
of Sunday, out of the kitchen came
steaming entrées, out of love
napkins, nothing was as near to us
as the table, which guaranteed
continuance. locked hands prayed
Our Hunger meagerly under it,
real stable meat, pure breast,
at the end it always came down to
preserves, the private plums
after primarily the People’s Own potatoes:
no sentence was peeled so
clean, even if the conversations
shimmered like the photograph–
father in his best years,
who would never in the end prevent
the bitters of an exhaustion
that seemed rented from owls.

Translated by JD Schneider