Jan Wagner 
Translator

on Lyrikline: 81 poems translated

from: slovenian, lithuanian, english, finnish, oriya, bengali, greek, dutch, portuguese, french, scottish gaelic to: german

Original

Translation

Poskus padca

slovenian | Miljana Cunta

Kakor da,
napiši,
ni bilo še
padca. Le poskus
izgubiti
to telo:
v zraku,
med objemom in objemom
nepripadno.
To telo −
začetek neobljudenih poti,
v kljubovanju utehi
vsakega postanka.
Kakor da,
napiši
(in ne izbriši),
svoboda zgolj lebdi,
zgolj v zraku,
nikogaršnja uteha:
daritev nezlaganih
iz objema v objem je
čisto blizu soncu,
a níkdar v njem.
Kako nato odfrči,
odleti in kot da
pade,
kako je vse bolj blizu,
vse bolj tukaj,
vse bolj
zdaj.
Kakor da, napiši,
ni bilo še padca,
zgolj oljni madež
na razburkani gladini,
trdovratni, neutonljivi:
še.

© Mladinska knjiga
from: Svetloba od zunaj
Mladinska knjiga, 2018
Audio production: Haus für Poesie, 2021

Sturzversuch

german

Als ob es,
schreib,
ihn noch nicht gab,
den Sturz. Nur den Versuch,
diesen Leib
fallen zu lassen:
durch die Luft,
zwischen Umarmung und Umarmung
Teil von nichts.
Dieser Leib –
Anfang entlegener Wege,
trotzend dem Trost
einer Rast.
Als ob,
schreib
(und streiche es nicht),
die Freiheit nur schwebt
in der Luft
und niemandes Trost;
Gabe der Wahrhaftigen,
von Umarmung zu Umarmung,
ganz nah an der Sonne,
wenngleich nie in ihr.
Wie sie dann aufstiebt,
fortfliegt, als ob
sie stürzen würde,
als käme sie näher,
wäre nah,
immer mehr
jetzt und da.
Als ob, schreib,
es keinen Sturz gegeben hätte,
als treibe nur Öl
auf den Wassern, den Wogen,
beharrlich, unsinkbar oben:
noch.

Übersetzung von Jan Wagner
erschienen in: JENSEITS DER ZEIT. Acht zeitgenössische deutsche und slowenische Dichter, Beletrina 2020

Pilis I

lithuanian | Laurynas Katkus

mano tėvo galva
mano tėvo galva
                                     sunki ir liūdna – ekrane – –

mano dukters plaukai
mano dukters plaukai
                                     vilnija saulėj – nerealiai – ilgai – –

ant stalo cukrus ir druska
ant stalo kaulas ir pluta
                                     per naktį  – pranykę –  auksai – –

tavo kartų vargai
tavo kartų vargai
                                     molio laukuos – mūro miestuos – taip reikia, sakai –  –

nes už sienų – virš pilies – danguj – –
plaikstosi pergalės vėliavos –  debesų skivytai – –

ir skamba muzika – nelyg klavesino –
taip arti – taip viduj – –  taip aukštai – –

© Laurynas Katkus

Das Schloß I

german

der Kopf meines Vaters
der Kopf meines Vaters
                                  traurig und schwer – auf dem Bildschirm
    
meiner Tochter Haar
meiner Tochter Haar
                                  in der Sonne gewellt – lange her – fast nicht wahr

Zucker und Salz auf dem Tisch
Knochen und Knust auf dem Tisch
                                  Gold – das verschwunden ist – während es dunkel war

Der Generationen Not
Der Generationen Not
                                  in Lehmfeldern – Ziegelstädten – du sagst: immerdar

Über dem Schloß – hinter Wänden –  im Himmel
knattern die Siegesfahnen – die Wolkenschar

und es erklingt Musik – wie ein Cembalo –
so weit oben – so tief – so nah –

Übersetzt von Jan Wagner

Naunyno gatvės litanija

lithuanian | Laurynas Katkus

Ir eina laikas
Ir svyra saikas
Ir plyšta saitas
Ir gimsta vaikas

Ant stiklo garas
Už jūros karas
Dar viena gyvybė
Neįveikiama galybė

Ir eina laikas ir svyra saikas
Ir plyšta saitas ir gimsta vaikas

Praaušus pienas
Kas naktį vienas
Kas buvo nieko
Nepamena sienos

Bet eina laikas bet svyra saikas
Bet plyšta saitas bet gimsta vaikas

Aš spaudžiu vairą
Tu spaudi vaiką
Jis žinda krūtį
Kuri neleis pražūti

Nes eina laikas nes svyra saikas
Nes plyšta saitas nes gimsta vaikas

Lekiu per plieną
Ir dreba sienos
Nematau negirdžiu neuodžiu
Bet lieka žodžiai

Ir eina laikas ir svyra saikas
Ir plyšta saitas ir gimsta vaikas

© Laurynas Katkus

Die Naunynstraßenlitanei

german

Und die Zeit enteilt
Und das Maß entfällt
Und das Band zerspellt
Und das Kind kommt zur Welt

Am Fenster der Dampf
Hinterm Meer der Kampf
ein Leben aufs neue
die Kraft ungeheuer

Und die Zeit enteilt und das Maß entfällt
Und das Band zerspellt und das Kind kommt zur Welt

Am Morgen das Säugen
Die Nächte allein
Nichts was sie bezeugen
Prägt Wänden sich ein

Doch die Zeit enteilt und das Maß entfällt
Und das Band zerspellt und das Kind kommt zur Welt

Das Lenkrad umfassen
Und du fasst das Kind
Die Brust, wo es trinkt,
Wird es nie darben lassen

So enteilt die Zeit und das Maß entfällt
Und das Band zerspellt und das Kind kommt zur Welt

Ich rase durch Eisen dahin
Und Wände beben
Nicht Auge, Ohr, noch Geruchssinn
Doch Worte bleiben

Und die Zeit enteilt und das Maß entfällt
Und das Band zerspellt und das Kind kommt zur Welt

Übersetzt von Jan Wagner

LV

english | Michael Hofmann

The luncheon voucher years
(the bus pass and digitized medical record
always in the inside pocket come later,
along with the constant orientation to the nearest hospital).
The years of “sir” (long past “mate”, much less “dearie”),
of invisibility, of woozy pacifism,
of the pre-emptive smile of the hard-of-hearing,

of stiff joints and the small pains
that will do me in. The ninth complement
of fresh -  stale – cells, the Late Middle Years
(say, 1400 AD – on the geological calendar),
the years of speculatively counting down
from an unknown terminus,

because the whole long stack –
shale, vertebrae, pancakes, platelets, plates –
won´t balance anymore, and doesn´t correspond anyway
to the thing behind the eyes that says “I”
and feels uncertain, green and treble
and wants its kilt as it climbs upt to the lectern to blush
and read “thou didst not abhor the virgin´s womb”.

The years of takin the stairs two at a time
(though not at weekends)
a bizarre debt to Dino Buzzatti´s Tartar Steppe,
the years of a deliberate lightness of tread,
perceived as a nod to Franz Josef
thinking with his knees and rubber-tyred Viennese Fiaker.
The years when the dead are starting to stack up.

The years of incuriosity and novarum rerum
incupidissimus
, the years of cheap acquisition
and irresponsible postponement, or cheap
postponement and irresponsible acquisition,
of listlessness, of miniaturism, of irascibility,
of being soft on myself, of being hard on myself,
and neither knowing nor especially caring which.

The years of re-reading (at arm´s length).
The fiercely objected-to professional years,
the appalling indulgent years, the years of no challenge
and comfort zone and safely within my borders.
The years of no impressions and little memory.
The years of “I would prefer not”
and “leave me in the cabbage”.

The years of standing in elevators
under the elevator lights in the elevator mirror,
feeling and looking like feathered frizz,
an old cheese-topped dish under an infrared hotplate,
before the kindly took out the lights
and took out the mirror, and slipped in screens
for news, weather, and sponsors´ handy messages.

The years of one over the thirst
and another one over the hunger, of insomnia
and sleeping in, of creases and pouches and heaviness
and the barker offering to trim my eyebrows.
the years of the unbeautiful corpse in preparation.
The years to choose: sild, or flamber

© Faber & Faber
from: One Lark, One Horse
London: Faber & Faber, 2018
Audio production: Haus für Poesie, 2019

LV

german

Die Essensmarkenjahre
(Busausweis und digitale Krankenakte,
stets parat in der Innentasche, kommen später,
auch das ständige Einnorden aufs nächstgelegene Krankenhaus).
Die Jahre mit „mein Herr“ (nicht mehr „Digger“, erst recht nicht „Schätzchen“),
mit Unsichtbarkeit, wirrem Pazifismus,
mit dem Präventivlächeln der Schwerhörigen,

mit steifen Gelenken und den Wehwehchen,
die mich umbringen werden. Der neunte Satz
frischer – verbrauchter – Zellen, das Spätmittlere Alter
(so um 1400 n. Chr. – im geologischen Kalender),
die Jahre der sich unberechenbar auswölbenden Mitte,
die Jahre des spekulativen Rückwärtszählens
von einem unbekannten Endpunkt aus,

weil der ganze hohe Stapel –
Schiefer, Wirbelsäule, Teller, Blutplättchen, Plätzchen –
instabil wird, sowieso nicht entspricht
dem Ding dort hinter den Augen, das „ich“ sagt
und sich unsicher fühlt, unreif und piepsig,
seinen Kilt will, als es das Pult erklimmt, errötend
vorliest: „Du hast der Jungfrau Schoß nicht verschmäht“.

Die Jahre, in denen zwei Stufen auf einmal genommen werden
(wenn auch nicht am Wochenende),
mit seltsamen Anleihen bei Dino Buzzattis Tatarenwüste,
die Jahre mit einem betont behutsamen Auftretens,
wahrgenommen als Anspielung auf Franz Joseph,
von wegen seinen Knien, dem gummibereiften Wiener Fiaker.
Die Jahre, wenn die Toten sich aufzutürmen beginnen.

Die Jahre von Neugierlosigkeit und novarum rerum
incupidissimus, die Jahre billigen Erwerbs
und unverantwortlichen Aufschubs, oder billigen
Aufschubs und unverantwortlichen Erwerbs,
von Lustlosigkeit, Miniaturismus, Reizbarkeit,
von Nachsichtigkeit mit mir selbst, Strenge mit mir selbst,
ohne zu wissen oder wirklich wissen zu wollen, was jetzt genau.

Die Jahre widerholter Lektüre  (mit ausgestreckten Armen).
Die erbittert abgelehnten Berufsjahre,
die schrecklichen Duldsamkeitsjahre, die Jahre ohne Herausforderung
und Komfortzone, geborgen innerhalb meiner Grenzen.
Die Jahre ohne Eindrücke und mit wenig Erinnernswertem.
Die Jahre von „Ich möchte lieber nicht“
und „laßt mich hier zurück in diesem Salat“.

Die Jahre des Stehens in Aufzügen
unter Aufzuglicht, in Aufzugspiegeln,
wo ich aussah wie eine ledrige Krause,
ein aufgewärmter Käseauflauf unter Infrarot,
bevor man so gütig war, die Lampen zu entfernen
und den Spiegel abzumontieren, Bildschirme einbaute
für Nachrichten, Wetter, dienliche Sponsorenbotschaften.

Die Jahre mit einem übern Durst
und noch einem übern Hunger, mit Schlaflosigkeit
und Längerliegenbleiben, mit Falten, Tränensäcken, Gewichtszunahme
und dem Friseur, der mir rät, die Augenbrauen zu stutzen.
Die Jahre des unschönen Kadavers in Vorbereitung.
Die Jahre der Entscheidung: silt, oder flamber
...?


(Übersetzung: Jan Wagner)


- - - alternativ - - -


LV


Die Jahre der Essensgutscheine
(Monatskarte und digitalisierte Krankenakte
stets in der Innentasche, das kommt später,
wie die ständige Orientierung am nächstgelegenen Krankenhaus).
Die Jahre des »Herr« (»Kollege« lange vorbei, »Schatz« sowieso),
der Unsichtbarkeit, des duseligen Pazifismus,
des vorauseilenden Lächelns eines Schwerhörigen,

der festen Joints und der Wehwehchen,
die mich ausknipsen. Der neunte Satz
frischer – abgestandener – Zellen, die Späten Mittleren Jahre
(ungefähr 1.400 unserer Zeit – nach dem geologischen Kalender),
die Jahre der sich unberechenbar ausbreitenden Mitte,
die Jahre des spekulativen Runterzählens
von einem unbekannten Ende her,

weil der ganze Riesenstapel –
Schiefertafeln, Wirbelsäulen, Pfannkuchen, Blutplättchen, Teller –
aus dem Gleichgewicht gerät und ohnehin nicht
mit diesem Ding hinter den Augen korrespondiert, das »ich« sagt
und sich unsicher vorkommt und unreif und mit hoher Stimm’,
und das seinen Kilt will, da es das Rednerpult erklimmt, um zu erröten
und zu rezitieren »der Jungfrau Leib nicht hast verschmäht«.

Die Jahre des Zwei-Treppenstufen-auf-einmal
(wenn auch nicht am Wochenende),
einer krausen Verpflichtung gegenüber Dino Buzzatis Tartarenwüste,
die Jahre eines betont leichten Schritts,
wie um sich vor Franz Josef zu verneigen,
mit den Knien denkend und gummibereiften Fiakern in Wien.
Die Jahre, in denen die Toten anfangen, sich zu stapeln.

Die Jahre der Neugierlosigkeit und der Unversessenheit
auf novarum rerum, die Jahre der leichtfertigen Anschaffung
und des schwerwiegenden Aufschubs, oder des leichtfertigen
Aufschubs und der schwerwiegenden Anschaffung,
der Teilnahmslosigkeit, der Verzwergung, der Reizbarkeit,
der Weichheit mir selbst gegenüber, der Härte mir selbst gegenüber,
ohne zu wissen oder mich sonderlich darum zu scheren, was nun genau.

Die Jahre der Relektüre (auf Armeslänge).
Die Jahre des grimmigen Mißtrauens gegenüber Professionalität,
die erschreckend duldsamen Jahre, die herausforderungslosen Jahre
und Kuscheligkeit und Sicherheit innerhalb meines Reviers.
Die Jahre ohne Eindrücke und mit kaum einer Erinnerung.
Die Jahre des »Ich möchte lieber nicht«
und »Laß mich im Quark«.

Die Jahre des Im-Aufzug-Stehens
unter den Aufzuglampen im Aufzugspiegel,
und man fühlt sich und sieht aus wie ledrig gewordener Krissel,
ein mit altem Käse überbackenes Gericht in der Mikrowelle,
bis sie so höflich waren, die Lampen zu entfernen
und den Spiegel zu entfernen, die sie durch Bildschirme ersetzten
mit Nachrichten, der Wettervorhersage und griffigen Werbebotschaften.

Die Jahre des Einen-über-den-Durst
und Noch-einen-über-den-Hunger, der Schlaflosigkeit
und des Einschlafens, der Falten und Tränensäcke und Schwere,
und der Friseur schlägt vor, mir die Brauen zu stutzen.
Die Jahre dieser unhübschen Leiche im Werden.
Die Jahre der Wahl: Matjes oder Flambé
...?


(übertragen von Marcel Beyer)

Ins Deutsche gebracht sowohl von Jan Wagner als auch von Marcel Beyer.

Idyll

english | Michael Hofmann

The windows will reflect harder, blacker, than before,
and fresh cracks will appear in the yellow brick.

There is no milkman or paper boy, but presumably
the lurid pizza flyers and brassy offers of loans

will continue to drop thorugh the letterbox.
The utilities will be turned off one by one,

as the standing orders keel over or lose their address,
though there was never that much cooking or bathing or

phoning went on here anyway – the fridge will stop its buzz,
the boiler its spontaneous combusting – till there is nothing.

but a mustiness of gas. The dust will coil and thicken
ultimately to hawsers around pipes and wires;

ever more elaborate spiders´ webs will sheet off the corners;
rust stains and mildew and rot will spread chromatically

below the holes in the roof, radiate from the radiators;
eventually mosses and small grasses and even admirable

wild flowers, hell, an elder or buddleia, push their heads
through the chinks between the boards; a useless volume of books –

who could ever read that many – will keep the moths entertained,
genertions of industrious woodlice and silverfish

will leave their corpses on the clarty work surfaces,
and a pigeon or two will hook its feet over the tarnished sink

and brood vacantly over its queenly pink toes.

© Faber & Faber
from: One Lark, One Horse
London: Faber & Faber, 2018
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Idyll

german

Die Fenster werden kontrastreicher, schwärzer reflektieren als früher,
und im gelben Ziegel werden sich neue Risse zeigen.

Hier kommt kein Milchmann, kein Zeitungsjunge, doch
die knalligen Pizzaflyer und dreisten Kreditangebote

werden wohl weiterhin durch den Briefschlitz fallen.
Schritt für Schritt wird die Grundversorgung gekappt,

da Daueraufträge schlappmachen oder ihren Empfänger verlieren,
obwohl hier ohnehin nie sonderlich viel gekocht oder gebadet oder

telefoniert wurde – der Kühlschrank hört auf zu brummen,
der Boiler wirft seine Flamme nicht mehr an – bis nichts mehr

übrig bleibt als das Gemüffel nach Gas. Der Staub wird sich verdicken,
verstricken und irgendwann Rohre und Kabel umwickeln;

unendlich viele feingebaute Spinnennetze werden die Ecke verhängen;
Rost und Mehltau und Fäule werden sich in chromatischer Folge

unter den Löchern im Dach verteilen, Strahlenkränze um Heizkörper bilden,
irgendwann werden Moose und Kleingräser und selbst wunderbare

Wildblumen, Spinnenlilien, Holler oder Schmetterlingsflieder ihre Köpfe
durch die Dielenritzen schieben; eine nutzlose Menge Bücher –

wer könnte das alles jemals lesen – wird den Motten zur Zerstreuung dienen,
Generationen emsiger Asseln und Silberfischchen

werden ihre Leichen auf den siffigen Arbeitsflächen zurücklassen,
und ein, zwei Tauben werden sich die stumpfe Spüle unter den Nagel reißen

und dumpf über ihren königlich-pinken Krallen brüten.


(übertragen von Marcel Beyer)


- - - alternativ - - -


Idylle

Die Fenster wird härter, schwärzer spiegeln als vorher,
frische Risse auftauchen in den gelben Ziegeln.

Weder Milchmann noch Zeitungsjunge, doch vermutlich
werden quietschbunte Pizzazettel, dreiste Kreditangebote

auch weiterhin durch den Briefschlitz fallen.
Die Hausanschlüsse, nach und nach abgestellt,

wenn die Daueraufträge kollabieren, Sinn und Zweck verlieren,
obwohl hier sowieso nie viel gekocht oder gebadet oder

telefoniert wurde – der Kühlschrank wird sein Summen einstellen,
der Heizkessel sein jähes Auflodern – bis nichts mehr da ist

als Muffigkeit von Gas. Der Staub wird sich winden, schließlich
zu Trossen verdicken um Rohre und Kabel;

immer kunstvollere Spinnweben werden die Ecken beschirmen,
Rost und Schimmel und Fäulnis chromatisch sich ausbreiten

unter den Löchern im Dach, aus den Heizungen züngeln;
zuletzt werden Moose und Gräslein, selbst staunenswerte

Wildblumen, ach was: Holunder oder Sommerflieder ihre Kronen
durch die Dielenritzen drücken; ein Haufen nutzloser Bücher –

wer könnte all das je lesen – werden Motten bei Laune halten,
Generationen emsiger Asseln und Silberfische

ihre Kadaver auf den peeksigen Arbeitsflächen hinterlassen,
ein, zwei Tauben sich festkrallen an der angelaufenen Spüle

und überm Königinnenrosa ihrer Zehen ins Leere sinnen.


(Übersetzung: Jan Wagner)

Ins Deutsche gebracht sowohl von Jan Wagner als auch von Marcel Beyer

Ebenböckstraße

english | Michael Hofmann

For my mother

A plaster – piece of sticking plaster – on the wall
Where the doorknob of the cold-water bathroom door
  might hit.
Has shit. A bruise in the other kind of plaster, a dent.
Mend and make do. Guest bathroom, if you will.

It never gets any better; just an embarrassing display
  of solicitude.
A naked concern with wear, like mylar or antimacassar.
The basin still to small for one hand to wash the other.
A crust of soap. No one´s died, at least not recently.

One playpen in the living room, penal, receiving.
Obsolescent photographs of grandchildren.
Small sticky fingerprints. An actual cobweb in my
  cobwebby hair.
Knick-knacks no one understands trembling for their
  lives.

© Faber & Faber
from: One Lark, One Horse
London: Faber & Faber, 2018
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Ebenböckstraße

german

für meine Mutter

Ein Pflaster – ein Streifen Heftpflaster – an der Wand,
Wo der Knauf der Kaltwasserbadezimmertür aufschlagen könnte.
Aufschlug. Die Prellung im anderen Pflaster, dem aus Kacheln, die Delle.
Aus alt mach neu. Das Gästebad, so sieht’s aus.

Es wird nie besser; bloß dies beschämende Zurschaustellen
     von Fürsorglichkeit.
Die unverhüllte Angst vor Verschleiß, sprich: Zierleisten, Sofaschoner.
Das Becken noch immer so klein, daß eine Hand nicht die andere
     waschen kann.
Eine Seifenkruste. Niemand ist gestorben, jedenfalls nicht in der letzten
     Zeit.

Ein Laufstall im Wohnzimmer, knastartig, aufnahmebereit.
Veraltete Fotografien von Enkelkindern.
Kleine klebrige Fingerabdrücke. Eine wahrhaftige Spinnwebe in meinen
     spinnwebrigen Haaren.
Nippes, die keiner begreift, die um ihr Leben zittern.


(Übersetzung: Jan Wagner)


- - - alternativ - - -


Ebenböckstraße

für meine Mutter

Ein Pflaster – ein Heftpflaster – an der Stelle,
wo die Klotürklinke die Wand treffen könnte.
Getroffen hat. Im Putz eine Druckstelle. Eine Delle.
Selbst ist der Mann. Gästetoilette sozusagen.

Besser wird es nicht mehr; alles zeugt von genierlicher,
blanker Sorge um Abnutzung, hier Sofaschoner und Tesamoll.
Das Lavabo noch immer zu klein, als daß eine Hand die andere waschen könnte.
Ein Seifenfilm. Niemand ist gestorben, jedenfalls nicht in letzter Zeit.

Ein Laufstall in der Stube, Stubenarrest, offen für alles.
Nicht ganz taufrische Bilder von den Enkelkindern.
Kleine, klebrige Fingerabdrücke. Echte Spinnweben in meinem Spinnwebhaar.
Undurchdringliche Hinstellerchen, die um ihr Leben zittern.


(übertragen von Marcel Beyer)

Ins Deutsche gebracht sowohl von Jan Wagner als auch von Marcel Beyer

[Kun kahviautomaatti valuttaa...]

finnish | Olli Heikkonen

Kun kahviautomaatti valuttaa
moottoriöljyä kuppiin, ja päivä on muutenkin saranoiltaan,
nousevat miehet mopojen selkään.

Ulan Bator, he laulavat,
sillä nyt on tekojen vuoro ja suussa rikin maku.
Ulan Bator, jos viisisakarainen tähti on nouseva merkki, kivi keskellä toria,
kaupungin kivi, kansamme kivi, minun kivi.
Ulan Bator, he laulavat.

© Olli Heikkonen
from: Jakutian aurinko
Helsinki: TAMMI, 2000
ISBN: 951-31-1785-5
Audio production: 2001, M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

[Wenn die Kaffeemaschine Motoröl...]

german

Wenn die Kaffeemaschine Motoröl
in die Tasse rinnen läßt und der Tag auch sonst aus den Fugen ist,
schwingen die Männer sich auf die Mopeds.

Ulan Bator, singen sie,
denn die Zeit zu handeln ist da, im Mund ein Geschmack von Schwefel.
Ulan Bator, wenn der Stern mit fünf Zacken ein steigendes Zeichen, ein Stein in der Mitte des Platzes ist,
der Stein der Stadt, der Stein unsres Volkes, mein Stein.
Ulan Bator, singen sie.

Nachdichtung von Jan Wagner
© Jan Wagner

[Kun Laika, avaruuteen unohdettu, haukahtaa, yksi kerrallaan...]

finnish | Olli Heikkonen

Kun Laika, avaruuteen unohdettu, haukahtaa, yksi kerrallaan
syttyvät hökkeleiden valot. Kello voisi olla jo seitsemän,
taivaalta pudota rautaa, mutta yhä fysiikan laki,
kiveen ja kotiloon kirjoitettu,
pyörittää tätä sinistä kylää.
Ja niin syttyy lampukka,
niin lämpenee öljyinen sydän
ja unien varjot tanssivat seinällä.
Jossakin yksinäinen koira tähyilee maata.
Varjelen tätä planeettaa, se voisi haukahtaa,
mutta radioasemat, tiedäthän, kaikki viestit,
jotka täyttävät taivaan, satelliittien kohina ja kolina.

© Olli Heikkonen
from: Jakutian aurinko
Helsinki: TAMMI, 2000
ISBN: 951-31-1785-5
Audio production: 2001, M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

[Wenn Laika, vergessen im Weltall, bellt, gehen nach und nach...]

german

Wenn Laika, vergessen im Weltall, bellt, gehen nach und nach
die Lichter in den Katen an. Es könnte schon sieben Uhr sein,
vom Himmel Eisen fallen, doch das Gesetz der Physik,
dem Stein und der Schnecke eingeschrieben,
läßt dieses blaue Dorf sich noch immer drehen.
Und so flammt das Lämpchen auf,
so erwärmt sich sein ölgetränktes Herz,
und die Schatten der Träume tanzen an der Wand.
Irgendwo späht ein einsamer Hund zur Erde.
Ich wache über diesen Planeten, könnte er bellen,
aber die Radiosender, du weißt schon, all die Nachrichten,
die den Himmel füllen, das Rauschen und Rattern der Satelliten.

Nachdichtung von Jan Wagner
© Jan Wagner

[Hymykuoppia voi löytyä yllättävistä paikoista]

finnish | Timo Lappalainen

Hymykuoppia voi löytyä yllättävistä paikoista, esimerkiksi
selästä. Kun painaa niihin sormensa, voi tuntea täysikasvuisen
naiskissan hymyilevän. Ilo on niin odottamatonta että sitä
kannattaa odottaa. Puhu hiljaa rakkaudesta, mieluummin älä
ollenkaan. Kun sinä olit mennyt, nukuin hiustesi päällä. Olin
elävä todiste kuolemanjälkeisestä elämästä. Tule ja suutele
minua kaulaan. Pure minua kaulaan.

© beim Autoren
from: Poetic Licence
Helsinki: LIKI, 2001
Audio production: 2001, M. Mechner, literaturWerkstatt berlin

[Grübchen kann man an den erstaunlichsten Stellen finden]

german

Grübchen kann man an den erstaunlichsten Stellen finden, zum Beispiel auf dem Rücken.
Wenn man seinen Finger auf sie legt, kann man jene Frau, die einer Katze gleicht, lächeln
spüren. Das Glück kommt so unerwartet, daß es sich lohnt, darauf zu warten. Sprich leise über
die Liebe, am besten überhaupt nicht. Als du gegangen warst, schlief ich auf deinen Haaren.
Ich war der lebende Beweis für das Leben nach dem Tod. Komm und küsse meinen Hals.
Beiß mich in den Hals.

Übertragen von Jan Wagner
Copyright beim Übersetzer

ଅଛବ ଇଲାକାକୁ

oriya | Basudev Sunani

ଘଞ୍ଚ ତେନ୍ତୁଳି ପତ୍ର ପରି 
ଅନ୍ଧାରୀ ଜଙ୍ଗଲରେ 
ଠିଆ ହୋଇଥାଏ 
ଏକ ମୁକୁଳା ଜହ୍ନ ରାତି,

ରାତିକୁ ନେସି ହୋଇ 
କୁତୁକୁତାଉ ଥାଏ 
ହୋ... ହୋ... ବିଲୁଆର ଡାକ,

ଚେତାଶୂନ୍ୟ ମୋ ପୁଅ ଶୋଇ ପଡ଼ିବା ପରେ 
ଜହ୍ନ ହୋଇ ଆକାଶରେ ଗଡୁଥାଏ 
ତା’ହାତର ଖେଳନା ବାଟି । 

ଏଇ ବେଳାରେ 
ଝରଣାକୁ ବାଟ ପଚାରି ପଚାରି 
ପହଂଚି ଯାଆନ୍ତି ପାଦ୍ରୀ ବୁଢ଼ା,
ଠକ୍ ଠକ୍ କରନ୍ତି ଘରର ବାଉଁଶ ତାଟି । 

ଅ... ଆ...ର ବର୍ଣ୍ଣବୋଧ 
ଲେପି ଦିଅନ୍ତି ଆଖିରେ ତ’
ଜଙ୍ଗଲର ଅନ୍ଧାର 
ଫର୍ଚ୍ଚା ଦେଖାଯାଏ,

ପାଦରେ ଶୁଂଘେଇ ଦିଅନ୍ତି 
ସ୍ୱାସ୍ଥ୍ୟ ଚେତନାର ମହନି ତ’
ମୁଁ ଠିଆ ହୋଇ 
ଠୁମ୍ ଠୁମ୍ ପାଦ ବଢ଼ାଏ,

ଗୁଣୁ ଗୁଣୁ ଈଶ୍ୱର ପ୍ରେମ 
କାନରେ ଶୁଭେ, 
ପାଦ୍ରୀ ବୁଢ଼ାକୁ ଭଲ ପାଏ । 

ପାଦ୍ରୀବୁଢ଼ାକୁ ଭଲ ପାଏଁ ବୋଲି 
ସିଏ ଯେଉଁ ଆଖିରେ ଦେଖେ 
ମୁଁ ସେଇ ଆଖିରେ 
ଦୃଶ୍ୟଟିଏ ହୋଇ ଉଭାହୁଏଁ,

ସିଏ ଯେଉଁ ହୃଦୟ ନେଇ ବଂଚେ 
ମୁଁ ସେଇ ହୃଦୟର 
ପ୍ରତିରୂପ ପାଲଟି ଯାଏ 

ସିଏ ଯେଉଁ ଗୀତ ରବିବାରରେ ଗାଏ 
ମୁଁ ସେଇ ଗୀତର ପାଳିଆ ଧରେ 

ପାଦ୍ରୀବୁଢ଼ାକୁ ଭଲ ପାଏ । 

ଆଛା! 
ତମେ ଯେଉଁମାନେ ଯୁଗ ଯୁଗ ହେଲା 
ବନବାସୀ କହି ଫିଙ୍ଗି ଦେଇଥିଲ 
ଜଙ୍ଗଲର ବାଘ ମୁହଁକୁ,
ଜାତିଆଣ ସଂସ୍କୃତିରେ ମୋତେ 
ଗାଁ ମୁଣ୍ଡର ଅଛବା ଇଲାକାକୁ,

ହେ! 
ସଂସ୍କାରବାଦୀମାନେ 
ଏଯାଏଁ ତମେ ଥିଲ କୁଆଡେ?

ଆଖିରେ ଦୃଶ୍ୟ,
କାନରେ ଶ୍ରାବ୍ୟ 
ଏବଂ ଜିଭରେ ଶବ୍ଦ 
ପାଦ୍ରୀ ବୁଢ଼ା ଖଂଜି ସାରିଲା ଉତ୍ତାରେ 
ମୋ ପାଇଁ ଆଣିଛ 
ସୁସଜ୍ଜିତ ଗେରୁଆ ରଥ,
ଯାହା ଭିତରେ 
କୁହୁଁରି ଉଠୁଛି ପଞ୍ଚଜନ୍ୟ,

କହୁଛ,
ଡାକ ପାରୁଛ 
ମୋତେ ଫେରେଇ ନେବ,

ମନ୍ତ୍ରୋଚ୍ଚାରଣ କରି ମୁଣ୍ଡନ କରିବ,
ଗଙ୍ଗାଜଳ ସିଂଚି ପବିତ୍ର କରିବ,
ମୋତେ ମୁକ୍ତି ଦେବ,
ସ୍ୱଧର୍ମ ପ୍ରତ୍ୟାବର୍ତ୍ତନର ମଉଜ ମନେଇବ 

ଅଥଚ ଏୟା ବି ଚେତାଉଛ ଯେ,
ସିଧେ ସାଦେ ତମ କଥାକୁ 
ଶିରୋଧାର୍ଯ୍ୟ ନ କଲେ 
ଚକ୍ର ପେଶିବ,

ବନ୍ଧୁ ଜାଣି ରଖ 

ମୋର ଏମିତି ବି କିଛି ଆପତ୍ତି ନଥିଲା ପୂର୍ବେ 
କି ଏବେ ବି ନାଇଁ 

ଖାଲି ଏତିକି ବୁଝେଇ ଦିଅ ଯେ,
ସ୍ୱଧର୍ମକୁ ଗଲା ପରେ 
ବ୍ରାହ୍ମଣ, କ୍ଷତ୍ରୀୟ, ବୈଶ୍ୟ ଓ ପାଣ ଭିତରୁ 
ମୁଁ କେଉଁଠି ସ୍ଥାନ ପାଇବି?

© Basudev Sumani
Audio production: Goethe Institut, 2016

In die Ecke für Unberührbare

german

Wie Tamarindenblätter
steht
im dunklen Wald
die nackte Vollmondnacht.

Das Heulen der Schakale
des Nachts, ein Kitzeln an der Haut,

und als mein Sohn in tiefem Schlaf versinkt,
steigt seine Murmel als Mond in den Himmel.

In diesem Augenblick,
und indem er den Bach nach der Richtung fragt,
trifft der christliche Pater ein
und klopft an den Bambuszaun meiner Hütte.

Er streicht mit Buchstaben über die Augen,
schon dämmert es im Wald,

seine Fußwäsche und sein Heilgesang lehren
mich laufen, und ich mache einen Schritt nach vorn.
Ich lausche dem Summen der Gottesliebe
und schließe den alten Pater in mein Herz.

Weil ich den alten Pater liebe,
sehe ich alles mit seinen Augen
und werde zur Gestalt, die er in mir erblickt.

Ich wandle mich zum Bild in seinem Herzen.

Singe im Chor seine Sonntagsmesse.

Ich liebe den alten Pater.

 

Und doch!
Ihr Leute, die ihr seit Anbeginn
mich Waldmensch schimpft, dem Tiger vorwarft zum Fraß,
mich in die Ecke für Unberührbare
des Dorfes verbanntet, den Kasten zuliebe.

Ihr Herrschaften, ihr Reformisten,
wo stecktet ihr die ganze Zeit?

Vor Augen habe ich sein Weltbild,
in meinem Ohr seine Zukunftsmusik,
mit meiner Zunge haben sich die Klänge
des Paters vor langer Zeit schon verbunden,

und erst danach
brachtet ihr mir
den prächtig geschmückten Götterwagen,
von dem die Trompete tönt,

und ihr sprecht zu mir, fordert mich auf,
zurückzukehren in eure Gemeinschaft,

wollt meinen Kopf aalglatt rasieren
mit heiligen Versen,
mit heiligem Gangeswasser
mich reinigen, befreien,

ein Fest aus Anlaß meiner Heimkehr feiern,

und dennoch droht ihr mir mit dem Tod,
falls ich mich sträube!

Liebe Freunde, nehmt zur Kenntnis,

ich habe mich nie beklagt
und klage
auch heute nicht,

nur sagt mir klar und deutlich:

Wohin führt mich
eine solche Heimkehr?

Wo fände ich mich wieder?
Unter den Priestern, Kriegern, Dienern oder
den Unberührbaren?

Ins Deutsche übertragen von Jan Wagner
Poets Translating Poets - VERSschmuggel mit Südasien, organisiert vom Goethe Institut in Zusammenarbeit mit der Literaturwerkstatt Berlin, 2016

ଶରୀର ଶୁଦ୍ଧି

oriya | Basudev Sunani

ଗୋଟିଏ ଥର 
ସିର୍ଫ ଗୋଟିଏ ଥର ହାଡ଼ଟିଏ ଖଂଜି ନିଅ 
ତମ ଜିଭରେ ଏବଂ 
ମାଟିକୁ ଜାବୁଡ଼ି କୁହ,

କେଉଁ ଗଙ୍ଗାରେ ଧୋଇବି 
ମୋର ଗୁହ ସରସର ଦେହ 
କେତେ ଭରଣ ତୁଳସୀ ପତ୍ର ଲୋଡ଼ା 
ଶରୀର ଶୁଦ୍ଧି ପାଇଁ ତ’
କେତେ ମହଣ ଚନ୍ଦନ ପ୍ରଲେପରେ 
ମହକି ଉଠିବ କାୟ 

ତମ ଗାଣ୍ଡିଧୂଆ ପାଣିରେ ଭାସୁଥିବା ନେଣ୍ଡିଗୁହକୁ 
ଯେବେ ବାଲ୍ଟିରେ ବୋଝେଇ 
ଟାଙ୍କିରୁ ବାହାର କରେ ତ’
ମୁଁ କେମିତି ଦେଖାଯାଏ?

ବାଉଁଶ ଲାଠିରେ ଗେଂଜି ଗେଂଜି 
ସ୍ୱେରେଜ୍ ସଫା କଲାବେଳେ 
ତମ ପାଇଖାନାରୁ ସଦ୍ୟ ଖଲଖଲ, ବୋହି ଆସୁଥିବା 
ପାଣିରେ ଆକ୍ତାମାକ୍ତା ପହଁରୁଥାଏ ତ’
ମୁଁ କେମିତି ଦେଖାଯାଏ?

ନାକ ଫଟେଇ ଦେଉଥିବା 
ପୋକ ସରସର ଦୁର୍ଗନ୍ଧ କୁକୁରକୁ 
ପିଲା କାଖେଇଲା ପରି 
ଦି’ହାତରେ ଉଠେଇ 
ତମ ଗାଡି ଚଲା ପିଚୁ ରାସ୍ତାକୁ ସଫା କରୁଥାଏ ତ 
ମୁଁ କେମିତି ଦେଖାଯାଏ?

ଗୋଟିଏ ଥର 
ସିର୍ଫ ଗୋଟିଏ ଥର 
ଆଖିର ପିତୁଳାକୁ ମନେଇ 
ସୂର୍ଯ୍ୟକୁ ନିରେଖି, ଦେଖି ନିଅ ମୋତେ 
ଜଣା ପଡିବ 
ତମ ମଜ୍ଜାରେ ବଳ ଅଛି କେତେ?

ମୁଁ ଯେଉଁଠି ଠିଆ ହୁଏ 
ତ’ ଦୁର୍ଗନ୍ଧରେ ଭରିଯାଏ ପରିବେଶ 
ଛିଃ... ଛିଃ....ରେ ଟେକି ଉଠେ ନାକ 
ଥୁଃ... ଥୁଃ...ରେ ପାଟି 
ନାହିଁ... ନାହିଁ...ରେ ଆଖି 

ମୋତେ ଦିନଟିଏ ଜର ହେଲେ 
ତମ ଦାଣ୍ଡ ରହିଯାଏ ଅସନା 
ଚୋକ୍ ହୋଇଯାଏ ପାଇଖାନା 
ରୋଗୀଙ୍କ ଧର୍ମଘଟରେ 
ଥରହର ଡାକ୍ତରଖାନା । 

ଗୋଟିଏ ଥର,
ସିର୍ଫ ଗୋଟିଏ ଥର 
ତମ ମଗଜକୁ ପଚାରି ବୁଝେଇ ଦିଅ 
ସ୍ମୃତି, ପୁରାଣ, ମେଧା, ଶିକ୍ଷା 
ବୋଇଲେ କ’ଣ?

ଯେଉଁ ହାତରେ ସଫା କରେ ଗୁହ 
ସେଇ ହାତରେ ଖାଏ ଭାତ 
ଗୁହ ଆଉ ଭାତ ଭିତରେ ଥିବା ପାର୍ଥକ୍ୟ 
ମୋତେ ଜଣା 
ହେଲେ ସ୍ମୃତି, ପୁରାଣ, ମେଧା, ଶିକ୍ଷା କହିଲେ 
ମୁଁ ବାଟବଣା 

ମୁଁ ଦେଖିଛି 
ସବୁ ଦେଖିଛି 

ଦେଖିଛି ତମ ଅନ୍ତପୁଟାରୁ ନିଗିଡ଼ିଥିବା 
ପୁଞ୍ଜା ପୁଞ୍ଜା ଦଶିପୋକ,
ତମ ତଣ୍ଟିରୁ ବାହାରିଥିବା 
ଟେଳା ଟେଳା ଖଂକାର 
ତମ ମଲା ଶେଯରେ ଲଟ୍କି ଥିବ 
ଧାର ଧାର ରୁଥିବର,

ମୋତେ ଛିଃ... ଛିଃ.... 
ଥୁଃ... ଥୁଃ... କଲେ ବି 
ମୋର ନଥିବା ଅବସ୍ଥାରେ 
ତମ ମାନସିକ ବେଭାର 

ଗୋଟିଏ ଥର କହିଦିଅ 
ସିର୍ଫ ଗୋଟିଏ ଥର 
ତମ ଜିଭରେ ହାଡ଼ ଖଂଜି 
କହିଦିଅ,

ଗଂଗା, ତୁଳସୀ, ଚନ୍ଦନ,
ଏ ସମସ୍ତ ଦ୍ରବ୍ୟ ମଧ୍ୟରୁ 
କୋଉଥିରୁ କେତେ କେତେ ଦରକାର 
ଶୁଦ୍ଧି କରିବାକୁ 
ମୋର ଗୁହ ସରସର ଶରୀର 
ମାତ୍ର ଥରୁଟିଏ ଶୁଦ୍ଧି କରିବାକୁ 
ମୋର ଗୁହ ସରସର ଶରୀର । 

© Basudev Sumani
Audio production: Goethe Institut, 2016

Körperreinigung

german

Einmal noch, wenn ihr könnt,
stärkt eure Zunge mit einem Knochen,
steht mit beiden Beinen auf der Erde
und fragt euch:
Welcher Ganges reinigt
meinen kotbeschmierten Körper?
Wieviele Schichten
von Tulsiblättern
können mich heiligen?
Wieviele Tonnen Sandelholz
lassen meinen Leib duften?

Wie sehe ich aus
beim Reinigen eurer Klärgrube,
wenn ich eimerweise
darin treibende Scheiße
aus dem Wasser hole, das ihr
zum Putzen eurer Hintern benutzt habt?

Wie sehe ich aus
wenn ich atemlos schwimme
in dem Wasser, das direkt
aus euren Aborten strömt,
um die Rohre tief unten durchzuspülen?

Wie sehe ich aus, wenn ich
den verwesenden, von Maden wimmelnden Hund
auflese, um die Straße zu säubern,
auf daß euer Auto
sanft dahingleiten möge?
Einmal,
nur ein einziges Mal
laßt eure Pupillen
sich zur Sonne hinwenden
und auf mir ruhen;
erst dann ermeßt ihr
welche Kraft
in euch ist.

Wo ich bin
stinkt es grauenhaft.
Ihr rümpft die Nase,
habt ein Würgen in der Kehle,
verdreht die Augen.

Doch wenn ich einen Tag lang krank bin,
werden eure Straßen nicht gekehrt.
Die Toiletten verstopfen.
In den Krankenhäusern
beginnen die Leute zu randalieren.

Bittet eure grauen Zellen
nur einmal darum zu erklären,
was Überlieferung, Mythologie,
Intelligenz und Erziehung bedeuten.
Ich bin jener, der mit Scheiße hantiert
und seinen Reis
mit denselben Fingern ißt;
ich bin jener,
der den Unterschied kennt
zwischen Scheiße und Reis.
Hingegen weiß ich nicht
was Überlieferung, Mythologie,
Intelligenz und Erziehung sind.
Ich habe alles gesehen –
Würmer, die aus eurem Darm entfernt wurden,
Rotze und Sabber
aus euren Mündern,
geronnenes Blut
auf euren Sterbebetten.

Ihr könnt mich verspotten und verhöhnen,
aber wenn ich einmal nicht da bin,
dann werdet ihr, soviel ist klar,
einen Nervenzusammenbruch erleiden.

Stärkt eure Zunge mit einem Knochen
und sagt mir nur einmal –
wieviel Ganges, Tulsi
und Sandelholz wären nötig
zu reinigen, zu heiligen
meinen kotbeschmierten Körper.

Ins Deutsche übertragen von Jan Wagner
Poets Translating Poets - VERSschmuggel mit Südasien, organisiert vom Goethe Institut in Zusammenarbeit mit der Literaturwerkstatt Berlin, 2016

মারাঠি কবিকে, বাস থেকে

bengali | Sumanta Mukhopadhyay

এই যে দেখছেন গ্রাম 
পশ্চিমবাংলার সব জলে ধোওয়া 
পরিপাটি গ্রাম 

এরা সব কাট আউট 

পিচবোর্ড থার্মকল ব্যানার বা ফ্লেক্স 
সব কলকাতা চলে যাবে 
পুজো আর ভোটের সময় 

রেললাইন হাইওয়ে বরাবর 
এরা সব ঠেকনা দিয়ে রাখা 

ওয়ান শটার টাঙি কালাশনিকভ দিয়ে 
এখন বর্ষায় 

দাঁড় করিয়ে রেখেছে ছবিটা 

© Sumanta Mukhopadhyay
Audio production: Goethe Institut, 2016

Zu Einem, der auf Marathi dichtet, im Bus / An den Dichter aus einem anderen Bundesland, vom Bus aus

german

Zu Einem, der auf Marathi dichtet, im Bus 

Da hinten sehen Sie Dörfer
all die vom Regen gewaschenen
gepflegten Dörfer Westbengalens

doch sind es nichts als Fotostellwände

Pappe, Polystyrol, Banner, PVC
das alles wird nach Kalkutta gekarrt
wenn Pudschas stattfinden Wahlen

am Rand der Schienen und Autobahnen
hat man das Ganze mit Stützen versehen

mit Vorderlader Axt Kalaschnikow
jetzt zur Zeit des Monsuns

damit das Bild auch kerzengerade steht

Übersetzung: Jan Wagner 

An den Dichter aus einem anderen Bundesland, vom Bus aus

Schau, die Dörfer da drüben
wie das Wasser sie rein gewaschen hat 
all diese schmucken Dörfer Westbengalens

sie sind alle nur ein Ausschnitt 

als Pappe, Banner, Styropor und Tafeln
gelangt er nach Kalkutta
sobald man dort wählen oder Puja feiern will

säumt er die Gleise und die Autobahnen 
braucht nur etwas das ihn stützt

eine Taschenpistole Streitaxt Kalaschnikow
jetzt im Monsun

kann das Bild aufrecht halten

Übersetzung: Anja Utler 

Übersetzung: Anja Utler und Jan Wagner
Poets Translating Poets - VERSschmuggel mit Südasien, organisiert vom Goethe Institut in Zusammenarbeit mit der Literaturwerkstatt Berlin, 2016

କେଦାର ମିଶ୍ର

oriya | Kedar Mishra

ମୁରଲୀ ମେହେର ବଇଁଶୀ ବଜାଇବାର ମୁଁ ଦେଖିଛି
ତେଲନଦୀ - ମହାନଦୀର ସଙ୍ଗମ ସ୍ଥଳରେ ।

ଧୂଳିମିଶା ପବନରେ ଭାସି ଆସୁଥାଏ
ପାଗଳା ବଂଶୀର ଗହ ଗହ ସୁର
ଦୂର ଦୂର ଯାଏ ଧଳାମେଘ
ନାଚିଲା ପରି ଲାଗନ୍ତି
ଲାଗେ, ନଦୀର ସ୍ରୋତ ବି
କାନ ଡେରି ଶୁଣୁଛି ବଂଶୀର ଗୀତ । ।

ମୁରଲୀ ମେହେର ବଂଶୀ ବଜାଏ
ଶୀତରେ ଫାଟିଯାଇଥିବା ଓଠରେ ।

ପଲାଶବଣରେ ଶୋଇପଡିଥିବା ଅନ୍ଧାର
ପାଉଁଜି ପିନ୍ଧି ଓହ୍ଲାଇ ଆସେ
ନଈବାଲିକୁ
ପବନରେ ସଞ୍ଚରି ଯାଏ
ଗୀତ ଆଉ ନାଚର ରୋମାଞ୍ଚ । ।

ସତ୍ୟ, ମୂରଲୀ ମେହେରର ପାଗଳା ବଂଶୀଗୀତ
ମାୟା, ନଈବାଲିରେ ତାମସୀ ବାଳିକାର ନାଚ
ସତ୍ୟ, ଯୁଗଳବନ୍ଦୀରେ ଗଢା ହୋଇଥିବା
ଏଇ ଜଗତ
ମାୟା, ଏକା ଏକା ମରିଯାଇଥିବା
ବଂଶୀ ଆଉ ପାଉଁଜିର ଗପ । ।

ମୂରଲୀ ମେହେର ଉଠିଆସେ
ତପସ୍ୟାରୁ,ଗୀତର ତନ୍ମୟତାରୁ
ଗୋଟେ କଳାରଙ୍ଗର କୁକୁର
ଖାଇଯାଉଥାଏ ମୂରଲୀ ମେହେର
ମାଗି ଅ ।ଣିଥିବା ଭାତ
ବଇଁଶୀ ଉଠାଏ ମୂରଲୀ ମେହେର
ଶଳା, ହାରାମ୍ଜାଦା କହି ବଇଁଶୀରେ
ବାଡ଼େଇ·ଲେ କଳା କୁକୁରକୁ । ।

ବଂଶୀମାଡ଼ରେ ଭୋ ଭୋ
ଗୋଟେ କଳାକୁକୁରର କାନ୍ଦ
ଫଟା ବଇଁଶୀରେ ନୀରବ
ମୂରଲୀ ମେହେରର ବିଷାଦ । ।

ଅପେକ୍ଷା କରନ୍ତୁ ବନ୍ଧୁଗଣ!

ପୁଣିଥରେ ମୂରଲୀ ମେହେର ଫେରିବ ବଇଁଶୀ ପାଖକୁ
ତାକୁ ନେଇ ମୁଁ ଇତିହାସରେ
ଲେଖିବି
କବିତାର ଶେଷତମ ପଦ ।

ଯେଉଁଠି କବିତା ଗୋଟେ
କଳା କୁକୁରର ଭୋ ଭୋ
ଏବଂ ଫଟା ବଈଁଶୀର ବିଷାଦ ।

© Kedar Mishra
Audio production: Goethe Institut, 2016

Dir, Flöte, gebe ich mich hin

german

Den Flöten-Murali sah ich Flöte spielen
am Zusammenfluß von Telnadi und Mahanadi.

Herrliche Töne schwebten durch die Staubluft.
Die Wolken tanzten bis zum Horizont.
Und die Strömung, so schien es, lauschte der Flötenmusik.

Murali spielt Flöte
mit vor Kälte gesprungenen Lippen.

Das Dunkel schläft im roten Palasawald,
steigt mit Schellen am Fuß hinab zum sandigen Ufer.
Die Luft mit dem Duft der Romanze von Lied und Tanz.

Es ist wahr,
die verrückte Melodie von Murali ist Einbildung, nichts als
der Tanz des Mädchens Nacht im Ufersand.

Es ist wahr,
eine Welt, erschaffen aus jenem Duett, ist eine Schimäre,
es gibt nur die Geschichte der sterbenden Flöte und jene der Schellen.

Murali erwacht aus Askese und Meditation, dem Einssein mit der Musik,
denn ein schwarzer Hund frißt seinen Reis aus der Bettlerschale.
Murali nimmt die Flöte, erschlägt das Dreckstück von einem Hund.

Das Jammergebell des Hundes zittert vom Flötenhieb,
in der gebrochenen Flöte schweigt die Trauer Muralis.

Wartet, Freunde!

Noch einmal kehrt Flöten-Murali zur Flöte zurück.
Die letzte Zeile auf ihn füge ich der Geschichte an.

Wo ein Gedicht beides enthält, das Kläffen des schwarzen Hundes
und Trauer um eine Flöte, die zerbrach.

Ins Deutsche übertragen von Jan Wagner
Poets Translating Poets - VERSschmuggel mit Südasien, organisiert vom Goethe Institut in Zusammenarbeit mit der Literaturwerkstatt Berlin, 2016

ଗପ

oriya | Kedar Mishra

ଗୋଟେ ଗପ କହିବି 
ଯୋଉ ଗପରେ ତମ ଓ ମୋ ଛଡ଼ା 
ଆଉ କିଛି ନାହିଁ 

ସେ ଗପରେ ମୁଁ ଅଛି 
ଓ ତମେ ଅ ।ସି ଫେରିଯାଇଥିବାର 
ସାମାନ୍ୟ ସଂକେତ ଅଛି 
ସେ ଗପର ପୃଷ୍ଠଭୂମିରେ 
ମୋର କପାଳ ଦିଶୁଛି 
ଉତ୍ତାପ ମରିନଥିବା ପାଉଁଶ ପରି 
ଆଉ ତମର ଅନୁପସ୍ଥିତି 
ସତେ ଅବା ସଦ୍ୟ କଟାଯାଇଥିବା 
ବଗଗଛର ଉଦାସୀ ଶୂନ୍ୟତା । 

କାହାକୁ ଗପ କହୁଛି, ବସି ବସି ଭାବୁଛି 
ଧମନୀରେ ବୋହୁଥିବା ରକ୍ତ 
ଗୋଟେ ଲୋହିତ ନଦୀର ଶତଧାରା 
ତମେ ଫେରି ଆସୁଛ ସମୁଦ୍ରରୁ ଉଜାଣି ସୁଅ 
ତମେ ଆଖି ଚକ୍ ଚକ୍ ରୁପାର ଇଲିସି 
ମୋତେ କହୁଛି - କୁହ, ଆମର ଗପ କୁହ । । 

ଗପର ଆରମ୍ଭରେ  ଅନ୍ଧାର ଯେ ଅନ୍ଧାର 
ଗପର ବଖରା ସାରା ଲୁହା କଣ୍ଟା, କାଚ ଗୁଣ୍ଡ 
ଛାପା ଛାପା ରକ୍ତଚିତ୍ର, ମଲା ପାରା ଓ ମୟୂରଙ୍କ ପର 
ଗପ ଭିତରେ ଗହନ ବନ, ବାଟବଣା ଲହ 
ମାଡ଼ିଥିବା ଭାଗ୍ୟ 
ଗପ ଭିତରେ ଘନଘୋର କଳିତକରାଳ । । 

ମୁଁ ଗପ କହୁଛି ଅବା ପାଲଟି ଯାଉଛି ଗପ 
ତମେ ଗପ ଶୁଣୁଛ ଅବା ଗପ ଭିତରେ 
ପାଲଟି ଯାଉଛ ଅଂଧାର ଓ ପାପ 
ଏବେ ଲାଗୁଛି ଅ ।ମର ମିଳିତ ପାପୁଲିରେ 
ସାରାଟା ପୃଥିବୀ ଗୋଟେ କାଗଜ ଗ୍ଲୋବ୍ର ଗପ । । 

© Kedar Mishra
Audio production: Goethe Institut, 2016

Geschichte

german

Ich werde eine Geschichte erzählen
In der es nur dich gibt, und mich, 
und sonst nichts.
In der Geschichte bin ich, 
und es gibt nur einen winzigen Hinweis darauf,
dass du zurück gekommen sein könntest 
und wieder gegangen.
Im Hintergrund der Geschichte 
liegt meine Stirn, aus Asche, ja, 
sie glüht aber noch.
Und wo du warst, ist es jetzt so wehmütig und leer, 
als habe man gerade einen Baum gefällt.

Aber wem erzähle ich das, denke ich, 
während ich auf dem Boden sitze.
Der Fluss ist rot und hat in meinen Adern hundert Arme.
Du kehrst vom Meer zurück, als Gegenströmung.
Deine Augen glitzern wie die Hilsa-Fischlein, sagen
Komm, erzähl mal unsere Geschichte.

Am Anfang der Geschichte stolpert Dunkel über Dunkelheit
In jedem Zimmer liegen Eisendornen ausgestreut, 
Glasscherben, Blutspuren wie Gemälde, tote Tauben, Pfauenfedern.
Ein dichter Wald steckt in der Geschichte, 
ein Schicksal unentwirrbar wie Lianen.
Im Inneren der Geschichte wird gestritten und gekämpft.

Erzähle ich eine Geschichte oder werde ich selber zu einer?
Hörst du eine Geschichte oder wirst du selber 
zur Dunkelheit, zur Sünde der Geschichte?
Jetzt scheint es mir so zu sein:
Unsere Handflächen berühren sich und zwischen ihnen ist die ganze Erde
die Geschichte eines Globus aus Papier.

Ins Deutsche übertragen von Jan Wagner
Poets Translating Poets - VERSschmuggel mit Südasien, organisiert vom Goethe Institut in Zusammenarbeit mit der Literaturwerkstatt Berlin, 2016

মহাভারত

bengali | Sumanta Mukhopadhyay

আকাশে টর্চের আলো ফেলে ফেলে 
যে বস্তুটি চলে গেল 
সে কি কোনও তালকানা মানুষ 
ঈশ্বরের ছোটভাই 
সাইকেলে দাদার খোঁজে বেরিয়েছে 
হাইওয়ের দিকে 
পেছনে ছলছল করছে 
বুড়ি একটা তারা 
তার সঙ্গে একটু কথা হলে 
হয়তো জানা যেত 
এই দৃশ্যের নির্মমতা কোথায় 
লুকনো আছে 
শুরুতে মাঝখানে নাকি 
এর কোনও আদি অন্ত নেই 

© Sumanta Mukhopadhyay
Audio production: Goethe Institut, 2016

Mahabharata

german

was als Taschenlampe in den Himmel strahlt
und dann verschwindet
ist das ein Mann der den Weg nicht findet
der jüngere Bruder des Gottes
der mit dem Fahrrad auf der Suche
nach dem Älteren ist
Richtung Autobahn
tränenschimmernd dahinter
eine betagte Sternenkugel
käme man mit ihr ins Gespräch
ließe sich dann in Erfahrung bringen
wo sich die Grausamkeit dieser Szene
verbirgt
am Anfang vielleicht in der Mitte oder
gibt es weder Anfang noch Ende 

Übersetzung: Jan Wagner
Poets Translating Poets - VERSschmuggel mit Südasien, organisiert vom Goethe Institut in Zusammenarbeit mit der Literaturwerkstatt Berlin, 2016

বাপবেটার গল্প-২

bengali | Sumanta Mukhopadhyay

যে দূরত্ব দেখা যায় সেটুকু গাটুস 
হেঁটে যাওয়া ভালো 
সমুদ্রের মুখোমুখি 
খেতখামার পার হয়ে ওই যে টিলা টা 
লাল হয়ে আছে 

সে সবের মুখোমুখি 
চল না দাঁড়াই গিয়ে 

তারপর যা হবার হবে 

ভোরবেলা বাসন ধোওয়ার শব্দ 
ময়লা ফেলার বাঁশি 
পুরানা কাগজ ভাঙা টিনা কাপড়া ডাক 
এরকম মেঘের ভেতর 
কে বলেছে এগুলোকে গান বলা যাবেনা কখনো 
তোর কাজ শুধুই শোনা 
তুই শুনে যা 

গল্প নয়, পার্টিশন গল্প নয় মাসি 
এটা একটা ইতিহাস 
হিস্ট্রি শুনছি- কাল রাতে 
একঘণ্টা ধরে খেতে খেতে 
কথাটা বলছিলি তুই 
ঠিকই বলছিলি 
পৃথিবীটা ধাক্কা খেয়ে শেষ হয়ে যাবে 
ধাক্কা খেতে খেতে 
দুহাজার বারো তেরো 
টুকরো টুকরো পৃথিবীটা 
এত জল এত ঢেউ আমার প্রচণ্ড ভয় করে 
কে বাঁচাবে 
নাসার বিজ্ঞানী গুলো 
ওরা ঠিক আগে থেকে রাস্তা শুঁকে 
বলে দেবে- পৃথিবী থামিয়ে দেবে 
আমি কিন্তু একদম ফালতু কথা 
বলছিলাম তোকে 

এই ছবিটা কার 
এই মেয়েটার বাবা কাল মাঝরাতে 
উড়ে গেছে 
দেখ তবু পরীক্ষায় বসেছে ও 
বসে লিখছে 
লিখতে লিখতে বসে পড়ছে 
এর ছবি কাগজে কী ভাবে দিল 
জানিনা রে 
অনেকটা জানলে কী হয় বলতো 
তোর আর কথা বলা 
বন্ধ হয়ে যাবে 

তোর কোনদিন আর 

কথা বলতে ইচ্ছেই হবে না 

© Sumanta Mukhopadhyay
Audio production: Goethe Institut, 2016

Ein Gespräch zwischen Vater und Sohn

german

diese Strecke vor uns Gatus
legen wir besser zu Fuß zurück
am Meer entlang
an Feldern Gehöften vorbei jenem Hügel
der sich schon rötlich einfärbt

laß uns vor diesem Panorama
kurz verweilen komm

denn was geschehen soll wird geschehen

das Klappern des Geschirrs frühmorgens
die Pfeife des Müllmanns
die Rufe nach Altpapier Lumpen Metall
wer würde in dieser Bewölkung
nicht zugestehen daß dies Lieder sind
deine Aufgabe ist es zuzuhören
so höre weiter zu

die Teilung eines Landes ist nicht eine Geschichte Amme
es ist die Geschichte
ich lausche der Historie – gestern Abend
als du Stunden mit dem Essen zubrachtest
sagtest du dies
sagtest es völlig zu Recht
die Erde wird durch einen Einschlag enden
durch Einschläge vielleicht schon
zweitausendzwölf oder –dreizehn
bricht sie auseinander
so viel Wasser und Wellen das macht mir Angst
wer soll uns retten
die Wissenschaftler der NASA
werden schon den richtigen Weg erschnuppern
ihn uns weisen die Erde bewahren
ich selber war es der dir
einen solchen Unfug erzählte

wer ist das hier auf dem Foto
der Vater dieses Mädchens flog gestern Nacht
in die Luft in den Himmel
und trotzdem hat sie schau die Prüfung gemacht
klappt was sie schrieb zusammen
klappt beim Schreiben zusammen
wie kann dieses Bild in die Zeitung kommen
ach ich weiß es auch nicht

weißt du was geschieht wenn du vieles weißt
du wirst zu reden
aufhören

du wirst niemals mehr

zu reden wünschen

Übersetzung: Jan Wagner
Poets Translating Poets - VERSschmuggel mit Südasien, organisiert vom Goethe Institut in Zusammenarbeit mit der Literaturwerkstatt Berlin, 2016

ধর্ম

bengali | Sumanta Mukhopadhyay

সাদা বরফ চুড়োর সামনে 
দাঁড়িয়ে একদিন আমি কেঁদে ফেলেছিলাম তখন 
আমার পেছনে একটা নীরব কুকুর এসে 
নিশ্চিত দাঁড়িয়েছিলো একা 
কালের চক্রের মত পাহাড়ি ঈগল 
নিঃশব্দে উড়তে উড়তে 
প্রশ্ন করেছিলো 
এই শুরুর আগে কী আছে 
শেষের পরে কী 
আমি মহাভারতের কোনো চরিত্র ছিলাম না 
তবু নিজেকে হঠাৎ খুব 
সত্যি বলে মনে হয়েছিলো 

© Sumanta Mukhopadhyay
Audio production: Goethe Institut, 2016

Dharma

german

da stehen Gipfel weiß vom Schnee 
auf einmal und da stand ich auch, ich weinte
mit mir war ein Hund, hinter meinem Rücken blieb er
wie ich meine ganz bei sich, allein
und ohne Ton flog über uns
ein Adler wie das Rad der Zeit er flog
und fragte
was denn vor dem Anfang war
und was wird nach dem Ende
und ich war gar kein Charakter aus dem Mahabharata
und trotzdem gab es mich auf einmal
ganz in Echt 

Übersetzung: Anja Utler 

Dharma

Vor dem Gipfel aus weißem Schnee
stand ich eines Tages weinte
als stumm ein Hund mir hinterherlief
und alles sich fügte still war nur
der Bergadler wie das Rad der Zeit
zog lautlos seine Kreise
und warf die Frage auf
was vor dem Anfang war
was nach dem Ende kommt
ich war keine Figur aus dem Mahabharata
doch alles gewann mit einem Mal
an Wirklichkeit 

Übersetzung: Jan Wagner 

Übersetzung: Anja Utler und Jan Wagner
Poets Translating Poets - VERSschmuggel mit Südasien, organisiert vom Goethe Institut in Zusammenarbeit mit der Literaturwerkstatt Berlin, 2016

ভ্রূণত্যাগের পর

bengali | Yashodhara Ray Chaudhuri

একটি জরায়ু আটবার গর্ভধারণ করেছিল 
আটবারই সফল সন্তানদান। 
একটি জরায়ু, মাত্র একবার। 
প্রথম জরায়ু ( ১৯০১-১৯৯৯), দিদিমার। 
দ্বিতীয় জরায়ু ( ১৯৬৫- ), নাতনির। 
এখন, প্রতি মাসের দশম ও একাদশ দিনে 
দ্বিতীয় জরায়ুটি তার অজাত সন্তানদের জন্য 
কান্না রক্তপাত করছে। 
এখন, প্রতিটি বাঞ্ছিত ও অবাঞ্ছিত 
গর্ভপাতের পর 
দ্বিতীয় জরায়ুটি 
হীনম্মন্য 
ক্লান্ত 
অ্যানিমিক। 

© Yashodhara Ray Choudhuri
Audio production: Goethe Institut, 2015

NACH DER UNTERBRECHUNG / NACH DEM ABBRUCH

german

Nach der Unterbrechung

Achtmal wurde eine Gebärmutter geschwängert
achtmal mit Erfolg brachte sie ein Kind zur Welt.
Und eine Gebärmutter nur einmal.
Die erste Gebärmutter (1901-1999) war die der Großmutter.
Die zweite Gebärmutter (1965-) war die der Enkelin.
Und nun vergießt diese zweite Gebärmutter
um den zehnten, elften eines jeden Monats herum 
Tränen und Blut um ihre ungeborenen Kinder.
Und nun ist diese zweite Gebärmutter
nach jeder gewollten und ungewollten
Unterbrechung
kümmerlich
müde
blutleer

Translation: Anja Utler 

--- alternative Übersetzung ---

Nach dem Abbruch

Eine Gebärmutter war achtmal schwanger,
um alle acht Mal Leben zu schenken,
eine Gebärmutter war es nur einmal.
Die erste Gebärmutter (1901-1999) war die der Großmutter.
Die zweite Gebärmutter (1965-    ) die der Enkelin.
An jedem zehnten oder elften Tag jeden Monats
beweint nun die zweite Gebärmutter die ungeborenen Kinder
mit ihrem Blut.
Nun, nach jedem gewollten oder ungewollten
Abbruch,
ist die zweite Gebärmutter
minderwertig
müde
anämisch.

Translation: Jan Wagner 

Übertragung ins Deutsche von Jan Wagner bzw. Anja Utler
Poets Translating Poets - VERSschmuggel mit Südasien, organisiert vom Goethe Institut in Zusammenarbeit mit der Literaturwerkstatt Berlin, 2015

কাচের গোলক

bengali | Yashodhara Ray Chaudhuri

একা ঘরে রমণীর হাত যায় সুখ অন্বেষণে। 
কাচের গোলক ছিল টেবিলে : সে তুলে নিতে নিতে
অনুভব করে ভারী, গোল ও মসৃণ
কোনোকিছু কত ভাল। তৃপ্তিদায়ক।
তার বড্ড একা লাগে। তার বড্ড খিদে পেতে থাকে। 
মশলার কৌটোর মত পিনের কৌটোর মত লম্বা, নধর
আগে চেষ্টা করেছে এসব : কিন্তু কতক্ষণ? কতক্ষণ
লেগে থাকা যায়
আকৃতির মধ্যে? সত্য, চূড়ান্ততা – আকৃতিতে নেই। 
তাহলে তো আসল জিনিসে চলে যেত।
চলে না আসলে। তাই সারাদিন একা একা ঘরে
হাত খুঁজে চলে পরিতৃপ্তিকর বিকল্প জিনিস। 
এতদিনে পাওয়া গেল কাচের গোলক। ফুটি ফুটি
ছেটানো রঙের দাগ অভ্যন্তরে। অভ্যন্তর, আহা – কত ভাল।
ভারী, গোল, মসৃণ, নিটোল – কত ভাল। 
চূড়ান্ত সুখের জন্য রমণী আবার চেষ্টা করে। 

© Yashodhara Ray Choudhuri
Audio production: Goethe Institut, 2015

Kugel aus Glas

german

Die Hände einer Frau, allein im Zimmer, suchen nach Wonne.
Eine Kugel liegt auf dem Tisch; sie spürt beim Anfassen:
etwas Schweres, Rundes und Glattes
kann so gut sein. So Befriedigend.
Sie fühlt sich einsam. Ein Hunger überkommt sie.
Schlankes, Wohlgestaltes wie Mintdosen, Pfeffermühlen –
damit hat sie Erfahrung. Aber wie lange? Wie lange
kann man sich an die Form
halten? Wahrhaftiges, Gültiges – findet man nicht in der Form.
Sonst wäre das Ding an sich ja genug gewesen.
Das bringt’s aber nicht. So suchen den ganzen Tag lang die Hände,
allein im Zimmer, nach der befriedigenden Alternative.
Und finden schließlich die Kugel aus Glas, im Innern
mit farbigen Punkten gesprenkelt. Das Innere, oh – wie herrlich.
Schwer, rund, glatt, vollkommen – wie gut.
Die Frau müht sich weiter um höchste Wonne.
 

Übertragung ins Deutsche von Jan wagner
Poets Translating Poets - VERSschmuggel mit Südasien, organisiert vom Goethe Institut in Zusammenarbeit mit der Literaturwerkstatt Berlin, 2015

[Φωνὲς στὴν παιδικὴ χαρά ]

greek | Dionýsis Kapsális

Φωνὲς στὴν παιδικὴ χαρά –
ἦταν ὁ κόσμος μιὰ φορά,

κι ἤμουν ἐγώ, παιδὶ μικρὸ
κι ἀνόητο, ἕναν καιρό,

ὅπως σὲ μέρα γιορτινή,
ἀθόρυβη, παντοτινή,

κι ἕνα καράβι μὲ καπνὸ
ἀνέβαινε στὸν οὐρανό.

Τώρα, ὑπήκοος τῆς γῆς,
ἀκούω λόγια προσταγῆς,

ἡ μέρα τέλειωσε, βραδιάζει
γέμισε ἴσκιους τὸ περβάζι,

σκοτάδι σφίγγει τὴν καρδιά:
Ἐλᾶτε σπίτι σας, παιδιά.

© Agra Publications & Dionýsis Kapsális
from: Apo leptotati odyni
Agra Publications,
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2009

[Wie es vom Spielplatz drüben gellt]

german

Wie es vom Spielplatz drüben gellt
und schreit – es war einmal die Welt

und auch ich selbst, ein Kind, ganz schmal
und klein und dumm, ich war einmal

und wie an einem Feiertag,
als Stille über allem lag,

sah man ein Schiff mit seinen Säulen
von Rauch hinauf gen Himmel eilen

Heute als Erdenuntertan
höre ich Weisungen mit an

während der Tag zuendegeht,
ein Schatten auf den Simsen steht

und Dunkelheit das Herz bedrückt:
Nach Hause, Kinder, kehrt zurück.

Deutsche Fassung von Birgit Hildebrand / Jan Wagner

Orakel van een gevonden schoen

dutch | Mustafa Stitou

Maak afwezig de hysterische metropool,
stadsmens spoel je onderbuik
met bronwater schoon, wees toegeeflijk weet
betekenisloosheid heb ik nodig.

Stop met bemeesteren bepotel
het inwendige orgel, pers uit je brein
een gezicht tevoorschijn dat je nooit hebt gezien,
je bent een dromende foetus gebleven.

Ga liggen in het gras,
sta op, hak uit een rotswand kinderhand
of kathedraal.

Antwoord de paarden als ze vragen  
zul je werkelijk je geliefde verliezen
als je jezelf hervindt? 

Stadsmens ga liggen in het gras,
vind stil de god die zich in je verborgen houdt,
vang en ontkleed hem tot op zijn lege kern,
keer naar huis terug, richt een
maaltijd aan voor niemand in het bijzonder.

Of blijf kalm, blijf liggen,
wacht zonder te verwachten
totdat vergaat jouw naam
en de herinnering eraan.  

© Mustafa Stitou
from: Tempel
Amsterdam/Antwerpen: De Bezige Bij, 2013
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2015

Orakel eines gefundenen Schuhs

german

Laß abwesend sein die hysterische Metropole,
Stadtmensch, spüle die Galle
mit Quellwasser aus, übe Nachsicht, wisse,
es ist Bedeutungslosigkeit, was ich brauche.

Hör auf zu tadeln, spiele
die innere Orgel, presse aus deinem Hirn
ein Gesicht hervor, das du noch nie sahst,
du bist ein träumender Fötus geblieben.

Geh, leg dich ins Gras,
steh auf, schlag aus der Felswand Kinderhand
oder Kathedrale heraus.

Antworte den Pferden, wenn sie fragen:
wirst du wirklich deine große Liebe verlieren,
wenn du dich selbst zu finden versuchst?

Stadtmensch, geh, leg dich ins Gras,
finde im Stillen den Gott, der sich in dir verbirgt,
fange, schäle ihn bis zum leeren Kern,
kehre zurück nach Hause, bereite
ein Mahl für niemand Besonderen zu.

Oder bleib ruhig, bleib liegen,
warte ohne jede Erwartung,
bis dein Name verraucht,
die Erinnerung auch.

Deutsche Fassung von Jan Wagner.
Die Übersetzung ist ein Ergebnis des Übersetzungsworkshops VERSschmuggel im Rahmen des poesiefestival berlin 2015.

[Vrijen in een zomereik]

dutch | Mustafa Stitou

*
Vrijen in een zomereik,
een paar maal een paar seconden,
wegwervelen alweer terwijl zij zich uitschudt,
haar veren schikt.

Stammen bewandelen, omhoog,
omlaag, ondersteboven
aan twijgjes hangen,
in knoppen pikken,

op takken hippen. Rondscharrelen
in kruinen, onder struiken,
in een modderpoel.
Metselt mijn lief?

Ik breng haar donkere aarde.
Broedt zij? Ik voer haar
de tussen de bladeren
weggepikte rupsen.

O nimmer ten prooi aan aporieën,
fobieën, slopende almachts-
en onmachtsfantasieën, bedwelmende,
verslavende, verstikkende

eenzaamheid, het ontembare
dat mijn kaakbot wegvreet,
escapisme. Maar merels bevechten!
Een mees uitschelden!

Regen drinken, zingen
met een bek vol mieren,
een bek vol mieren. 
Niet minder duister

en lichtend dan die van jou,
holenbroeder, is de bron
waaraan ik ben ontsprongen!
Wat is dat voor hartverscheurend

zacht kabaal? In de nestkast
leren mijn jongen vliegen.
O een gezinsleven van
een week of zes dan hup

de kinderen verbannen.
(En vreemd gedrag vertonen soms,
uit het niets mijn uitwerpselen
uitsmeren over een dode tak.)

© Mustafa Stitou
from: Tempel
Amsterdam/Antwerpen: De Bezige Bij, 2013
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2015

[Sich lieben in einer Sommereiche]

german

Sich lieben in einer Sommereiche,
ein paar Mal ein paar Sekunden lang,
dann wieder aufflattern, während sie sich schüttelt
und ihr Gefieder richtet.

An Stämmen wandern, hinauf,
hinab, kopfüber
an Zweiglein hängen,
an Knospen picken,

auf Ästen wippen. In Kronen
zu scharren, unter Büschen,
in einer Pfütze von Schlamm.
Mörtelt meine Liebste?

Dann trage ich dunkle Erde herbei.
Brütet sie? Ich füttere sie
mit zwischen den Blättern
erlegten Raupen.

Oh niemals Beute sein von Aporien,
Phobien, verzehrenden Allmachts-
und Ohnmachtsphantasien, von betäubender,
unterjochender, erstickender

Einsamkeit, vom Unbezähmbaren,
das meinen Kieferknochen wegfrißt,
von Eskapismus. Doch mit Amseln zu kämpfen!
Auf Meisen zu schimpfen!

Regen trinken, singen
mit einem Schnabel voll Ameisen,
einem Schnabel voll Ameisen.
Nicht weniger dunkel

und leuchtend als deiner,
Höhlenbruder, ist der Quell,
dem ich entsprang!
Was ist dies für ein herzzerreißend

zarter Aufruhr? Im Nistkasten
erlernen meine Jungen das Fliegen.
Oh, ein Familienleben von nicht mehr
als sechs Wochen, und dann, zack,

schmeißt man die Kinder hinaus.
(Sich manchmal merkwürdig verhalten,
urplötzlich den eigenen Kot verschmieren
auf einem toten Ast.)

Deutsche Fassung von Jan Wagner.
Die Übersetzung ist ein Ergebnis des Übersetzungsworkshops VERSschmuggel im Rahmen des poesiefestival berlin 2015.

[In no time loop je vanuit het hotel]

dutch | Mustafa Stitou

*
In no time loop je vanuit het hotel
het strand op voor een frisse duik.

Er is internet, een restaurant met internationale
keuken, er is een fitnessruimte, een sauna,

een spacentrum met massagemogelijkheden.
Kamers hebben airconditioning, tv, telefoon,

een minibar, ligbad, een kingsize bed.
Er worden diverse uitstapjes georganiseerd.

In de nabije omgeving kun je tijdens begrafenissen
kinderen zien, vastgebonden aan palen:

zo wordt voorkomen dat de kinderziel het kind verlaat,
haar intrek neemt in het lijk dat voorbij gedragen wordt.

Er is een strandbar: Club Amour.
Er zijn diverse watersportmogelijkheden.

De luchthaven is op ca. twee uur rijden,
er is een prima shuttle-service.

© Mustafa Stitou
from: Tempel
Amsterdam/Antwerpen: De Bezige Bij, 2013
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2015

[Man braucht kaum eine Minute vom Hotel]

german

Man braucht kaum eine Minute vom Hotel
zum Strand, kann sich ins kühle Wasser stürzen.

Es gibt Internet, ein Restaurant mit internationaler
Küche sowie einen Fitnessraum, eine Sauna,

einen Spa-Bereich mit Massagemöglichkeiten.
Die Zimmer haben Klimaanlage, Fernseher, Telefon,

eine Minibar, Badewanne und Kingsize-Betten.
Eine Reihe von Ausflügen werden angeboten.

Man sieht bei Bestattungen in der Umgebung
Kinder, die an Pfählen festgebunden sind:

So wird verhindert, daß die Seele des Kinds das Kind verläßt,
hinüberspringt auf den Leichnam, den man vorbeiträgt.

Es gibt eine Strandbar: Club Amour.
Es gibt eine Reihe von Wassersportmöglichkeiten.

Vom Flughafen fährt man etwa zwei Stunden,
es gibt einen klasse Shuttle-Service.

Deutsche Fassung von Jan Wagner.
Die Übersetzung ist ein Ergebnis des Übersetzungsworkshops VERSschmuggel im Rahmen des poesiefestival berlin 2015.

Lente

dutch | Mustafa Stitou

O plompe jongedame met quasi-
dromerige ogen en pronte uier,
toen u in de ban van de zon zojuist
de vreemdste sprongen maakte,

zo ontroerend door het dolle heen,
vertrapte u per ongeluk een
tureluurtje – snavel aan gruzelementen,  
ingewanden op verenkleed,

het vogeltje heeft ’t niet overleefd.
Maar ’t u wel, in een split second,
vergeven, het is dat u ’t weet.
Zoals u mij vergeeft, dame,     

dat ik op u neerstrijk nu
om een klein kwartiertje van
uw bloed te drinken. Of zoals ikzelf vergeef
de schuw flirtende boerendochter

die net naar me uithaalde ineens
terwijl ik aan het zonnen was, half
meeluisterend vanaf mijn lievelingspaal
naar de hakkelende boerenzoon

die haar probeerde te vragen samen
langs het water een wandeling te maken
maar steeds onherroepelijker in zijn
schaamte steken bleef.

© Mustafa Stitou
from: Tempel
Amsterdam/Antwerpen: De Bezige Bij, 2013
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2015

Lenz

german

Oh plumpes Fräulein mit den gleichsam
verträumten Augen, dem prächtigen Euter -
als Sie, verzückt von der Sonne, soeben
die drolligsten Sprünge vollführten,

auf so rührende Art von Sinnen,
da zertrampelten Sie versehentlich eine
Schnepfe - der Schnabel in tausend Teilen,
Eingeweide auf Federkleid,

das Vöglein hat’s nicht überlebt,
hat’s Ihnen jedoch im Fitzelchen einer Sekunde
verziehen, nur damit Sie’s wissen.
Wie Sie auch mir verzeihen, Gnädigste,

daß ich mich niederlasse auf Ihnen,
um für die Dauer eines Viertelstündchens
Ihr Blut zu trinken. Und wie ich verzeihe
der schamhaft flirtenden Bauerstochter,

die plötzlich nach mir schlug,
als ich mich sonnte und mit halbem Ohr
von meinem Lieblingspfosten aus
dem stammelnden Bauernjungen lauschte,

der sie zu fragen versuchte, ob sie
mit ihm am Wasser spazierengehen wolle,
sich dabei immer rettungsloser
in seiner Schüchternheit verhedderte.

Deutsche Fassung von Jan Wagner.
Die Übersetzung ist ein Ergebnis des Übersetzungsworkshops VERSschmuggel im Rahmen des poesiefestival berlin 2015.

[Houd mijn hand vast]

dutch | Mustafa Stitou

*
Houd mijn hand vast.
Ik mis een pink. Ik ging,

kind was ik, een dag
uit moorden. Een kleine

eeuw geleden. Een zomerdag.
Zonder reden

herinner ik mij. Hommels.
Mussen. En toen

een zwaan. Aan de rand
van de vijver zag ik

de duivel staan. Grienend
sloeg hij mij gade.

© Mustafa Stitou
from: Tempel
Amsterdam/Antwerpen: De Bezige Bij, 2013
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2015

[Nimm meine Hand]

german

Nimm meine Hand.
Ein kleiner Finger fehlt. Ich ging,

ein Kind, um einen Tag lang
zu morden. Ein gutes

Jahrhundert ist es her. Ein Sommertag.
Ganz ohne Grund

erinnere ich mich. Erst Hummeln.
Und Spatzen. Dann

einen Schwan. Am Rand
des Weihers, sah ich, stand

der Teufel. Barmend
sah er mich an.

Deutsche Fassung von Jan Wagner.
Die Übersetzung ist ein Ergebnis des Übersetzungsworkshops VERSschmuggel im Rahmen des poesiefestival berlin 2015.

At Roane Head

english | Robin Robertson

for John Burnside 

You’d know her house by the drawn blinds –
by the cormorants pitched on the boundary wall,
the black crosses of their wings hung out to dry.
You’d tell it by the quicken and the pine that hid it
from the sea and from the brief light of the sun,
and by Aonghas the collie, lying at the door
where he died: a rack of bones like a sprung trap.

A fork of barnacle geese came over, with that slow
squeak of rusty saws. The bitter sea’s complaining pull
and roll; a whicker of pigeons, lifting in the wood.

She’d had four sons, I knew that well enough,
and each one wrong. All born blind, they say,
slack-jawed and simple, web-footed,
rickety as sticks. Beautiful faces, I’m told,
though blank as air.
Someone saw them once, outside, hirpling
down to the shore, chittering like rats,
and said they were fine swimmers,
but I would have guessed at that.

Her husband left her: said
they couldn’t be his, they were more
fish than human,
said they were beglamoured,
and searched their skin for the showing marks.

For years she tended each difficult flame:
their tight, flickering bodies.
Each night she closed
the scales of their eyes to smoor the fire.

Until he came again,
that last time,
thick with drink, saying
he’d had enough of this,
all this witchery,
and made them stand
in a row by their beds,
twitching. Their hands
flapped; herring-eyes
rolled in their heads.
He went along the line
relaxing them
one after another
with a small knife.

It’s said she goes out every night to lay
blankets on the graves to keep them warm.
It would put the heart across you, all that grief.

There was an otter worrying in the leaves, a heron
loping slow over the water when I came
at scraich of day, back to her door.

She’d hung four stones in a necklace, wore
four rings on the hand that led me past the room
with four small candles burning
which she called ‘the room of rain’.
Milky smoke poured up from the grate
like a waterfall in reverse
and she said my name
and it was the only thing
and the last thing that she said.

She gave me a skylark’s egg in a bed of frost;
gave me twists of my four sons’ hair; gave me
her husband’s head in a wooden box.
Then she gave me the sealskin, and I put it on.

© Pan Macmillan
from: The Wrecking Light
Picador, 2010
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2014

Am Robbenkap

german

für John Burnside

Man erkannte ihr Haus an den zugezogenen Vorhängen,
den auf der Begrenzungsmauer plazierten Kormoranen,
den schwarzen Kreuzen ihrer Flügel, aufgehängt zum Trocknen.
Man fand es dank der Eberesche und der Kiefer, die es
vorm Meer und dem kurzen Licht der Sonne verbargen,
und dank Aonghas, dem Collie, der vor der Tür lag,
wo er starb: Ein Gestell aus Knochen wie eine zugeschnappte Falle.

Eine Gabel von Nonnengänsen flog vorbei mit diesem langsamen
Quietschen rostiger Sägen. Des bitteren Meeres vorwurfsvolles Zerren
und Wogen; ein Gurren von Tauben, die aus dem Wald aufstiegen.

Sie hatte vier Söhne, das wußte ich wohl,
jeder mit Makel. Alle blind geboren, so heißt es,
mit offenem Mund und schlicht, mit Schwimmfüßen,
klapprig wie Stöcke. Schöne Gesichter, versichert man mir,
aber ausdruckslos wie die Luft.
Einmal sah sie jemand draußen, wie sie zum Strand
humpelten, dabei wie Ratten zwitscherten,
und sagte, sie wären hervorragende Schwimmer,
aber das hätte ich mir denken können.

Ihr Mann verließ sie: Sagte,
sie könnten nicht von ihm sein, wären
mehr Fisch als Mensch,
sagte, sie wären verzaubert
und suchte ihre Haut nach den untrüglichen Malen ab.

Jahrelang hegte sie jede dieser schwierigen Flammen:
Ihre straffen, flackernden Körper.
Nacht für Nacht schloß sie die Schuppen
ihrer Augen, um das Feuer zu ersticken.

Bis er wiederkam,
ein letztes Mal,
schwerfällig vom Schnaps, und sagte,
er habe die Nase voll
von all der Hexerei,
und sie in einer Reihe
vor ihren Betten stehen
und zucken ließ. Ihre Hände
flatterten; Heringsaugen
rollten in ihren Köpfen,
Er ging die Reihe ab,
ließ einen nach dem anderen
mit einem kleinen Messer
erschlaffen.

Man sagt, sie gehe jede Nacht hinaus, lege
Decken auf die Gräber, um sie warm zu halten.
Das Ausmaß ihrer Trauer sei erschreckend.

Ein Otter raschelte in den Blättern, ein Reiher
schritt langsam übers Wasser hin, als ich bei Anbruch
des Tages zu ihrer Tür zurückkehrte.

Sie hatte vier Steine in eine Halskette gefaßt, trug
vier Ringe an der Hand, die mich am Zimmer vorbeiführte,
in dem vier kleine Kerzen brannten,
und das sie das »Regenzimmer« nannte.
Milchiger Rauch stieg vom Kaminrost auf,
wie ein Wasserfall rückwärts,
und sie nannte meinen Namen,
und es war das Einzige
und das Letzte, was sie sagte.

Sie gab mir das auf Frost gebettete Ei einer Feldlerche;
gab mir Locken vom Haar meiner vier Söhne; gab mir
den Kopf ihres Manns in einer hölzernen Kiste.
Dann gab sie mir das Seehundfell, und ich streifte es über.

Aus dem Englischen von Jan Wagner
Aus: Robin Robertson. Am Robbenkap. Gedichte. [Edition Lyrik Kabinett bei Hanser]. München: Carl Hanser Verlag, 2013 © Carl Hanser Verlag München 2013

Abandon

english | Robin Robertson

That moment, when the sun ignites the valley and picks out
every bud that’s greened that afternoon; when birds
spill from the trees like shaken sheets; that sudden loosening
into beauty; the want in her eyes, her eyes’ fleet blue;
the medals of light on water; the way the water intrigued
about her feet, the ocean walking her out into its depth,
sea lighting the length of her from the narrow waist
to the weight of the breasts; the way she lifted her eyes to me
and handed me back, simplified; that moment
at the end, knowing the one I had abandoned was myself,
edging with the sun around the bay’s scoop of rocks,
rolling the last gold round the glass; that shelving love
as the sun was lost to us and the sky bruised, and the
stones grew cold as the shells on the beach at Naxos.

© Pan Macmillan
from: The Wrecking Light
Picador, 2010
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2014

Verlassen

german

Der Augenblick, wenn Sonne das Tal entfacht und jede
grünende Knospe des Nachmittags ausleuchtet; Vögel aus
den Bäumen schwappen als schüttle man Laken aus, alles plötzlich
in Schönheit sich auflöst; das Verlangen in ihren Augen, flink, fleetblau;
das Lichtmedaillen auf dem Wasser; wie Wasser um ihre Füße
intrigierte, der Ozean sie zu seinen Tiefen hinausbegleitete,
das Meer sie in ganzer Länge erhellte, von der schmalen Taille
zum Gewicht der Brüste; wie sie mich ansah, mich mir selbst
zurückgab, einfacher als zuvor; jener Augenblick am Ende,
als ich wußte, daß ich mich selbst verlassen hatte,
mit der Sonne die Felsemnulde der Bucht umrandete,
das letzte Gold im Glas schwenkte; diese sich neigende Liebe,
als die Sonne für uns verloren war, der Himmel eine Quetschung,
die Steine kalt wurden wie die Muscheln am Strand von Naxos.

Aus dem Englischen von Jan Wagner
Aus: Robin Robertson. Am Robbenkap. Gedichte. [Edition Lyrik Kabinett bei Hanser]. München: Carl Hanser Verlag, 2013 © Carl Hanser Verlag München 2013

The Park Drunk

english | Robin Robertson

He opens his eyes to a hard frost,
the morning's soft amnesia of snow.

The thorned stems of gorse
are starred crystal; each bud
like a candied fruit, its yellow
picked out and lit
by the low pulse
of blood-orange
riding in the eastern trees.

What the snow has furred
to silence, uniformity,
frost amplifies, makes singular:
giving every form a sound,
an edge, as if
frost wants to know what
snow tries to forget.

And so he drinks for winter,
for the coming year,
to open all the beautiful tiny doors
in their craquelure of frost;
and he drinks
like the snow falling, trying
to close the biggest door of all.

© Pan Macmillan
from: Swithering
Harcourt, 2006
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2014

Der Säufer im Park

german

Er öffnet die Augen vor strengem Frost,
des Morgens weicher Amnesie aus Schnee.

Die dornigen Stengel des Stechginsters
kristallbestirnt, jede Knospe
wie eine kandierte Frucht, ihr Gelb
auserwählt, beleuchtet
vom langsamen Pulsieren
des Blutorange,
das durch die Bäume im Osten gleitet.

Was der Schnee mit Pelz verbrämt hat bis hin
zu Stille und Gleichförmigkeit,
hebt der Frost heraus, macht es einzigartig;
gibt jeder Form einen Klang,
eine Umgrenzung,
als wollte Frost wissen
was Schnee zu vergessen sucht.

So trinkt er auf den Winter,
auf daß ein kommendes Jahr
die herrlichen, winzigen Türen
auftun möge im Frostcraquelée;
er trinkt
so wie der Schnee herabfällt, um
die größte Tür von allen zu schließen.

Aus dem Englischen von Jan Wagner
Aus: Robin Robertson. Am Robbenkap. Gedichte. [Edition Lyrik Kabinett bei Hanser]. München: Carl Hanser Verlag, 2013 © Carl Hanser Verlag München 2013

Artichoke

english | Robin Robertson

The nubbed leaves
come away
in a tease of green, thinning
down to the membrane:
the quick, purpled,
beginnings of the male.

Then the slow hairs of the heart:
the choke that guards its trophy,
its vegetable goblet.
The meat of it lies, displayed,
up-ended, al dente,
the stub-root aching in its oil.

© Rogers, Coleridge & White Literary Agency
from: A Painted Field
Picador, 1997
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2014

Artischocke

german

Die zugeknöpften Blätter
lösen sich
in neckischem Grün und dünnen
aus bis hinab zur Haut:
die kraftvollen, die dunkel roten
Anfänge des Männlichen.

Die langsamen Härchen des Herzens dann:
die Frucht, die ihre Trophäe hütet,
den pflanzlichen Pokal,
Der Kern des Ganzen, bloßgelegt,
gewendet und al dente,
ein Wurzelstumpf, voll Weh in seinem Öl.

Aus dem Englischen von Jan Wagner
Aus: Robin Robertson. Am Robbenkap. Gedichte. [Edition Lyrik Kabinett bei Hanser]. München: Carl Hanser Verlag, 2013 © Carl Hanser Verlag München 2013

Aberdeen

english | Robin Robertson

The grey sea turns in its sleep
disturbing seagulls from the green rock.

We watched the long collapse, the black drop
and frothing of the toppled wave; looked out
on the dark that goes to Norway.

We lay all night in an open boat, that rocked
by the harbour wall – listening to the tyres creak
at the stone quay, trying to keep time –
till the night-fishers came in their arc, their lap
of light: the fat slap of waves, the water’s
sway, the water mullioned with light.

The sifting rain, italic rain; the smirr
that drifted down for days; the sleet.
Your hair full of hail, as if sewn there.
In the damp sheets we left each other sea-gifts,
watermarks: long lost now in all these years
of the rip-tide’s swell and trawl.

All night the feeding storm banked up
the streets and houses. In the morning
the sky was yellow, the frost ringing.

The grey sea turns in its sleep
disturbing seagulls from the green rock.

© Rogers, Coleridge & White Literary Agency
from: A Painted Field
Picador, 1997
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2014

Aberdeen

german

Das graue Meer wälzt sich im Schlaf,
scheucht Möwen auf vom grünen Fels.

Wir sahen den langsamen Sturz, das schwarze Brechen,
den Schaum der vergehenden Welle; sahen übers
Dunkel hin, das bis nach Norwegen reicht.

Wir lagen die ganze Nacht im offenen Boot, das am Kai
geschaukelt wurde - hörten wie die Reifen an der
Steinmauer quietschten, im Takt zu bleiben versuchten -
bis die Nachtfischer kamen in ihrem Bogen, überlappenden
Lichtern: das plumpe Klatschen der Wellen, das Wiegen
des Wassers, das Wasser und sein Maßwerk aus Licht.

Siebender Regen, kursiver Regen; Geniesel,
das tagelang durch die Luft trieb; Graupel.
Deine Haare voller Hagel, wie eingenäht.
In den klammen Laken tauschten wir Meergeschenke aus,
Wassermarken: lange verlorengegangen in all den Jahren,
der Dünung der Ripptide, ihrem Schleppnetz am Grund.

Die ganze Nacht baute der Schneesturm seine Dämme
um Straßen und Häuser. Am Morgen
war der Himmel gelb, der Frost ein Klirren.

Das graue Meer wälzt sich im Schlaf,
scheucht Möwen auf vom grünen Fels.

Aus dem Englischen von Jan Wagner
Aus: Robin Robertson. Am Robbenkap. Gedichte. [Edition Lyrik Kabinett bei Hanser]. München: Carl Hanser Verlag, 2013 © Carl Hanser Verlag München 2013

CACOS DE VIDRO

portuguese | Marcos Siscar

recolho de manhã cacos de copos quebrados.
recolho minuciosamente com atenção de relojoeiro.
primeiro os cacos grandes ainda manchados por algum líquido notívago.
depois os menores e os mais dispersos até que restem
no piso frio apenas fiapos de vidro translúcidos.
fios de uma transparência insustentável e que me diz respeito.
recolho-os a mão um a um alheio a pás e vassouras.
recolho-os atentamente. preciso chegar muito perto
para vê-los pressionados contra a ponta dos dedos.
tão sutis e temerários que preciso esfregar-me com cuidado
as mãos. sem notar que de sua delgada argúcia já penetraram
na carne. como pensamentos indesejados cravaram-se entre as fibras
entre as veias seixos brilhantes de onde o sangue jorra
com o qual não se mistura. infensos à aflição ou à cólera. fortalecidos
pela força que pretenderia estancar sua abrupta
relação com a vida

© Atelie Editorial
from: Interior via Satélite
São Paulo: Atelie Editorial, 2010
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

glasscherben

german

ich berge am morgen die scherben zerbrochener gläser.
ich berge sie sorgsam mit uhrmacherakkuratesse.
zunächst die großen an denen noch nächtlich flüssiges klebt.
die kleineren dann die am weitesten sprangen bis auf dem kalten
boden nur glasige fasern bleiben, fäden
einer transparenz die nicht von dauer ist die auch mich betrifft.
ich berge sie alle benutze die hände verzichte auf kehrblech und besen.
ich berge sie mit umsicht. beuge mich vor
um sie an den kuppen der finger haften zu sehen.
so fein und verwegen daß ich meine hände behutsam
abwische. ohne zu merken daß sie ihren schlanken scharfsinn mir schon ins fleisch
getrieben wie unerwünschte gedanken hineingebohrt haben tief in die haut
leuchtende kiesel in adern aus denen es sprudelt blut mit dem sie
sich nicht vermischen die kummer und zorn verschmähen. gefestigt
noch durch den druck der stillen soll die jähe
bindung ans leben

Übertragen von: Jan Wagner
Versschmuggel, poesiefestival berlin 2012

Tigela de ágate

portuguese | Marcos Siscar

Você fechou a janela, desceu as escadas e disse em prosa que se sentia bem embaixo, no pátio aberto, perto da porta. Você desceu o lixo, olhou o pássaro, brincou de cabra-cega com as crianças do pátio. Então, pediu-me que servisse a sopa numa tigela de ágate. A morte com dor não vale a sopa numa tigela de ágate. O mundo reduzido ao essencial. Isso a faz morrer de rir. O essencial, você me diz, cabe numa tigela de ágate. O que quis dizer com isso? Que essencial não há, ou muito pouco, que no fundo não importa, ou que de fato está nesta tigela de ágate? Desde então, a dúvida me impede de dizer meu nome. Com a sola dos pés procuro o fundo da terra sob um brejo de taboas. Cada vez que me perguntam que fundo é esse, as entranhas me gelam, a discrepância me invade. Sinto o fundo e ele me abala. Toda uma sismologia. Viajo sem ter vontade. Em cada lugar por onde passo, quero de mim uma nova coragem. Certa vez, você me acenou de longe, ao pé da plataforma, com os olhos vermelhos. Você que nunca chorava. Quis exilar-me em você. E talvez eu fique aqui, nesse boteco de luz amarela, no meio da amazônia, até o fim dos tempos. Mal penso nisso, o galo ainda não cantou, você já se estendeu ao longo do meu corpo, se derramou sobre mim e eu a contive. Você cabe em mim tão completamente. Ouço sua voz fraca, perdida no percurso da garganta. O poema deve ser escrito com sangue? Pois que o sangue seja vivo, vermelho pêssego, turquesa, esmeralda. Foi então que você perdeu a voz, olhou de lado, fechou-se muda. E sobre as pálpebras cerradas palpitam veias de um sangue veloz. Diga-me: quanto sangue será necessário para aplacar o seu silêncio?


© 7Letras
from: O Roubo do Silêncio
Rio de Janeiro: 7Letras, 2006
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

Emailleschüssel

german

Du machtest das Fenster zu, stiegst die Treppen hinunter und sagtest in Prosa, daß du dich gut fühltest dort unten auf dem Innenhof nahe der Tür. Du brachtest den Müll weg, sahst einem Vogel zu, spieltest Blindekuh mit den Kindern im Hof. Dann batest du mich, die Suppe in einer Schüssel aus Emaille aufzutragen. Selbst ein schmerzhafter Tod wirkt nichtig angesichts einer Emailleschüssel voller Suppe. Die Welt, aufs Wesentliche reduziert. Du fandest das zum Totlachen. Das Wesentliche, sagtest du, paßt in eine Emailleschüssel. Was meintest du damit? Daß es gar nichts Wesentliches gibt oder doch nur wenig, daß es im Grunde gleichgültig ist, oder daß es tatsächlich in dieser Schüssel aus Emaille ist? Seitdem hindert mich mein Zweifel daran, meinen Namen zu nennen. Mit den Fußsohlen taste ich unter einem schilfbewachsenen Sumpf nach dem Grund der Erde. Immer wenn man mich fragt, was für ein Grund dies sei, spüre ich mein Innerstes vereisen, die Widersprüchlichkeit überwältigt mich. Ich spüre den Grund, und er läßt mich beben. Eine wahrhafte Seismologie. Ich reise ohne Lust. Wo immer ich vorbeikomme, verlange ich mir neuen Mut ab. Manchmal winktest du mir aus der Ferne zu, vom Rand eines Bahnsteigs, mit geröteten Augen. Du, die niemals weinte. In dir suchte ich mein Exil. Und vielleicht bleibe ich bis zum Ende aller Tage hier, in dieser Kneipe aus gelbem Licht mitten in Amazonien. Kaum habe ich, noch vorm ersten Hahnenschrei, diesen Gedanken, schon legst du dich neben meinen Körper, schüttest dich aus über mir, und ich fasse dich. Du paßt so ganz und gar in mich hinein. Ich höre deine schwache Stimme, verloren auf der Wegstrecke der Kehle. Muß das Gedicht mit Blut geschrieben werden? Meinetwegen, doch soll das Blut leuchten, pfirsichrot, türkis, smaragdfarben. Damals hast du deine Stimme verloren, zur Seite geschaut, hast dich stumm in dir selbst verschlossen. Und über den gesenkten Lidern pochen vom schnellen Blut die Adern. Sag: Wieviel Blut wird nötig sein, um dein Schweigen zu mildern?

Übertragen von: Jan Wagner
Versschmuggel, poesiefestival berlin 2012

SOBRE PÃO E FRUTOS

portuguese | Marcos Siscar

a colher volteia o açúcar se eclipsa
sem razão novo e meticuloso repetir-se
doçura é pouca tão longe do amor por que
voltar à morna inflação de consciência
acolhendo cada dia com seu método
eu faço a prova do inútil copista do torno
e do retorno longe do amor sobrou-me isto
saber que tanto gesto e tanta língua
tanto escrúpulo cultivado estará perdido
no mesmo dia do descanso em outra língua
que no entanto me faz o gosto talvez
o amor volte discreto mas composto
com o pão e com os frutos pela porta dos fundos

© Viveiros de Castro Editora
from: Não se Diz
Rio de Janeiro: Viveiros de Castro Editora, 1999
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

über brot und früchte

german

der löffel kreist der zucker verschwindet
grundlos erneute akribische wiederholung
so wenig süße weit weg von der liebe warum
zurückkehren zum lauen zuviel an bewußtsein
tag um tag begrüßen mit seiner methodik
ich weise unnützes nach kopist von winde
und wende weit weg von der liebe blieb mir
zu wissen wieviele gesten wieviel sprache
und sorgsam gepflegte skrupel verloren sein werden
am tag des ruhens in einer sprache
die anders ist wie für mich gemacht vielleicht
kehrt die liebe zurück verhalten doch ganz und gar
mit brot und früchten durch die hintertür

Übertragen von: Jan Wagner
Versschmuggel, poesiefestival berlin 2012

FICÇÃO DE INÍCIO

portuguese | Marcos Siscar

começar de dentro. do interior de onde as coisas começam. onde terminam sua elipse vertiginosa. o interior é o fim da partida. é o começo da volta. sair como quem volta. voltar como quem sai. a ficção viagem.

estar perto da própria coisa não está longe do extravio. veja as mãos do adolescente suando frio sem saber virar as páginas de um livro.

o interior é o lugar do extravio. onde não se fica. que lugar é um lugar onde não se fica? quando se chega ao limite. o limite é interior.

do interior se vai. como de pequenas cidades you know you have to leave. não se fica. no interior se chega. do interior se vai. aonde se chega no interior não se fica. areia cabra pedra e grito. mas não se fica.

o interior se trai se realiza. só se realiza quando se trai. o exterior das coisas é quando o interior se trai. por isso não há exterior puro poesia pura. aquilo que não se trai.

não há silêncio que não se traia.

no interior as coisas ressoam ocas. nada para ver. aqui só se ouve a coisa oca soar. um barco emborcado soa devolvido pelo rio debaixo da amoreira.

a ficção origem. a ficção precisa ser cultivada memória aparada mentira amparada. piedosamente. velha história morno ludíbrio da literatura.

a ficção interior é bem real. é a terra. um chão onde cair. ter onde cair morto é motivo de partir.

interior. se for pra partir quero que seja para não deixá-lo. aqui tudo começa como forma de não se deixar cair. quem nunca caiu de uma árvore precisa de segurança? quem já se jogou de uma árvore conhece a dor da queda?

(silêncio) o silêncio diz

você não reclama não pede não aceita não fica não arreda o pé. o interior se fecha se oferece. carrapicho áspera misericórdia.


© Atelie Editorial
from: Interior via Satélite
São Paulo: Atelie Editorial , 2010
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

fiktion des anfangs

german

innen beginnen. im innern wo sie beginnen die dinge. ihre schwindelerregende  ellipse zu ende bringen. das innere ist das ende des aufbruchs. beginn der rückkehr. sich aufmachen als kehrte man zurück. zurückkehren als machte man sich auf. die fiktion reise.

seiner eigenen sache nahe zu sein ist vom verlust nicht weit weg. sieh dort die hände des jugendlichen von kaltem schweiß bedeckt doch nicht in der lage die seiten eines buches umzublättern.

das innere ist der ort des verlusts. an dem man nicht bleibt. was für ein ort ist ein ort an dem man nicht bleibt? wenn man an die grenze gelangt. die grenze das innere.

das innere verläßt man. wie kleinstädte you know you have to leave. man bleibt nicht. im innern kommt man an. das innere verläßt man. man bleibt nicht dort wo man ankommt im innern. sand ziege stein und schrei. wo man jedoch nicht bleibt.

das innere verrät man verwirklicht man. verwirklicht es indem man es verrät. das äußere der dinge ist wenn man das innere verrät. deshalb gibt es kein reines außen keine reine poesie. jenes das man nicht verrät.

keine stille die nicht verraten würde.

im innern klingen die dinge hohl. zu sehen ist nichts. so hört das ohr nur hohle dinge klingen. unterm maulbeerbaum erklingt ein umgedrehtes boot das der fluß zurückgab.

die fiktion ursprung. die fiktion muß kultiviert die erinnerung gestutzt die lüge gestützt werden. der barmherzigkeit halber. alte geschichte lauer betrug der literatur.

die fiktion inneres ist ganz und gar wirklich. ist die erde. ein boden auf den man fallen kann. einen ort zu haben an dem man sich fallen lassen kann ist grund genug zum aufbruch.

das innere. wenn ich schon aufbreche will ich es nicht verlassen. hier beginnt alles mit einer art und weise den fall zu vermeiden. braucht einer der nie vom baum fiel sicherheit? kennt einer der sich vom baum geworfen hat den schmerz des falls?

(stille) spricht die stille

du klagst nicht bittest nicht akzeptierst nicht bleibst nicht rührst dich nicht vom fleck. das innere verschließt sich bietet sich dar. klette borstiges erbarmen.

Übertragen von: Jan Wagner
Versschmuggel, poesiefestival berlin 2012

[Sinussa oli kyllä tiettyä]

finnish | Timo Lappalainen

Sinussa oli kyllä tiettyä (tosin kirpputorilta hankittua) eleganssia.
Halusit kierrättää elämäsi. Tiesit, että merkitsee täydellistä
nöyryytystä olla kirjailija. Naiset hylkäsivät meidät,
yksi toisensa jälkeen, toinen mies oli aina parempi. Sinun
puhelusi tulivat öisin. Viimeisinä hetkinäsi laitoit levyn soimaan
(myös televisio jäi päälle), Canned Heatia, jota sinun
piti äänittää minulle: ”Got my mojo working”. Kohotit lasin
huulillesi, mutisit itseksesi ”Skål, paskiaiset” ja pujotit narun
kaulaasi.

© beim Autoren
from: Poetic Licence
Helsinki: LIKI, 2001
Audio production: 2001, M. Mechner, literaturWerkstatt berlin

[Ja, dir war eine gewisse]

german

Ja, dir war eine gewisse (wenn auch auf dem Flohmarkt
erworbene) Eleganz eigen. Du wolltest dein Leben
wiederaufbereiten. Du wußtest, wie ganz und gar
erniedrigend das Dasein als Schriftsteller ist. Die Frauen
verließen uns immer und immer wieder, der andere Mann war
stets der bessere. Deine Anrufe kamen nachts. In deinen
letzten Augenblicken legtest du eine Platte auf (auch der
Fernseher lief weiter), vielleicht Canned Heat, die du für
mich aufnehmen wolltest: „Got my mojo working.“ Du
setztest dein Glas an die Lippen, murmeltest „Zum Wohl,
ihr Arschlöcher“ und stecktest den Kopf in die Schlinge.

Übertragen von Jan Wagner

Copyright beim Übersetzer

[Se olen minä baarissa]

finnish | Timo Lappalainen

Se olen minä baarissa.
Nainen istui vieressäni ja selasi tietä luokseni
kirjasta, jonka olin juuri ostanut.
Hänen selästään kasvoi kukka
ja silitti häntä niskasta.
Ehkä haluaisin aloittaa hänet
takaapäin
kuin kirjan,
jonka voi lukea
lopusta alkuun.
Tuuli käy nilkkoihin
Bamboo Housen ovenraosta,
epäsovun äänet kadulta.
Tämä kaupunki on ikuisessa remontissa.
Meissä kaikissa on vikaa.
Rakkaus, josta ei puhuta.
Lana-simpanssi, joka kirjoitti tietokoneelle:
”Ole kiltti kone, kutita Lanaa”.
Yksinäinen Dumbo,
joka katsoi minua Antwerpenin eläintarhassa.

© beim Autoren
from: Poetic Licence
Helsinki: LIKI, 2001
Audio production: 2001, M. Mechner, literaturWerkstatt berlin

[Das dort in der Bar bin ich]

german

Das dort in der Bar bin ich.
Die Frau daneben erblätterte sich einen Weg zu mir hin
durch das Buch, das ich eben gekauft hatte.
Aus ihrem Rücken wuchs eine Blume
und streichelte sie am Hals.
Vielleicht will ich sie
von hinten beginnen,
wie ein Buch,
das man lesen kann
von Ende bis Anfang.
Durch den Türspalt von Bamboo House
weht der Wind um die Knöchel,
Stimmen der Zwietracht von der Straße.
Diese Stadt ist im Dauerzustand der Renovierung.
Wir haben alle unsere Fehler.
Die Liebe, über die man nicht spricht.
Der Schimpanse Lana, der dem Computer schrieb:
„Sei eine liebe Maschine, kitzle Lana.“
Der einsame Dumbo,
der mich im Zoo von Antwerpen ansah.

Übertragen von Jan Wagner

Copyright beim Übersetzer

[Sano, järkeni, hyvästi]

finnish | Merja Virolainen

Sano, järkeni, hyvästi:
                         vahvempi ääni kutsuu
                                           kaipaan
  sinne loukkoon, luolaan likaiseen,
missä sisiliskon kanssa parittelen,
  peikon siemen polttaa suuta.
Koko päivän juoksi varjo rinnallani:
mihin muuanne sen hukuttaisin
ellen varjon suuremman syliin?

Sano, järkeni, hyvästi:
äänet ystävien, rakkaimpien
                                 kutsuvat,
  silmäpuolet valehtelijat
   huorat juopot raiskaajat
    epäjumalien palvojat
Savuisessa, likaisessa luolassani
veli veljen murhaa,
  rampa herjahuudoin kampataan,
   rakastavain vuode tahrataan
    ja hyveestä käy tukku kahisevaa.

Siellä, taivaassani ainoassa,
ruoska ikävästä ihoon pureutuu,
siellä kyynelistä juovun,
        hiki suloisempi mettä!
Oksennan häähunnun hiuksilleni,
paska jalokivinäni kimaltaa,
   kun tähtitaivas, Herra Rupikonna,
           häävalssiin kanssaan tanssittaa.

Sano, järkeni, hyvästi –
     kiima naista komentaa:
luolaan tahdon, loukkoon likaiseen,
missä hometta saan nuolla,
 missä visva kiiluu
    sammalseinämissä.
Keiden kanssa tuli naitua?
Enpä katsellut kasvoja!

Oi viinanlemu, harvahammas peikonsuu,
sisiliskon ryppynahka, täipää,
  räkäsänki, mätä luu!
Käyn huuruiseksi noidankattilaksi,
ryhmykullillansa satyyri mua hämmentää:
jotain olin luullut
  kirjoistakin oppineeni,
       jotain sivistävää,
mutta niinhän juuri
            usein hätiköiden päätellään,
että sisilisko luopuisi hännästään.

© Merja Virolainen
from: Tervapeili
Porvoo-Helsinki-Juva: WSOY, 1995
Audio production: 2001 M.Mechner, literaturWERKstatt berlin

[Du, mein Verstand, scher dich fort]

german

Du, mein Verstand, scher dich fort:
eine stärkere Stimme lockt
es zieht mich
   ins Loch, die schmutzige Lotterhöhle,
wo ich mich mit der Eidechse paare,
   der Koboldssamen den Mund mir versengt.
Den ganzen Tag lief ein Schatten neben mir her:
wo sonst sollte ich ihn versenken,
wenn nicht im Schoß eines größeren Schattens?

Du, mein Verstand, scher dich fort:
der Freunde, der Liebsten Stimmen
locken,
   die einäugigen Lügner,
   die Huren Säufer Vergewaltiger
      die Götzenanbeter
In meiner rauchigen, schmutzigen Höhle
ermordet der Bruder den Bruder,
schmäht man den Krüppel und bringt ihn zu Fall.
   Der Liebenden Bett wird besudelt,
   die Unschuld für ein bißchen Knete verscherbelt.

Dort in meinem Himmel, dem einzigen,
frißt sich die Peitsche vor Langeweile ins Fleisch,
dort werde ich trunken von Tränen,
ist süßer als Honig der Schweiß!
Ich kotze mir einen Hochzeitsschleier ins Haar,
Scheiße, meine Edelsteine, glänzt,
   wenn der Sternenhimmel, Gevatter Kröte,
     den Brautwalzer mit mir tanzt.

Du, mein Verstand, scher dich fort -
   die Geilheit leitet das Weib:
ich will in die Höhle, ins schmutzige Loch,
wo Schimmel ich lecken darf,
wo Eiter glimmt
   an moosbewachsenen Wänden.
Mit wievielen hab‘ ich gefickt?
Nie achtete ich aufs Gesicht!

Oh Schnapsstank, zahnlose Koboldsmäuler,
Eidechsengrind, verlauster Bock,
  Rotzbart, Knochenfäule!
Ich werde zum kochenden Hexenkessel,
der Satyr rührt in mir mit knotigem Pflock:
etwas glaubte ich
   gelernt zu haben aus den Büchern,
etwas das bildet,
doch gerade so
         nimmt man oft vorschnell an,
daß die Eidechse auf ihren Schwanz verzichten kann.

Nachdichtung: Jan Wagner


© Jan Wagner



[Mummi, nostit silkkipaperiset kasvosi]

finnish | Merja Virolainen

Mummi, nostit silkkipaperiset kasvosi,
purjehdit terässängystä
kaipauksen omaksi.
Punainen tulva
aivojen tomunharmailla käytävillä,
vallankumous, suurin rakkaus.
Itken sisäänpäin,
et sinäkään lopulta osannut muuta:
pisarat tippuvat lähteeseen kallion sisällä,
onkalo imee kuun sisäänsä,
piirtää täydellisiä ympyröitä.

© Merja Virolainen
from: Tervapeili
Porvoo-Helsinki-Juva : WSOY, 1995
Audio production: 2001 M.Mechner, literaturWERKstatt berlin

[Oma, du hißtest dein Seidenpapiergesicht]

german

Oma, du hißtest dein Seidenpapiergesicht,
segeltest fort aus dem stählernen Bett
und gingst in die Sehnsucht ein.
Eine rote Springflut
in den staubgrauen Gängen des Gehirns,
die Revolution, die größte Liebe.
Ich weine in mich hinein,
am Ende konntest auch du nicht anders:
die Tropfen fallen
in eine Quelle im Felseninnern,
die Schlucht nimmt den Mond in sich auf,
zeichnet vollkommene Kreise.

Nachdichtung: Jan Wagner


© Jan Wagner



[Lie finninaama Narkissos]

finnish | Merja Virolainen

Lie finninaama Narkissos
peilannut oksennuslammikossa itseään
ja nukkuu nyt
helluntaitaan happomarjojen takana.
Ukko päivystää rantaportailla,
syöttää kovaa leipää profeettojen parvelle:   
siipiniekat sukeltavat kuvajaiseensa,
vesi liikahtaa kun sitä vilkaisee,
välkehtivät särjettyjen pullojen sirpaleet.
Ei muuta paikkaa minne mennä,
missään ei näy ketään muuta.
Gato Negro vain naukaisee, rimpuilee käsissä:
Jumala aloittaa Tokoinrannassa
kiroillen kahdeksatta päivää.

© Merja Virolainen
from: Pilvet peittävät sisäänsä pilvet. Poems
Helsinki: Tammi, 2000
Audio production: 2001 M.Mechner, literaturWERKstatt berlin

[Der picklige Narziß hat, scheint’s]

german

Der picklige Narziß hat, scheint’s,
sein Antlitz im Erbrochenen betrachtet,
verschläft sein Pfingsten zwischen blauen Veilchen.
Der Greis hält Wache an der Ufertreppe,
streut hartes Brot vor der Propheten Schar:
Die Möwen tauchen in ihr Spiegelbild,
blickt man das Wasser an, bewegt es sich,
die Scherben von zerschellten Flaschen glitzern.
Kein Ort, an den man sonst noch gehen könnte,
keine Menschenseele weit und breit.
Nur der „Wild Turkey“ kollert, flattert in den Händen:
Gott flucht und fängt den achten Tag
am Tokoiufer an.

Nachdichtung: Jan Wagner


© Jan Wagner



[Haikarankaulaa liukuvat sormet, soutaja]

finnish | Merja Virolainen

Haikarankaulaa liukuvat sormet, soutaja
                       suistoa kohden
                                säikäyttää lintuparvet ilmaan,
  vesihelmet
      kaulalta särkyvät etääntyvään huutoon:
                        nautinnon vuodenajat,
           missä etäisyyden pohjalla
siivet kahahtavat vedenpintaan
tai tuulenviri, vedenpinta
                           yhtä höyhenpeitettä,
    kaikua, ajan kaikua

© Merja Virolainen
from: Hellyyttäsi taitat gardenian. Poems
Porvoo: WSOY, 1990
Audio production: 2001 M.Mechner, literaturWERKstatt berlin

[Am Storchenhals gleiten Finger entlang, der Ruderer]

german

Am Storchenhals gleiten Finger entlang, der Ruderer
bei der Mündung des Flusses
scheucht die Vogelschwärme auf,
   die Wasserperlen
      am Hals zerspringen, während der Schrei sich entfernt:
Jahreszeiten des Genusses,
da auf dem Grunde der Distanz
Flügelspitzen das Wasser streifen,
ein Windhauch, die Wasseroberfläche
ganz Federkleid,
das Echo, das Echo der Zeit.

Nachdichtung: Jan Wagner


© Jan Wagner



[Ὁ ἥλιος ἔδυσε σὰν τόπι]

greek | Dionýsis Kapsális

Ὁ ἥλιος ἔδυσε σὰν τόπι
βρεγμένο, βγῆκε ἡ Κασσιόπη·

ἀστέρια τόσα δὲν ξανάδα,
καὶ στάζουν φῶς ἀπ’τὴν μπουγάδα·

νά ὁ Τοξότης, κι ὁ Ὠρίων –
πηγὲς ἀμόλυντες δακρύων

ξέπλυναν καὶ τὸν οὐρανό,
ποτάμι δάκρυ ἀληθινὸ

παιδιοῦ ποὺ μάλωσε ὁ πατέρας·
κοίτα, ὁ πολικὸς ἀστέρας,

ποὺ δείχνει πάντα τὸ Βορρᾶ
τὰ βλέπεις τόσο καθαρά,

σὰν νά ‘χαν ὅλα ξαναγίνει
ἀπὸ λεπτότατη ὀδύνη.

© Agra Publications & Dionýsis Kapsális
from: Apo leptotati odyni
Agra Publications,
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2009

[Die Sonne ging unter wie ein]

german

Die Sonne sank, ein nasser Ball,
und Kassiopeia stieg ins All;

so viele Sterne überm Kopf,
ein Licht, das wie aus Wäsche tropft;

der Schütze hier und dort Orion –
ein Quell von Tränen, lauter, rein

die selbst den Himmel sauber spülten,
Ströme von wahren, ungespielten

Tränen des Kinds, das Vaters Wort
zurechtwies; der Polarstern dort,

er deutet immer Richtung Norden.
So klar sind alle nun vorhanden,

als wäre alles neu geworden,
aus einem leichten Schmerz entstanden.

Deutsche Fassung von Birgit Hildebrand/ Jan Wagner

[Ἔβρεξε σήμερα, καὶ κλαῖς]

greek | Dionýsis Kapsális

Ἔβρεξε σήμερα, καὶ κλαῖς
γιατὶ φοβᾶσαι, καὶ τὸ λές,

γιατὶ φοβᾶσαι τὴ βροντή,
τὸν κεραυνὸ καὶ τὴ βροντή,

τὸ λὲς παντοῦ, τὸ λὲς στὸ δρόμο,
τὸ λὲς ξορκίζοντας τὸν τρόμο,

«φοβᾶται ὁ Σπύρος τὴ βροχὴ»,
τὶς ἀστραπές, τὴν ταραχή –

ἐκεῖ ψηλὰ στὸν οὐρανὸ
ποὺ κάνουν οἱ ἄγγελοι κανὸ

καὶ χαίρονται καὶ δὲν τοὺς νοιάζει
ἂν ἐδῶ κάτω σκοτεινιάζει,

ἂν ἐδῶ κάτω ἡ βροχὴ
φόβο σκορπᾶ καὶ ταραχή.

Στὸν οὐρανὸ ψηλὰ ἐκεῖ
βρέχει βροχὴ ἐρημική,

στὸν οὐρανὸ ἐκεῖ ψηλὰ
ζεῖ ὁ Θεὸς καὶ δὲν μιλᾶ,

μόνο κοιμᾶται σὲ μιὰ κόχη,
κι ἄλλος τὸ ξέρει κι ἄλλος ὄχι,

μόνο βραδιάζει κάθε μέρα
γιὰ τὰ παιδιὰ καὶ τὸν πατέρα.

«Καὶ τί θὰ πεῖ, μπαμπά, πεθαίνω;»
Μαθαίνω, ἀγόρι μου, μαθαίνω.

© Agra Publications & Dionýsis Kapsális
from: Apo leptotati odyni
Agra Publications,
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2009

[Du weinst, denn draußen fällt der Regen]

german

Du weinst, denn draußen fällt der Regen,
hast Angst, und hast es zugegeben

aus Angst zu weinen vor dem Regen,
vor Blitzen und vor Donnerschlägen,

sagst es auch draußen, überall,
bringst damit deine Furcht zu Fall

„Spiros hat Angst vor dem Gewitter“
vor all dem Krachen, Blitzen, Zittern

im Himmel aber, in den Fluten,
werden die Engel zu Kanuten

und freuen sich, sind unbeirrt,
wenn‘s auch hier unten dunkel wird

hier unten jeder Regenguß
nur Angst bereitet und Verdruß

im Himmel oben fällt dagegen
ein einsamer, verborgner Regen

im Himmel oben wohnt und schweigt
der Herrgott, der sich uns nicht zeigt

die Nische, wo er schläft, ist schlicht
manch einer weiß das, mancher nicht

nur jeder Tag wird Nacht, verglimmt,
für jeden Vater, jedes Kind

„Papa, was heißt das: Sterben müssen?“
„Es heißt, Sohn, etwas Neues wissen.“

Deutsche Fassung von Birgit Hildebrand/ Jan Wagner

Walsh Bay

english | Fiona Wright

The old stilts creak,
         creak and clank
         in the water’s plump lap,
lipped oysters cling to chafe-legged piers.

The new mirages
         of glass apartments,
slouch angular, metallic
         and insouciant as supermodels,
upswept on a hill’s shoulder
         pinned between sky and sea,
           the girdled capillaries of lungs,
and the colander of bridgework.

This was a place where criminals
beat the sons of criminals
         with socks filled with wet sand.
They still taste it sometimes
         gritty and ferric
in seafood lunches.

© Giramondo Publishing
from: Knuckled
Artarmon, Sydney: Giramondo, 2011
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

Walsh Bay

german

Die alten Pfähle knarren,
ächzen und scheppern
im trägen Plätschern des Wassers,
           Austern kleben dem Pier an den wunden Beinen.

Die neuen Luftspiegelungen
          der gläsernen Wohnhäuser, winklig
dahingefläzt, metallisch
          und sorglos wie Supermodels,
über den Berghang gekämmt,
          festgenagelt zwischen Himmel und Meer,
          eingefaßte Lungenkapillaren,
das Sieb einer Brücke.

Ein Ort war dies, wo Kriminelle
die Söhne von Kriminellen
          mit Socken verdroschen, gefüllt mit nassem Sand.
Ein Nachgeschmack davon ist manchmal
          noch knirschend, eisenhaltig,
im Mittagsmenu mit Meeresfrüchten.

Aus dem Englischen übersetzt von Jan Wagner

tu es là
et tu regardes
ma mère et mes fils
te voler des vers (extraits)

french | Stéphane Despatie

marcher incroyant
dans ces lieux immobiles
où la chance de la voir
forme un risque impossible

j’avance en mes fils
sans oublier leurs voix
ni la sensation de leur peau
se glissant sous mes doigts

m’échappe
une certaine absence
de certaines mémoires

sous ma peau, sans la peur
je me la rappelle
se fondre en moi
lentement
d’amour amical

et mes fils se rocaillent
en rase-femmes
contre moi
en l’absence
de racines en mon mal
aux fondations mouvantes

je ne parle plus, j’écoute
l’effet de la glace qui craque
sur mon visage incendié
où la haine se perd en égrenée
vers des lois dépeignées
par de justes poudreries

je vous aime en soudure
je suis éteint peut-être
et trafique mon sang
afin d’être froid
pour ne pas
mourir en mes fils
qui me manquent
je la sens maintenant
sous le soleil pervers
dénudant la peine
y montrant son sourire

ses yeux sont
en chaleur de creux de mains
où fondent nos tempêtes
où se promènent
nos hurlevents légers
où se rapprochent
nos idéaux
je vois d’ici
la croix du mont Royal
flirtant avec les nuages
ombrageant mon corps
qui, bleu à bleu
de blessure en vomissure
s’impatiente parfois

je te perce partout
et te paye une bière
au quai des âmes

dehors, la Ontario
s’intéresse à moi
je suis meilleurs client
que la Lune
et le fleuve coule
en mes yeux trop francs
où passent les ruptures
les aveux trop beaux
comme des bois pourris
négociant la surface
sur les vagues banales

je te vois
comme un fruit à la mer
tu me désintéresses
inaccessible livrée
celle par qui vient le manque
et je publie tes petites culottes
sur les colonnes Morris

j’écris ton nom
sur mon cannot
traversant les portes patios
des bourgeois
tu existes
tu es laide
et porte les vêtements
d’un autre
passé
nous devrions faire
une omelette de la postérité
s’accoupler sur un lit d’oeufs
gicler sur les murs
ou sur la grille de mon Chevrolet
autostoppeuse moderne
grimpe donc sous ma brassière
n’aie pas peur, mon sein
rougit avant d’aimer
je te raconte
la mort de ma mère
et tu pleures, ambulance
tu ramasses la colombe
égorgée vers le ciel
contre l’espoir naïf
je t’avémariarise
à l’autel des putains
ma mère aurait
aimé mes fils
j’aimerais
qu’ils me reconnaissent
un jour dans la rue

je danse en chacal
sur le toît
du confessionnal
j’y joue de la basse
et cherche du regard
mes fils
vivant quelque part

ma mère m’aimait
par-dessus l’épaule
de sa folie
elle chante encore
avec moi
une jeunesse en beauté
ma mère fume et boit du coke
je la regarde
rêver pour moi
des châteaux à venir
avec des télévisions partout
révélant les chiffres gagnants
des loteries à 50 ¢

ma mère du temps
disait: « T’enfarges pas
dans les vidanges,
descends-les ! »
et je partais propre
peigné avec de l’eau
vers l’école en bulle
et du haut de son deuxième
elle me criait :
« as-tu ton horaire, là ? »
j’étais un peu gêné
dans mon chandail des Stones

ma mère me disait
qu’il y avait des singes
dans la cour d’école
sans pourtant me dire
qu’il y avait aussi
des danseuses nues
fellationnant gratis
les p’tits pénis
des p’tits garçons
si elle avait su
je crois qu’elle m’aurait dit
que ces dandineuses étaient
droguées par des profiteurs
à l’aide de bières bues
avec une paille

je revois ma mère
ne pas dormir
quand je rentre tard
sentant le sexe de femme
ma mère me disait
de ne pas gaspiller
pour les petites filles
trop maquillées
mais d’économiser plutôt
pour des Coffee Crisp

ma mère croyait
que les Beatles faussaient
quand je chantais
en cinquième
avec le tourne-disque
ma mère m’aimait
comme elle aimait
ses peintures à numéros
et les guimauves dorées
sur le rond du poêle électrique
ma mère offrait la campagne
rue Drolet
et du fromage canadien
en pourboire
au livreur d’épicerie
qui sacrait
mais qui venait
d’une Beauce à elle
ma mère, toujours, souriait
même aux bandits
même à mes blondes
même à mon père
ma mère
aimait

© Stéphane Despatie
from: Les crimes du hasard
Montréal: Éditions Les Intouchables, 1998
Audio production: 2007, Literaturwerkstatt Berlin

du bist da
und siehst zu
wie meine mutter und meine söhne
dir verse stehlen

german

sich ungläubig nähern
dem ort, der nie fortgeht,
wo ihr zu begegnen
bedenkliches glück wär

ich bin in den söhnen
doch hör ihre stimmen
noch immer und spüre
die haut an den fingern

mir fehlt
ein gewisser abstand
zu gewissen erinnerungen

unter der haut, ohne angst,
ruf ich sie mir wach
geht sie in mich ein
ganz langsam
ganz freundschaftlich liebend

und die söhne sie schottern
sich frauenumhuschend
zusammen   bei mir
ist die abwesenheit
der wurzeln das leid nur
der schwankende boden

ich rede nicht mehr, höre zu
wie die eisschicht bricht
vom entflammten gesicht
der haß herabperlt
im wirklichen schnee

die gesetze verwehen
ich liebe verlöte euch
erlosch vielleicht schon
und wechsle mein blut
um kälter zu werden
damit ich nicht sterbe
in meinen söhnen
die mir fehlen
ich bin ihr jetzt näher
in der perversen sonne
die den schmerz entkleidet
sie dort zeigt wie sie lächelt

ihre augen warm
wie es handflächen sind
wo die stürme schmelzen
die heulenden winde
spazieren gehen
unsere ideale
sich näher kommen
ich sehe von hier aus
das kreuz des Mont Royal
das mit den wolken flirtet
meinen körper verschattet
der schnitt für schnitt
von kratzer zu kotze
die geduld verlieren kann

ich durchsteche dich überall
spendiere dir ein bier
am kai der seelen

die rue Ontario draußen
interessiert sich für mich
der ich besserer kunde bin
als der mond
und der strom fließt durch meine
zu offenen augen
wo die brüche vorbeitreiben
die allzuschönen bekenntnisse
auf gewöhnlichen wellen
wie verrottendes holz
mit dem sinken ringen

ich sehe dich
wie eine frucht im meer
du desinteressierst mich
so unerreichbar und greifbar
urheberin des mangels

[...]

mit deinem namen
auf meinem kanu
gleite ich durch die glastüren
der bürgerhäuser
es gibt dich
du bist häßlich
und trägst die kleidung
einer anderen
vergangenheit
[...]
ich erzähle dir
vom tod meiner mutter
und du heulst, ein krankenwagen
du hebst die taube
mit der gen himmel
und argloses hoffen
klaffenden brust auf
ich avemariame dich
am hurenaltar
meine mutter hätte

die söhne geliebt
ich wünschte nur
daß sie mich dereinst
auf der straße erkennen

[...]

meine mutter liebte
mich über die schulter
des wahnsinns hinweg
noch immer singt sie
mit mir
eine jugend voll schönheit
meine mutter raucht und trinkt cola
ich sehe zu
wie sie für die zukunft
mir schlösser erträumt
in denen die fernseher
die glücklichen zahlen
des lottos verkünden

[...]

ich sehe noch vor mir
wie mutter nicht schlief
wenn ich nachts nach der scham
von frauen riechend
nach hause kam
sie sagte ich solle
nicht alles vergeuden
an kleine mädchen
mit zu dicker schminke
und lieber mein geld
für marsriegel sparen

meine mutter nahm an
daß die beatles die töne nicht trafen
wenn ich in der sechsten
zur schallplatte sang
sie liebte mich
wie ihr malen nach zahlen
und die goldenen marshmellows
auf dem elektrogrill
mit mutter lag
montreal auf dem land
und sie gab dem krämer
kanadischen käse
als trinkgeld
der zwar fluchte
doch aus Beauce kam wie sie
meine mutter lächelte, lächelte
sogar die ganoven an
sogar meine freundinnen
sogar meinen vater
meine mutter
liebte

Deutsche Fassung von Jan Wagner.
Die Übersetzung entstand im Rahmen des Übersetzungsworkshops
Versschmuggel des Poesiefestivals Berlin 2007

Toileachas

scottish gaelic | Meg Bateman

'S tric a chunnaic mi iad tighinn ri chèile,
dithis seann eòlach, dithis chroitearan,
is as dèidh dhaibh an latha a bheannachadh
seasaidh iad còmhla gun fhacal tuilleadh,
taobh ri taobh, chan ann aghaidh ri aghaidh,
is iad a' coimhead a-mach air an talamh
a chumas na fhilltean an uile cuimhne,
a' tarraing anail is cùbhraidheachd
tombaca, fuaradh is spùt nan uan,
's an t-eòlas ac' gun cuireadh cainnt
bacadh air a' chomanachadh òrbhuidh ud,
gum briseadh i a-staigh air am mothachadh
air na th' ann de dhualchas eatarra.

© Meg Bateman

Zufriedenheit

german

Ich sah sie oft zusammenkommen,
zwei Bauern, alte Freunde,
die nach einem knappen Gruß
schweigend beieinanderstanden
und Seite an Seite
den Blick übers Land schweifen ließen, dessen Hügel
all das, was sie erinnerten, umfaßten,
die Luft einsogen, den Geruch
von Tabak, feuchter Kleidung, Lämmerscheiße,
eingedenk, daß Worte
ihr immerwährendes Gespräch,
die goldene Gewißheit eines
geteilten Erbes nur zerstören würden.

Übersetzt von Jan Wagner

The Snowy Owl

english | Matthew Sweeney

Over the heads of the firing squad
flew a snowy owl, who oohooed  twice
just before they pulled their triggers
and as the woman slumped on her ropes,
blood splattering her white dress,
the owl landed on her shoulder,
oohooed again, and swivelled its big-
eyed gaze over all the uniformed men,
one of whom raised his rifle
but the captain knocked it away
while the owl pecked at some blood
on the woman’s breast, smearing
its own breast feathers, then glared,
it seemed, at the transfixed men,
before swooping off, barely missing
the head of one, making them all
turn to watch it glide away, and hear
one more oohoo echo through the sky.

© Matthew Sweeney
from: unpublished
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Die Schnee-Eule

german

Über die Köpfe des Exekutionskommandos
flog eine Schnee-Eule hinweg, die zweimal uhute,
kurz bevor das Feuer eröffnet wurde,
und als die Frau in ihren Fesseln zusammensackte
und Blut auf ihr weißes Kleid spritzte,
landete die Eule auf ihrer Schulter,
rief noch einmal „uhu“, ließ ihren groß-
äugigen Blick über die Uniformierten gleiten,
von denen einer das Gewehr anlegte,
bis der Hauptmann es ihm wegschlug,
während die Eule der Frau etwas Blut
von der Brust pickte, sich dabei das eigene
Brustgefieder besudelte, und dann, so schien es,
die wie gelähmten Männer anstarrte,
bevor sie aufflog, haarscharf am Kopf
des einen vorbei, und alle sich umdrehten,
um sie davongleiten zu sehen, hörten, wie
ein letztes „uhu“ im Himmel widerhallte.

Übersetzt von Jan Wagner

The Scar-Tree of Wanneroo

english | John Mateer

Near Lake Joondalup’s untouchable burning whiteness,
midst the outer suburban industrial parks and contemporary pioneer homes,
on the dry grassy verge of Frederick Road, Wanneroo,
the old but still living tree that wasn’t torn down in the early days
to be duckboards for the road heading north
through the scrubby sandplains shimmering in mind,
that wasn’t bulldozed yesterday for another optimistic space,
bears scars where bark was prized off
for a coolamon or shield or piece of shelter.
This oldman-tree might elsewhere have been a hallowed thing,
garlanded, smoked-in with incense, imminent,
a series of photos of blue, cloudless sky. But here
this jarrah, fragmenting heart isn’t one of many milestones
measuring out an historic silence, an empty hurt.
In mind, this almost forgotten memory, this in-grown wounding,
is not the last in a country of countless scar-trees.

© John Mateer & Publisher
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2010

Der Narbenbaum von Wanneroo

german

Beim unberührbaren, brennenden Weiß des Joondalup-Sees,
zwischen Vorstadtindustrieparks, Pionierhäusern von heute,
auf dem vertrockneten Grasrand der Frederick Road in Wanneroo:
Der alte, doch lebende Baum, den man nicht vor Zeiten fällte,
als Bohlen verlegt wurden auf der Straße nach Norden,
durch buschiges Sandland, das im Geiste glomm,
der nicht einem weiteren Optimistengelände wich,
aber Narben trägt, wo man die Rinde abbrach
für ein Coolamon, einen Schild oder ein Stück Dach.
Woanders könnte dieser Greisenbaum etwas Heiliges sein,
in Blumen und Weihrauch gehüllt und immanent,
eine Fotoreihe mit wolkenlos blauem Himmel. Doch hier
ist dieses splitternde Jarrahherz keiner der vielen Marksteine,
die eine geschichtliche Stille vermessen, leeren Schmerz.
Im Geist ist das fast vergessene Gedächtnis, diese eingewachsene Wunde
nicht der letzte in einem Land mit zahllosen Narbenbäumen.

Aus dem Englischen von Jan Wagner

The Ice Hotel

english | Matthew Sweeney

I’m going back to the ice hotel,
this time under a false name
as I need to stay there again.

I’ll stand in the entrance hall,
marvelling at this year’s design,
loving the way it can’t be the same

because ice melts and all here is ice –
the walls, the ceiling, the floor,
the seats in the lobby, the bed.

Not that I lay on naked ice,
but on the skins of reindeers,
piled high, as on a sled.

First, though, I went to the bar –
no beer, only vodka –
and I met my sculptor there,

or I should say, my ice sculptor
whose pieces were on display
in every room in the ice hotel,

and who told me his name was Thor.
We stood in that ice-blue light
swapping whisper after whisper,

drinking vodka after vodka
till we agreed to go to bed,
and neither of us slept that night.

Let me tell you about that bed –
ice pillars, two foot high,
each with a lit candle on top,

and wedged in the middle of each
the four corners of an ice sheet
three, maybe four inches thick.

On this the pelts were laid,
then the Polar Survival bag
that the two of us climbed inside.

Next morning, over Arctic char,
he offered me any sculpture
but which could I take home?

And I didn’t want to go home
but I went. Now I’m going back –
back to the latest ice hotel

with its blue ice, its silence,
its flickering candlelight,
its sculptures I can claim.

© Matthew Sweeney & Jonathan Cape
from: Sanctuary
London : Jonathan Cape, 2004
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Das Eishotel

german

Ich kehre zum Eishotel zurück,
jetzt aber unter falschem Namen,
weil ich noch einmal dort absteigen will.

Ich werde in der Eingangshalle stehen,
die diesjährige Architektur bewundern,
es dafür lieben, daß es sich selbst nie gleicht,

weil Eis schmilzt und hier alles aus Eis ist –
die Wände, die Decke, der Fußboden,
die Sessel in der Lobby, das Bett,

wenn ich auch nicht auf blankem Eis lag,
sondern auf Rentierfellen,
die sich wie auf einem Schlitten türmten.

Als erstes aber ging ich zur Bar –
kein Bier, nur Wodka –
und traf dort meinen Bildhauer,

meinen Eisbildhauer vielmehr,
dessen Werke in jedem Zimmer
des Eishotels ausgestellt sind,

und der mir sagte, er heiße Thor.
Wir standen in diesem eisblauen Licht,
tauschten uns flüsternd aus,

tranken einen Wodka nach dem anderen,
bis wir übereinkamen, ins Bett zu gehen,
und keiner von uns schlief in dieser Nacht.

Laß mich von diesem Bett erzählen –
Eissäulen, einen halben Meter hoch,
auf jeder eine brennende Kerze,

und jeweils auf halber Höhe eingelassen
die vier Ecken einer Eisplatte,
die acht, vielleicht zehn Zentimeter dick war.

Auf diese wurden die Felle gelegt,
und obendrauf der Polarschlafsack,
in den wir zu zweit krochen.

Am nächsten Morgen bot er mir, während
wir Saibling aßen, eine Skulptur an, freie Auswahl,
doch welche hätte ich schon mitnehmen können?

Und ich wollte ja gar nicht nach Hause,
und ging dann doch. Jetzt aber kehre ich zurück –
zurück zum neuesten Eishotel

mit seinem blauen Eis, seiner Stille,
seinem flackernden Kerzenlicht,
den Skulpturen, die mir zustehen.

Übersetzt von Jan Wagner

The Hat

english | Matthew Sweeney

A green hat is blowing through Harvard Square
and no one is trying to catch it.
Whoever has lost it has given up –
perhaps, because his wife was cheating,
he took it off and threw it like a frisbee,
trying to decapitate a statue
of a woman in her middle years
who doesn’t look anything like his wife.
This wind wouldn’t lift the hat alone,
and any man would be glad to keep it.
I can imagine – as it tumbles along,
gusting past cars, people, lampposts –
it sitting above a dark green suit.
The face between them would be bearded
and not unhealthy, yet. The eyes
would be green, too – an all green man
thinking of his wife in another bed,
these thoughts all through the green hat,
like garlic in the pores, and no one,
no one pouncing on the hat to put it on.

© Matthew Sweeney & Jonathan Cape
from: Selected Poems
London : Jonathan Cape, 2002
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Der Hut

german

Ein grüner Hut weht übers Harvard Square,
und niemand versucht, ihn zu fangen.
Wer immer ihn verlor, muß aufgegeben haben;
vielleicht nahm er ihn ab, weil die Gattin
ihn betrog, und warf ihn wie eine Frisbeescheibe,
um eine Statue zu enthaupten –
die einer Frau mittleren Alters
ohne jede Ähnlichkeit mit seiner Gattin.
Dieser Wind alleine würde den Hut nicht davontragen,
jeder Mann ihn mit Vergnügen behalten.
Ich stelle mir vor – während er weitertrudelt,
vorbeirollt an Autos, Menschen, Laternen –,
daß sich mit ihm ein dunkelgrüner Anzug krönen ließe.
Das Gesicht dazwischen trüge einen Bart
und sähe nicht ungesund aus – noch nicht. Die Augen
ebenfalls grün: Ein rundum grüner Mann,
der sich seine Frau im Bett eines andern vorstellt,
Gedanken, die durch den grünen Hut dringen
wie Knoblauch durch die Poren, und niemand,
niemand stürzt sich auf den Hut und setzt ihn auf.

Übersetzt von Jan Wagner

The Doors

english | Matthew Sweeney

Behind the door was another door
and behind that was another.

The first door was black, as befitted
a four-storey Georgian house
on a street shaded by oaks.

The second door was the grey
of the sky before rain.

The third door was blue, or blue-
green – let’s say cobalt – with a stiff
black wrought-iron handle

which took the shape of a mermaid
instead of a dog or a dragon.

Or the rattlesnake I expected
to rear up, hissing, at me
when I crossed the threshold.

No chime announced me.
No animal or person met me.

The corridor I looked down
was lined with male portraits.
The rugs had embroidered females.

The ghost of incense haunted
the air I hardly breathed.

I took a couple of half-steps
then stood there, listening.
I heard the portraits breathing

then, from some distant room,
a cuckoo clock cuckooing.


My smile turned into a cough
that echoed off the walls
and infiltrated the house.

The women on the first rug
were grinning at me.

All the eyes in the portraits
were turned my way.
I looked back at the door

heard the lock click, then beyond
another lock, then another.

© Matthew Sweeney
from: unpublished
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Die Türen

german

Hinter der Tür war noch eine Tür
und hinter dieser noch eine.

Die erste Tür war schwarz und paßte
zu dem vierstöckigen, georgianischen Haus
in einer von Eichen schattigen Straße.

Die zweite Tür hatte das Grau
des Himmels, bevor es regnet.

Die dritte Tür war blau oder blau-
grün – sagen wir: kobaltblau – mit einer starren,
schwarzen, schmiedeeisernen Klinke

in Gestalt einer Meerjungfrau,
nicht eines Hundes oder Drachens

oder der Klapperschlange, die, so glaubte ich,
zischend vor mir auffahren würde,
sobald ich die Schwelle übertrat.

Kein Läuten kündigte mich an.
Kein Tier, kein Mensch kam mir entgegen.

Im Flur, in den ich hineinsah,
hingen die Portraits von Männern.
Gestickte Frauen schmückten die Teppiche.

Ein Hauch von Weihrauch spukte durch
die Luft, die ich kaum zu atmen wagte.

Ich ging ein paar kleine Schritte
und stand dann da, lauschte,
hörte den Atem der Portraits

und dann, aus einem weit entfernten Zimmer,
den Kuckucksruf einer Kuckucksuhr.

Aus meinem Lächeln wurde ein Husten,
das von der Wänden widerhallte
und durchs ganze Haus drang.

Die Frauen auf dem ersten Teppich
grinsten mich an.

Die Augen sämtlicher Portraits
ruhten auf mir.
Ich drehte mich zur Tür um,

hörte, wie ein Schloß zuschnappte, dahinter
noch ein Schloß, dann noch eines.

Übersetzt von Jan Wagner

The Baigneur

english | Fiona Wright

When their skirts swell in the flouncing water
like the thick wave
of a stingray, and their hair
grows weedlike on their cheeks,
and their eyes
are as swift as shoaled fish,
that’s when I know
         I’m needed most.

         Their limbs slacken,
then grow taut: there’s a seabeast,
instinctual, in us all.

The water foams their thighs,
and they stumble when they stand,
their own weight foreign to their footing.
Sometimes their toes break through the surface
         in pink panic,
and they grip my hairy hand.

But we wear black, slick as performing seals
and we stare seaward, count the rhythm
of the breaking waves,
          we guide them into shore.

          The children aren’t as strenuous.
They’re used to abandonment
and thrall.

© Giramondo Publishing
from: Knuckled
Artarmon, Sydney: Giramondo, 2011
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

Der Baigneur

german

Wenn in der Brandung die Röcke schwellen
wie jene träge Welle
eines Stachelrochens, wenn die Haare
wie Gras auf ihren Wangen liegen
und ihre Augen
so flink wie Fische eines Schwarm sind,
dann, weiß ich, werde ich
             am dringendsten gebraucht.

             Ihre Glieder erlahmen
und werden klamm: Ein Meereswesen steckt
in jedem von uns, instinkthaft.

Das Meer schäumt gegen ihre Schenkel,
und sie geraten, stehend, ins Taumeln,
ihr Körpergewicht wird den eigenen Füßen fremd.
Manchmal stoßen die Zehen durchs Wasser,
          eine Panik in Rosa,
und sie greifen nach meiner haarigen Hand.

Wir tragen Schwarz, sind glatt wie dressierte Robben
und starren aufs Meer, wir zählen den Rhythmus
der brechenden Wellen,
            geleiten sie zum Strand.

            Die Kinder sind weniger anstrengend.
Sie wissen, wie es ist, so preisgegeben
und voll Ehrfurcht zu sein.

Aus dem Englischen übersetzt von Jan Wagner

Tha na Coineanaich Ghaolach Marbh air na Rathaidean

scottish gaelic | Meg Bateman

Tha na coineanaich ghaolach marbh air na rathaidean
ann am pàilteas a’ Chèitinn de choineanaich is de chàraichean,
tha a’ ghaoth na ruith tron fheur fhada ghleansach,
na sealastairean nan seasamh gu caithreamach sna claisean.

’S tric a mhiannaich mi gu robh mi diofraichte’
seach mar a thà mi, gus do ghaol a ghlèidheadh,
gu robh mo chraiceann òrbhuidh, m’ anam sultmhor,
gu robh gràinean meala garbh nam sgòrnan.

Ach nuair a dh’fhosglas do bheul rim bheul-sa
tuitidh mi an comhair mo chinn dhan àm sa, dhan àite sa,
gun diù do shaoghal chèin na foirfeachd,
bidh mi gun sgàth, nam chat, nam gheàrr.

Chan fhaighte pòg na bu mhìlse air nèamh
na coinneachadh ar bilean ann am mionaid na tìme,
na coinneachadh na talmhainn nar làmhan sanntach
air bàirlinn a’ chruinne-cè luasganaich, mhireagaich.

© Meg Bateman

Die niedlichen Karnickel, zu Klump gefahren

german

Die niedlichen Karnickel, zu Klump gefahren
im Mai, in diesem Überfluß an Karnickeln und Autos;
der Wind streicht durch die leuchtenden Gräser,
die Schwertlilien triumphieren im Straßengraben.

Ich wollte so oft eine Andere sein
als ich bin, damit du mich weiterhin liebst,
ich wünschte mir goldbraune Haut, eine sinnliche Seele,
rauhe Honigkristalle in meiner Kehle.

Doch wenn dein Mund sich meinem öffnet,
stürze ich in Ort und Augenblick,
verschwende keinen Gedanken ans Reich des Idealen,
verliere alle Furcht, werde Katze und Rabe.

Einen köstlicheren Kuß kann es selbst im Himmel nicht geben,
als wenn sich unsere Lippen flüchtig berühren,
wenn in unseren begehrlichen Händen Erde auf Erde trifft,
auf einem Wellenkamm im fließenden, lachenden All.

Übersetzt von Jan Wagner

Srainnsearan

scottish gaelic | Meg Bateman

Duilleag bhàn-bhuidhe
a' tionndadh air a faillean 's a' teàrnadh,
a' fàs nas lugha, nas rèidhe,
mar d' aodann an-diugh
aig roundabouts is slipways
air na rathaidean gu deas,
a' sleamhnachadh bhuam,
sìos ioma-shlighe m' aineoil.

Agus fhathast laigh thu nam ghàirdeanan
fad na h-oidhche a-raoir,
is dh'fhàg do chruinnead, ghrinn òg
a lorg air mo bhoisean,
gam phianadh leis a' cùram
a bh' air Eubha mu Adhamh,
mise boireannach gun ainm,
is tusa gille bho thuath.

© Meg Bateman

Fremde

german

Ein gelbliches Blatt
löst sich vom Ast, trudelt hinab,
wird kleiner und verblasst -
wie dein Gesicht, das heute
auf Kreuzungen, auf Ausfallstraßen
Richtung Süden,
auf verschlungenen Wegen ins Fremde
entschwindet.

Und doch lagst du noch letzte Nacht
in meinen Armen,
und die schöne, junge Wölbung deines Körpers
drückte meiner Hand ihr Mal auf,
ließ mir den Schmerz des zärtlichen Gefühls,
wie Eva es für Adam hegte,
ich, eine Frau ohne Namen,
ein Junge aus dem Norden du.

Übersetzt von Jan Wagner

Poker

english | Matthew Sweeney

There were five of us playing that night,
Padge, Kieran, Neal and me –
and, stretched out in his coffin, Uncle Charlie.
We dealt him a hand each time
and took it in turns to bet for him,
waiving his losses, pooling his wins,
for what good were coins to him?
What could he win but his life?
Still, five of us played that night
and when we stopped it was daylight.
We left the cards with him
to remind him, forever, of that game
and Padge, Kieran, Neal and me
went up the road to our beds
and slept until we buried him,
then played until we had to agree
the good hands had gone with Uncle Charlie.

© Matthew Sweeney & Jonathan Cape
from: Selected Poems
London : Jonathan Cape, 2002
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Poker

german

In jener Nacht spielten wir zu fünft,
Padge, Kieran, Neal und ich –
und Onkel Charlie, der in seinem Sarg lag.
Wir gaben ihm jedes Mal ein Blatt
und setzten abwechselnd für ihn mit,
erließen ihm die Schulden, teilten uns seinen Gewinn,
denn was hätte er mit den Münzen schon anfangen sollen?
Trotzdem: Wir spielten zu fünft in jener Nacht,
und als wir aufhörten, wurde es hell.
Wir ließen die Karten bei ihm zurück,
um ihn auf ewig ans Spiel zu erinnern,
und Padge, Kieran, Neal und ich
gingen die Straße hinauf und ins Bett,
schliefen, bis wir ihn zu Grabe trugen,
und spielten dann, bis wir einsahen, daß die guten Blätter
uns mit Onkel Charlie verlassen hatten.

Übersetzt von Jan Wagner

Persimmon Poem

english | Fiona Wright

after Marjorie Barnard

At first cut
        it collapses like a slashed tire.
This translucent flesh
        a fecundity that defies politeness,
the tidy.

My sharp lap
         and angled fingers intrude.
Shaped like a young woman’s breast, she said.
This fat and pulpy spill.

I am recovering, I too.
My mind as transparent and tender as new skin
in these,
         the blazing autumn afternoons
where light falls thick and desperate,

my vegetable garden glowing gold
         and pulpy-red.
I always thought this a female fruit,
                   revelled in the lush tautology.

Seeds crack between my teeth.
The pit is pronged and angular.
I’m glad
         this portends a mild winter.

© Giramondo Publishing
from: Knuckled
Artarmon, Sydney: Giramondo, 2011
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

Dattelpflaumengedicht

german

Beim ersten Schnitt schon fällt sie
          zusammen wie ein aufgeschlitzter Reifen.
Dieses durchscheinende Fleisch,
          eine Fruchtbarkeit, die allen Manieren
und jeder Ordnung trotzt.

Mein schnelles Schlürfen,
meine winkligen Finger, die eindringen wollen.
Geformt wie die Brust einer jungen Frau, sagte sie.
Wie es dick und fleischig quillt.

Auch ich gesunde, auch ich.
Mein Geist, transparent und zart wie neue Haut
in diesen flammenden
           Herbstnachmittagen, an denen
das Licht so dicht und hoffnungslos herabsinkt

und mein Gemüsegarten golden glüht,
           fruchtfleischrot.
Ich dachte sie mir immer als weibliche Frucht,
           schwelgte in der üppigen Tautologie.

Samen bersten zwischen den Zähnen.
Der Kern ist kantig und gezackt.
Wie froh ich bin,
          denn das sagt einen milden Winter voraus.

Aus dem Englischen übersetzt von Jan Wagner

Orphic Hymn

english | Tim Lilburn

It salmons from leagues of leafmulch

and wrings to the door.

Oak leaf shadow craters its spine range and neck

as if it walked between being’s lit breasts and the screen.

It’s got caught, opened in its antlers, the wood covered 16th century book

that works out I am sick.

I hold this up to what I am doing, lying on the divan, haven’t pissed

or shit in days, infection’s horse’s rider lashes back and forth

with his black flag. Two winter stars with dessert plate heads

two months ago were nailed at either edge of my groin.

I’ve been pensioned a shield of bees

below my chin, under earliest skin, a bridge, a sleeve of industry.

The MRI tech asked if I like country or classical.

The dogwood tree blooms in the full window a rising whine.

The temperature of this settles in like sediment that’s already stone.

A knife waits, girlish, down the hill, flipping over, over,

small fish flash at the bottom of that boat, convinced, crossing

and uncrossing its legs.

© Tim Lilburn
from: unpublished
Audio production: 2007, Literaturwerkstatt Berlin

Orphische Hymne

german

Es lacht aus den Tiefen der Laubschicht empor
und windet sich zur Tür.
Eichenlaubschatten, Krater in Rückgrat und Nacken, als laufe es
zwischen den leuchtenden Brüsten des Seins und der Leinwand umher.
Einmal gefangen, liegt aufgeschlagen in seinem Geweih
das in Holz gefaßte Buch aus dem sechzehnten Jahrhundert,
das aufzeigt, daß ich krank bin, das mich
beschreibt, aufs Sofa gebettet, seit Tagen weder gepißt
noch geschissen – und der Reiter auf dem Pferd der Erkrankung
peitscht hin und her mit seiner schwarzen Fahne.
Zwei Wintersterne mit desserttellergroßen Köpfen wurden mir links
und rechts in die Leistengegend genagelt; zwei Monate ist das her.
Mein Ruhegehalt ist ein Schild von Bienen
unterm Kinn, unter Kindheitshaut, eine Brücke, die Hülse der Industrie.
Lieber Country oder Klassik, fragte mich der Typ beim MRT.
Die Hartriegelblüten im vollen Fenster, ein ansteigendes Jammern.
Ihre Temperatur setzt sich wie ein Sediment, das schon Stein ist.
Ein Messer wartet mädchenhaft am Hügel, wendet sich um und um,
kleine Fische auf dem Boden jenes Bootes, überzeugt, schlägt es die Beine
erst so, dann so übereinander.

Aus dem Englischen von Jan Wagner
Die Übersetzung entstand im Rahmen des Übersetzungsworkshops Versschmuggel
des Poesiefestivals Berlin 2007

Old Adaminaby: Drought

english | Fiona Wright

Silt, and minerals.
The brittling walls
now float on the waning water,

we see our old town excavate itself –

            and our younger wanderings,
                       their corrosions and pockmarks
            grown obvious
            with the hard chemistry of time.

The cold water recedes again, and gloats.
The mud cracks into a hopscotch.
A fireplace,
        alone among the boulders,
        unmoored verandas like loose teeth,
        the boundary fences pared away.

The old roads are tightened,
         like our skins, and fissured;
We can see how much we’ve shrunk,
and worn away.
        Grown drier.

We touch the old bridge pylons
        with the silence and disconnect
of museums.

© Giramondo Publishing
from: Knuckled
Artarmon, Sydney: Giramondo, 2011
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

Altes Adaminaby: Dürre

german

Lehm und Minerale.
Die zerbröselnden Mauern
schweben nun überm schwindenden Wasser,

wir sehen wie die alte Stadt sich selber ausgräbt –

und unsere jugendlichen Wegstrecken:
Verfall und Pockennarben
nicht mehr zu leugnen,
die unerbittliche Chemie der Zeit.

Das kalte Wasser weicht erneut zurück und stiert.
Der Schlamm birst auf zu Feldern für Himmel-und-Hölle.
Ein offener Kamin,
einsam zwischen den Felsbrocken,
unvertäute Veranden wie lose Zähne,
die abgeschälten Einfriedungszäune.

Die alten Straßen sind straffer geworden,
wie unsere Haut, und rissig;
wir können sehen, wie sehr wir geschrumpft,
wie verschlissen wir sind.
Ausgedörrt.

Wir berühren die alten Brückenpfeiler
mit der Stille, der Entrücktheit
von Museen.

Aus dem Englischen übersetzt von Jan Wagner

No Sugar

english | Matthew Sweeney

Sitting, upright, on the sofa,
sandwiched between a pair of twins,
both blond, both beautiful,
wearing the same red leather
miniskirts, the same faces,
the same green sparkling eyes,
I find myself thinking of melon,
green-fleshed, cool from the fridge,
sliced cross ways in half,
the seeds scooped out, the hole
filled with chilled Sauternes.
A cough emanating from one twin
is echoed by the other. I chuckle,
they chuckle in stereo, and outside
the streetlight comes on, a dog
howls, a car alarm starts to blare,
while in this white-carpeted room
the newly-permed mother arrives
with a silver tray, on which sit
three delicate china cups, each with
its leaf-patterned saucer, a tea pot
escaped from Shanghai, a jug
with a peacock on it and milk
of some kind inside. But no sugar,
not a single solitary grain.

© Matthew Sweeney
from: unpublished
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Kein Zucker

german

Ich sitze kerzengerade auf dem Sofa,
eingerahmt von Zwillingsschwestern,
die beide blond sind, beide schön
und die gleichen roten Leder-
miniröcke tragen, das gleiche Gesicht,
die gleichen funkelnden, grünen Augen haben,
und ich muß an Melone denken,
an vom Eisschrank kaltes, grünes Fleisch,
in zwei Hälften geschnitten,
entkernt und dann
mit gekühltem Sauternes gefüllt.
Ein Hüsteln, das dem einen Zwilling entfährt,
das Echo der anderen. Ich lache still vor mich hin,
die beiden lachen in Stereo, und draußen geht
die Straßenbeleuchtung an, ein Hund
heult, ein Autoalarm beginnt zu plärren,
während hier, im weißausgelegten Zimmer,
die Mutter mit ihrer aufgefrischten Dauerwelle
ein Silbertablett hereinträgt, auf dem,
komplett mit den dazugehörigen, mit Blättern
bemalten Untertellern, drei zierliche
Teetassen stehen, eine aus Shanghai
entflohene Kanne, ein Krug,
der mit einem Pfau geschmückt und irgendeiner Art
Milch gefüllt ist. Aber kein Zucker,
nicht ein einziges, einsames Korn.

Übersetzt von Jan Wagner

New Years Eve

english | John Mateer

Behind the white gables of Perth Mosque,
around the corner from the block of flats where she used to live,

she who held my heart in her hands like an injured bird,
whose laugh tinkled like a meditation bell waking me,

down a narrow street of old workers’ cottages, in a friend’s backyard
a bearded man, whose eyes are Sumerian,

whose deep voice is calm and burning like Zoroastrian fire,
recites a classical Persian poem:

             When I am drunk I wander down the street
             unaware that I am passing the house of my beloved.

Then the poem modernized:

             I’m so drunk when I wander down the street of my beloved
             that only when I am pissing against the wall I realize it’s hers.

O were I drunk enough to lean against my ex-beloved’s door
having nothing in mind by the words of an Iranian’s poem!

© John Mateer & Publisher
from: The Diwan
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2010

Silvesterabend

german

Hinter den weißen Giebeln der Moschee von Perth,
um die Ecke vom Mietshaus, in dem sie wohnte,

sie, die mein Herz wie einen verletzten Vogel in Händen hielt,
deren Lachen wie ein Meditationsglöckchen klingelte, mich weckte,

in einer Gasse mit alten Arbeiterhäusern, im Hinterhof eines Freundes,
sagt ein bärtiger Mann mit sumerischen Augen und tiefer

Stimme, ruhig und lodernd wie zoroastrisches Feuer,
ein klassisches persisches Gedicht auf:

             Wenn ich betrunken bin, gehe ich durch die Straße,
             gehe am Haus der Liebsten vorbei und merke es nicht.

Dann das Gedicht in moderner Fassung:

             Ich bin so blau, als ich durch die Straße der Liebsten gehe,
             daß ich ihre Hauswand erst sehe, als ich dagegen pisse.

Oh wär ich betrunken genug, um an der Tür meiner Ex-Geliebten
zu lehnen, mit nichts als dem Gedicht eines Iraners im Sinn!

Aus dem Englischen von Jan Wagner

Naked

english | Matthew Sweeney

Take off your shoes, he said,
   and hurl them into the sea.
Take off that satin shirt
   and hand it to me,
and it had better fit, he said,
   or you’re fucking dead.
Take off those grey cords
   and hope you’re my size.
Take off the underpants
   and pull them over your eyes,
and blind, take off each sock
   while waggling your cock,
ignoring the laughs I gift you
   in this ghastly hour –
for you, that is, he said
   before laughing some more
and slapping me on the rump
   commanding me to jump,
Higher! Higher! he shouted
   and I heard a gun click
as sweat bubbled out of me
   and I began to get sick.
Stop that or I fucking shoot!
   You disgusting brute!
He kicked me in the balls
   till I doubled up.
Stand up straight! he roared.
   You contemptuous pup!
And he hit me on the head
   with the gun till I bled.
More mess! he bellowed.
   You’re worse than a pig.
Then he handed me a spade
   and ordered me to dig.

© Matthew Sweeney
from: unpublished
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Nackt

german

Zieh deine Schuhe aus, sagte er,
  und wirf sie ins Meer.
Zieh das Satinhemd aus,
  und gib es her,
und wenn es zu groß ist, zu knapp,
  dann knall ich dich ab.
Zieh die graue Cordhose aus,
  und wehe, sie kneift mich im Schritt.
Zieh die Unterhose aus,
  über die Augen damit,
mach dich derart blind von den Socken frei,
  wedel mit deinem Schwanz dabei
und achte nicht aufs Lachen, das ich
  dir schenke in dieser Schreckensstunde –
schrecklich für dich natürlich, sagte er,
  lachte noch ein bißchen mehr,
bevor er mir auf den Hintern schlug
  mich springen hieß und schrie:
Höher!, das ist nicht hoch genug!,
  und ich hörte, wie er den Gewehrhahn spannte,
während der Schweiß mir hinunterlief
  und Übelkeit mich übermannte.
Ich puste dich weg, wenn du dich nicht
  beherrschst, du ekelhafter Wicht!
Er trat mir in die Eier,
  bis ich mich krümmte und wand.
Gerade stehen!, brüllte er.
  Du unverschämter Hund!
Und mit dem Kolben schlug er dann
  auf meinen Kopf ein, bis Blut zu fließen begann.
Was für ein Dreck!, schrie er. Ein Schwein
  ist nichts gegen dich, verdammt noch mal.
Worauf er mir einen Spaten gab
  und mir zu graben befahl.

Übersetzt von Jan Wagner

My sister doesn’t

english | Fiona Wright

My sister doesn’t shop at Bankstown any more
because the drivers are all crazy, or else they all
hold both a licence and a pension card.
My sister says that Indians’ cars smell of ghee and curry,
that dashboard buddhas are a hazard,
and Taragos are Beirut Taxis.
It’s not racist if you hate everyone.
Or everyone who’s ever tried to kill you changing lanes.
We drive in Bankstown in my mum’s old car, on those days
when we’re the pork that’s roasting
out of season. My sister says the car is purple.
An African in a Santa suit
flaps a bell beside the car park, and my sister wants
to buy fur seatbelt holders from Big W.
There are too many one-way streets
and we get stuck on the wrong side of the station,
where 40-kilo boxes of washing powder
line up on special on the footpath and pigeons pick
at rotting lychees in the gutter. My sister says
she might buy a rice cooker for Mum. The sun is sharp
in the windscreen. My sister says the Greek boys park
without opening their eyes, or slowing down.
She has twice punctured tyres on the kerb here.

© Giramondo Publishing
from: Knuckled
Artarmon, Sydney: Giramondo, 2011
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

Nein, meine Schwester

german

Nein, meine Schwester kauft nicht mehr ein in Bankstown,
weil die Autofahrer entweder verrückt sind oder
beides haben, Rentnerausweis und Führerschein.
Daß die indischen Autos nach Curry und Butterschmalz riechen,
sagt meine Schwester, daß Buddhas am Armaturenbrett
gefährlich und Toyota Vans Taxis aus Beirut sind.
Man ist kein Rassist, wenn man alle haßt – die zumindest,
die einen beim Wechseln der Spuren fast umgebracht haben.
Wir fahren in Mamas Karre durch Bankstown, an jenen Tagen,
wenn wir der Schweinebraten sind, der zum falschen
Zeitpunkt schmort. Lila sei das Auto, sagt meine Schwester.
Ein Afrikaner im Weihnachtsmannkostüm
läutet sein Glöckchen beim Parkplatz, und meine Schwester
will Sicherheitsgurte aus Fell beim Billigmarkt kaufen.
Es gibt zu viele Einbahnstraßen und wir
verfransen uns auf der falschen Seite vom Bahnhof,
wo 40-Kilo-Packungen mit Waschpulver als Angebot
auf dem Gehweg stehen und die Tauben im Rinnstein
nach fauligen Litschis picken. Vielleicht kauft sie Mama
einen Reiskocher, sagt meine Schwester. Die Sonne sticht
durch die Windschutzscheibe. Sie sagt, daß griechische Jungs
mit geschlossenen Augen parken, ohne zu bremsen. Sie selbst
hat sich an diesem Bordstein zwei Platten geholt.

Aus dem Englischen übersetzt von Jan Wagner

Lilium

english | Fiona Wright

The evenings have grown sharp now.
Light slinks through the blind slats,
           the gaps beneath lintels.
The scent of liliums on my opening door.
The shower drips.
A tidemark of baked soup
          scums an empty bowl.
Blunt male laughter. The crunch
of bottles through ice.
The windows fidget
          as the trains pass.
The scent of liliums.
Their split pollen pods
           husked on the floor.

© Giramondo Publishing
from: Knuckled
Artarmon, Sydney: Giramondo, 2011
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

Lilium

german

Die Abende sind stechend geworden.
Licht stiehlt sich durch die Lamellen,
durch Spalten unter Fensterstürzen.
Der Duft von Lilien, als die Tür sich öffnet.
Die Dusche tropft.
Eine Flutmarke von überbackener Suppe
am Rand einer leeren Schüssel.
Derbes männliches Lachen. Das Knirschen
von Flaschen in Eis.
Die Fensterscheiben zucken,
wenn Züge vorüberfahren.
Der Duft von Lilien.
Gespalten ihre Pollenkapseln
am Boden, geschält.

Aus dem Englischen übersetzt von Jan Wagner

Do not throw stones at this sign

english | Matthew Sweeney

Do not throw stones at this sign
which stands here, in a stony field
a stone’s throw from the sea
whose beach is a mess of pebbles
since the sand was stolen for building,
and the few people who dawdle there,
rods in hand, catch nothing,
not even a shoe – might as well
bombard the waves with golfballs,
or wade in and hold their breath,
or bend, as they do, and grab a handful
of pebbles to throw at the sign,
and each time they hit they cheer
and chalk up another beer, especially
the man who thought up the sign,
who got his paintbrush and wrote
“Do Not Throw Stones At This Sign”
on a piece of driftwood which he stuck
in this useless field, then, laughing,
danced his way to the house of beer.

© Matthew Sweeney & Jonathan Cape
from: Selected Poems
London: Jonathan Cape, 2002
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Keine Steine auf dieses Schild schmeißen

german

Keine Steine auf dieses Schild schmeißen,
das hier auf diesem steinigen Feld steht,
einen Steinwurf weit vom Meer entfernt,
dessen Strand nichts als ein Haufen von Kieseln ist,
seit der Sand für Baustellen geklaut wurde,
und die wenigen Leute, die hier herumlungern,
fangen nichts mit ihren Angelruten,
nicht einmal einen Schuh – man könnte ebenso gut
die Wellen mit Golfbällen unter Beschuß nehmen
oder hineinwaten und die Luft anhalten,
oder, was sie ja tun, sich bücken und eine Handvoll
Kiesel nehmen, um das Schild zu bewerfen,
und bei jedem Treffer jubeln sie
und lassen sich noch ein Bier anschreiben, allen voran
der Mann, der die Idee mit dem Schild hatte,
der einen Pinsel holte und die Worte
„Keine Steine auf dieses Schild schmeißen“
auf ein Stück Treibholz schrieb, das er auf diesem
nutzlosen Feld aufstellte, um anschließend lachend
bis hin zum Haus des Biers zu tanzen.

Übersetzt von Jan Wagner

Kinglake

english | Fiona Wright

for Chewy and Ella

1
Short glass, the petrol gleam
         of the dark liquid. Expecting still
the black print of his fingers on its rim.

The terrible currency of searching –
his hands collect the downy weight of ash
and heavy emptiness

as others filled
with scattered teeth and jewellery.
Boiled flesh within water tanks.
White helmet. Monkey bars.

The smoke ghosting the rest of his platoon,
their limbs long and black. A silence
eucalypt and lunar.

2
How a burning piano must sing.
The years of oil on the cold keys
from your fingers’ skin
mellowing the timbre.

The full-throated tenor of the flame,
the crackling wood, the sharpened ping
         of each string’s tight, tuned snap.

Exploding eucalypts will echo in your chest
       years later.

Your orchard eaten into black dust.
I send you irises,
         and try to write
some kind of greening.

© Giramondo Publishing
from: Knuckled
Artarmon, Sydney: Giramondo, 2011
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

Kinglake

german

1
Ein kurzes Glas, der Benzinschimmer
           der dunklen Flüssigkeit. Er rechnet noch immer
mit seinen schwarzen Fingerabdrücken am Rand.

Die furchtbare Währung des Suchens –
seine Hände sammeln das flaumige Gewicht
von Asche ein, eine schwere Leere,

die Hände anderer sind gefüllt
mit verstreuten Zähnen, Juwelen.
Gekochtes Fleisch in Wassertanks.
Weißer Helm. Ein Klettergerüst.

Der Rauch spukt um die Reste seiner Truppe,
die Glieder lang und schwarz. Ein Schweigen,
eukalyptisch, mondhaft.


2
Wie ein brennendes Klavier wohl singen mag.
Jahre von Fett auf den kalten Tasten
von der Haut deiner Finger
machen die Klangfarbe weicher.

Der schmetternde Tenor der Flamme,
das knisternde Holz, das scharfe Klingen
bei jeder straff gestimmten Saite, die zerspringt.

Das Echo explodierender Eukalypten wird
           noch Jahre in deiner Brust sein.

Dein Obstgarten, zu schwarzem Staub zerfressen.
Ich schicke Schwertlilien,
           und schreibe dir, versuche es zumindest,
eine Art Ergrünen.

Aus dem Englischen übersetzt von Jan Wagner

ΔΙΓΑΜΑ (VI.)

greek | Dionýsis Kapsális

VI.

Φτάνοντας, στάθηκε πρὶν μπεῖ· ἀπὸ τὶς γρίλιες
τὸ ξεχασμένο φῶς σκορποῦσε θαλπωρὴ
ἔξω στὸ δρόμο ποὺ ξημέρωνε· μπορεῖ
σὰν ἀπὸ πλῆκτρα τ’ οὐρανοῦ ν’ ἄκουσε τρίλιες,

καὶ σὰν τὸ θρόισμα ὁμήγυρης ποὺ χίλιες
καὶ μία νύχτες γιόρτασε κι ἀποχωρεῖ·
κι ἴσως φαντάστηκε νὰ σβήνουν οἱ χοροί,
οἱ τελευταῖες –σ’ ἕνα βύθισμα– καντρίλιες.

Κάποιο σκοτάδι τοῦ σπιτιού τους εἶχε πάρει,
σὲ κάποιο γύρισμα καιροῦ εἶχαν χαθεῖ·
γιατί ἀνοίγοντας τὴν πόρτα, στὸ βαθὺ

ποὺ πῆρε ἡ μέρα νὰ χαράζει κεχριμπάρι,
εἶδε μεμιᾶς ὅπως ἀστράφτει ἕνα σπαθὶ
τὴ δόξα ὅλη νά ’χει φύγει καὶ τὴ χάρη.

© Agra Publications & Dionýsis Kapsális
from: ΔΙΓΑΜΑ
Agra Publications, 1988
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2009

Digamma VI.

german

Er kam, blieb stehen; auf das Straßenpflaster,
das Dämmern, fiel durch die Lamellen Wärme
von lang vergessnem Licht, und wie von ferne
vernahm er Triller von den Himmelstasten,

das Rauschen der Geselligkeit, das Brausen
der Feiernden nach einer Nacht und tausend.
Kann sein, er dachte, daß die die letzte Runde
getanzt sei, die Quadrillen längst verschwunden.

Daß sie die Hausesschwärze schon verschluckte
oder ein Zeitenstrudel sie verschlinge;
denn als er durch die Tür nach drinnen guckte,

wollte der Tag schon bernsteingelb beginnen
und wie durchtrennt vom Blitzen einer Klinge
die Freude, aller Glanz ein Ende finden.

Deutsche Fassung von Birgit Hildebrand / Jan Wagner

ΔΙΓΑΜΑ (IV.)

greek | Dionýsis Kapsális

IV.

Ὁ ουρανὸς δὲν ἔχει ἄλλες ἱστορίες,
ἄλλο σκοτάδι, φῶς κρυφὸ ποὺ δὲν εἰπώθη,
ἄλλη ψυχὴ νὰ τοῦ χαλᾶμε γιὰ νὰ κλώθει
πολέμους, ἔρωτες, λαμπρὲς ἐκεχειρίες.

Ὅμως ἀπόψε ποὺ εἶχε θέατρο νὰ φύγει,
πορφύρας ἄπλωμα γιὰ τὴν ὑπόκλισή του,
μὲ πυρπολεῖ τὸ φῶς μὲ δάφνες τοῦ ἀπροσίτου,
ὅλα ἰσχύουν καὶ μιὰ δόξα τὰ τυλίγει.

Ὅλα πυργώνουν, πάλι πέφτουν, καὶ βραδιάζει
στὰ χρονικὰ τοῦ ἔρωτα καὶ τοῦ θανάτου,
σκόνη καὶ σκύβαλα, συντρίμματα καὶ χνῶτα·

ἕνα μικρὸ παιδὶ μὲς στὰ σκεπάσματά του
ἀνοίγει πάλι λίγο κόσμο καὶ διαβάζει
πρὶν κοιμηθεῖ σ’ ἕνα παράπονο ἀπὸ φῶτα.

© Agra Publications & Dionýsis Kapsális
from: ΔΙΓΑΜΑ
Agra Publications, 1988
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2009

Digamma IV.

german

Nicht andere Geschichten gibt’s im Himmel,
kein andres Licht, kein Dunkel zu entdecken
und keine Seele, die verdirbt, um auszuhecken
Amouren, große Taten, Kriegsgewimmel.

Doch heute inszeniert er sich am Bühnenrand
mit rotem Vorhang, knickst. Mit Lorbeeren
des Unerreichbaren steckt mich das Licht in Brand,
und alles scheint mir wahr, beglänzt von Ehren.

Alles steigt auf, stürzt wieder ab, das Dunkel
legt sich auf Todeschronik, Liebessagen,
Scherben und Spelzen, Dünste, Staub und Sand;

unter der Decke liegend schlägt ein Junge
erneut die Welt auf, liest, bis unter einer Klage
aus Lichtern Schlaf ihn schließlich übermannt.

Deutsche Fassung von Birgit Hildebrand / Jan Wagner

ΔΙΓΑΜΑ (I.)

greek | Dionýsis Kapsális

I.

Ἀκόμη κατεβάζει λύματα ὁ αἰθέρας :
στὸ ἐπουράνιο πλυσταριὸ πλένουν τὴ σκάφη
τόσων ἐξαγνισμῶν· οἱ φίλοι μου, σινάφι
σκεπτικῶν ἀνθρώπων στὸ ξάκρισμα τῆς μέρας,

μεταποιοῦν τὰ περσινά τους πάθη, βγαίνουν
στοὺς πλειστηριασμοὺς τῆς νύχτας φωτισμένοι
μὲ μιὰν ἀδιάκριτη φροντίδα κι ὀμορφαίνουν,
στ’ ἀγγελικὰ κατάστιχα ἰσολογισμένοι.

Κι ὅ,τι ξεκίνησα νὰ πῶ νὰ περισσεύει :
μὲ σκοτεινὰ ἀνταλλάγματα, μὲ προσποιήσεις,
τὸ φέρνω παίζοντας στὰ λόγια μου, ξεφεύγει,

ὅταν πληθαίνουνε τοῦ πόνου οἱ συναρτήσεις,
περνάει στὶς πράξεις τῶν ἀγγέλων ποὺ ἀνὰ ζεῦγη
διαπραγματεύονται τὶς μέλλουσες βαπτίσεις.

© Agra Publications & Dionýsis Kapsális
from: ΔΙΓΑΜΑ
Agra Publications, 1988
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2009

Digamma I.

german

Noch rauscht das Wasser schmutzig aus dem Äther:
Man spült den Sühnetrog im Himmel aus.
Die Zunft der Freunde, allesamt zuhaus
im Denken, resümiert den Tag, um später

des Vorjahrs Leidenschaften zu verdauen, sucht
die nächtlichen Auktionen auf, sich ganz
bewußt der Sorgen und dank des Bilanz-
ausgleichs der Engel schöner, abgebucht.

Was mich zu sagen drängt war zu gewichtig:
Ich faß es spielerisch ins Wort, mit Faxen
und dunklen Tauschgeschäften; es wird nichtig,

sobald die Schmerzkonstellationen wachsen,
wird zu der Tat von Engeln, die in Paaren
die zukünftigen Taufen vereinbaren.

Deutsche Fassung von Birgit Hildebrand / Jan Wagner

Iomallachd

scottish gaelic | Meg Bateman

Chan eil iomallachd sa Ghaidhealtachd ann –
le càr cumhachdach
ruigear an t-àite taobh a-staigh latha;
’s e luimead na h-oirthir
a shàraich na daoine
is a chuir thar lear iad
a tha gar tàladh-ne an-diugh,
na làraichean suarach a dh’fhàg iad,
cho miannaichte ti gin san rìoghachd.

Och, an iomallachd, càit a bheil thu?
Càit ach air oir lom nam bailtean,
sna towerblocks eadar motorways
far am fuadaichear na daoine
gu iomall a’ chumhachd,
an aon fhiaradh goirt nan sùilean
’s a chithear an aodann sepia nan eilthireach
(a bha mise riamh an dùil
gum biodh an Nàdar air dèanamh àlainn).

© Meg Bateman

Randlage

german

Die Highlands sind nichts Entlegenes mehr -
ein Auto mit starkem Motor
kann sie in einem Tag erreichen.
Die Kargheit ihrer Küsten war es,
die einst die Menschen zermürbte
und sie übers Meer trieb;
uns hingegen zieht sie an -
der klägliche Grund, den sie hinter sich ließen,
ist begehrter als jeder andere hierzulande.

Ach, Abgeschiedenheit, wo gibt es dich noch?
Wo, wenn nicht in den kargen Vorstädten,
in Hochhaussiedlungen zwischen Autobahnen,
von wo die Menschen vertrieben werden
an die Peripherie der Macht -
in ihren verzagten Blicken derselbe Schmerz
wie in den vergilbten Gesichtern der Auswanderer
(von denen ich immer angenommen hatte,
daß die Natur sie mit Schönheit geadelt hätte).

Übersetzt von Jan Wagner

In the dust

english | Matthew Sweeney

And then in the dust he drew a face,
the face of a woman, and he asked
the man drinking whiskey beside him
if he’d ever seen her, or knew who she was,
all the time staring down at her, as if
this would make her whole. And then,
at the shake of the head, he let his boot
dissolve her into a settling cloud.
He threw another plank on the fire,
drained his glass and filled it again,
watching his dog rise to its feet
and start to growl at the dirt-road
that stretched, empty, to a hilly horizon.
A shiver coincided with the dog’s first bark,
that doubled, trebled, became gunfire
that stopped nothing coming, so he stood
to confront it, but not even a wind
brushed his face, no shape formed,
and after the dog went quiet, a hand
helped him sit down and rejoin his glass.

© Matthew Sweeney & Jonathan Cape
from: Sanctuary
London: Jonathan Cape, 2004
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Im Staub

german

Und dann malte er ein Gesicht in den Staub,
das Gesicht einer Frau, und er fragte
den Mann, der neben ihm Whiskey trank,
ob er sie jemals gesehen habe, ob er sie kenne,
und starrte dabei die ganze Zeit das Bild an, als könne
das sie ganz werden lassen. Und dann,
als jener den Kopf schüttelte, ließ er sie mit dem Stiefel
in einer Wolke verschwinden, die sich langsam legte.
Er warf noch ein Brett ins Feuer,
kippte das Glas hinunter, füllte es erneut,
sah zu, wie sein Hund sich erhob
und den Feldweg anzuknurren begann,
der leer war und sich am bergigen Horizont verlor.
Ihn fröstelte beim ersten Bellen des Hundes,
das noch zweimal, dreimal so heftig, ein Gewehrfeuer wurde,
das nichts, was da kam, aufhielt, und so stellte er selbst
sich ihm entgegen, doch nicht einmal ein Wind
strich über sein Gesicht, nichts nahm Gestalt an,
und als der Hund sich beruhigt hatte, führte
eine Hand ihn sanft zurück zu Stuhl und Glas.

Übersetzt von Jan Wagner

Honey

english | Fiona Wright

I’m wearing a little thin
            dress and the space
between buildings and sky honeys.
The road narrows – this,
the treacle time of day
             when dogs spill their tongues
             under fading hydrangeas
and there’s a meltdown of population. How crisp
the lines of buildings, tethering
zebra crossings to broken phone booths,
the hilled horizon
             to the highway shuddering by.

© Giramondo Publishing
from: Knuckled
Artarmon, Sydney: Giramondo, 2011
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

Honig

german

Ich habe ein zartes, dünnes
            Kleid an, und die Fläche
zwischen Häusern und Himmel wird Honig.
Die Straße verengt sich – diese
Sirupzeit des Tages,
            wenn Hunden die Zunge überschwappt
            unter welken Hortensien
und die Bevölkerung schrumpft. Wie frisch
die Häuserzeilen wirken – sie verknüpfen
Zebrastreifen mit kaputten Telefonzellen,
den bergigen Horizont
            mit der Autobahn, die vorüberbebt

Aus dem Englischen übersetzt von Jan Wagner

Getting Sick

english | Tim Lilburn

I dug a slot into no address,

I dug a slot warm as a hand into the water of the air.

The eye seeing me is a charred-wood backed river cannonballing

through badlands      badly disciplined, lizardly hills, water in mitres

of cinder freighting necessity’s weight past my head on the ground sleeping,

the eye’s windy mouth, love-yanked love wall; pines triple axel in it.

Coal-masked generosity, no name.


*

Two years we were stubbed on the floor, bone-eared, smoke-cheeked.

Urgency, in a torn gown, held my chin between its thumb and index finger

and unreined its face lunging

into my face, its face a foot from mine cataracted, and said

a single word a day from a pack of ten.

I put my finger in its mouth, and, then, sick, was triaged

up barely blacksmithed, leprechaun, lignin creeks

that were unloading the hills,

its nose a foot from my face,

bonemeal, burnt wire creeks,

flicker of antler, thinlipped cat, graphite dust, no cartilege

creeks, I followed them up, with a bag of burnt sand, bag

of swung sticks, pushed in shopping cart, building materials for the very

top, the static of Europe bulging my knee.

I dug a slot into no address,

my knee geigered a snailheaded ghost, an unread Chaldean library

            below the hover of Plato’s soul.

In small stones houses, violet field were artillerying from a century ago

under the floors.

© Tim Lilburn
from: unpublished
Audio production: 2007, Literaturwerkstatt Berlin

Erkranken

german

Ich zog einen Graben ins Anschriftlose.
Ich zog einen Graben, handwarm, in das Wasser der Luft.
Das Auge, das mich sieht, ist ein Fluß mit dem Rücken
verkohlten Holzes, Kanonade
durchs Ödland, unbändige Hügel, echsenhaft, Strömung in Mitren
aus glimmendem Kien, die das Gewicht des Notwendigen
vorbeischafft an meinem auf Erde schlafenden Kopf,
der windige Mund des Auges, liebesgeraffte Nachtwand; Kiefern beim
Dreifachaxel.
Mit Kohle maskierte Großmut, namenlos.


*
Zwei Jahre lagen wir zerschlagen am Boden, knochenohrig, rauchwangig.
Die Dringlichkeit in ihrem zerrissenen Kleid
hielt mein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger,
entfesselte ihr Gesicht, daß auf meines
sich stürzte, Kaskadengesicht, eine Handbreit entfernt, zog
tagtäglich ein einziges Wort aus dem Zehnerpack.
Ich steckte ihr einen Finger in den Mund
und wurde dann, krank wie ich war, noch kaum beschmiedet
nach oben beordert, zu Kobolds- und Ligninbächen,
die Hügel entluden,
ihre Nase eine Handbreit vor meinem Gesicht;
Bäche aus Knochenmehl, verschmortem Draht,
Geweihgeflirr, dünnlippige Katze, Graphitstaubbäche,
knorpellos, denen ich folgte, bergan mit einem Sack verbrannten Sandes,
einem Sack voller Knuten im Einkaufswagen, Baumaterial für den höchsten
Gipfel, während mein Knie in Europas atmosphärischer Störung anschwoll.
Ich zog einen Graben ins Anschriftslose,
mein Knie ergeigerte einen Schneckenkopfgeist, eine ungelesene chaldäische
                Bibliothek unter Platons schwebender Seele.
In kleinen Steinhäusern, aus hundert Jahren Entfernung, der Geschützlärm der
                Veilchenwiesen unter den Böden.

Aus dem Englischen von Jan Wagner
Die Übersetzung entstand im Rahmen des Übersetzungsworkshops Versschmuggel
des Poesiefestivals Berlin 2007

Envoi

scottish gaelic | Meg Bateman

Chunnaic mi eadar-theangachadh de dhàn agam   
ann an duanaire de bhàrdachd ghaoil à Alba,
agus bu neònach leam gun robh an càirdeas
nach do mhair agamsa ach trì seachdainean,
ged a luidir an t-uisge-stiùir mi fad bhliadhnachan,
an sin an ainm a’ ghaoil a mhaireas.

Bu neònaiche buileach na h-ìomhaighean,
cuid a ghineadh ann an òrain Ghàidhlig eile,
cuid a tharraing saighead a’ chomhardaidh a-nuas,
is iad nan seasamh gu borb sa Bheurla,
gun iomradh fiù ’s gum b’i a’ Ghàidhlig
a’ bhean-ghlùine no am bogha.
 
Bitheadh an tàcharan ag imeachd -
tha a chaolan dhomhsa air a sgaoileadh;  
ma labhras e ri feadhainn mun ghaol shìorraidh
gach beannachd leotha ’s guma fada beò an gaol ac’,
ach gur leamsa an taisbeanadh cinnteach àraid    
nach ionann fìrinn na beatha is fìrinn na bàrdachd.

© Meg Bateman

Envoi

german

Ich las die Übersetzung eines meiner Gedichte
in einer Sammlung schottischer Liebeslyrik
und fand es seltsam, daß ein Verhältnis,
dem nur drei Wochen gegeben waren
(nach dessen Ende ich aber noch lange um Atem rang),
in diesem Buch für die ewige Liebe stand.

Noch seltsamer war es, die Bilder zu sehen -
einige aus gälischen Liedern,
andere vom Pfeil eines Reims erlegt -,
die sich reichlich nackt im Englischen wiederfanden,
ohne Hinweis darauf, daß Gälisch
ihre Hebamme oder der Bogen war.

Doch soll dieser Wechselbalg seinen Weg nur machen -
die Nabelschnur zu mir ist längst durchtrennt;
wer ewige Liebe heraushören möchte,
dessen Liebe soll mit Dauer gesegnet sein;
mir selbst sei die Erkenntnis genug,
daß die Wahrheit des Lebens nicht die der Dichtung ist.

Übersetzt von Jan Wagner

Eel Farm

english | Fiona Wright

For Jane

To her, they never slithered –
                  rather a rustling, the stiff
texture of their mystery
still dark and truffled
         on her tongue. They hung,

mummified limbs twisting
         from the smokehouse ceiling,
their mean eyes bulbous in surprise
                  as the walnut skin
contracted from their sockets.

She kept the wood fire burning,
         felt the hiss and cracked static
                 across her face, her own flesh
         growing heavy on its flavour.

Test Cricket crackled
        by the dam, she’d watch her uncle sit
suspended like his fishing lines
between the brackish water
          and old newspapers: the hours of waiting
for the thin rustle
of their harvest.

© Giramondo Publishing
from: Knuckled
Artarmon, Sydney: Giramondo, 2011
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

Aalzucht

german

Glitschig erschienen sie ihr nie –
ein Rascheln eher, die steife
Textur ihres Geheimnisses
noch immer dunkel, trüffelgleich
auf ihrer Zunge. Sie hingen

als mumifizierte Glieder, wanden
sich von der Räucherkammerdecke,
die bösen Augen wulstig vor Verblüffung,
seit ihre Walnußhaut
sich von den Höhlen zurückzog.

Sie schürte das Holzfeuer,
spürte das Fauchen, das knackende Rauschen
auf ihrem Gesicht, und ihr Fleisch
wurde schwer von seiner Würze.

Das Cricketländerspiel knisterte
beim Wehr, sie sah ihren Onkel dort sitzen
wie aufgehängt, ganz wie die Angelschnüre
zwischen brackigem Wasser
und alten Zeitungen: Stunden des Wartens
aufs feine Rascheln
ihres Ertrags.

Aus dem Englischen übersetzt von Jan Wagner

Crossing

english | Fiona Wright

First, the dust cross-pollinates.
Guards in saggy khaki scratch
their noses, spit phlegm
before their stamps rubber
          onto our watermarked papers.
The road is thick. Wads of paper money.
Laundry bags,
and swift exchanges,
the litter of planky rickshaws
         and the speeding limbs of cobble-chested boys.
They drag past crates of cigarettes, munitions
         and pickled pythons, their bulb-like elders
sweep their hands and beam broadly at pink casinos.
Ribby women swagger under gemstones
         and rub their tongues over their teeth:
Perhaps there is no law
but human enterprise, the thick illicit
        and a price for everything.

© Giramondo Publishing
from: Knuckled
Artarmon, Sydney: Giramondo, 2011
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

Grenzübergang

german

Zunächst die Fremdbestäubung des Straßenstaubs.
Grenzwachen in verbeultem Khaki kratzen
sich an der Nase, spucken Schleim aus,
bevor ihre Stempel aufs Wasserzeichen
           unserer Ausweise schlagen.
Die Straße ist dicht. Papiergeldbündel.
Wäschesäcke
und schnelle Wortwechsel,
ein ganzer Wurf von Planken-Rikschas,
           die flinken Körper kopfsteinbrüstiger Burschen.
Man schleppt Kisten vorbei, Zigaretten, Munition
und eingelegte Pythons, die knollenhaften Ältesten
breiten die Arme aus, strahlen vor rosa Kasinos.
Rippige Frauen stolzieren juwelenbehängt
           und reiben mit der Zunge an den Zähnen:
Vielleicht gibt es kein Gesetz,
nur Menschengeschäfte, diese dichte Halbwelt
und einen Preis für alles.

Aus dem Englischen übersetzt von Jan Wagner

Crìonag-Bhuidhe

scottish gaelic | Meg Bateman

Brag ris an uinneig
is togaidh mi às an fheur
dà òirlich de dh’eun
is òirleach eile de dh’earball,
snàthad de gob,
brù air dath na sòbhraig,
cridhe ga riasladh ri m’ fhear-sa mall.

Càraichidh mi mo bhilean air a cheann,
sròl ri clòimh,
stuth a laigh sa ghrèin òig,
an duslach na talmhainn,
an uisgeachan nam marannan,
a sheòlas a-steach air ospaig rèil dhuibh
an aiseid iùinibhears air taobh thall na tìme...

Ach a-nochd tha a’ bheatha a’ brùthadh nad fhèithean
is èiridh tu bhom bhois ann an sgiathalaich uaine.

© Meg Bateman

Weidenlaubsänger

german

Ein dumpfer Schlag gegens Fenster,
und ich finde im Gras
zwei Zoll Vogel
samt einem Zoll Schwanz
nadeldünnem Schnabel
primelgelbem Bauch
und einem Herz das gegen mein ruhiges antrommelt.

Ich lege meine Lippen an seinen Kopf,
Seide auf Flaum,
die gemeinsam in der noch jungen Sonne lagen,
im Erdenstaub,
im Wasser der Meere,
und dereinst durch ein schwarzes Loch gleiten werden,
das einen Kosmos auf der anderen Seite der Zeit gebiert...

Doch heute nacht strömt das Leben durch deine Adern,
und du fliegst, ein grüner Wirbel, auf von meiner Hand.

Übersetzt von Jan Wagner

Ceòl san Eaglais

scottish gaelic | Meg Bateman

’S toil leam an coithional a fhreagras gu greannach,
dòchas a’ dìosgail tro bheathannan doirbhe,
’s toil leam còisirean ghuthanna geala,
solas a’ lìonadh àiteachan dorcha;

Ach is annsa leam an coithional nach seinn ach meadhanach –
an salmadair nach buail air na puingean àrda,
an tè a cheileireas os cionn na h-uile,
an t-òrganaiche a thòisicheas air rann a bharrachd;

Oir ’s ann an sin a thèid an gaol a dhùshlanachadh,
eadar àilleasachd is dìomhanas is breòiteachd dhaonna,
’s ann an sin ge b’ oil leam a nochdas am beannachadh –
am fios nach eil lorg air ceòl nas binne.

© Meg Bateman

Gesang in der Kirche

german

Ich mag das Brummeln der Gemeinde,
das Krächzen der Hoffnung in einem harten Leben,
ich mag die klaren Stimmen der Chöre,
das Licht, das an dunkle Orte dringt;

doch am liebsten ist mir ein Durchschnittsgesang,
der Vorsänger, der die hohen Töne nicht trifft,
die Frau, die lauter als alle anderen trällert,
der Organist, der über den Schluß hinausspielt.

Hier ist ein Nährboden für die Liebe,
zwischen Selbstüberschätzung, Eitelkeit, menschlicher Schwäche;
vor diesem Hintergrund offenbart sich der Segen,
die unvergleichliche Süße dieser Musik.

Übersetzt von Jan Wagner

Cìocharan

scottish gaelic | Meg Bateman

An glasadh an latha
tha thu ag òl gu dian,
do shùilean ag amharc bhuat
gun bhrìgh na duinne dhomh;
tha ùghdarras sa ghrèim
a th' aig do dhà làimh air a' chìch,
is d' òrdagan a' pronnadh mo bhlian
ri caismeachd dhìomhair.

Feasgar nì thu brìodal:
nì thu dinneadh air an t-sine
is nì thu gàire 's i ag èirigh,
nì thu caogadh ri Dad mun cuairt oirre
is briosgaid na do dhòrn...

Ach a dh'oidhche
cha chuilean meata thu -
cha tàlaidh pòg air do bhilean thu
no duanag ga cagairt na do chluais -
spìonaidh do chorragan mo ghùn
agus le raoic asad dhan dorchadas
agraidh tu do chòir mar bu dual.

© Meg Bateman

Säugling

german

Bei Tagesanbruch
trinkst du begierig,
dein Blick ist stet,
die Augen braun und unergründlich;
besitzergreifend hältst du
meine Brust umfaßt,
und deine Zehen kneten meinen Bauch
in einem mir fremden Takt.

Abends wirst du zärtlich:
du drückst meine Brustwarze,
lachst, wenn sie sich aufrichtet,
und zwinkerst, einen Keks in der Hand,
deinem Vater zu.

Nachts aber, nachts bist du alles
andere als ein Schoßhündchen,
kein Kuß auf den Mund kann dich beruhigen,
kein Liedchen an deinem Ohr -
deine Finger zerren am Morgenrock,
als du ins Dunkel brüllend
auf deinem Erbrecht bestehst.

Übersetzt von Jan Wagner

A Surgery Against Angelism

english | Tim Lilburn

Set a fat layer of fire grazing into the chest of engine heat, breast-

stroking against motion perfuming from the sickness of volt swollen inhalations. Let

this heat sag to a half-eaten meal not its own; let it eat rods,

iron shavings, green stones, dead yarrow, words head-firsting

from a rock overhang in the upper right, a skeleton of a seal; let it learn to heave-hiss

through its mouth the complete psalmic blade.

Five pound fire gravities against hurtling’s musk.

In the chest of engine heat, a concussed floor;

whipped light heads cough in blow’s trampoline, and choir above their husks, they lurch

     into a blurred but, yes, readable circle, moving, yes, the gear

 that jacks the cranial dome.

You go into the fish’s mouth which is Siberian citizenship,

into the fish’s mouth which is the body of a cousin at the volcano’s wedding.

We come out of the colon tunnel onto the ledge, sweet-looking antlers

     to smoke from the cloud deer. We’ve built a shack out of this numbnutsness,
We’ve hidden in this long grass. A stick will cure us.

Your eyes in the fish’s gut are moved like a wand around the dark.

The knife snugs down through skin.     And this is politics.

© Tim Lilburn
from: unpublished
Audio production: 2007, Literaturwerkstatt Berlin

Ein operativer Eingriff gegen Spiritualismus

german

Laß eine Fettschicht aus Feuer in die Brust der Motorenhitze kriechen, brust-
schwimmen gegen die Bewegung, den Geruch, der von der Krankheit voltgeblähten
                                                                                              Atemholens aufsteigt. Laß
diese Hitze sich senken auf eine halbverzehrte Mahlzeit, die nicht ihre ist; laß sie
                                                                                             Speichen essen,
Eisenspäne, grüne Steine, verdorrte Schafgarbe, Worte, die sich kopfüber
vom Felsüberhang rechts oben stürzen, ein Seehundgerippe; laß sie lernen, die ganze
                                                            Psalmenklinge durch ihren Mund herauszuzischen.
Ein Fünfpfundfeuer schwerkraftet gegen den Moschus des Stürzens.
In der Brust der Motorenhitze ein erschütterter Fußboden;
herausgepeitschte Lichtkörner husten im Hiebetrampolin, stehen als Chor über ihren Spelzen,
           fallen in einem verschwommenen aber, ja, lesbaren Kreis zusammen,
                       bewegen sich, ja, als Getriebe, das die Schädelkuppel anhebt.
Du gehst ins Maul des Fisches, der die sibirische Staatsbürgerschaft ist,
ins Fischmaul, den Körper eines Cousins beim Hochzeitsfest des Vulkans.
Wir treten aus dem Kolontunnel aufs Sims hinaus, bringen süßäugig die Geweihe dazu,
als Rauch aus dem Wolkenhirsch zu steigen. Wir haben uns eingerichtet in dieser Idiotie,
im hohen Gras versteckt. Ein Stock wird uns heilen.
Deine Augen im Gedärm des Fisches werden wie ein Zauberstab durchs Dunkel bewegt.
Das Messer schmiegt sich durch die Haut. Und dies ist Politik.

Aus dem Englischen von Jan Wagner

Ugh Briste

scottish gaelic | Meg Bateman

(Do Cholm, air trì bliadhna a dh’aois)

Sheas thu air ugh na Càsga
a bh’ agam bho aois m’ òige
’s tu dannsadh mun teine, cas-rùisgte.

Smaoinich mi mar a chomarraicheadh na Sìnich
le duilleig de dh’òr
an sgoltadh a bhiodh ann an soitheach briste,
 is iad a’ dèanamh toileachas às a bhreòiteachd,
às a chàradh eadar bith is neo-bhith...
ach ’s ann a bha an t-ugh na mhìle pìos.

Is ged nach robh càil de bhreòiteachd
mun ràn a thàinig asad
’s tu bàthadh a’ chiùil ris an robh thu a’ dannsadh,
no mu na deòir theth bha a’ taomadh far do ghruaidhean,
chuirinn-sa òr air do chràdh aig an àm ud
’s tu ag aithneachadh nach buan a’ bhòidhchead.

© Meg Bateman

Zerbrochenes Ei

german

(für Colm im Alter von drei Jahren)

Du hast ein Osterei zertreten,
das ich seit der Mädchenzeit aufbewahrte,
als du barfuß ums Feuer getanzt bist.

Ich mußte daran denken, wie man in China,
wenn ein Gefäß gesprungen war,
den Riß mit Blattgold hervorhob
und sich an der Zerbrechlichkeit erfreute,
an seinem Schweben zwischen Sein und Nichtsein...
das Ei aber lag in tausend Stücken da.

Und obwohl dein Gebrüll,
das die Musik, zu der du noch eben
getanzt hattest, übertönte,
alles andere als zerbrechlich war,
so wenig wie die heißen Tränen,
die über deine Wangen rannen,
nähme ich Blattgold, höbe ich den Schmerz hervor,
der dich durchfuhr, als du merktest, daß Schönheit vergeht.

Übersetzt von Jan Wagner

Hair

english | Matthew Sweeney

Imagine a rain of hair
from all the barber shops in China
falling on the world.
Imagine the first clumps dropping
softly on your face.
Reach up and rub some
between your fingers.
But soon the ground is covered
and hair keeps falling –
and among the loose hair
pigtails, ponytails, wigs.
And now blond northern hair
has joined the black and brown.
Dog hair, too, wool even,
and you’re brushing it into piles
but burnt, it stinks to heaven.
Buried, it comes back out
or that’s what it looks like
when more covers the graves.
And now you’re swallowing some
and it’s snarling your guts,
and your eyes are stinging
and it’s filling up your nose,
so grab a few handfuls,
better still, cut your own off,
braid it into a rope and strangle
yourself. Then lie there
till the hair dissolves your corpse.

© Matthew Sweeney & Jonathan Cape
from: Sanctuary
London : Jonathan Cape, 2004
Audio production: 2006, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Haare

german

Stell dir vor, die Haare
sämtlicher Friseurgeschäfte Chinas
regneten auf die Welt hinab.
Stell dir vor, wie die ersten Büschel weich
auf deinem Gesicht landen.
Nimm welche und reibe
sie zwischen den Fingern.
Doch schon bald ist der Boden bedeckt
und noch immer regnet es Haare –
und zwischen den losen Haaren
Zöpfe, Pferdeschwänze, Perücken.
Und jetzt mischen sich blonde Haare aus dem Norden
unter die schwarzen und die braunen.
Auch Hundehaare, sogar Wolle,
und du kehrst all das zu Haufen zusammen –
die zum Himmel stinken, wenn man sie verbrennt.
Vergräbt man das Ganze, kommt es wieder hervor,
zumindest sieht das so aus,
wenn neue Haare die Gräber bedecken.
Und jetzt verschluckst du welche
und sie verknoten dir das Gedärm,
und sie stechen in den Augen
und verstopfen deine Nase,
also nimm dir ein paar Handvoll,
oder besser noch, schneide deine eigenen ab,
flicht ein Seil aus ihnen und
stranguliere dich selbst. Bleib dort liegen,
bis Haare deine Leiche zersetzen.

Übersetzt von Jan Wagner

Ealaghol: Dà Shealladh

scottish gaelic | Meg Bateman

Choimhead mi an t-seann cairt-phuist,
na taighean mar fhàs às an talamh,
na h-aonaichean nam baidealan os an cionn,
nan comharra air mòrachd Dhè,
mus d’ rinneadh goireas de bheanntan,
no sgaradh eadar obair is fois,
eadar an naomh is an saoghalta….
is shìn mi chun a’ bhodaich i.

“Eil sin cur cianalas ort, a Lachaidh?”
dh’fhaighnich mi, ’s e na thost ga sgrùdadh.
“Hoi, òinseach, chan eil idir!
’s e cuimhne gun aithne a bh’ agam oirre-se,”
is stiùir e ri bò bha faisg oirnn san deilbh,
“Siud a’ Leadaidh Bhuidhe, an dàrna laogh aig a’ Leadaidh Bhig –  dh’aithnichinn, fhios agad, bò sam bith
a bhuineadh dhan àite sa rim bheò.”

© Meg Bateman

Elgol: Zwei Ansichten

german

Ich sah mir die alte Ansichtskarte an,
die Häuser, die aus dem Boden zu wachsen schienen,
die Gipfel, die hinter ihnen aufragten,
um Gottes Herrlichkeit zu preisen,
bevor man die Berge zu verwalten begann,
die Arbeit vom Vergnügen trennte,
Heiliges von Weltlichem...
und reichte sie dem alten Mann.

"Wirst du da wehmütig, Lachie?", fragte ich ihn,
als er sie schweigend unter die Lupe nahm.
"Wehmütig? Iwo. Ich habe nur versucht,
mich an ihren Namen zu erinnern",
und er zeigte auf eine Kuh im Vordergrund.
"Die Gelbe Gräfin, zweites Kalb der Roten -
Undenkbar, daß ich eine Kuh
aus dieser Gegend nicht erkenne."

Übersetzt von Jan Wagner