Gabriel Rosenstock 
Translator

on Lyrikline: 74 poems translated

from: russian, german, irish to: irish, english

Original

Translation

УРОК ПЕНИЯ

russian | Wjatscheslaw Kuprijanow

Человек
изобрел клетку
прежде
чем крылья

В клетках
поют крылатые
о свободе
полета

Перед клетками
поют бескрылые
о справедливости
клеток

© Вячеслав Куприянов
Audio production: Вячеслав Куприянов, 2013

CEACHT AMHRÁNAÍOCHTA

irish

Chruthaigh an duine

an cás

sular chruthaigh sé

sciatháin

 

Sa chás

canann treibh na sciathán

faoi shaoirse

na heitilte

 

Sula raibh cás ann

chan an treibh gan sciatháin

agus mholadar

an cás chun na spéire

Irish Translation: Gabriel Rosenstock

[wolkiger himmel. am bildrand liegen äste aus]

german | Nico Bleutge

wolkiger himmel. am bildrand liegen äste aus
gestreckt über dem wasser, die langen finger

greifen weit hinaus und halten das meer
in der bucht. beim genauen hinsehen

ist der horizont nicht glatt, sondern fein
geriffelt, das licht kommt immer ein wenig zu früh

oder zu spät aus den wellen zurück, je nachdem
wie schnell sich die augen scharf stellen

sie laufen dem glanz hinterher, den ästen
reicht diese zeit völlig aus, sie bleiben weich

und fest in der haut, an den händen
schaukelt das wasser sich auf und der dunst

verwischt bald die konturen, die kleinen rillen
am rand des bildes, der fingerkuppen.

© Verlag C.H.Beck
from: klare konturen
München: Verlag C.H.Beck, 2006
Audio production: 2003, Literaturwerkstatt Berlin

[cloudy sky. at the edge of the picture branches]

english

cloudy sky. at the edge of the picture branches
lie stretched across the water, the long fingers

reaching far beyond and holding the ocean
at bay. Seen closer

the horizon isn’t smooth but subtly
ribbed, the light rebounds from the waves

always a little too early or too late, depending on
how quickly the eyes can focus

they run after the lustre, for the branches
that time span is quite sufficient, they stay soft

and firm in the skin, on the hands
the water builds up and the mist

soon blurs the contours, the small grooves
at the edge of the picture, the fingertips

Translated by Hans-Christian Oeser and Gabriel Rosenstock

[rauher kalk. die aufgespannten drähte]

german | Nico Bleutge

rauher kalk. die aufgespannten drähte
gaben der veranda genau jene dichte

ordnung, die der blick mit seiner schärfe aus-
zuhebeln schien. die hart gesetzten linien

und kanten. das knistern der spatzen im schlaf
der aus den pinien rieselte. war es der ton

der kahlen stämme das stete anfließen
des wassers gegen die steine. felsplatten

darunter der abgeschliffene beton. kalk
und teilchen aus glas. ein leichter pfad

von der braue ans ohr. gespannter draht
hielt sich die sicht in seinem raum dagegen

rollte es. noch immer kalk. der sich so lang
von einem rand betasten ließ.

© Verlag C.H.Beck
from: klare konturen
München: Verlag C.H.Beck, 2006
Audio production: 2003, Literaturwerkstatt Berlin

[pebble dash the stretched wires]

english

pebble dash the stretched wires
gave to the veranda precisely that dense

order which the gaze with its sharpness
seemed to undo. the severe lines

and edges. the crackling of the sparrows in a sleep
which trickled from the pine trees. was it the timbre

of bare tree-trunks the constant flow
of water against the pebbles. ledges

below them the eroded concrete. lime
and splinters of glass. an easy path

from the eyebrow to the ear. strung wire
kept its sight. in its space, by contrast,

there was some rolling. still lime. which let itself be touched
from an edge for so long.

Translated by Hans-Christian Oeser and Gabriel Rosenstock

[nativitas 2]

german | Christian Lehnert

dies ist die geschichte der angst
des embryos,
was er gewesen war, wieder
und wieder geschehend, hinabgesehen,
wo zwischen daumen und zeigefinger
nichts mehr zu rekonstruieren war
im glas, feine kanülen
alles, was er von sich wußte,
abgesaugt hatten,
wuchern ließen
im kopf eines anderen, was
für ein hirnrissiges produkt,
die seele
an den ort der zeit einzugraben,
in ein selbstloses wesen, als ratte
getestet,
nierenlos, herzlos, augenlos,
nach vervielfachung lechzende
innereien, einzukehren in die ewige
jagd, erstes und letztes
leben auf dem nährboden
(wer gut kommt, soll auch gut essen),
sind vater und mutter
in keiner person, sich teilend
in ein drittes fort-
pflanzungsfähiges
konstrukt ihrer angst

© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1997
from: Der gefesselte Sänger
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag , 1997
ISBN: 3-158-12028-X
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

[nativitas 2]

english

this is the story of
the embryo’s fear,
what he had been, recurring over
and over again, a downward glance
where between thumb and index finger
nothing could be reconstructed any longer
in the jar, where thin cannulae
had sucked dry all
he knew of himself,
allowing it to proliferate
in another’s head, what
a hare-brained product,
to bury
the soul in the space of time,
in a selfless being, tested
as a rat,
without kidneys, heart, eyes,
innards craving for
multiplication, to go to the happy
hunting-grounds, first and last
life on fertile soil
(he who comes well, should also eat well)
are father and mother
all in none, dividing themselves
into a third
construct of their fear,
capable of reproduction

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

[nativitas 1]

german | Christian Lehnert

nativitas, dieses wort wie zusammengewehte töne
hoher glocken würde genau über das durchlöcherte
holz passen, in wachs gestrichener lufthauch
der hügel, die höhlung umgebend, in der eine frau
erschöpft schläft unter nachgedunkelten
ziegen, die abgeblätterte
steinkrippe mit dem kind und der gebetsnische
einer anderen zeit, all dies in erdfarben
auf einer gewölbten ikone, atemstöße,
vorsichtige, sich wellende, nässende
finger, die auf etwas jenseits der erhaltenen
fläche weisen, über ausgekratzte
gesichter, irgendwelche nackten beine, rumpflos
auf einem weg ins leere, so unbekannt
wie wir uns selbst, weiter nichts,
sind diese figuren,
ganz voll von unsichtbarem, flecken,
die bis in die netzhaut reichen, uns
mit ihren augen nachgehen, rissen
in der maserung, der zick-zack-jagd
in den strichen fortgesetzter
übermalungen

© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1997
from: Der gefesselte Sänger
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag , 1997
ISBN: 3-158-12028-X
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

[nativitas 1]

english

nativitas, this word like drifting sounds
of high-pitched bells would fit precisely above the
worm-eaten wood, the gentle breeze of the hills
imprinted in wax, surrounding the hollow in which
an exhausted woman sleeps below some faded
goats, the flaked-off stone crib
with the baby and the prayer alcove
of another era, all this earth-coloured
on a warped icon, wheezes,
cautious, wavy, weeping
fingers pointing to something beyond
the extant surface, over scratched-out
faces, some naked legs, torsoless
on their way into the void, as unknown
as we are to ourselves, nothing more,
are these figures,
full of invisible things, flecks
that extend to the retina, following
us with their eyes, cracks
in the grain, the zigzag chase
in the lines of continued
retouchings

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

[klare konturen. das licht]

german | Nico Bleutge

klare konturen. das licht
lag hinter den booten, der hafen

hielt die dämmerung fest und die hügel
traten am anderen ufer auf-

gefaltet vors auge

© Verlag C.H.Beck
from: klare konturen
München: Verlag C.H.Beck, 2006
Audio production: 2003, Literaturwerkstatt Berlin

[clear contours. the light]

english

clear contours. the light
lay behind the boats, the harbour

held onto the half-light and the hills
unfolding on the other bank

step before the eye

Translated by Hans-Christian Oeser and Gabriel Rosenstock

[Im Lichtkreis eines Sterns, im Schatten, den meine]

german | Christian Lehnert

Im Lichtkreis eines Sterns, im Schatten, den meine
Sprache wirft, laufe ich über einen dunklen Spiegel,

Lagunen, Tümpel von Salzwasser, die nicht abfließen
können, gerichtet auf keine Perspektive. Ich sehe

nichts geschehen, doch Verschiebungen ... vage,
an der Hand des Kindes, seinem Zeigefinger,

seinen gefundenen Namen: ist etwas an seinem Ort?
Wellen, die in sich selbst zerfallen, ahmen sich nach,

indem sie sich erfinden, geben, was sie empfangen
Antiphon der Flut, die vom Ufer schweigt. Du mußt

die kalten Quarze auf die Stirn legen, um so klar
zu denken wie die Venusmuscheln und die Tange.

© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2000
from: Der Augen Aufgang
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag , 2000
ISBN: 3-518-12101-4
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

[In a star’s halo of light]

english

In a star’s halo of light, in the shadow cast by
my language, I walk across a dark mirror,

lagoons, ponds of salt water that cannot drain
away, focussed on no perspective. I see

nothing happening but shifts … vague,
on a child’s hand, his index finger,

his newly-found name: is there something about his place?
Waves crushing upon themselves, imitate one another

by inventing themselves, by giving what they receive,
antiphony of the tide, tight-lipped about the shore. You must

place cold quartz on your forehead in order to think
as clearly as venus shells and algae.

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

[Heb die Feder vor die Lippen: regt sie sich? Weht eine]

german | Christian Lehnert

Heb die Feder vor die Lippen: regt sie sich? Weht eine
Thermik oder atmest du, über der flirrenden Schlucht

immer scheuer? Nester aus verdorrtem Gras, Nester aus
weichen Fischgräten - das Kreisen der Adler, stundenlang

ohne einen Schwingenschlag, lag dir zu fern. Du hieltest
dich im Stehen am Grat, unter Zucken der Arme:

gab es einen Grund? War er haltbar, der Riß, in dem
Hänge und Hirn sich beschlichen, zwischen Salzflözen,

zeitlichem Schlecken des Wassers, erahnter Schwere-
losigkeit im Mark? Aufrecht zurückgelassen, flüsterten

die Gelenke Routen, apotropäische Laute: da geht ein
Weg, er führt in die Tiefe, in der Tiefe jedoch ist er weg.

© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2000
from: Der Augen Aufgang
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag , 2000
ISBN: 3-518-12101-4
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

[Lift your quill]

english

Lift your quill to your lips: is it moving? Are there thermals
wafting or are you breathing, ever more reticent over the shimmering

gorge? Nests of withered grass, nests of
softened fish bones – the circling of the eagles, for hours

without wingbeat, was far from your mind. Standing, you held
fast on the ridge, fidgeting with your arms:

was there a reason? Was it tenable, the fissure in which
slopes and brain stole up on each other, between salt seams,

the temporal licking of water, foreseen weight-
lessness in the marrow? Left behind upright, the joints

were whispering routes, apotropaic sounds: there is a
path, it leads into the deep, but in the deep it vanishes.

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

[dann löste sich die hitze langsam]

german | Nico Bleutge

dann löste sich die hitze langsam
vom balkon und der blick wurde leichter

von den häusern abgelenkt. die weißen
parabolantennen an den fenstern

fingen schon die ersten lichter an
zu glühen blau und grün verkapselt.

als die augen zwischen den reklametafeln
streunen wollten war es eine rote

plastiktüte in der luft weit oben leuchtend
glitt sie vorbei und gab dem blick nach

und nach halt bis er weich und ruhig
hinter den lidern saß

© Verlag C.H.Beck
from: klare konturen
München: Verlag C.H.Beck, 2006
Audio production: 2003, Literaturwerkstatt Berlin

[then the heat slowly eased itself]

english

then the heat slowly eased itself
off the balcony and the eyes were more easily

diverted from the houses. the white
satellite dishes at the windows

already the first lights began to glow
encapsulated blue and green.

when the eyes wanted to stray between
the boardings there was a red

plastic bag in the air gleaming far above
it floated by and gradually gave the gaze

some focus until it sat softly and calmly
behind the eyelids

translated by Hans-Christian Oeser and Gabriel Rosenstock and the author

[bruchzonen 6]

german | Christian Lehnert

dann würdest du im torbogen diesen hockenden
leib sehen, verkrümmte finger in die stirn gebohrt,
falltrichter, vom frost in den schädel getrieben, ein
von erleuchtungen verbranntes ledergefäß, gefüllt mit
staub, der in der sonne singend etwas wie den einklang
mit allem meinte, äther ordnungsloser geräusche, an
stahläxte erinnernd, seit anbeginn helle schläge, bis
du hier gewesen bist, als würde eine person, frei
erfunden, dich weniger hinfällig machen unter der
ahnenmaske jener fremden, nie verstummenden sprache,
fließender paradigmen des gerölls auf den löchrigen
lippen der dünen, lauschtest du unter der bleichen
kutte diesem rauschen, wie zu atem reduzierten
gebeten, des windes saugen an den warzigen pupillen
der felsen, in die brüche des gesteins blickte reglos
ein gekko wie in dein gesicht, das vage wen erinnert?

(gebeinehaus st. katherin, sinai)

© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1997
from: Der gefesselte Sänger
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag , 1997
ISBN: 3-158-12028-X
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

[fault zones 6]

english

then you’d see this squatting body under
the archway, crooked fingers dug into his forehead,
craters driven into his skull by frost, a
leather vessel scorched by inspiration, filled with
dust, who, singing in the sun, meant something like
the harmony of the spheres, ether of unstructured noises
reminiscent of steel axes, from the beginning high-pitched blows,
until you were here, as though a person entirely
dreamed up would make you less frail beneath the
ancestral mask of that alien language which never falls silent,
the fluent paradigms of scree on the porous
lips of the dunes, when you listened under your pale
habit to that murmuring like prayers reduced
to breath, to the sucking of the wind on the wart-like pupils
of the rocks, a motionless gecko peered at the detritus
as if in your face which vaguely remembers whom?

(charnel-house, st catherine’s, sinai)

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

[bruchzonen 4]

german | Christian Lehnert

graue entwertete fahrscheine aus einem vergangenen
zeitalter, wie ein palimpsest das schreibpapier über
dem unentzifferten text zerschnittener baumstämme,
ein senkblei, ein runder stein mit blutroten
kristallen im inneren wie ein zweikammerherz,
von bindegewebe umschlossen, ein leerer setzkasten,
eine hand, die nach etwas verlorenem faßt, am ballen
beschädigt, eine schienenschwelle, eine polierte
glasplatte, schwer wie die stummheit der dinge,
das wortlose, der hauch von der scheuerleiste
an der esse, die strömung der elektrisch bewegten
wasseroberfläche eines aquariums, an den wänden
bilder von fenstern, wie vom frost aufgesprengt,
die aufnahmen von pupillen unter einer lupe, was
erkennend?, im spiegel tropfen von schweiß auf
übergroßen membranen, die buchstaben n - i - e

(dresden, neustadt)

© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1997
from: Der gefesselte Sänger
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag , 1997
ISBN: 3-158-12028-X
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

[fault zones 4]

english

cancelled grey tickets from an era long
gone, the writing paper like a palimpsest over
the undeciphered text of sawn-up tree trunks,
a plumbline, a round stone with blood-red
crystals inside like a bi-ventricled heart
enclosed by connective tissue, an empty printer’s case,
a hand reaching for something lost, damaged at the ball
of the thumb, a railway sleeper, a polished
glass plate, as heavy as the dumbness of things,
the silence, the breath of air from the skirting board
near the chimney, the current of the electrically-stirred
surface of an aquarium, on the walls
pictures of windows, as if forced open by frost,
photographs of pupils under a magnifying glass, seeing
what?, in the mirror drops of sweat on
oversized membranes, the letters n – e – v – e – r

(dresden, neustadt)

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

[Über Karstrinnen, vergrast, in triefendes Öl gestrichen,]

german | Christian Lehnert

Über Karstrinnen, vergrast, in triefendes Öl gestrichen,
stieg ich Mauer um Mauer in ein dunkles Leuchten: durch

Schluchten, tiefer zurück, als der Blick eines Späteren
dringt, zog pendelnd ein Hirte, grub Höhlen, den Kopf

in wulstigen Krusten versteckt. Noch tausende Regenzeiten,
bis Baal Samen auf den Teller der Erde gießen wird, Vieh

sichtbare Habe sei, Wiedergekäutes, Röcheln. Hier fänden
wir verbindende Namen, Verbwurzeln: Tiere nahen, lecken

Windhalme auf, hecheln Windhalme, von roten Nüstern
(Mondsicheln) in enger Bahn befeuchteter Staub. Eins

aber verharrte bei einem Jungen, als Farbrest am Rand
einer Ikone diesige Wärme, die bis an meine Stirn reicht.

© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2000
from: Der Augen Aufgang
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag , 2000
ISBN: 3-518-12101-4
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

[Over karst gaps]

english

Over karst gaps, overgrown, clad in dripping oilcloth
I clamber wall after wall into a dark luminescence: through

gorges, deeper than the gaze of those to follow can ever
penetrate, a shepherd roamed this way and that, dug caves, his head

hidden in bulging crusts. Thousands of rainy seaons yet to come
ere Baal spills semen on the earth’s flat dish, cattle

are visible possessions. Cud. A rattle. Here we’d find
related names, roots of verbs: animals approach, licking up

wind stalks, panting wind stalks, dust moistened
by red nostrils (moon sickles) in narrow orbit. One,

however, stayed with a calf, as a relic of colour on the edge
of an icon hazy warmth streaming up to my forehead.

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

[befunde 4]

german | Christian Lehnert

für die dauer eines blickes nach oben, leichter als
wind zu sein, blinkten höhenruder, waren feinste
wattespuren wie nadeln an der naht von dampf und
eis durch die atmosphäre gezogen, doch schon als kind
lernte man lesen: flieger, im inneren die spritzen gegen
cholera und minen in der form von kugelschreibern,
passagiere, deren exkremente wie gestein in die luft-
löcher fallen, tanks, doch die linie des horizonts war
ein paar grad dunkler und der tierkreis, vom ende her
gedacht, eine nächtliche erfahrung mit leeren stellen,
pigmentresten im videotext, als ein grund verschiedener
neuer fieber: in den träumen lag die erde plattgemacht
wie eine scheibe, schräg, aber die instrumente bestimmten
sehr genau den einstich, keine unruhe, nur ein winziges
loch, da auch ich ganz ohne spuren geblieben war,
im sich auflösenden nebel, unbekannten orts

© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1997
from: Der gefesselte Sänger
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag , 1997
ISBN: 3-158-12028-X
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

[findings 4]

english

for as long as a heaven-ward glance, to be lighter
than the wind, elevators gleamed, the finest traces
of cotton, like needles on the seam of vapour and ice,
trailing through the atmosphere, but even as a child
one learned to read: pilots, inside the jabs for
cholera and reservoirs in the shape of ballpoint pens,
passengers whose excrement falls like stones through air
holes, tanks, but the line of the horizon was
a few degrees darker and the zodiac, conceived of
from the end, a nocturnal experience with empty spaces,
remnants of pigments in video text, as a cause of various
new fevers, in my dreams the earth was flattened
like a disc, slanting, but the instruments determined
most precisely the puncture, no disquiet, just a tiny
hole, since I, too, had remained without a trace at all,
in the dissolving fog, in an unknown place

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

[befunde 1]

german | Christian Lehnert

hunderte mücken, schnaken umschwirrten
die flammen, ruhlos wie mein puls schwärmten
hungernde, aus den erdritzen, aus knochigen
rücken wüchsen gläserne flügel, wie es wimmelte
im gestöber menschenentzündeter lichter, mich
stimmen verfolgten, give me dollar, give me pen ... ,
an meinen taschen tastend, in haaren und falten
krallten sie sich fest, ihre schreibbewegungen,
eßbewegungen in den wind gehackt, flackernd,
doch es verzehrte sie, durchsichtige panzer
brachen knisternd wie bettelschalen in der hitze,
qualmende stoppeln, wo die erde ihren mageren
brustkorb zeigt und die sterne mit den augen
matter säuglinge stieren, wird von der festigkeit
verbrannten stoffs meine zeit sein, ihre zahl zu
vergessen, rauchend, antropomorph in den föhn

© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1997
from: Der gefesselte Sänger
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag , 1997
ISBN: 3-158-12028-X
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

[findings 1]

english

hundreds of gnats and midges buzzed around
the flames, starving insects swarmed, as restless
as my pulse, from cracks in the earth, from bony
backs glassy wings grew, how it teemed
in the flurry of man-lit lights, how voices
pursued me, give me dollar, give me pen ...,
groping my pockets, to strands of hair and wrinkles
they clung, their writing movements,
eating movements hacking into the wind, flickering,
but it consumed them, transparent shells
bursting in the heat, crackling like begging bowls,
billowing stubbles, where the earth shows
its emaciated thorax and the stars peer
with the eyes of weary infants, my time will be
of the solidity of burnt stuff, forgetting
their number, smoking, anthropomorphous in the foehn

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

wir sassen im jardin du luxembourg

german | Lutz Seiler

wir sassen im jardin du luxembourg. es gab
ein café unter kastanienbäumen, die stühle
waren auf kies gestellt. es gab wind und

es war oktober, es gab die sonne im oktober.
der mann wusste nicht, ob er die frau
jetzt ansehen sollte, seine abwesenheit

erbat ihre anwesenheit, sie erbat
die kastanien, den tisch & den kies
unter den füssen. er wusste nicht

ob er sie ansehen sollte, aber er wollte
sie mitnehmen in den eigenen schlaf
wie eine rückkehr in alte freundschaft...

© Suhrkamp
from: berührt/geführt
Berlin: Oberbaum Verlag, 1995
ISBN: 3-928254-37-5
Audio production: 1999 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

we were sitting in the jardin du luxembourg

english

we were sitting in the jardin du luxembourg. there was
a café under chestnut trees, the chairs
were placed on pebble. there was a breeze and

it was october, there was the sun in october.
tha man didn’t know whether to look
at the woman now, his absence

begged for her presence, she begged for
the chestnuts, the table & the pebble
underfoot. he didn’t know

whether to look at her, but he wanted
to take her away into his sleep
like a return to old friendship…

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Umbruch

german | Mirko Bonné

Getrabt, mit grünen Hufen, kam,
über den buckligen Moränenrücken,
das Wetter. Und das Wetter,
das andere, in der Erde, rief,
dem Wetter, dem ersten, zu:
Frühling!

Die Bergmänner verwandelten sich
zu Wegerich. Der Brennesselbusch,
im Schatten der alten Gärtnerei,
keiner wird es glauben, ist
mein Vater.

Während man noch in der Zeitung
von Veränderungen liest,
schlagen die Regenschirme Wurzeln
im Autobus. In den Kellern
fällt Schnee, und das Unkraut,
hört man, fordert, wie die Asseln,
Gerechtigkeit.

© Mirko Bonné
from: Langrenus. Gedichte
Hamburg: Rospo, 1994
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Radical change

english

With green hooves came trotting,
over the moraine’s hunchback,
the weather. And the weather,
the other one, in the earth, called
to the weather, the first one:
It’s spring!

The mountain men transform into
plantains. The stinging nettle bush
in the shade of the old garden centre,
no one will believe this, is
my father.

While in the newspapers
we still read of changes,
umbrellas take root
on the bus. Snow falls
in the cellars, and the weeds,
so they say, like the woodlice
demand justice.

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Transit

german | Hendrik Rost

Die Küste entfernt sich
  im Kielwasser, während
 die Kimm den Abstand
  wahrt. Wasser, verstehe ich,
 als sich die Leinen lösen,
  begreift man nicht –
 
 an der Bar hängen die Reisenden
  aus Vineta.
 Ohne Interesse am Weg
  ist Leben ein Transit.
 Mal übel vom Schwanken,
  trifft man sich an der Reling.
 
 Fehlt dem Körper der Grund,
  setzen die Sinne aus.
 Zuviel Altes macht müde,
  das Neue strengt an,
 und man füttert die Möwen
  mit der Nähe zum Land,
 
 um die man den Horizont bittet.

© Hendrik Rost
from: Aerobic und Gegenliebe. Gedichte
Düsseldorf: Grupello Verlag, 2001
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Transit

english

The coastline disappears
in our wake, while
the visual horizon keeps
its distance. Water, I understand,
as the ropes are undone,
cannot be grasped –

the passengers from Vineta
hang out in the bar.
Without some interest in the journey
life is but transit.
Feeling sick from the rocking,
one meets at the railings.

If a body lacks terra firma,
the senses take leave.
Too many old things wear us out,
new things are stressful,
and one feeds the seagulls
with the proximity to land

for which one begs the horizon.

Translated by Hans-Christian Oeser and Gabriel Rosenstock

Staub

german | Marcel Beyer

Und was ist Staub, will ich dich manchmal
fragen, wenn abends jemand einen Augenblick
auf die Terrasse tritt, wenn er die Fußmatte
am Steingeländer ausklopft, mit kurzen Armen
und mit überzeichnetem Gesicht (Staub ist

doch da, und Staub umgibt uns. Ich
höre ihn, den Putz, die Borsten kratzen, und
weiter unten bellt

der Hund), Staub ist nicht Haare, wenn ein
Dachshund wieder still ist, Staub ist nicht
Schuppen toter Haut, wenn jemand seine Läden
mit der Ferse schließen will, ist auch nicht
Trockenlaub und Lehm, wenn sich davon nichts
mehr erkennen läßt. Was ist das, frage ich dich
manchmal, wenn ich die Staubwolke, den Schatten
sehe, über die Wäscheleinen, den Kamin und
dann, noch immer Schatten, über die Antennen
hin. Staub ist im Blauen, Luft, und meine
Frage, Staub in den Himmel, bis es dunkel ist.

© Marcel Beyer
from: Erdkunde. Gedichte
Köln: DuMont Literatur und Kunst Verlag, 2002
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Dust

english

And what is dust, I sometimes want to ask you
when of an evening someone steps momentarily
onto the patio, beats the doormat
on the stone balustrade, with short arms
and with an overdrawn face (why, dust is

there, and dust surrounds us. I
can hear it, the plaster, the bristles scratching, and
down the road there barks

a dog), dust is not hair when a
dachshund is quiet again, dust is not
scurf of dead skin when someone wants to close
his shutters with his heel, is neither
dry leaves nor clay when none of it is recognizable
anymore. What is it, I ask you
sometimes, when I see the cloud of dust, the shadow,
across the clotheslines, the chimney and
then, still shadow, across the aerials.
Dust is in the blue, air, and my
question, dust into the sky, until it’s dark.

Translation: Hans-Christian Oeser and Gabriel Rosenstock, 2004

Sämtliches

german | Mirko Bonné

Strikte Eklipsen, Finsternisskripte
Dunklem verschrieben oder einmal
gezielt mit erhabenem Impetus
alles zuscheißen. Schau, Herbst
und Sommer schießen in die Waage,
an jedem Morgen und Himmel beginnts
mit Greisen, gelbem Laub und nichts
als Gefühl für den Aufstand. Ich bin da,
und das gefällt. Andocken an Mittags
Täuschungsmanövern und Kiefern der
Leute, die mahlend lächelnd dastehen,
ein Wort verlieren über Gewohnheiten
mit Tieren, ohne sie - o du erahnest ja
Sämtliches in den Solchenmomenten,
aber Dieses nur weißt du: Dass alles,
was einfällt ins Licht und Gedächtnis,
die strikte Eklipse verhindert. Ausfall
funktionierender Sozialisation, Schritte,
Mauern, Brückenbogen, schon kleine
orangerote Säuberungsmaschine
des Stadtwerks, die langsam wird.

© DuMont Literatur und Kunst Verlag Köln 2002
from: Mirko Bonné: Hibiskus Code. Gedichte
DuMont Literatur und Kunst Verlag, 2002
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Everything

english

Strict eclipses, darkness scripts
dedicated to the dark or once
aimed with the solemn impetus
to shit everything shut. Behold, autumn
and summer balance one another out,
on every morning sky it begins
with old men, yellow leaves and nothing
but a feeling for the uprising. I am there,
and that is pleasing. Docking on noon
ploys and the jaws of smiling
people who stand there ruminating
saying something about habits
with animals, without them – oh you do divine
Everything in suchmoments
but only This you know: That everything
that invades light and memory
prevents the strict eclipse. Failure of
functioning socialisation, footsteps,
walls, arches of bridges, even the
City Council’s small orange-red
cleaning machine that slows down.

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Requiem für einen gerade erst eroberten Planeten mit intensiver Strahlung

german | Silke Scheuermann

Aber was kommt wenn wir uns alle Geschichten erzählt
haben zehntausend heiße Geschichten

das Lexikon unserer Luftschlösser durchbuchstabiert
ist und wir unseren Stern durchgesessen haben wie das Sofa

auf dem wir uns sehr genau kennenlernten
wenn wir dann stumm am Fenster sitzen und rauchen

Nächte von fast vollkommener Stille
in denen nur deine letzten Sätze nachhallen

Sie sprachen davon daß wir
beide eigentlich Himmelskörper sind

die eine so große Anziehungskraft haben
daß sie nicht einmal ihr eigenes Licht fortlassen

also nicht leuchten sondern schwarz sind
an ihrer Zunge verbrannte Erzähler

© Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung GmbH, Frankfurt am Main
from: Der Tag an dem die Möwen zweistimmig sangen. Gedichte 2001-2008. Mit einem Nachwort von Dorothea von Törne
Frankfurt am Main: Schöffling & Co., 2013
ISBN: 978-3-89561-375-3
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Requiem for a Planet with intense radiation recently conquered

english

But what will happen once we have told one another all our
stories ten thousand hot stories

once the dictionary of our castles in the air has been spelt
out and we have worn through our star like the seat of the sofa

on which we came to know each other very well
once we sit silently by the window and smoke

Nights of almost perfect stillness
in which only your last sentences reverberate

They talked about the fact that both
of us are actually celestial bodies

having such strong gravitational pull
they do not even let go of their own light

and thus don’t shine but are black
story-tellers whose tongues are burnt

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Rekonstruktion

german | Mirko Bonné

Inzwischen
war Winter
und dicht

wie die Eule
nachts der Straße
sich nähert

trennend das Haus
vom Feldrand
morgens der Nebel.

Zweifel an Zeichen
im Erdreich
gehen vorüber.

Und hohle Röhren
aus rotem Ton
verbinden uns alle.

Und wir kennen
den Weg des Wassers
das wir trinken

Schnelligkeit
und
Gefälle

vom Talsee
bis in die
Mundhöhle.

© Mirko Bonné
from: Langrenus. Gedichte
Hamburg: Rospo, 1994
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Reconstruction

english

In the meantime
it was winter
and close

as the owl
which at night
edges towards the road

separating the house
from the edge of the field,
is the morning mist.

Doubts concerning the signs
in the soil
will pass.

And hollow tubes
made of red clay
connect us all.

And we know
the course of the water
that we drink.

The speed
and
the incline

from the lake in the valley
to the
hollow of the mouth.

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Reinzeichnen

german | Marcel Beyer

Ruß, Wasser sehe ich dich zeichnen, Poren im
Plastikvorhang, Tageslicht, es riecht nach
Steppdecke, nach grünem Vorzeitkaro. Ich hänge
an Kastanienzweigen, auf meinem Unterarm

die Fliegen. Ende August. Ein Minigolfverlangen.
Nachzeichnung zwei, am Plastikvorhang scheiden
sich die Bilder, ich sehe dich gegen den Himmel

schatten. Im Laub ein Turnschuh, Fell, aus dem
Kommodenphoto schaut ein fremder Mann. Der
Farn gerät an einer Stelle in Bewegung, ich sehe
dich, der Himmel zieht ins Haar hinter den Ohren.

© Marcel Beyer
from: Erdkunde. Gedichte
Köln: DuMont Literatur und Kunst Verlag, 2002
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Fair copy drawing

english

I see you draw soot, water, pores in the
plastic curtain, daylight, it smells of
quilt, of ancient green checks. I’m hanging
on chestnut branches, on my forearm

flies. End of August. An urge for mini golf.
Second drawing, at the plastic curtain the images
separate, I see your shadow against the

sky. In the leaves a sneaker, fur, from the
photo on the chest of drawers gazes a stranger. In
one place the fern is stirred, I see
you, the sky moves into the hair behind the ears.

Translation: Hans-Christian Oeser and Gabriel Rosenstock, 2004

Pflaumen

german | Hendrik Rost

Spät wieder zu Hause, finde ich dich
schlafend, eine anziehende Wölbung
unter dem Laken. Es ist klar und
deswegen sehr kalt heute nacht.
Mit meinen blutleeren Händen und
Eisfüßen dürfte ich es nicht wagen,
mich zu dir zu legen (eine ungebetene
Pause im Traum, die nach Fusel riecht).
Das Licht aus dem Kühlschrank wirkt
warm in diesem Klima, und ich mache mich
über die Nachricht her, die du wortlos
für mich hinterlassen hast. Ein Teller mit
Pflaumen, und jede einzelne schmeckt
nach einem reifen Ersatz, sehr saftig,
süß, wie die Entschuldigung für etwas,
das man sich überraschend eingesteht

© Hendrik Rost
from: Aerobic und Gegenliebe. Gedichte
Düsseldorf: Grupello Verlag , 2001
Audio production: 2001 Michael Mechner, literaturWERKstatt berlin

Plums

english

Back home late, I find you
asleep, a curved sight
beneath the sheets. The sky is clear
and so it’s very cold tonight.
With my bloodless hands
and icy feet I shouldn’t dare
to lie down next to you (an uninvited
pause in your dream, reeking of drink).
The light from the fridge seems
warm in this climate, and I pitch
into the wordless message
you have left for me. A plate
of plums, and every one of them tastes
like a ripe compensation, very juicy,
sweet, an apology for something
that one admits to oneself, suddenly.

Translated by Hans-Christian Oeser and Gabriel Rosenstock

peilung

german | Nico Bleutge

der blick steckt das feld ab sein schweifen
nimmt sich die zunge zum maß die greift ein

silbig sand auf und kreuz und blech und schild
um schild kratzt sie die namen zusammen

farbschichten blöcke strähnen von lehm
auf den gräbern verschmiert ...  unser vater

schütze seine trockene haut eine hölzerne
ziffer ... die hände der blick schmilzt langsam

kriechen die finger den stein entlang schleifen
und kränze rosen aus grobem vergilbtem

stoff streicht die spuren ein licht fällt noch
senkrecht auf die granitfläche der staub hält

die namen verschlossen der mund sucht
was morsch ist feucht zu machen und still

löst haut sich vom gaumen die stimme

© Verlag C.H.Beck
from: klare konturen
München: Verlag C.H.Beck, 2006
Audio production: 2003, Literaturwerkstatt Berlin

direction finding

english

the gaze marks out the field its roaming
takes its measure from the tongue which mono

syllabically lifts up sand and cross and tin and sign
by sign it scrapes together the names

coats of paint blocks streaks of loam
smeared on the graves … our father

protect his dry skin a wooden
cipher … the hands the gaze melts slowly

fingers creep along the stone ribbons
and wreaths roses made of coarse faded

material brushes the traces a light still falls
perpendicularly on the granite surface the dust keeps

the names hidden the mouth seeks
to dampen what’s brittle and quietly

skin comes off the palate the voice

Translated by Hans-Christian Oeser and Gabriel Rosenstock

pech & blende

german | Lutz Seiler

was uns anblies aus grossen, bevölkerten bäumen
war von haus aus vertieft
in die zeit der gespräche, baumsprache
war baumkuchen und lag
schwer zu haus, wie ausgeruhter knochen, der
wie wir kinder oft riefen vor deiner zeit
unterwegs gewesen war, der die felder durchschritten

und beatmet hatte, den wir nun
lang und gern zu loben wussten und sahen
dass auch vater ihm gut war, ihn
eine stütze der erinnerung, ein stellwerk
seines herzens nannte und saatgut
kaum noch geläufiger schritte, der ketten-
fahrzeuge, der erze und öle, heraus gebrochen

aus dem quartier seines gehens, weit hinter
den dämmen von culmitzsch, weit heraus
gerissen aus einer seltenen arbeit bei selingstädt
mit russischen erzen und ölen. und obwohl
wir selbst längst hätten schlafen müssen
drängten wir zu mutter hinunter, wenn vater
nachts umherging und schrie
        den knochen das weiss das waren die knochen
        mit russischen ölen und erzen

so sagten wir uns, er wittert das erz, es ist der knochen, ja

er hatte die halden bestiegen
die bergwelt gekannt, die raupenfahrt, das wasser, den schnaps
so rutschte er heimwärts, erfinder des abraums
wir hören es ticken, es ist die uhr, es ist
 sein geiger zähler herz

© Suhrkamp
from: berührt/geführt
Berlin: Oberbaum Verlag, 1995
ISBN: 3-928254-37-5
Audio production: 1999 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

pitch & screen

english

what blew at us from large peopled trees
was originally deepened
into the time of conversations, tree language
was baumkuchen and lay
heavily at home, like a rested bone which
as we children often shouted before your time
had been away, which had paced the fields

and breathed on them, which we now
knew how to praise long and eagerly and saw
that even father liked it, called it
a memory prop, a signal tower
of his heart and the seeds
of barely common footsteps, of track-laying
vehicles, of ores and oils, broken away

from the lodgings of his ambling, far beyond
the dams of culmitzsch, dragged away
from a rare job near selingstädt
with russian ores and oils, and although
we ourselves should long have gone to sleep
we crowded down towards mother when father walked about
at night and screamed
         the bone the white that was the bones
         with russian oils and ores

thus we said to ourselves, he divined the ore, it is the bone, yes

he had climbed the slagheaps
had known the mines, the caterpillar drive, the water, the schnapps
thus he slid homewards, inventor of overburden
we could hear it ticking, it is the watch, it is
his geiger counter heart

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

neunundsechzig, altes jahrhundert

german | Lutz Seiler

entsannen die schritte das dunkel, die pause
zur stunde im holz, das läuten über der treppe, die schläge
zum dingwort das merksalz, geduckt
& ertaubt hinter den ohren
  stockte die zeit, von

klein auf war etwas
 für später bereit, von
  jeher galt länger
   & früher der satz
ist ein salz
        zerbrochener vögel hinter den ohren, dass

die bänke uns hatten
nicht überdauern gekonnt, die tinten, bleich
  versackten die flüche & fratzen
im salz stand der hass
denn bereit, immer bereit, über
dem sockel begannen die risse, die flüsse

& ballungsgebiete, vor dem ural
  metastasen des mörtels
  mit öl überstrichen, dahinter
kamtschatka, gehärtet, gekalkt, bis
sachalin stand
 ich zur wand, dass
 amurdaja & syrdaja flossen, beschrieb
bei djamila das weinen, erkläre
        wie hättest
        du selber geweint & was ist der pflug, ist
die wahre schwere der scheinbaren lehre
  das scholochow-kummet
  am hals nur ein tuch
  bin ich das neuland
  seid ihr mein fluch, amboss

oder kortschagin, die kranke
 und die frierende hand war die haut
 auf der wand & der kalk & die schwerkraft
gepresst auf den lippen, einzeln & flüsternd:
     lieb draht lieber gott frau
     bakuski lass, aber mach, ein weinen

       geht ab
in die öfen, ab
durch die wand, ab
in die asche über den hof, doch
   was ist ein weinen, die schwerkraft
   misslang, das licht
   beschlug im gegenlicht, die sterne

stiegen an
den panzerlafetten über das glas
auf den verklebten flügeln der fenster
hinaus in den luftraum
über dem pakt

             stand der schlaf
denn bereit, immer bereit & das ICH
          stand zur wand, der sockel
          war kühl an den lippen
          verbrannt, nur
die fort gekonnt hatten
waren vertrieben, die kamen
jetzt stumm von den schiffen zurück
den tischen herauf
auf ihre salzgitter
         quartiere, ergänzten

die plattform, das öl & die fremde
 um ihre last, ergänzten
  den fortgang der dinge, das warten
   mit dummheit, die schmelze
    mit blicken ins dunkel
hinaus & schollen
mit scham, die

endlich zerplatzten
  unter den stapfen
  über dem lichtschacht
  unter dem hofdienst
stand auch die hoffnung bereit, immer bereit, ein
eiserner handlauf

umkreiste den hof, die kastanien, die köpfe
flogen am schlag
  zurück in den nachkrieg
   den quark mit gedämpften
    kartoffeln zurück in den ersten
fahnenappell, verräter des pflugs: wir gingen

im kreis, wir
    umkreisten die milch
    in gefässen des gehens
    verschorften die schritte
die flucht
eines groben, gestellten dunkels

verschloss das gewölbe, herunter
gestreckt am geflecht einer pritsche, das
  war der mittag, der schlaf
lag erblindet an den händen, banderolen
    von schweiss:

sie hatten den docht noch herunter geschnitten.
kamen herein.
löschten das licht
  zwischen den fingern; waschraum, auftritt
& wachtraum der redefiguren; schritte zum fenster & wackeln
                   mit allen gardinen spitzen, frau
                    bakuski muss sterben, oha, frau bakuski
...blindsein & schweigen unter der decke

      färbten die schatten
      über den augen, ein
kindliches eiter, das wirkliche blau
blieb in den winkeln

verschlossen, stand
die scham nicht bereit, immer bereit
im wechsel der zeit
reifen weisse kastanien in den taschen, die lerche

  ersticht den lerchensonntag, die lampe
  im schotter, die trachten
der trinker & ihre terrassen & flaschen
gereift in den taschen, der stein

ist ein wechsel auf zeit: der vogel
der im flug krepiert, das auge
starrt den himmel an & auf
 verlassnen umlaufbahnen

kreist die tote hortnerin, schlafe, hypnos
 bitterschuh & ranzen kreisen, beutel & büchse, die
 brottasche kreist, der turnbeutel
kreist da draussen, schlafe, hypnos, kreise

der am kaffeegrund entrückten, ent-
zündeten depressionen, im waschtrakt
  im lachen der schafe
  wuchsen
noch siebzig stein baracken, fleisch-
batterien über die hügel
 am rande der nacht, ist

das schlafkind jetzt bereit, immer bereit
lehnt es da draussen, lawede
in seinem zerbrochenen gatter
in seinem
laufstall hinter dem mond, halb

im kot & halb im tod, stimmt an, lied durch, ich bin
       bereit:
  holt der vater links
  schlägt aus holt rechts
  schlägt aus gesenkt
  vom kopf das kind
  heraus die mutter
  schüttelts träumelein
  blutig aus dem bäumelein, schau an
  mich mir, ich red mit dir
  mit tränen drin, mit
  schöpfung drin im blut
          & allen
  abgebissnen zacken ihrer krone.

© Suhrkamp
from: pech und blende
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 2000
Audio production: 1999 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

sixty-nine, old century

english

the steps remembered the dark, the break
between lessons in the woods, the ringing above the staircase, the beatings
that went with the nouns, the mnemonic salt hunched up
& deaf behind the ears
  time stopped, from
childhood there was something
  ready for later, always
    it had been valid
       longer or sooner the sentence
is a salt
of broken birds behind one’s ears, that

  the benches could not
survive us, the inks, palely
  the curses & grimaces sank
into the salt the hatred
stood by, always prepared, above
the base began the ruptures, the rivers

& conurbations, before the urals
  metastases of mortar
  painted over with oil, behind
kamtschatka, hardened, limed, as far as
sachalin I stood
  against the wall, that
  amurdaja & syrdaja were flowing, described
crying at djamila’s, explain
how you would
have cried yourself & what is the plough, is
the true weight of the apparent teaching
  the scholochov horse collar
  around the neck only a scarf
  am I virgin land
  are you my curse, anvil

or kortschagin, the sick
  and the freezing hand was the skin
  on the wall & the lime & the gravity
pressed on the lips, singly & whispering:
dear wire dear god frau
bakuski let it be, but see to it, a weeping

goes off
into the ovens, off
through the wall, off
into the ash above the yard, but
   what is weeping, the gravity
   failed, the light
   misted up in the contre-jour, the stars

climbed on
the panzer carriages across the glass
on the taped window casements
out into the air space
above the pact

the sleep
stood by, always prepared & the I
stood against the wall, the base
was cool on the lips
burnt, only
those who could get away
were expelled, they now came
back silently from the ships
up the tables
to their salzgitter
lodgings, complemented

the platform, the oil & the foreign land
  with their burden, complemented
   the progress of things, the waiting
    with stupidity, the smelting
      with gazes into the dark

out there & clods
with shame, which

burst at last
  under the footprints
.. above the air shaft
   below the yard duty
hope, too, stood by, always prepared, an
iron handrail

went round the yard, the chestnuts, the heads
flew
  back to the post-war
   the quark with steamed
    potatoes back to the first
roll call, traitor to the plough: we went

round in circles, we
circled the milk
in vessels of walking
scabbed our steps
the suite
of a coarse darkness

locked the vault, stretched

on the weave of a plank bed, that
   was noon, sleep

lay blinded on hands, headbands
   of sweat:

they had cut down the wick.
came in.
extinguished the light
  between fingers; wash-room, entrance
& daydream of figures of speech; steps towards the window & waving

of all lace net curtains, frau
bakuski must die, oha, frau bakuski
...blindness & silence under the bedcover

coloured the shadows
above the eyes, a
childish pus, the real blue
stayed locked away

in their corners, did
shame not stand by, always prepared
in the course of time
white chestnuts mature in our pockets, the lark

  stabs dead the lark sunday, the lamp
  in the gravel, the dress
  of the drinkers & their patios & bottles
matures in their pockets, the stone

is a draft on time: the bird
dying in flight, the eye
stares at the sky & in
  deserted orbits

circles the dead hoarder, sleep, hypnos
  bitter shoe & satchel circle, bag & box, the
  haversack circles, the gym bag
circles out there, sleep, hypnos, circles

of depressions rapt in coffee ground,
inflamed, in the washroom section
   in the laughter of sheep
   there grew
another seventy stone huts, meat
batteries across the hills
  at the edge of the night, is

the sleep child ready now, always prepared
he leans out there, wobbly
on his broken gate
in his
playpen behind the moon, half

in filth & half in death, strike up, let’s rip, I am
prepared:

   father raises his left hand
   strikes his right hand
   strikes head
   bowed the child
   out the mother
   shakes the little dream
   bloody from the little tree, look at
   me i talk to you
   with tears inside, with
   creation inside in the blood
& all
   bitten-off points of her crown.

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Dunkle Augen

german | Marcel Beyer

In manchen Stunden werden meine Augen
dunkel, dann rase ich zurück in meine
Dunkelheit, bevor die ersten Worte
kamen: Am Gasthaustisch um drei Uhr
früh, dann rasselt etwas anderes im
Hals, dann liegt, im Gitterbett,
jemand, und seine dunklen Augen
starren an die Decke, weit zurück.
Und weiter noch, gegen halb Vier, die Augen
nachgedunkelt: Senf, der Grind in Fliegengittern,
Wiener, und stickig, über Land.
In manchen Stunden, Augenblick, Relikt: Das
Anstarren von Telefonen, nachts im Sessel
abseits, eingehüllt, und Kabel stöpseln
sehen, warten, schwach, bevor
die ersten Worte kommen, dort,
zurück mit dunklen Augen.

© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1997
from: Falsches Futter
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1997
ISBN: 3-518-12005-0
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Dark eyes

english

At certain hours my eyes grow
dark, then I race back into my
darkness before the first words
come out: At the inn table at three
in the morning, then something else rattles in
the throat, then someone lies
in the cot, his dark eyes
staring up at the ceiling, far back.
And later still, about half three, the eyes
further darkened: mustard, the dirt on fly screens,
wiener, and muggy, cross-country.
At certain hours, moment, relic:
staring at phones, at night in an armchair
out of the way, wrapped up, and plugging cables
seeing, waiting, weakly, before
the first words come out, there,
back with dark eyes.

Translated by Hans-Christian Oeser and Gabriel Rosenstock

mein jahrgang, dreiundsechzig, jene

german | Lutz Seiler

endlose folge von kindern, geschraubt
in das echo gewölbe der flure, verkrochen
beim gehen gebeugt in die tasche

eines anderen, fremden mantels, sieben
 voll wachs mit einer aus dielen
geatmeten schwere, acht

         mit einer aus piss-
becken zu kopf gestiegenen schwere, wir hatten
    gagarin, aber gagarin

hatte auch uns, morgens das gleiche, der schrift
folgende scharren der ärmel
über den bänken & mittags
das schlagwerk der löffel, wir hatten

den tischdienst, den milchdienst, den druck
  einer leerkraft in den augen gelee
    in den ohren bis
sie verstummte
die schwerkraft verstummte
       in unseren mützen
       das waren die schmerzen

beim urinieren, im schutzwald
beim sprechen, wir hatten
zitate: dass wir den schattenseiten des planeten
        wenigstens eine lichte entgegenhielten
          erst alle gemeinsam & dann
           jeder noch einmal
           still für sich, wir hatten

kein glück. also zerfallen die häuser
               werden wir endlich
     wieder klein &
reiten zurück in die dörfer aus holz, aus
stroh, aus denen wir kamen, rissig & dünn
mit einem am wind

geschliffenen echo: wir grüssen gagarin, wir
hatten kein glück, abfahrt, zurück
in unsere dörfer
          & ausfahrt der dörfer
über die äcker bei nacht...

© Suhrkamp
from: pech und blende
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 2000
Audio production: 1999 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

my vintage, sixty-three, that

english

endless sequence of children, screwed
into the echo vaults of hallways, hidden away
when walking, bent into

a stranger’s coat, seven
   full of wax with a heaviness
breathed in from floorboards, eight

with a heaviness
that rushed to one’s head from urinals, we had
gagarin, but gagarin

also had us, in the mornings the same rustling
of sleeves following the writ
across the desks & at noon
the percussion of spoons, we had

table duty, milk duty, the pressure
   of an empty-headed teacher in our eyes jelly
in our ears until
she fell silent
the heavy-handed teacher fell silent
in our caps
those were the pains

when urinating, in the barrier woodland
when speaking, we had
quotations: that we set against the dark side of the planet
at least a bright one
first all together & then
everyone quietly
by themselves, we were

not lucky. so the houses decay
at last we become
small again &
ride back to the villages built of wood, of
straw from where we came, cracked & thin
with an echo whetted

by the wind: we greet gagarin, we
were not lucky, departure, back
to our villages
& departure of the villages
across the fields by night…

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Mein Herz geht kalt in kalt in kalte Welt

german | Mirko Bonné

Dein Herz geht kalt in kalt in kalte Welt.
Schuppen auf Schultern, so lässt sich lurchen,
ungewöhnlich müdes Tier. Ein wärmendes Rätsel,
wieviel Zeit wird vergehen, ehe die Erzählungen
gelöst sind. Straße, Dach, dünner Mann auf der Straße,
Wäldchen, das so aus Klängen ist. MENSCHLICH,
HIER, ist das mehr als ein Ort, eine Bestimmung?
Sprüh es an die Fassade. Wer lebte sechs nasskalte Jahre
wenig warmgehalten als Olm, wen hielten die Pilze jung,
Rauch, röhrenförmig, nahm das Nervöse, die Tageszeiten
schneiten vorbei, dark, bright, wer fand eine Bleibe
im Übergang und bekam Augen?

© DuMont Literatur und Kunst Verlag Köln 2002
from: Mirko Bonné: Hibiskus Code. Gedichte
DuMont Literatur und Kunst Verlag, 2002
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

My heart goes out cold in cold into a cold world

english

Your heart goes out cold in cold into a cold world.
Scales on shoulders, like an amphibian we can lurch,
unusually tired animal. A warming riddle,
how much time will pass before the stories
have been solved. Road, roof, thin man in street,
Little wood made of so much sound. HUMAN,
HERE, is that more than a place, a destination?
Spray it on the façade. Who lived six cold and damp years
hardly kept warm as a caudate, who was kept young by fungi,
smoke, tubelike, took away the nervousness, the times of the day
snowed past, dark, bright, who found somewhere to stay
in transition and got eyes?

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Mansarde

german | Mirko Bonné

Über die Tische wandern
Bäume, Düfte,
Lebensversicherungen.

Die Verkäuferin lächelt,
sie hat die Lippen einer Sängerin.
Und ein junger Herr flüstert ihr zu:
Ich schreibe dir.

Wer aber glaubt noch
an das Märchen von der Post?
Alle Briefe sind erfunden!

Unsere Worte waren zu lang
auf Reisen.
Es wird wieder Zeit für Besuche.

Doch jemand, der kommt, erschrickt -
denn ich wohne Mansarde,
hier herrscht die Enge eines Ballonkorbs.

Ich wollte schon auf einen Hochsitz ziehen.
Allein Kühe im Nebel
beruhigen die Seele.

© Mirko Bonné
from: Langrenus. Gedichte
Hamburg: Rospo, 1994
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Garret

english

Trees, scents,
life insurances
wander across the tables.

The shop assistant smiles,
she has the lips of a singer.
And a young gentleman whispers to her:
I’ll write to you.

But who still believes
the old wive’s tale of mail?
All letters are invented!

Our words were too long
on our travels.
It’s time for visits again.

Yet anyone who calls gets a fright –
because I live in a garret,
it’s as cramped as the basket of a hot-air balloon.

I once even wanted to move to a raised hide-out.
Only cows in a mist
can calm one’s soul.

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Manöverkritik

german | Mirko Bonné

Es würde den Sandweg erklären,
die eingefahrenen Spuren,
die in der Dämmerung leuchten,
so dass ein Kauz, anhand Schatten,
einen Anhaltspunkt hätte,
man ihn deshalb erkännte,
bevor der Weg ansteigt.
Ein Grund für die Böschung!

Ferner zurückgelassene Proviantreste
und Milchlachen im Huflattich,
unter abblätternden Armeelastern,
eine Art Manöverkritik,
Herbst verwitternder Tarnung,
ein Wäldchen, rechtzeitig entlaubt,
wo Kinder nach Patronen grüben,
aber deutlichere Spuren?

Winternacht. Gleich, ob mit Schnee
oder dem Frost von Silvester,
oberhalb des Rübenfeldes,
am Rand des Käuzchenkreises,
stünde die Wentzenburg,
wie es beim Schlachten erzählt wird.
Der Sandweg führte hinauf, es gäbe eine Brücke,
im First des Raubritterdachs nisteten Uhus.

© DuMont Literatur und Kunst Verlag Köln 2002
from: Mirko Bonné: Hibiskus Code. Gedichte
Köln: DuMont Literatur und Kunst Verlag, 2002
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Post-mortem

english

It would explain the sandy path,
the rutted tracks
shining in the dusk,
so that a screech owl, by way of shadows,
would have a clue
and one would thus recognise it
before the path rises.
A reason for the embankment!

Also leftovers from provisions
and milk puddles in coltsfoot
under flaking army lorries,
a kind of post-mortem,
autumn of fading camouflage,
a little wood, defoliated in time,
where children would dig for cartridges,
but more distinct traces?

Winter’s night. No matter, whether with snow
or the frost of New Year’s Eve,
above the turnip plot,
at the edge of the circle of the screech owl,
the Wentzenburg would stand,
as the story goes when they butcher.
The sandy path would lead up, there would be a bridge,
on the ridge of the robber baron’s roof eagle-owls would nest.

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

leichter sommer

german | Nico Bleutge

als läge noch eine schicht zwischen ihnen
und dem schmalen streif der küste
traten die wolken hervor, scharf ab-
geschnitten an der unteren kante, oben
ein faltiger riemen, in den die möwen kleine
löcher stanzten. beim nächsten aufschauen
hatte dunst die fläche aufgerauht und der wind
verfing sich in den drahtnetzen
knapp unterm wasserspiegel, die vögel
waren längst verschwunden, der himmel
hielt noch ein weilchen jene luft
die unter ihren flügeln rauschte

© Verlag C.H.Beck
from: klare konturen
München: Verlag C.H.Beck, 2006
Audio production: 2003 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

light summer

english

as though a layer existed between them
and the narrow strip of coastline
the clouds emerged, sharply cut
off at the lower edge, above
a wrinkled belt, in which the seagulls
punched small holes. at the next glance
the haze had ruffled the surface and the wind
was ensnared in nets of wire
just under the mirror of the water, the birds
had long disappeared, the sky
still holding for a little while the air
that rustled beneath their wings

translated by Hans-Christian Oeser, Gabriel Rosenstock and the author

doch gut war

german | Lutz Seiler

zu atmen, aus
& ein ging die atmung im gipsschiff
der lampe, wir hatten
ihr dunkles, mechanisches licht, wir hatten alpaka
am ascher, die nägel, verrissen
& einsam wie cruseo im schiefer, tief

im radio schlief das radiokind mit
     röhren & relais, die es allein
für sich begriff, ein tacken wie
von grossen schiffen, blinken, etwas
      zwischen abends aus, dann still
& leise wieder ein: allein

      im dunkeln kamen
die später unauffindbaren frequenzen, lokale
frequenzen des alterns, verschwundene
      dörfer &
ihr schwaches chromosomen-strichwerk auf
  den skalen - ich

sah cruseo, meinen vater; er
        ging in die taufe, die schläfen im holz
        kehrte er heim, so lachte
ein mann mit strahlender hand, sein rauschen, sein
  knacken, sie hören
wie alles so endet, verrutscht, zwei
   beine die küste das weiche
   scheiteln der füsse im schritt

© Suhrkamp
from: pech und blende
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 2000
Audio production: 1999 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

but it was good

english

to breathe, out
& in the breathing went in the plaster boat
of the lamp, we had
its dark, mechanical light, we had alpaka
near the ashtray, the nails, chipped
& lonely like crusoe in the slate, deep

inside the radio the radio child slept with
tubes & relays which it alone
understood, a clinking
like from big ships, a flashing, something
between off in the evenings, then
quietly on again: alone

in the dark came
the frequencies later no longer to be found, local
frequencies of ageing, erased
villages &
their weak chromosome hatching on
   the scales – i

saw crusoe, my father, he
   went into baptism, his temples in the wood
   he came home, thus laughed
a man with a radiating hand, his hissing, his
   crackling, they hear
how everything is ending, slipped, two
   legs the coastline the soft
   forking of feet in the crotch

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Die ungeputzten Zähne

german | Marcel Beyer

Schlaf, wo ich nicht geschlafen habe. So viele Hände am
Griff, am Becken, und was darunter war. So schwacher
Atem bald, kein Schlaf. Was hätte sein dürfen, was
sollen, was  zwischen meinen Zähnen bleibt, wonach

es schmeckt. Schlaf der Entbrannten, der Erwachten.
Was Regenvorhang, fremder Staub und Spucke, was
halber Schnee bis in das Hemd. So viele Hände auf dem

Küchentisch, am Fenster, kein Schlaf. Was fremdes Fett
am Heizkörper, am Herd, so klares Dunkel und was hätte
schlafen sollen. So laufe ich im Schneeregen, im Januar
mit wieder ungeputzten Zähnen, wo ich nicht geschlafen habe.

© Marcel Beyer
from: Erdkunde. Gedichte
Köln: DuMont Literatur und Kunst Verlag, 2002
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Uncleaned teeth

english

Sleep where I didn’t sleep. So many hands on the
handle, at the basin and what was beneath it. Soon such weak
breathing, no sleep. What could have been, should
have been, what remains between my teeth, what it

tastes of. Sleep of the aroused, of the awakened.
What curtain of rain, someone else’s dust and spittle, what
half-snow up to the shirt. So many hands on the

kitchen table, at the window, no sleep. What someone else’s grease
at the radiator, the range, such clear darkness and what should
have been asleep. Thus I walk through sleet, in January
with teeth again uncleaned, where I didn’t sleep.

Translation: Hans-Christian Oeser and Gabriel Rosenstock, 2004

Die Spanne

german | Hendrik Rost

Ich suche keinen Beweis für Dinge.
Ersticke Annahmen nicht mit Anschauung.
Unter Versuchungen hat jeder seine Lieblinge,
statt zu schlafen die Nacht als Drohung
zu sehen, in der dies und das geheilt werden soll.
Leicht läßt sich der Moment mit einem
anderen vertauschen, der Tag ist trotzdem voll
mit Anwesendem. Kann, sollte man meinen,
ein Tag anderes sein als ein vermiedener Unfall?

Alles, was uns fehlt, sind Beweise.
Auf dem Glas sind ausgebreitete Schwingen
zu sehen. Ein Vogel liegt auf konkrete Weise
unter dem Fenster, an nicht sichtbaren Dingen
gebrochen. Vor dem Negativ aus vollem Flug,
ist grade das Offensichtliche hart zu durchbrechen.
Die Spanne von Begreifen zu Vergessen betrug
nie mehr als zwischen Mundöffnen und Sprechen.

© Hendrik Rost
from: Aerobic und Gegenliebe. Gedichte
Düsseldorf: Grupello Verlag, 2001
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

The time span

english

The fox eats its own legs in the trap / to go free.
Brendan Kennelly

I seek no evidence for emanations.
Don’t stifle assumptions with notions.
Everyone has their favourite temptations,
instead of sleeping to see the night as a dark motion
during which this and that is to be healed.
The moment can easily be swapped
for another, the day is full with things present
all the same. Can, one should think,
a day be anything other than an avoided accident?

The only thing we’re lacking is proof.
On the glass pane one can see spread wings.
A bird lies in a concrete manner
below the window, broken by things
invisible. Before the negative from full flight
it’s especially hard to break through the obvious.
The time span from grasping to forgetting
measured no more than from opening one’s mouth to speaking.

Translated by Hans-Christian Oeser and Gabriel Rosenstock

Die Schneelast drückt gewaltig auf die Zweige des Essigbaums schau

german | Silke Scheuermann

Welche Schwerter liegen frei auf den Feldern
wenn wir spazierengehn? Ich bin sicher
Hand in Hand läßt sich alles tun Engelchen flieg

Engelchen stirb Dies ist nur eine Unterhaltung
wenn wir spazierengehn über dies und jenes
ich weiß und du jetzt auch Alles mögliche

ist vergangene Woche passiert
Letztes Jahr bogen sich links am Waldrand die Bäume in
Schneelast Wir haben unseren Standfestigkeitsnachweis

gebracht finde ich in den vergangenen
geglückten Sommern
Ich schaue immer in die Luft wenn du sagst

wir kommen wieder einmal sicher durch den Vollmond
Laß uns einen Urlaub planen diesmal weiter in die
Sonne noch näher hin

Das wäre doch fast schon
als legten wir uns hier in der Junihitze miteinander
lachend ins wilde Bett

in den Acker Ich sage Darling du sagst auch
Darling Die Schwerter lächeln uns zu niemand hebt
eines auf Ich behaupte wir werden zusammen alt

© Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung GmbH, Frankfurt am Main
from: Der Tag an dem die Möwen zweistimmig sangen. Gedichte 2001-2008. Mit einem Nachwort von Dorothea von Törne
Frankfurt am Main: Schöffling & Co., 2013
ISBN: 978-3-89561-375-3
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

The weight of the snow heavily bears down on the branches of the vinegar tree look

english

Which swords lie freely on the fields
when we go for a walk? I am sure
hand in hand everything’s possible whee! little angel fly

little angel die This is just some chat
about this and that when we go for a walk
I know and so do you All sorts of things

happened last week
Last year the trees at the left edge of the forest were bending
under the weight of the snow We proved our own

stability these past successful
summers I think
I always gaze up in the air when you say

we’ll once more pass safely through full moon
Let us plan a holiday this time further towards the
sun much closer to it

Why, that’s almost
as though we lay down together laughing
in the heat of June on the wild bed

in the field I say darling you also say
darling The swords smile at us no one
lifts one up I maintain we’ll grow old together

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Die Horizontbäume

german | Mirko Bonné

Geh
sonderbar
ohne etwas zu verlassen zu erreichen
von Schwelle zu Schwelle

ein vorgefertigter Spross wächst
unter dem Armbanduhrglas
Bäume von Stunden
durch Immergleiches marschiert

mit anhaltendem Atem

die Frau an der Leine gesteht
die schief zusammengenähten
Kleider der Nachbarin als körpergewordene
Idee ihres Wahnsinns ein

geh
so
hängen
die Bäume im Horizont

© Mirko Bonné
from: Gelenkiges Geschöpf. Gedichte
Rospo, 1996
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Trees on the horizon

english

Go
strangely
without leaving, without arriving
from threshold to threshold

a prefabricated shoot grows
under the glass of your wrist-watch
trees of hours
marching through sameness

with bated breath

the woman on the lead admits
the crookedly patched-together
clothes of her neighbour to be the incarnate
idea of her madness

Go
thus
the trees
hang on the horizon

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Der Tag an dem die Möwen zweistimmig sangen

german | Silke Scheuermann

Während das Wasser zurückgeht und Quallen liegenbleiben
unbehelligt vom Salz
von der Oxydation und der Sonne
neidest du den Kindern die mit in den Sand gestoßenen
Fersen nach Muscheln stochern ihre Sicherheit
mit einer dich vollkommen
verblüffenden Gewalt
 
Dein Auge ist gereinigt hat jetzt schärfere Pupillen
während die Brandung sich ins Meer zurück frißt
fehlt dir etwas
einige Jahre
in Happen klein wie die Rückseite einer Briefmarke
weiß wie Oktopusfleisch haben die Möwen mitgenommen
Da ist ein Schmerz mit gekappter Verbindung zum Kopf

Sehnige Schlieren aus Öl bedecken
die Wellen führen durch Schaumränder
nach früher
und in
die Zeit
in der du langsam zerzaust die Treppe des Abschieds
heruntergegangen bist bis an den Strand hier
- Schwimmen kannst du noch, aber du schwimmst dich
nicht mehr frei –

Ich weiß dich erstaunt an den Quallen
die Fähigkeit häßlich und dennoch durchsichtig zu sein
und ich weiß daß du gleich
schreiend die Auskunft verlangst was ich anderswo suche
in der Hoffnung ich fragte zurück

© Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung GmbH, Frankfurt am Main
from: Der Tag an dem die Möwen zweistimmig sangen. Gedichte 2001-2008. Mit einem Nachwort von Dorothea von Törne
Frankfurt am Main: Schöffling & Co., 2013
ISBN: 978-3-89561-375-3
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

The day when the seagulls sang in two parts

english

While the water ebbs away and jellyfish are stranded
unaffected by the salt
by oxidation and the sun
you envy the children who push their heels
into the sand poking for shells their security
with a violence which takes you
completely by surprise

Your eye is cleansed has sharper pupils now
while the surge gobbles its way back into the sea
you lack something
several years
in morsels small as the back of a stamp
white as the flesh of the octopus were snatched by the seagulls
There’s a pain there whose link with your head is severed

Sinewy streaks of oil cover
the waves and lead through rims of foam
to earlier days
and to
the time
when windswept you slowly stepped
down the stairs of farewell to this strand
– You are still able to swim but you can’t
stand on your own two feet anymore –

I know the jellyfish amaze you with their
ability to be ugly and yet transparent
and I know that any moment now
you’ll scream for an answer to what I’m looking for elsewhere
hoping I might ask you back

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Der Augen Aufgang

german | Christian Lehnert

Hast du nicht bemerkt, daß, wenn jemand einem an-
deren ins Auge blickt, sich ihm sein eigenes Antlitz in
dem Augenstern des Gegenübers wie in einem Spiegel
zeigt, weshalb wir auch den Augenstern »Pupille«,
das heißt Püppchen, nennen, weil er gleichsam ein
Bildchen des in sie Hineinblickenden wiedergibt?

(aus: Alkibiades der Erste)


Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen
Wort; dann aber von Angesicht zu Angesicht.

(1. Brief des Paulus an die Korinther 13, 12)

Aus den Löchern, die der Westwind in den Nebel riß,
drangen Kegel schwarzer Strahlen. Wer die Leere schaute,

vergaß sie, und zu suchen, worin die Nacht vernarbte,
blieb sinnlos: zeitabsaugendes Plasma Morgen. Der Tag

rinnt über das Gebirge, Erscheinung eines unvollendeten
Sees, Steinfalten, dunstiger Spiegel. Sah ein Auge auf,

das schon der Wind zerteilte und verschwimmen ließ
zu einem Punkt, der sich verlor in so vielen möglichen

Welten? Ersann der Regen auf dem Wasser Formen,
die nach Namen suchten: Zellstern, Orbis, Samen?

Noch erhellte nichts, warum dich ein Gedächtnis faßt:
quellender Kern und sein verneinter Tod, wogende Ruhe.

© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2000
from: Der Augen Aufgang
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag , 2000
ISBN: 3-518-12101-4
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

The rise of the eyes

english

Have you not noticed that when someone gazes into
someone else’s eye his own countenance shows itself
in the orb of the other as in a mirror,
which is why we also call the orb ‚pupil‘,
that is to say puppet, since they mirror, as it were,
a small image of the person gazing into them?

(Plato, Alcibiades)


For now we see through a glass,
darkly; but then face to face.

(1 Corinthians, 13:12)


From the holes which the westerly tore into the fog
shone beams of black light. He who saw the void

forgot about it, and to search where the night closed up
was pointless: morning, a plasma sucking time dry. The day

drips over the mountains, apparition of an unfinished
lake, stone furrows, hazy mirror. Did an eye gaze up,

already cut up and blurred by the wind,
to a point which lost itself in so many possible

worlds? Did the rain devise shapes on the water
which searched for names: cell star, orbis, sperm?

Nothing yet elucidated why a mind can grasp you:
swelling nucleus and its negated death, rippling stillness.

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Dem ehemals häufigsten Vogel der Welt

german | Silke Scheuermann

Letzte einer Art zu sein
was für eine merkwürdige Aufgabe
Wo du doch einmal andere Vorstellungen
von Enge und Weite hattest Sehr verschieden
von der Seniorsuite im Zoo von Cincinnati
Martha letzte Wandertaube der Welt
was für ein Dilemma daß ihr so schmackhaft wart
Eine einzige Delikatess-Großhandlung
verkaufte im Jahr 1855 achtzehntausend
von euch an hungrige New Yorker
Wenn du in deiner Voliere
das wirkliche Fliegen vermißt
erinnere dich an eure Schwärme
Tausende von Metern breit
oder an die Brutkolonien
fünfzig mal sechs Kilometer Wie ihr
als die ersten europäischen
Auswanderer nach Amerika kamen
den Himmel verdunkeltet Wie ihr sie Stunden  
im Dunkeln stehen ließt für staunende Berechnungen
Erinnere dich an die Zeit vor
den Tötungsmethoden und dem Eisenbahnnetz
Ein paar wilde Tiere
haben euch bedroht

© Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung GmbH, Frankfurt am Main
from: Der Tag an dem die Möwen zweistimmig sangen. Gedichte 2001-2008. Mit einem Nachwort von Dorothea von Törne
Frankfurt am Main: Schöffling & Co., 2013
ISBN: 978-3-89561-375-3
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

To the once most frequent bird in the world

english

To be the last one of a kind
what a strange task
When you used to have different ideas
of narrowness and width Quite different
from the granny flat in the zoo of Cincinnati
Martha last migratory dove in the world
what a dilemma that you were so tasty
In 1855 just one delicatessen wholesaler
sold eighteen thousand
of you to hungry New Yorkers
When you in your aviary
miss the real flights
remember your flocks
thousands of metres wide
or the breeding grounds
fifty times six kilometres How you
when the first European
emigrants came to America
darkened the sky How you made them
stand for hours in darkness to do their astonished calculations
Remember the time before
the methods of killing and the railway network
A few wild animals
threatened you

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Kontraste

german | Hendrik Rost

Einmal im Nachspann, als ein
    Foul wiederholt wurde, sah ich
          erst dann zwischen den Spielern

    eine Elster in Panik vom Rasen

abheben. Für einen Moment abgelenkt,
folgte das Bild in Zeitlupe ihrem Flug,
        während der Tumult

im Hintergrund unscharf wurde,

bis sich die Kamera abrupt
    aus ihrem Sog löste und zurück
        auf die fallenden Körper hielt.

© Hendrik Rost
from: Aerobic und Gegenliebe. Gedichte
Düsseldorf: Grupello Verlag, 2001
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Contrasts

english

Once, during the credits, when
a foul was repeated, only then
did I see between the players

a magpie taking off from the lawn

in a panic. Momentarily distracted,
the picture followed its flight in slow motion
while the hullabaloo

in the background became blurred

until the camera abruptly
broke away from its spell
and focussed again on the falling bodies.

Translated by Hans-Christian Oeser and Gabriel Rosenstock

Das künstliche Haar

german | Marcel Beyer

Du sitzt und schaust: Geheimnisse. Die
Gegenstände, ungesprochen, dem Wirt
selbst wenden sie sich nicht mehr zu seit
einigen Jahren. Im kalten Rauch, kälter
und kälter die Deko, die Decke, das
lichtwärts gewendete Topfgrün, bläulicher.
Bläulicher schimmern die Locken der
Wirtin, möglich, sie weiß noch den Grund
dieses Namens, Sibyllenort, heute. Heute,
der Wirt geht auf Softsohlen, das Haar
liegt auf Seite, kaum glimmend die
Lichtkette, Stimmung, auch bläulicher.

© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1997
from: Falsches Futter
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1997
ISBN: 3-518-12005-0
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Artificial hair

english

You sit and look around: secrets. The
objects, unspoken, for some years now
they haven’t even turned towards the
landlord. In the cold smoke, colder
and colder the decoration, the ceiling, the
potted plants turning lightward, more bluish.
More bluish the shimmer of the landlady’s
curls, perhaps she still knows the reason
for this name, Sibyl Place, today. Today,
the landlord walks on soft soles, his hair
combed to one side, hardly a glimmer from
the fairy lights, the atmosphere also more bluish.

Translated by Hans-Christian Oeser and Gabriel Rosenstock

Das Fakten-Märchen

german | Hendrik Rost

Aus den Märchen treten wir mit Schulden.
Ganz neuen, die vieles komplizierter machen.
Sind es Tatsachen, die keine Nebenbuhler dulden
oder Widerspruch? Im Traum hörte ich flachen
Atem gehen, den meine Brust erzeugte.
Im Leben und beim körperlichen Lieben
ist blödes Blut nicht selten – der neu gezeugte
Sinn wird morgens aus dem Gesicht gerieben.
Man weiß ja, was die Dinge sind.
Die Nebenbedeutungen ersticken fast
unter der Oberflächenmoral: Flüssiges gerinnt
nur, wenn es Blut ist, alles andere rast
der Schwerkraft hinterher. Wir träumen von Fakten
nach den Verführungen und weichen Laken.

© Hendrik Rost
from: Aerobic und Gegenliebe
Düsseldorf: Grupello, 2001
Audio production: 2001 Michael Mechner, literaturWERKstatt berlin

The factual fairytale

english

Out of fairytales we step with debts.
New ones, complicating lots of things.
Are they facts that tolerate no redress
and no opposition? In my dream I heard
the shallow breath my breast brought forth.
In life and in love that’s bared
imbecilic blood isn’t rare – new inklings
of meaning are rubbed off the face in the morning.
One knows the nature of things.
Connotations are almost smothered
under superficial morals: a liquid curdles
only when it’s blood, everything else races
towards gravity. After the seductions
and soft sheets we dream of facts.

Translated by Hans-Christian Oeser and Gabriel Rosenstock

Junge Hunde

german | Marcel Beyer

Ach, die Gutgebügelten, junge
Luden am Nebentisch, trinken
das Panzerpils und tauschen
Herrenheftchen. Einer wirft beim
Aufstehn die Flasche Bier um,
schmiert dann, nach und nach, ein
ganzes Paket Tempos über den
Plastiksitz. Kurzschnitte, und
Pomade. Totes Büffet. Im Jungsklo,
schöne Teile. Ein alter Glatzkopf
zupft sich etwas von den Lippen.
Humer-Bursche. Geschlipst. Gewienert.
Junge Hunde. Fickriges Blau. Im
Klappergang, Wien West, verschwitzte
Gürteltiere. Rauch schneller, Lude.
Ohneservice. Vielleicht Ein- bis
Zweihundert, in Randbezirken,
Arbeiterbeisln, Siebzehnter. Trotte
im Regen, aus einem offenen Fenster,
obere Etage, Dampf.

© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1997
from: Falsches Futter
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1997
ISBN: 3-518-12005-0
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Young pups

english

Ah, the well-creased, young
pimps at the next table, slurping
Panzer pils and swapping
porno mags. One of them gets up,
knocks over his bottle of beer,
then, bit by bit, mops up with a whole
packet of kleenex across the
plastic seat. Crew cuts and
brilliantine. Dead buffet. In the jacks
nice bits. An old slap-head
plucks something from his lips.
HUMER chap. Betied. Polished.
Young pups. Randy blue. Clip-
clopping along. Vienna West, sweaty
armadillos. Smoke faster, pimp.
Topless service. Maybe one to
two hundred, on the outskirts,
workers’ dives, seventeenth district. Trotting
in the rain, from an open window,
upper floor, steam.

Translated by Hans-Christian Oeser and Gabriel Rosenstock

Imago

german | Hendrik Rost

Dies hat mit der Schönheit zu tun,
für ein paar Tage allein im Haus zu bleiben:
Der Sommer nähert sich seinen Stichtagen,
und ich betrachte einen gewöhnlichen Vogel,
der sich wie ein Kolibri bei den Lilien hält.
Es ist später Nachmittag, feuchte Luft liegt
über dieser zerbrechlichen Nachbarschaft,
und ich bin selbst für die Schatten zuständig,
die ich werfe. Im Licht glitzert der einzelne
Flügel einer Libelle –
ihr früherer Körper klammert sich noch
an den Stengel überm Wasser.
Dies ist das Haus der früheren Gedichte,
das Haus der gefährdeten neuen.

© Hendrik Rost
from: Aerobic und Gegenliebe. Gedichte
Düsseldorf: Grupello Verlag, 2001
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Imago

english

It’s about beauty, really,
being at home for a few days alone.
The summer’s run is drawing to a close,
and I observe the way a common bird
floats like a hummingbird above the lilies.
It is late afternoon, moist air oppresses
this fragile neighbourhood, and I alone
am answerable for the shade I cast.
Light glitters from the lone remaining wing
of a dragonfly--its cast-off shell
still clings to the stalk
that leans above the water.
This is the house of former poems,
the house of endangered new ones.


translated by Lane Jennings

With special thanks to Goethe-Institut Washington/Timeshadows


- - - alternative - - -


Imago

This has to do with the beauty
of staying at home on one’s own for a few days:
Summer’s approaching its deadlines,
and I watch an ordinary bird
keeping to the lilies like a humming bird.
It’s late afternoon, a damp air lies
over this fragile neighbourhood,
and I myself am responsible for the shadows
I cast. In the light there gleams the single
wing of a dragonfly –
its former body still clinging
to the stalk above the water.
This is the house of former poems,
the house of imperilled new ones.

translated by Hans-Christian Oeser and Gabriel Rosenstock

im osten, lisa rothe

german | Lutz Seiler

gab es menschen, die
beim husten ganz
ihr gesicht bedeckten & verschwanden: lisa rothe, was
 wir in ihrem nachtschrank fanden, war genug
 für die insektenschwärze ihrer füsse
 nachschub für die fusslampen
im schnee, öl und ausgeworfenes, dort

bewahrte sie also das licht, die bestandteile
des spiegels, wir erbrachen, wir fanden
den abdruck eines schlafenden kopfes &
ihre exkremente, wasser und leise

bemerkungen über uns selbst, das ticken
der kartoffeln in den speisekammern, die innere koppel, so
 war sie geschrumpft unter den geräuschen
 einer strasse, eines flusses, eines

wismut stadions, so
 war sie erloschen
 im kegel ihrer zwecklampe, verrutscht
      wie weiche speise,
harte speise, bis du schliefst, weiche speise, harte... wir

selbst hatten das bettzeug
weit zurückgeschlagen aus dem schnee
 gewaschene wangenknochen, mistelblut... aber
wir ertrugen den geruch, die persönlichen

infekte, ein
ostvorstädtischer tanzpädagoge
langsamer als alraun, gebar...
nein
man hört nichts mehr, jetzt

kann man wirklich
nichts mehr hören, still
flankiert das fleisch im glas
  ihr grobes stehen &

  ihren gut gekämmten schlaf, es ist
september, die
tiere drängen jetzt
ins haus, nichts fehlt

© Suhrkamp
from: pech und blende
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 2000
Audio production: 1999 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

in the east, lisa rothe

english

there were people who
when they coughed covered
all of their face & disappeared: lisa rothe, whatever
we found in her bedside table was enough
for the insect blackness of her feet
   supplies for the footlamps
in the snow, oil and phlegm, so

there she kept the light, the parts
of the mirror, we broke it open, we found
the imprint of a sleeping head &
her excrement, water & soft

remarks about ourselves, the ticking
of potatoes in the pantries, the inner paddock, she
had shrunk so much under the din
of a street, a river, a

bismuth stadium, so
lifeless was she
in the spotlight of her purpose lamp, wobbled
   like a soft dish,
a hard dish, until you slept, soft dish, hard dish...
we

ourselves had folded the bedding
far back from the snow
washed cheekbones, mistle blood...
but
we endured the smell, the personal

infections, an
eastern suburban dance teacher,
slower than a mandrake, gave birth…
no,
one can’t hear anything anymore, now

one really can’t
hear anything anymore, quietly
the meat in the jar flanks
   her coarse standing &

   her well-kempt sleep, it is
september, the
animals are crowding
into the house, nothing amiss

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Im Louvre der Tiere

german | Lutz Seiler

...espenlaub gab es, trocken brot, ka-
priziös verteilt um das fleisch der tiere, war es
ihre schnellebigkeit, die uns vor die füße sank, so sprachen
wir nichts, fast um zu sagen, beständig, ruinös, im geschirr
ihres blutes, innen hervor: den kessel zu heizen
            die därme zu spülen, die nachricht
            des wellfleischs
            ins dorf zu tragen, das

    war die chaussee des fleischbeschauers
    und dort
    lag sein werkzeug, die schabeglocken
der hilfsmotor... nachlaß
    mühsam gerittener korrespondenzen
vor und zurück der zeitregale, wie

man einen stein begreift, betonen wir jetzt
seine abwesenheit
sein glückloses zittern, keinen satz
    (zu ende gesprochen)
von kindsbeinen sau mit stotterndem scheitel
mit stockendem sattel
bis dahinaus (wer
    so glücklos zittert und weggeht)

        hat das zeug zum roman
        hat die leere
        von gemäßigtem licht, allein
sind wir nichts, frau koberski

und allein frau koberski
    vermochte
den schulterschluß mit sehnsucht, das
schulterzucken nach
   alten melodien (jetzt hätte sie
gern alles gesagt
über das leben des fleischbeschauers) jetzt

                  zeigte sie
   photographien; ein angeborenes strandhotel...
                      die fußstapfen uns fremder vögel...
                      es müssen mehrere gewesen sein...

wir wissen das nicht, wir selbst

fühlen uns
   vom datum verstoßen, vernichtet, schlecht bestrumpft
   unglaublich sind unsere zweifel
   unglaublich ist seine blässe... ein feines blinken
im kern seines gehens
hätte verkündet... ‚allein‘

    er gehe allein, doch
nicht wirklich allein
im geräusch einer fliege
die sich entfernt
gleich gehöften
im rauschen der chaussee
quer durch das rauschen der gehöfte
wir wissen, wir sagten;

                  sei er auch
   nicht wirklich krank gewesen
wirklich traurig sei er gewesen
   nach allem, was geschehen ist
krank und traurig
wie das fleisch auf dem tisch
    wie das fleisch
    der letzten großen probetiere
unter den microskopen kreist, sei er

noch einmal aufgebrochen
aus der dauer seines jahrhundert-
und jahrhunderte währenden flugs
vom boden seines handwerks
ins innere des specks

© Suhrkamp
from: berührt/geführt
Berlin: Oberbaum Verlag, 1995
ISBN: 3-928254-37-5
Audio production: 1999 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

in the louvre of animals

english

… there were aspen leaves, dry bread, ca-
priciously distributed around the animals’ flesh, it was
their fast living which sank at our feet, so we didn’t
speak almost as if to say, continuously, ruinously, in the crockery
of their blood, from within: to heat the kettle
to clean the entrails, to carry
the news of of boiled pork
to the village, that

   was the high road of the meat inspector
   and there
   lay his instruments, the scrapers
the auxiliary engine… unpublished
   correspondence painfully ridden
to & fro along the time shelves, as

one comprehends a stone, we now accentuate
his absence
his hapless quivering, no sentence
   (completed)
from childhood a sow with stammering parting
with faltering saddle
out yonder (whoever
   quivers so haplessly and goes away)

has what it takes for a novel
has the emptiness
of moderate light, alone
we are nothing, frau koberski

and frau koberski alone
   was able to stand
shoulder to shoulder with yearning, the
shrugging of shoulders to
   old tunes (now she would have loved
to tell us the whole story
of the life of the meat inspector) now

she was showing
   photographs; an innate strand hotel…
the prints of birds alien to us…
there must have been several
we do not know, we ourselves

feel rejected
   destroyed, badly stockinged by the date
   incredible are our doubts
   incredible is his palor… a subtle gleam
in the kernel of his gait
would have announced… ‚alone’

   he was going alone, but
not really alone
in the buzz of a fly
which flies away
like farmhouses
in the roar of the road
across the roar of the farmyards
we know, we said;

even if he
   wasn’t really sick
he was really sad
   after everything that happened
sick and sad
like the meat on the table
   like the meat
   of the last big test animals
rotates under the microscopes, he had

once more set off
from the duration of his century
and century long flight
from the ground of his craft
to the inside of the bacon

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Im Hotel Orient

german | Marcel Beyer

Wir sind gepuderte Gestalten
auf Polstern in der Sitzecke
halbdunkel, schwarzer Samtverschnitt.
Das sind die wahren Etablissements,
Männer im Unterhemd öffnen die Tür.
Ich bin jedoch nur Augen- / Ohrenkunde:
Gibt es das Räuspern noch? Das Schnupfen?
Das Verhören? „Die waren hungrig“, nachts,
im Nebenzimmer, spät bis Drei.
Und wir sind traurige Figuren
am Lacktisch, Nachtgespräch.
Augen, halboffen. Frisch rasierte Schläfen:
Gibt es das Flüstern noch? Das Rauchen?
Spiele die Koksnase: das mitgegangene
Tütchen Zucker, SANTORA, vor dem
kalkfleckigen Spiegel inhaliert.
MAXIM FUTUR-Spiegelung: Gibt es
das Schlucken noch? Und stehe da
wie aromatisiert: heiß, holundrisch
und schwach.

© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1997
from: Falsches Futter
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1997
ISBN: 3-518-12005-0
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

At the Hotel Orient

english

We are powdered characters
on easy chairs in the corner seating unit,
dimly lit, black velveteen.
These are the real establishments,
men in vests open the door.
But I am only eyes and ears:
Do people still clear their throats? Snort?
Mishear? “They were famished”, at night,
in the room next door, late until three.
And we are sad characters
at the varnished table, night talk.
Eyes half open. Freshly shaved temples:
Do people still speak easy? Smoke?
Act the coke demon. The bag of sugar
that walked off with me, SANTORA, inhaled
in front of the rust-flecked mirror.
MAXIM FUTUR reflection: Do people
still drop? And I stand there
as if flavoured: hot, elder-ly
and weak.

Translated by Hans-Christian Oeser and Gabriel Rosenstock

im fenster, am winzigen

german | Nico Bleutge

sichtausschnitt: das getrocknete öl
auf den bänken. darunter der harte
rissige boden das ocker der halme der zug
schiebt sich langsam ins gleis, an häusern
und pfeilern vorbei die gestapelten reifen der blick
fällt zurück, tastet den damm ab nach sand und ruß
an den fingern reste von lack die drahtigen griffe
der notbremse hinter dem ohr die den takt fest
in die haut klopfen. bis an die grenze
pendelt sich alles ein auf das hin
und her des genicks, die geschliffenen steine
am kettchen, kameras und das klicken
der augen beim aufschaun. der scheue blick
hinterm fenster, in einiger entfernung
geht er dem wind nach. dann wieder zäune
die den sand halten staub eukalyptusbäume
der tag liegt schlaff zwischen den hügeln
darüber die sonne, ruhig, ein heller fleck
im bild der landschaft, irgendwo dahinter
tickt das meer

© Verlag C.H.Beck
from: klare konturen
München: Verlag C.H.Beck, 2006
Audio production: 2003 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

in the window, at the tiny

english

view frame: the dried oil
on the benches. beneath it the hard
cracked soil the ochre of the stalks the train
shunts slowly onto the rails, past houses
and pillars the piled-up tyres the eyes
fall back, scan the embankment for sand and soot
on the fingers remnants of varnish the wiry handles
of the emergency brake behind the ear tapping the rhythm
firmly into the skin. up to the border
everything settles down to the to
and fro of the neck, the cut gems
on the necklace, cameras and the clicking
of eyes looking up. the shy glance
behind the window, at a distance
it follows the wind. then again fences
holding the sand dust eucalyptus trees
the day lies limply between the hills
above it the sun, calm, a bright spot
in the picture of the landscape, somewhere behind
the sea is ticking

translated by Hans-Christian Oeser, Gabriel Rosenstock and the author

im felderlatein

german | Lutz Seiler

einmal begründet sind wir ein bast
  auf der borke
zu gast in der rinde & inneres kind
der ausfall strassen. diese

strassen sind eine leise gesprochene
sprache noch über das einmal
gesagte hinweg an den gärten
  ins felderlatein. dort

sitzt das kind auf einem hügel die
welt ist aus sand gemurmelte sprachen
rollen nach innen wollen
auch wasser brücken

            & strassen
benötigen leise
rollende sprachen das
eigene kind im felderlatein

© Suhrkamp
from: pech und blende
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 2000
Audio production: 1999 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

in the latin of the fields

english

once founded we are a phloem
   on the bark
a guest of the bark & inner child
of the arterial roads. these

roads are a softly spoken
language even beyond what’s been
said past the gardens
   to the latin of the fields. there

the child sits on a hill the
world is made of sand murmered languages
roll inwards also
want water bridges

& roads
need softly
rolling languages one’s
own child in the latin of the fields

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Im Ernst

german | Mirko Bonné

Danke Sterne dank non-fiction danke
wenn der Zyklop sein Auge aufschiebt
in Sommernächten und Klassen im Ernst
in den Sitzschalen der Sternwarte
Unterschiede zum Kino aufgehen

Sexy Weltraum sexy Ernsthaftigkeit
sexy Unschuld und sexy Sonne sexy
Sirius Hauptstern im Großen Hund im Ernst
Sirius hat neun Lichtjahre Abstand
und einen weißen Zwerg als Begleiter

Wäre nicht Winter die Wege nicht weiß
die beiden symmetrischen Wäldchen
kein klares Verhältnis und wären im Ernst
die Sterne an der Kuppelinnenwand
Botschaft einer Zauberhand voll Glück

Danke Leuchten dank Entfernung
danke Ödnis und danke Name danke
Stille Schnee Errungenschaft und Ernst
und danke Venus Venus danke danke
weißer Zwerg und Planetariumwäldchen

© DuMont Literatur und Kunst Verlag Köln 2002
from: Mirko Bonné: Hibiskus Code. Gedichte
Köln: DuMont Literatur und Kunst Verlag, 2002
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Seriously

english

Thank you stars thank you non-fiction thank you
when the cyclop unlids his eye
in summer nights and school forms
in the seats of the observatory seriously
realize the difference between it and cinema

Sexy outer space sexy seriousness
sexy innocence and sexy sun sexy
Sirius main star in the Greater Dog seriously
Sirius is nine light years away
and has a white dwarf for a companion

Were it not winter, were the pathways not white
the two symmetrical woods
not clearly proportioned and the stars
on the inside wall of the cupola really were
the message of a magic hand full of happiness

Thank you shine thank you distance
thank you wasteland and thank you name thank you
Silence snow achievements and seriousness
and thank you Venus Venus thank you
white dwarf and little planetarium woods

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

grossraum berlin,

german | Lutz Seiler

ein letzte-kolonien-geruch & schwerer
einsatz an den lauben: manche
hängten schlitten glocken, an
den taschen hart & gross gestossne spät-
heimkehrer mäntel, wir
hatten noch stanniol, mal stores in
den kirschen, flaschen, wo man hintrat, auf
die kurzen, braunen hälse. dort

hockten wir zu tisch mit über
spreiztem scheitel paar
pfund augen welpen unterm lid: jäger
zäune, wellasbest für immer oder
ein der-tut-nichts-pitbull im luden
gewirr & kristall-

klare flaschen, erst schwer
vom körper zu trennen, doch leer
in die löcher der ratten
zu graben, die pfeifenden hälse

gegen den westmond. wie gut
tat dann das ratten-klatschen bei
nordwest & was
wir hier jetzt immer haben: dieses

patroullieren aus den schädel spitzen, tags
wenn unser sinnen sorgsam seine schläfen
bettet in der luft lamellen, blanke
nerven an den rinden, wenn

im frühlicht kopf
& leben eines vogels auf
  einander schlagen

© Suhrkamp
from: pech und blende
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 2000
Audio production: 1999 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

greater berlin,

english

a last colony smell & heavy
action at the chalets: some
hung sleigh-bells, late
returnees’ overcoats, at the pockets
hard & frayed, we
still had silver foil, at times net curtains in
the cherry trees, bottles wherever one stepped, on
the short brown necks. there

we huddled around the table with
severe partings a few
pounds of eye whelps under the lids: rustic
fences, asbestos cement forever or
a he-won’t-do-anything-pitbull in the pimpish
chaos & crystal-

clear bottles, first hard
to separate from the body but when empty
to be dug into the rat
holes, the whistling necks

against the western moon. how good
it was then the rat-swatting in a
northwesterly & whatever
we now have here: this

patrolling from the skull points, by day
when our musing carefully rests its
temples in the membranes of the air, raw
nerves on the tree-barks when

in the early light head
& life of a bird clash
   with each other

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Großes Erwachen

german | Armin Senser

Ich erwache. Alles ringsum erwacht.
Decke, Wand, Türe, Vorhänge, Tische,
der Boden, Stühle erwachen. Wimpern,
Haare, Arme, der Nacken, Rücken,
Bauch, Hüfte, Schenkel, Waden, Gelenke,
Knöchel, Zehen, Nägel, Finger erwachen.
Es erwachen Lippen, Zunge, Gaumen,
das Gähnen, der Bauchnabel, Nasenflügel,
das Bewußtsein erwacht, der Raum, die
Zeit erwachen, alles erwacht. Dinge und
Menschen. Liegen, Sitzen, Stehen, Torkeln,
Halten erwachen. Das Blut erwacht und
der Atem. Der Lichtschalter, Spiegel,
die Blendung, das Zwinkern, Zähne,
Zahnfleisch, Falten, Bart, Unterhose – Penis
und Urin erwachen. Es erwacht ein Fluch,
ein Wort, ein Blick erwachen. Farben.
Beine übereinandergeschlagen, der Brustansatz.
Ein Stück Nacht erwacht und ein Fetzen Traum.

Prag ist erwacht und Rom. Der ganze Balkan
erwacht. Und Afrika erwacht von Süd nach
Nord. Schanghai erwacht nach Peking, aus dem
Schlaf gerüttelt von zitternder Hand. Leningrad
erwachte in einem Zug, auch Stalingrad. Linz
ist erwacht, dann München, Berlin – die ganze
Welt. Niemand schläft. Kein Mensch. Dinge
schlafen nicht. Auch nicht Tiere.
Erwacht ist alles. Nichts das schläft.

Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag,
Freitag und Samstag erwachen. Auch
heute und morgen, Hemd und Hosen,
Kaffee, Tee, das Geschirr erwachen.
Gequietsche, Geklirre, Blubbern, Schlurfen
erwachen und Adjektive, Verben im
Indikativ und Konditional. Es erwacht der
Ablativ, Vokativ und jedes Motiv.
Alles ist da – ist wach. Nichts kennt mehr
den Schlaf. Auch er ist erwacht mit dem
Unbewußten und mit den Geheimnissen.
Der Nebel erwacht und die Dämmerung,
der Sonnenschein, Wolken, der Sturm, der
Hurrikan. Treppen erwachen, Straßen
erwachen, Plätze mit Statuen, Kugeln,
Toten und Kanonen, Panzern, Liebespaaren.
Häuser sind erwacht und Kamine, von
Ost nach West mit einem bitteren Geruch.
Antennen erwachen, Nachrichten, Schatten,
Wärme und Kälte. Wasser, Eis, Gase
im Äther und in Lungen. Atome erwachen
und die Radioaktivität. Wahrscheinlichkeit
und Statistiken erwachen zugleich mit allen
Zahlen, Gesetzen, Regeln und Fehlern.

Niemand kann seine Augen schließen.
Alles wird wach. Ob Materie oder Seele,
Engel oder Potentat. Und Wissen erwacht.
Auch das Vergessen und mit ihm
erwacht Erinnerung, Verbrechen,
Grausamkeiten und Freiheit, Neid
und Einsamkeit. Der Rassismus, der
noch schläft erwacht. Sekten, Pamphlete,
Lethe erwachen, Styx und Dante.
Väter erwachen, Mütter, Kinder, Föten,
Spermen, Eizellen, alle Verwandten.
Freunde erwachen, Kränkungen, das
Lachen. Wünsche erwachen, erfüllte
und unerfüllte und wecken Schicksale.
Geweckt werden Katastrophen, Ehen
und ihre Kombinationen. Es erwachen
die Möglichkeiten und Wirklichkeiten.
Es stehen auf Zukunft, Vergangenheit
und Gegenwart, einander gleichgestellt.

Aufgewacht sind auch Laute, Babel
und Sprachen. Gesang und Lieder.
Madrigale. Sonette. Die Oper. Verse.
Alles erwacht unverhofft gerade
jetzt. Strophen erwachen, der Versuch,
der Roman erwachen und Entwürfe.
Allesamt aufgewacht in Bibliotheken,
im Hörer, Leser, Verleger, im Autor –
in Gedanken, auf dem Papier, in Tinte,
Stein, auf kleiner runder Scheibe sind
erwacht die Große Elegie für John Donne,
Gezählte Tage, der Brief an Lord Byron,
der Divan, Spaziergang, die Bukolik,
Epoden und alle Vaginen und Hoden.
Noah erwacht und die Ertrunkenen,
Abraham, Paulus und Saulus erwachen,
David und das Kind. Maria, schwanger
auf der Flucht. Und die fliehenden Völker.
Sie tauchen auf – erwacht wie alle Sklaven
und Sokrates, Platon, Descartes, Spinoza
und Kant, Epikur erwacht auch. Alle Philosophen,
die Ideen erwachen. Ans Licht tritt alles.

Erwacht nach dem langen Schlaf, erwacht
nach kurzem Leben und langem Alter,
erwacht nackt, in Hütten, Stiefeln, im
Feld, Blut, Morast. Erwacht beim Liebesakt.
Erwacht, erwacht, erwacht. Und erwacht.

Aale, Wale, Archeopetrixe sind erwacht,
Schnecken, Schlangen und deren Entwurf.
Dinosaurier erwachen. Die Eis-, Würm-,
Permzeit erwachen – gute und schlechte
Zeiten, die großen Erwartungen erwachen.
Geweckt werden Napoleoniden und jede Krone.
Miles erwacht und Bach, Mozart und Dvoøák.
Jede Schlacht. Vietnam erwacht, Korea,
der Golf, die beiden und alle anderen Kriege.

Du bist erwacht und ich. Und erwacht sind
Planeten, Sterne, Sonnen, Monde, Galaxien
und Universen. Die Alpen, Karpaten, der
Himalaja sind erwacht. Tibet ist erwacht, das
Baskenland, Istrien, Galizien und der Schwarzwald.
Erwacht sind Knossos, Ponpeji, die
Azteken, Inuit und Korsen. Buddhisten
Hindus, Sikhs, Schiiten, Suniten
sind auch erwacht und Christen, Juden und
Schwule, Technokraten, Börsianer,
Zuhälter und Richter, Polizisten und
Lehrer. Alle erwacht, alle ausnahmslos.

Aufgeschreckt sind Schrauben, Bleche,
Reifen, Ziegel, Backsteine, der Beton,
Stahl und Holz. Züge, Flugzeuge,
Auto- und Solarmobile, Fahrräder
Traktoren, Lastwagen, sie alle sind
erwacht. Und Schiffe. Mit ihnen
erwachen Abgase, Unfälle, Steuern,
Einkommen, Reisen, Spesen, Tankstellen,
Flughäfen, Landestege und Havarien,
Öltanker und Flugzeugträger.

Die Welt ist erwacht. Mittag, Nachmittag,
der Morgen, die Dämmerung, die Nacht.
Es erwacht das Einschlafen, Schlummern,
Schnarchen. Der Mond erwacht, Sternschnuppen,
Satelliten, Astronauten und Asteroiden
erwachen. Die Stille erwacht. Erwacht ist
der Lärm. Von Elementarteilchen bis
zu den Augen ist alles offen. Verschlossen
ist nichts, nichts verborgen, nichts
verloren. Alles ist gefunden, erwacht.

Und Gott ist erwacht. Jedes Prinzip. Und Theorien.
Nichts ist tot. Weder Stein, Baum noch
Einfall, Empfindung oder Verdauung
schlafen. Auch Namenloses schläft nicht.

Alles ist da, erwacht, du und ich. Er, sie und
es. Um uns herum, um Dinge und Menschen,
steht das Erwachen, greifbar, sicht- und fühlbar
nah. Vom großen Erwachen erfaßt auch
das Warten, daß der Augenblick ewig schien.
Ewig erwacht, alles, denn es ist der Jüngste Tag.

© 1999 Carl Hanser Verlag München Wien
from: Großes Erwachen
München Wien: Carl Hanser Verlag, 1999
ISBN: 3-446-19693-5
Audio production: literaturWERKstatt berlin 1999

Mórdhúiseacht

irish

Dúisím.  Dúisíonn an uile ní thart orm.
Dúisíonn an tsíleáil, an falla, na doirse, na cuirtíní, na boird,
an t-urlár, na cathaoireacha.  Dúisíonn fabhraí,
clúmh, lámha, an muineál, an droim,
an bolg, an cromán, ceathrú, colpa, na hailt,
rúitín, méara na gcos, ingne, méara na lámh.
Dúisíonn na beola, an teanga, na carbaill,
an mhéanfach, an t-imleacán, na polláirí,
dúisíonn an comhfhios, an spás, an
t-am, dúisíonn gach aon ní.  Nithe
agus daoine.  Dúisíonn idir luí agus suí, tuisil,
greim.  Dúisíonn an fhuil agus
an anáil.  Dúisíonn an lasc sholais, an scáthán,
an dalladh, bobáil súl, fiacla,
drandail, roic, féasóg, fobhríste – dúisíonn an bod
agus an mún.  Dúisíonn eascaine,
focal, catsúil.  Dathanna.
Cosa caite i mullach a cheile, tús na cíche.
Dúisíonn píosa den oíche agus smut den bhrionglóid.

Tá Prág ina dhúiseacht agus an Róimh.  An chríoch Bhalcánach
go léir.  Dúisíonn an Afraic ó dheas ó
thuaidh.  Dúisíonn Shanghei tar éis Bhéising, lámh chreathach
á mhothallú as a shuan.  Dhúisigh Leiníngrad
ar an traein, Stalingrad chomh maith.  Tá Linz
ina dhúiseacht, München ansin, Beirlín – an domhan
go léir.  Ní chodlaíonn éinne.  Críostaí ar bith.  Ní
chodlaíonn nithe.  Ná ainmhithe ach an oiread.
Tá gach rud ina dhúiseacht.  Ní thiteann néal ar aon ní.

Dúisíonn an Luan, an Mháirt, an Chéadaoin, Déardaoin,
an Aoine agus an Satharn.  Dúisíonn chomh maith
an lá inniu is an lá amárach, léine agus brístí,
caife, tae, soithí.
Dúisíonn gíoscán, gligleáil, blobarnach, tarraingt
na gcos, agus aidiachtaí, briathra sa
mhodh táscach is sa mhodh coinníollach.  Dúisíonn
an t-ochslaíoch, an gairmeach is gach aon mhóitíf.
Tá gach aon ní ann – i láthair, ina dhúiseacht.  Níl eolas
ar an gcodladh ag aon ní níos mó.  Tá an neamh-chomhfhios –
focal nach dtaitníonn le Cathal Ó Searcaigh,
an neamh-chomhfhios (ach tá sé ann) –
tá an neamh-chomhfhios ina dhúiseacht agus na rúin.
Dúisíonn ceo agus breacadh an lae,
scaladh gréine, scamaill, stoirm, spéirling.
Dúisíonn staighrí, dúisíonn sráideanna,
dúisíonn cearnóga agus a ndealbha, urchair,
na mairbh agus na gunnaí móra, tancanna, lánúineacha.
Dúisíonn tithe agus tinteáin, soir
siar agus boladh goirt uathu.
Dúisíonn aeróga, scéalta nuachta, scáthanna,
teocht is an fuacht.  Uisce, oighear, gás
san éatar agus sna scamhóga.  Dúisíonn adaimh
agus radaighníomhaíocht.  Dúisíonn an dóchúlacht
agus staitisticí chomh maith le gach
uimhir, dlí, riail agus dearúd.

Níl éinne in ann na súile a dhúnadh.
Gach aon ní ina dhúiseacht.  Idir dhamhna agus anam,
an t-aingeal is an monarc.  Agus dúisíonn an t-eolas.
Dúisíonn an  dearúd agus an
chuimhne ina theannta, an choiriúlacht,
cruáil agus saoirse, an t-éad
is an t-uaigneas.  An ciníochas a bhí
ina chodladh tá sé ina shuí.  Seicteanna, paimfléidí,
Seán Ó hUiginn agus Seán Ó Riain ina ndúiseacht.
Dante agus Pádraig de Brún.
Dúisíonn aithreacha, máithreacha, páistí, suthanna,
speirmeacha, uibheagáin, na gaolta go léir.
Dúisíonn cairde, maslaí, an
gáire.  Bailegangháire.  Dúisíonn na mianta a shásaítear
is nach sásaítear agus tá an chinniúint ina dúiseacht.
Dúisíonn matalanga, póstaí
agus a gcomhcheangail.  Dúisíonn
féidearthachtaí agus fírinní.
Éiríonn an t-am atá le teacht, an t-am atá thart
agus an t-am ata anois ann, iad bord ar bord lena chéile.

Tá fuaimeanna, leis, ina ndúiseacht, Í Bhreasail,
agus teangacha.  Cantaireacht agus amhráin.
Madragail.  Soinéid.  An cheoldrámaíocht.  An dán díreach.
Gach rud ag dúiseacht anois gan
choinne.  Dúisíonn burdúin, an aiste,
an t-úrscéal agus sceitseanna.
Tá siad ar fad ina ndúiseacht i leabharlanna,
san éisteoir, sa léitheoir, sa bhfoilsitheoir, san údar –
sna smaointe, ar phár, sa dúch,
ar chloch, ar an diosca beag cruinn,
dúisíonn Caoineadh Airt Uí Laoghaire,
Bligeard Sráide, Cead Aighnis,
Suzanne sa Seomra Folctha, Línte Liombó,
an sean-nós, piseanna agus plibíní.
Dúisíonn Naoi agus an Díle,
Ábraham, Pól agus Sól,
Niamh agus Oisín.  Muire ar a teitheadh,
an leanbh ina broinn.  Agus an Ciarraíoch Mallaithe.
Nochtaid agus dúisíd dála na naomh uile
agus Sócraitéas, Platón, Harry Stottle, Spinoza
agus Kant agus an Déan chomh maith.  Dúisíonn
na fealsúna go léir is a gcuid smaointe.
Isteach sa solas le gach aon ní.
Ina ndúiseacht, i ndiaidh suain fhada,
saol gearr agus críonnacht fhada curtha díobh acu,
dúisíd nocht, hataí agus buataisí orthu, i
bpáirceanna, i bhfuil, sa riasc.  Dúisíd is iad
ag bualadh leathair.
Dúisithe.  Dúisithe.  Dúisithe.  Agus dúisithe arís.

Dúisíonn an eascann, an míol mór, an chéad éan,
slimidí, nathracha nimhe agus a bpleananna.
Dúisíonn na dineasáir.  Dúisíonn an oighearaois,
an duine atá ag imeacht leis anois
tá sé siúd, leis, ina dhúiseacht.
An dea-shaol is an drochshaol,
dúisíonn Cré na Cille, Bónaí agus gach coróin
riamh ina ndúiseacht.  Myles ina shuí
agus Bach, Mozart agus an Riadach.
Gach aon chath a troideadh riamh.  Dúisíonn Vítneam, an Chóiré,
an Mhurascaill, an dá chogadh is cogaí eile nach iad.

Taoise id dhúiseacht agus táimse im dhúiseacht.  Tá
pláinéid, réaltaí, grianta, gealacha, réaltbhuíonta
agus an chruinne ina ndúiseacht.  Na hAlpa,
Cnoc Bhréanainn, na Himáilithe ina ndúiseacht.  Tá an Tibéid
ina dúiseacht, an Blascaod, Beal Átha an Dá Ab
agus Béal Átha an Dá Chab.  Dúisíonn Muiceanach
Idir dhá Sháile agus an Phoimpé,
Aisticigh, Eiscimigh, Gaeil Alban,
Búdaithe, Hiondúigh, an tUrramach Ian Paisley
ina ndúiseacht chomh maith.  Giúdaigh,
buachaillí bána agus breithiúna, na Gardaí
agus múinteoirí.  Dúisíd go léir,
gach mac máthar is iníon athar.

Dúisíonn scriúnna, rud nach dtuigim,
Boinn rubair, tíleanna, brící, coincréit,
cruach agus adhmad.  Traenacha, eitleáin,
cairteacha agus an Dart.  Rothair, tarracóirí,
leantóirí, iad go léir ina ndúiseacht.
Agus longa.  Ina dteannta siúd
dúisíonn a sceitheadh siúd.  Timpistí, cánacha,
ioncaim, turais, speansais, garáistí,
aerfoirt, lamairní agus timpistí farraige
nó aeir.  Tancaeirí ola agus iompróirí aerárthaí.

Tá an domhan ar fad ina dhúiseacht.  Lár an lae.  Iarnóin,
an mhaidin, an clapsholas, an oíche.
Tá an néal codlata féin ina dhúiseacht.
An suan, an srannadh.  Dúisíonn an ghealach,
réaltaí reatha, satailítí, spásairí agus astaróidigh.
Dúisíonn an ciúnas.  An torann
ina dhúiseacht, an púca, gach aon rud ar oscailt.
Níl aon ní faoi cheilt.  Níl aon ní i bhfolach.
Níl aon ní caillte.  Tá gach aon rud aimsithe,
ina dhúiseacht.

Agus tá Dia ina dhúiseacht.  Gach aon phrionsabal agus teoiric.
Níl aon ní marbh.  Níl cloch, crann ná
tuairim, braistint ná díleá
ina gcodladh.  Fiú fear gan Ainm ní chodlaíonn sé.

Tá gach aon ní ann ina dhúiseacht.  Tusa agus mise,
ruball na muice.  Dúlamán na Binne Buí.
Chomh cinnte is atá pus ar asal.
Tá an feitheamh gafa chomh maith
ag an mórdhúiseacht.  Tá cuma na síoraíochta
á chur ar an neomat seo.  Gach aon ní ina
shíordhúiseacht.  Inniu Lá an Luain.

Translated by Gabriel Rosenstock

Froschfett

german | Marcel Beyer

Froschfett, in ausgereiztem Zustand, bis
auf die Ränder ausgekratzt und
brüchig, schwarz noch, aber nur mäßig

so strichen sie, Bert, Berta, Leni, Martha,
Walter schon in Jugendjahren, das Schuhwerk,
ebenmäßig, glänzten sie, und ausgereizt

das haftet, haftet nicht, aber der Balg schon
blank, gebrochene Fasern, halb Vorfahr ich,
halb Randfigur mit schwarzen Fingernägeln

und einem Halbsatz auf den Lippen, also an völlig
falschem Ort, so streicht man alle Zeit, wie
ich, hinweg, über das mäßig ausgeblichene Leder,

brüchig der Ton, so strich man eben noch, und
eben, mäßig laut, die andere Hälfte, so läßt man
stets das Leder fahren, das eingefärbte, schwach

und endlich dorthin, wo der verschmierte
Balg verschwindet, ich bin
nicht da, ich bin verstaut im Kasten.

© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1997
from: Falsches Futter
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1997
ISBN: 3-518-12005-0
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Frog grease

english

Frog grease, in an exhausted state, scraped
out but for the edges and
brittle, still black, but only moderately so,

thus they polished, Bert, Berta, Leni, Martha,
Walter, even in their youth, their boots and shoes,
They shone them evenly, and exhausted

it sticks, it doesn’t, but the skin is already
shiny, broken fibres, myself half ancestor,
half fringe-figure with black fingernails

and half a sentence on my lips, so utterly in the
wrong place, thus one rubs away all time, like
myself, across the mildly faded leather

the tone cracked, thus one just rubbed, and
just, moderately loud, the other half, thus one
always abandons the leather, the dyed leather, weak

and finally to where the skin covered
in grease disappears, I am
not there, I am stowed away in the box.

Translated by Hans-Christian Oeser and Gabriel Rosenstock

Foto von 1914

german | Silke Scheuermann

Ganz grauer Mais auf den Feldern
als habe es Asche geregnet aus einer
vollkommnen Fabrik

Schau die Frau bückt sich
am Boden als spiele sie nur
mit Flügeln am Rücken
und nicht diesem geflochtenen Korb
Sie ist eingefroren in ihrer Szene

Eine uralte Wolke
schwebt über dem Acker
wie eine brüchige Stimme
Ich weiß noch wie  
Großmutter anhand solcher
Bilder ins Erzählen kam
die immergleichen

Rezepte zur fest verbackenen
Landschaft sprach und
Tee dazu brühte für winzige Tassen
aus denen wir stundenlang tranken
Da war statische Ruhe im Raum
nicht zu verwackeln Bis heute

waren da Namen
Diese Wolke könnte
ein Luftschiff sein
Jedenfalls waren es
meine Verwandten
und ich erkenne keine
einzige Seele

© Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung GmbH, Frankfurt am Main
from: Der Tag an dem die Möwen zweistimmig sangen. Gedichte 2001-2008. Mit einem Nachwort von Dorothea von Törne
Frankfurt am Main: Schöffling & Co., 2013
ISBN: 978-3-89561-375-3
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Photo of 1914

english

Very gray corn on the fields
as though it had rained ashes from
a perfect factory

Look this woman bends down
to the ground as if she were only playing
with wings on her back
and not with this wicker-basket
She is frozen in her scene

An ancient cloud
floats across the field
like a cracked voice
I remember how
Grandmother got to tell
stories about such images
spoke the very same

recipes to the firmly-baked
landscape and
brewed tea to sip in tiny cups
from which we drank for hours
There was a static quiet in the room
that cannot be blurred To this day

there were names
This cloud could
be an airship
At any rate they were
my relatives
and I can’t recognize
a single soul

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

fin de siècle

german | Lutz Seiler

ich ging im schnee mit den nervösen
nachkriegs peitschen lampen im genick
über die wiener mozart brücke dort
hockte noch an einem strick ein müder
irish setter er

war tot und wartete auf mich das
heißt ich band den strick
vom sockel des geländers und begann
das tier ein wenig hin & her
zu schwenken haut & knochenleichtes
glocken läuten schnee gestöber
 setzte ein ich sang

ein kleines lied über die donau hin
& z'rück (ich war ein kind) der tote
setter kreiste jetzt an meinem
rechten arm über die schöne
balustrade er rotierte
leicht & groß in das nervöse
nachkriegs lampen licht ein riss
am hals vertiefte sich ein pfeifen

kam in gang und seine steifen
augen schalen klappten
müde auf & zu: du

hättest die mechanik dieses blicks geliebt
und wärst noch einsamer gewesen
über dem schnee, der brücke & dem alten lied

© Suhrkamp
from: pech und blende
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 2000
Audio production: 1999 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

fin de siècle

english

i walked in the snow those nervous
post-war whip lamps in my neck
across the mozart bridge in vienna
where there still hunched on a rope a tired
irish setter he

was dead and was waiting for me
that is to say I untied the rope
from the base of the railings and began
to swing the animal a little
to & fro skin & bone-light
peal of bells flurry of snow

set in I sang

a little song across the Danube
& back (I was a child) the dead
setter now spun on my
right arm over the pretty
balustrade he rotated
lightly & huge into the nervous
post-war lamplight a rip
on his neck deepened a whistling

set off and his stiff
eyeshells flapped
faintly up & down: you

would have loved the mechanics of this gaze
and would have been even lonelier
above the snow the bridge & the old song

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Farrera [9-13]

irish | Gabriel Rosenstock

9. áit éigin sa cheo
an cloigín timpeall
mhuineál an chapaill


10. an chuach –
éist!
an ag comhaireamh siollaí atá sí?


11. seanfhear ag canadh sa ghort
meallann an ghrian
an gleann anuas


12. an mhiúil fhoighneach ina seasamh –
cad is dóigh léi
de na gealbhain?


13. am bia –
an seanóir ag canadh
do na coiníní

written in the Catalonian Pyrenees, April 2003

© G.R.
from: unpublished manuscript

Farrera [9-13]

english

9. somewhere in the fog
the little bell
around the horse’s neck


10. the cuckoo –
listen!
is she counting syllables?


11. old man singing in the field
drawing down the sun
all over the valley


12. the patient mule, standing,
what does he think
of the sparrows?


13. feeding time –
the old man
singing to the rabbits

translated from the Irish by Gabriel Rosenstock

Farrera [4-8]

irish | Gabriel Rosenstock

4. cuach!
le gach glaoch
leánn an sneachta


5. an é nach ngealfaidh
an lá amárach?
an lá ar fad, na fáinleoga


6. seandún?
bualtrach
brothall


7. nach milis é an féar!
an capall sléibhe
nár sléachtadh fós


8. an sruthán sléibhe
ag brostú leis –
cén áit?

written in the Catalonian Pyrenees, April 2003

© G.R.
from: unpublished manuscript

Farrera [4-8]

english

4. with each call
the cuckoo
melts the snow


5. as though tomorrow
may never dawn –
all day, the swallows


6. an old fortress?
cow dung baking
in the sun


7. how sweet the grass!
the mountain horse
not yet slaughtered


8. mountain stream
hurrying, hurrying
where to?

translated from the Irish by Gabriel Rosenstock

Farrera [28-29]

irish | Gabriel Rosenstock

28. maidin ghlas
crobh iolair
tairneáilte sa doras


29. uan aonair ag méileach
an fhuaim
á seachadadh ag na sléibhte

written in the Catalonian Pyrenees, April 2003

© G.R.
unpublished manuscript,

Farrera [28-29]

english

28. chilly morning
an eagle’s talon
nailed to the door


29. a lone lamb bleating
the sound carried
from mountain to mountain

translated from the Irish by Gabriel Rosenstock

Farrera [25-27]

irish | Gabriel Rosenstock

25. litríocht á plé
an oíche go léir:
tostmhar an fíon sa ghloine


26. gíoscán na gclár urláir –
tuairisc ar chogadh
i gcéin


27. meán oíche –
níl gíocs ó chloigín
an chapaill sléibhe

written in the Catalonian Pyrenees, April 2003

© G.R.
from: unpublished manuscript

Farrera [25-27]

english

25. talking literature all night
the wine in the glass
becomes still


26. creaking of floor boards –
reports of a war
far away


27. midnight –
no sound
from the horse’s bell

translated from the Irish by Gabriel Rosenstock

Farrera [22-24]

irish | Gabriel Rosenstock

22. na héadaí a fágadh
ar an líne: athbheoite
ag bailc úr sléibhe


23. scamaill dhubha
  ag triall ar an gcéad ghleann eile –
cumhracht an chaife láidir


24. leathanach bán
agus sneachta Farrera –
nach léir í an Úrchríoch

written in the Catalonian Pyrenees, April 2003

© G.R.
from: unpublished manuscript

Farrera [22-24]

english

22. clothes left on the line
have been revived -
 pure mountain rain


23. dark clouds leaving
for the next valley –
aroma of strong coffee


24. facing a blank page
and the snows of Farrera –
Pure Land is clear

translated from the Irish by Gabriel Rosenstock

Farrera [19-21]

irish | Gabriel Rosenstock

19. an cnagaire adhmaid
is máistir é
fiú roimh eadara


20. taoi amuigh ansan,
áit éigin, i do thost,
a shionnaigh shleamhain


21. cén fáth ar dheis?
cén fáth ar chlé?
féachaint shaonta an ghealbhain
 


written in the Catalonian Pyrenees, April 2003

© G.R.
from: unpublished manuscript

Farrera [19-21]

english

19. the woodpecker –
first thing at morning –
is a master


20. you are out there,
somewhere, on silent feet,
wily fox


21. why look to the left,
the right? – impossible to say,
the simple sparrow

translated from the Irish by Gabriel Rosenstock

Farrera [14-18]

irish | Gabriel Rosenstock

14. aon fhuaim bhriosc amháin –
guth na ngealbhan
sileadh an tsneachta leáite


15. aer tanaí an tsléibhe
gach áit: sna gága
gallchnó folamh


16. cnoic faoi shneachta –
béal an tsearraigh
breac le bainne na lárach


17. a sheanchloig
i dtúr Farrera de Pallars –
cathain a labhróidh tú arís?


18. an t-iora rua
(ar chrann nach n-aithním)
tá deartháir aige ag baile

written in the Catalonian Pyrenees, April 2003

© G.R.
from: unpublished manuscript

Farrera [14-18]

english

14. one crisp sound –
voices of sparrows
dripping of melting snow


15. thin mountain air
everywhere: rock crevices
empty walnut shell


16. snowcapped hills –
the foal’s mouth
flecked with mare’s milk


17. old tower-bell
in Farrera de Pallars –
when will you speak again?


18. the squirrel
(on a tree I do not know)
has a brother in my land

translated from the Irish by Gabriel Rosenstock

Farrera [1-3]

irish | Gabriel Rosenstock

1. gaotha ag éag –
cosán sléibhe tréigthe
’dtí an seanséipéal


2. timpeallaithe
ag cama an ime –
nach stuama é an capall


3. gile Aibreáin
deireadh an tsneachta
á fhógairt ag an bhfiach

written in the Catalonian Pyrenees, April 2003

© G.R.
from: unpublished manuscript

Farrera [1-3]

english

1. dying winds –
faint mountain path
to a disused church


2. surrounded
by so many buttercups
how sober – the horse


3. April sunshine –
the raven announces
the end of the snows

translated from the Irish by Gabriel Rosenstock

Fallstaffage

german | Mirko Bonné

Felicita, ein Glück, doch was wenn nichts mehr
dir gefällt? Mit großen Sprüngen nichts am Hut
und doch, kaum fällig, schon ein Fallbeispiel,
verliebt von Anfang an ins Runterkrachen,
war ichs nicht? Ein Glück, felicita, ein Apfel.
Ich fiel kaum an, schon dieses mir ins Auge:
Licht, zwei Äpfel, Lichteinfall, dass nichts,
was einsam fallen will, von Wert sein kann.
Man fällt so durch die Welt. Fällt weiter.
Alles fällt ja. Fällt man also mit. Was nun?
Von Fall zu Fall gefiel ich mir wie Fallada
als kleiner Mann, als Fallschirmspringer,
Sir John Falstaff, jedenfalls ich fiel nicht
weit vom Stamm - man ist zu schwer, fällt
Autobussen, Federhaltern, Wassertürmen,
Fingern tief im Fell und allem Steigen, Fallen,
Roggen windgewiegt im Tal mit Felsen und
gefallenen Phalanxen blätterfalb im Herbst,
fällt allem nach in seiner phallischen Gestalt.
Versucht dann, aufzufallen, Frauen meist,
doch dafür muss man aus dem Fenster fallen.
Mein Fall, du bist mein Fall, ruf ich ihr nach,
dann fallen wir noch eine Zeitlang faltergleich
am Haus herab. Auch dieses Haus: Staffage.
Denn viele Male fällt man noch an ihm vorbei,
die Frau, du hinterher, felicita, doch falsch.

© Mirko Bonné
from: Gelenkiges Geschöpf. Gedichte
Hamburg: Rospo, 2001
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Fallstaffage

english

Felicita, what a stroke of luck, but what if nothing pleases you
anymore? You don’t care for great leaps and bounds
and yet, hardly due, you are a case in point,
from the word go in love with crashing down,
was I not? What a stroke of luck, felicita, an apple.
I hardly arose, and it already struck me:
light, two apples, the incidence of light: that nothing
that wants to fall on its own can be of value.
One falls through the world. Falls further.
Everything falls. So one falls with it. What now?
From case to case I liked playing Fallada
as a little man, as parachutist,
Sir John Fallstaff, at any rate I didn’t fall
far from the tree – one is too heavy, falls after
omnibuses, fountain pens, water towers,
fingers deep in fell and all rises, falls,
rye cradled by winds in the valley with rocks and
fallen phalanxes, dun leaves in fall,
falls after everything in its phallic form.
Then tries to be striking, mostly to women,
but for that one has to fall out of the window.
You are my cup of tea, I call after her,
then we fall for a while butterflylike
down the side of the house. Even this house: staffage.
For many times one will fall past it,
the woman, you behind, felicita, but falsely.

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Es ist nicht mehr schön auf die Straße zu gehen im Dunkeln

german | Silke Scheuermann

Die Konzerte werden seit Jahren abgesagt
Strophe für Strophe
weil jeder Kopf sich selbst eingeglast hat

Verführung in gefährlichen Frequenzen
geht weiterhin von den Gesängen
der Möwen und Marder aus  
die ununterscheidbar geworden sind
und in dunklen Ecken warten
Frauen mittellos auf dich
mit ihrem überfallartigen Lächeln

Das Stadtmagazin rät
fröhlich ist´s bei den Kindern mit
Katzengesichtern die machen richtig
gute Horoskope

Sie kündigen
Note für Note
eine moderne
Ehe zwischen dir und der Nacht an
während sie Gummispielzeug
zerschneiden linkshändig
und dann rauchen
Es sieht gefährlich aus

Doch sie sind ehrlich
du bekommst
deine Hand zurück

© Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung GmbH, Frankfurt am Main
from: Der Tag an dem die Möwen zweistimmig sangen. Gedichte 2001-2008. Mit einem Nachwort von Dorothea von Törne
Frankfurt am Main: Schöffling & Co., 2013
ISBN: 978-3-89561-375-3
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

It's no longer pleasant step out into the Street in the Dark

english

For years the concerts have been cancelled
stanza by stanza
since each head has encased itself in glass

Seduction in dangerous frequencies
still emanates from the songs
of seagulls and martens
that have become undistinguishable
and in dark corners pennyless
women wait for you
with their assault-like smiles

The city magazine advises
that there is cheerfulness among the children with
cat’s faces they make for really
good horoscopes

They announce
note by note
a modern
marriage between you and the night
while they with their left hands cut
rubber toys into pieces
and then smoke a fag
It looks dangerous

But they are honest
you’ll get
your hand back

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Erbsbrei heiß Erbsbrei kalt
Erbsbrei im Topf neun Tage alt

german | Silke Scheuermann

Daß der Baumeister nicht sterben dürfe
dachten die Bauern beim Burgbau während
ihnen die Oberarme zu Baumstämmen wuchsen

Denn nur der Baumeister hatte den Burgplan
im Kopf und obwohl sie ihn haßten dachten
die Bauern daß der Baumeister nicht sterben
    
dürfe denn dann wäre alles umsonst
gewesen alle unbezahlten Arbeitsstunden
der Ärger dabei und während ihnen der Wind die Haare

strähnte beim Arbeiten dachten die Bauern schon an
die Packen Erbsbrei und Mehl die sie nach langen
Tagen nachhause bringen würden der ganzen Familie

Mit Händen die später das Bauwerk zu schützen
Sarazenen und Wikinger in die Flucht schlagen sollten
machten die Bauern die nötigen Betbewegungen

daß der König nicht sterben dürfe dachten bei Schlachten
die Köpfe der Bauern dachten beim Essen die Frauen
der Bauern Sie dachten die Fron ist Not nicht der Tod

© Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung GmbH, Frankfurt am Main
from: Der Tag an dem die Möwen zweistimmig sangen. Gedichte 2001-2008. Mit einem Nachwort von Dorothea von Törne
Frankfurt am Main: Schöffling & Co., 2013
ISBN: 978-3-89561-375-3
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Pease-Pudding hot pease-pudding cold Pease-Pudding in the pan nine days old

english

The master builder must not die
the peasants thought when the castle was built
as their upper arms grew into tree-trunks

For only the master builder had the plan of the castle
in his head and although they hated him the peasants
thought the master builder must not die

because otherwise everything would have been
in vain all those unpaid working hours
all the bother and with the wind combing their

hair during their work the peasants were already
thinking of the portions of pease-pudding and flour which after
long days they would bring home for the whole family

With hands that later were to protect the edifice
to put to flight the Saracenes and Vikings
the peasants went through the motions of praying

the King mustn’t die thought the peasants when battles
were raging thought the wives of the peasants
when they were eating They thought socage equals want not death

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

eine kuppel ein schnitt

german | Nico Bleutge

grauer plan ein halbkreis
unter kuppeln schräg gewicht
eines bogens höhe die sich
raum ausmißt

trägt sich der bau bedeckt
in färbung: mildes blau ein rot
ton kleiner kammerzweig
verästelt ins feinste bis                                
                 
stränge nach zarter drehung
mehrere querschnitte zwischen
den schenkeln das maß
ziffern und richtungen deuten

fluß an von winzigem durch
kanäle gedrückt ein windungs
zugriff nurmehr: verhäutetes nähte
bündig den saum läuft ein auge

einzeln entlang

© Verlag C.H.Beck
from: klare konturen
München: Verlag C.H.Beck, 2006
Audio production: 2003 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

a cupola a section

english

grey plan a semicircle
below cupolas slanting weight
of an arch height
measuring out space for itself

the building holds iltself up covered
in colours: mild blue a red
hue small chamber-twig
subtly branched out until

ropes after a tender twist
several cross-sections between
the legs the measure
figures and directions hint at

a flow pressed by something tiny
through channels only a gripping whorl
now: some skin sewed
flush the hem an eye runs

along on its own

Translated by Hans-Christian Oeser and Gabriel Rosenstock

Ein Mann mit blauem Kinn

german | Mirko Bonné

schläft vor aller Welt Augen,
drum gib mir einen Satz ein,
vielleicht
wie ich einen Groschen werfe
in einen Brunnen Roms oder Schoas,
nein in ein Gerät, das rasselt
und Glück bringt.
Wie denk ich dich mir,
pythisch, die ungestutzten Flügel
das Rückgrat hinunter gefaltet
wie Zeitungen und einbeinig?
Bist du: Novalis ähnlich, Sophie
Tucker oder hölzerner Drache, ein
Flugwagen, golden, den frenetisch
Schwärme von Nachtigallen dahinziehn,
Sirene, Hyäne, crocuta crocuta,
einsilbig, sternförmig, Wolke, Handy
mit meinem Gesicht? Bist du
eine Musik?
Schlafen zwischen Brüsten,
während Schnee vor dem Haus wirbelt,
nur der Strom brummt in der Überlandleitung,
ein Abziehbild scheinen lassen durch die Nacht,
auf das Kabinenfenster einer Zugmaschine gepappt,
der Fahrer dahinter, eingeschlafen in dem Gestöber.
Hink heran dann auf deinem Bein,
schieb den Schnee mit den Schwingen beiseite,
lass fauchen, was noch faucht, bis es taut,
und die Nachtigallen im Zaum alles geben,
die Kabine den Karren hell ausleuchten,
und spiel auf, Habanera! bis die Leitung
sprühend auf das Dach schlägt.
Ein Mann mit blauem Kinn
erfriert vor meinen Augen.

© Mirko Bonné
from: Gelenkiges Geschöpf. Gedichte
Hamburg: Rospo, 1996
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

A man with a blue chin

english

sleeps for all the world to see
so inspire me with a phrase
perhaps
how to throw a penny
into a fountain in Rome or Shoa
no, into a slot machine that rattles
and brings luck.
How do I think you,
pythic, your unsupported wings
folded down your spine
like newspapers and one-legged?
Do you resemble Novalis, are you Sophie
Tucker or a wooden dragon, a
flying chariot, golden, pulled by
frenetic flocks of nightingales,
siren, hyena, crocuta crocuta
monosyllabic, star-like, cloud, mobile phone
with my face? Are you
some sort of music?
To sleep between breasts
while snow whirls in front of the house,
only the current hums in the overhead power line
to let a transfer shine through the night
stuck on the cabin window of a snow plough,
behind it the driver, fallen asleep in the snow flurry.
Then limp hither on your gammy leg,
shove the snow aside with your wings.
let hiss what still hisses, until it thaws
and the bridled nightingales give their all,
brightly illuminate the cabin, the cart,
and strike up, Habanera! until the power line
hits the roof, sparks flying.
A man with a blue chin
freezing to death before my eyes.

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Eclipse chaser

german | Hendrik Rost

Als wir einmal um die längsten Tage
herum weit über die Grenze nach Norden
gefahren sind und in der ersten Zeit kaum
mehr als ein paar unruhige Stunden geschlafen
haben bin ich von den Reviergesängen
der Vögel geweckt vors Haus getreten.
Die Sonne stand an ihrem tiefsten Punkt
noch halb über dem Horizont es war vielleicht
zwei oder drei in der Frühe und ich tastete
mich ins dunklere Zimmer zurück. Beim
Aufwachen dann wirkte es wie später Mittag
das Licht fiel in einem Winkel ein der uns
die Stille seltsam klarmachte weil die Reviere
für heute seit Stunden abgesteckt sind und wir
irgendwo dazwischen und darin zu Hause.

© Hendrik Rost
from: Aerobic und Gegenliebe. Gedichte
Düsseldorf: Grupello Verlag, 2001
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Eclipse chaser

english

Once when we drove around the longest days
far beyond the border to the north
and during those first days slept hardly
more than a few restless hours
I stepped outside the house wakened
by the birds’ territorial songs.
The sun stood at its lowest point
still half over the horizon it was perhaps
two or three in the morning and I groped
my way back into the darker room.
When I woke it felt like latish noon
the light came in at an angle that strangely
explained to us the hush since for today
the territories have been marked out for hours and we
are somewhere in between and feel at home.

Translated by Hans-Christian Oeser and Gabriel Rosenstock

Berenice

german | Hendrik Rost

Den Booten geben sie Namen
unartiger Töchter, die an der Leine zerren,
um mit dem Wind zu tanzen

Der Sturm kommt, glaubt man,
was der Tag gestern versprochen hat,
die Sicht war so klar, sie verlor sich irgendwo

wie ein Interesse, das nie gestillt wurde,
ein Fischer schöpft Wasser aus der Bilge
des offenen Rumpfs, um auch nicht

einen Tag an Land zu verbringen,
wo Urlauber warten, was aus ihm wird.

© Hendrik Rost
from: Aerobic und Gegenliebe. Gedichte
Düsseldorf: Grupello Verlag, 2001
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Berenice

english

They give their boats the names
of unruly daughters who strain at the leash
to dance with the wind.

A storm is gathering if one believes
what yesterday promised,
visibility was so good it got lost somewhere

like some interest never satisfied,
a fisherman bales water from the bilge
of the open hull in order not to have

to spend even a single day on land,
where holidaymakers wait to see what’s to become of him.

Translated by Hans-Christian Oeser and Gabriel Rosenstock

Beim Scherbengericht steht der Titel auf dem Stück aus wunderbar blauer Keramik

german | Silke Scheuermann

Die Erwartung mit einem Bleistift beim Aufsetzen
einen Riß in die Erde zu machen sagst du

ähnle der Erwartung der ersten Männer
über dem Atlantik die ohne Rücksicht auf Verluste

wie Hunde loszogen ihren Herrn auf der anderen
Halbkugel zu suchen Sie ähnelt sicherlich nicht

der Windstille hier auf dem Feld
Es folgt unser gewöhnliches Schweigen

Das Jahr fällt zusammen und der Boden
gefriert im Sturz Ich erinnere mich

an die Vagheit der Wettervorhersage heute morgen
und fühle an beiden Händen während du losläßt

das Scherbengericht des Winds der nur
Hüte herbringt und vielleicht ein paar alte Papiere

© Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung GmbH, Frankfurt am Main
from: Der Tag an dem die Möwen zweistimmig sangen. Gedichte 2001-2008. Mit einem Nachwort von Dorothea von Törne
Frankfurt am Main: Schöffling & Co., 2013
ISBN: 978-3-89561-375-3
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

At an ostracism the title is written on the piece of wonderfully blue ceramic

english

The expectation of tearing open the earth
when putting down a pen you say

resembles the expectation of the first men
across the Atlantic who disregarding any losses

set out like dogs to search for their master in the other
hemisphere It certainly doesn’t resemble

the calm out here on this field
There follows our customary silence

The year collapses and the ground
is frozen in the tumble I remember

the vagueness of the weather forecast this morning
and feel on both hands while you let them go

the ostracism of the wind which only
carries hither hats and perhaps some old papers

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Undine geht weil Hans ihre neuen Kleider nicht mehr bewundert

german | Silke Scheuermann

Dein Blick weg vom Körper zum Horizont
entfernt dich von mir und den Dingen
den Blutkörperchen Handhaltungen
schließlich dem Glanztrio Auge Zahn Lippe

führt hinter das Tageslicht in andere Räume
weit weg zu den Grabgräbern Grabrednern
den Putschisten und Kämpfern in Grosny
zu dem Regenbogen rot gelb rot

weil jede Wolke nur Eiter und Blut spuckt
schon meine Mutter sagte mir
schlaf nie mit einem Fotografen
sie haben schon zu viel gesehen

Du bist bei Hügeln aus Tulpen oder wo
Dies ist die Stadt Fußgängerzone
hier sind wir hier spaziert dein
inneres Feuer umher mit dem Wissen

daß zwei Personen die sich lieben
sich addieren oder subtrahieren können
Plus machen können oder wie in
diesem Fall ganz unverschuldet Minus

© Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung GmbH, Frankfurt am Main
from: Der Tag an dem die Möwen zweistimmig sangen. Gedichte 2001-2008. Mit einem Nachwort von Dorothea von Törne
Schöffling & Co., 2013
ISBN: 978-3-89561-375-3
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Undine is leaving since Hans no longer admires her new clothes

english

Your gaze away from body to horizon
distances yourself from me and the things
the blood corpuscles the gestures
and finally the shining trio eye tooth lip

leads beyond daylight into other rooms
far away to the grave-diggers the graveside orators
the putschists and fighters in Grozny
to the rainbow red yellow red

since every cloud spits only pus and blood
my mother told me early on
never sleep with a photographer
they have seen too much already

You are near hills of tulips or wherever
This is the city the pedestrian precinct
here we are here your inner
fire strolls about in the knowledge

that two people who love one another
can add to or subtract from each other
can put a plus or as in this case
through no fault of our own a minus

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock

Sadomasochistische Grammatik der Träume

german | Silke Scheuermann

Mit allem, was vom Indikativ in den Konjunktiv wechselt,
legt die Nacht sich auf den Tag  und kettet seine Hände oben
ans Bett. Alles, was wir nicht gesagt haben, wächst in das
Weiße der Haut ein, dort, wo die Schlingen das Blut sperren.
Ex machina schaltet das Mondlicht sich zu. Sprachfremd
konjugieren wir allerknappste Alphabete.

© Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung GmbH, Frankfurt am Main
from: Der Tag an dem die Möwen zweistimmig sangen. Gedichte 2001-2008. Mit einem Nachwort von Dorothea von Törne
Frankfurt am Main: Schöffling & Co., 2013
ISBN: 978-3-89561-375-3
Audio production: 2001 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Sadomasochistic grammar of dreams

english

With everything that changes from indicative to subjunctive
the night lies down on the day and chains its hands atop
the bed. Everything we haven’t said grows into the
white of the skin where the tourniquets block the blood.
Ex machina the moonlight switches itself on.
Strangers to language, we conjugate the briefest of alphabets.

Translated by Hans-Christian Oeser & Gabriel Rosenstock