Josefine Bergholm 
Translator

on Lyrikline: 2 poems translated

from: english, french to: german

Original

Translation

Contract

english | Tishani Doshi

Dear Reader,
I agree to turn my skin inside out,
to reinvent every lost word, to burnish,
to steal, to do what I must
in order to singe your lungs.
I will forgo happiness
stab myself repeatedly,
and lower my head into countless ovens.
I will fade backwards into the future
and tell you what I see.
If it is bleak, I will lie
so that you may live
seized with wonder.
If it is miraculous I will
send messages in your dreams,
and they will flicker
as a silvered cottage in the woods,    
choked with vines of moonflower.
Don’t kill me, Reader.
This neck has been working for years
to harden itself against the axe.
This body, meagre as it is,
has lost so many limbs to wars, so many
eyes and hearts to romance. But love me,
and I will follow you everywhere –
to the dusty corners of childhood,
to every downfall and resurrection.
Till your skin becomes my skin.
Let us be twins, our blood
thumping after each other
like thunder and lightning.
And when you put your soft head
down to rest, dear Reader,
I promise to always be there,
humming in the dungeons
of your auditory canals—
an immortal mosquito,
hastening you towards fury,
towards incandescence.

© Tishani Doshi
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2014

Vertrag

german

Lieber Leser,
Ich willige ein meine Haut umzustülpen,
jedes verlorene Wort erneut zu erfinden, zu schleifen,
zu stehlen, zu tun was auch immer getan werden muss
um deine Lungenflügel zu versengen.
Ich werde auf Glück verzichten
Mich wieder und wieder erstechen
und meinen Kopf in zahllose Öfen senken.
Ich werde rückwärts in die Zukunft hin verblassen
und dir erzählen was ich sehe.
Sollte es trostlos sein, werde ich lügen
Auf dass die Wunder
dein Leben im Griff halten
Ist es fantastisch sende ich
Botschaften in deine Träume
die aufglühen werden (/und sie werden aufglühen)
als silberner Bretterverschlag in den Wäldern (/als silberne Hütte im Wald)
von Mondblumenreben (/Stechabpfelreben) erstickt,
lass mich am Leben, Leser.
Dieser Hals hat sich in jahrelanger Arbeit
gestählt um dieser Axt zu widerstehen
Und dieser Körper, mager wie er sei (/schmal wie er ist)
hat so viele Glieder an Kriege verloren, so viele
Augen und Herzen der Romantik geopfert, aber liebe mich,
und ich folge dir überall hin -
in die staubigen Ecken der Kindheit
zu jedem Niedergang und Aufstieg,
bis deine Haut zu meiner wird,
lass uns Zwillinge sein, lass unser Blut
im Gleichtakt aufeinander folgen
wie Donner und Blitz.
Und wenn du deinen weichen Kopf
zur Ruhe legst, geliebter Leser,
Verspreche ich dir immer da zu sein,
durch das Verlies
deiner Gehörgänge zu summen
als unsterblicher Moskito,
der dich der Raserei zutreibt,
dem Aufglühen,
der Wut.
(/der dich in Richtung Wildheit treibt,
in Richtung Glut.)

Ins Deutsche übersetzt von Josefine Bergholm

HYMNE À DEUX OMBRES

french | Serge Roger

I
Tu déchireras des notes de sel pour les dévêtir de leurs ombres
Puis marcheras à pas de vents dans le cri de l’absent
Taire le silence d’un nuage amer
Tu poseras ton doigt sur le fil laineux de sa voix
Vivre, dire et partir
Encriers d’un souffle étranglé
Quatre angoisses s’envoleront vers l’inaudible ailleurs
Il empoigna ses rêves d’alcôves et les susurra à l’oreille d’une étoile
Perle, perle, perle…
Les voilà, mes larmes égratignées ! Toute la chirurgie de mon époque !
Quatre angoisses s’envoleront vers un inaudible ailleurs…

II
La force magnétique d’une étreinte dans l’abandon d’un néon
Luminaires de rues étranglées
Un cœur transi de craintes
Les réverbères rétrécis de l’Ancien monde
Je ne serai jamais cet autre
Une virgule blanchie par une goutte de sang
La haine racontée sur un clavier génocidé
Fournaises télépathiques en déraison
Tu ne seras jamais qu’une autre

III
Sur le balcon…
Dans un lit…
Près de l’ennui…
En voilà quelques uns. Ecrans noirs ou tout en couleurs.
Lève-toi et marche sur mes organes en quête de gloires obscures
Il est midi mais Vénus tisse minuit sur l’horloge de l’oubli
Et toi…
Et toi au voile tout rosi par mes envies d’éclairs et de foudres
Pars ! Pars, petite vague ! J’irai déposer un baiser sur l’entre-rêve de ton épitaphe.

IV
Ma mosaïque
La mosaïque de mes émotions
Rien
Moins que rien
Encore
Essouflée
Ecorchée
Cette nuit
L’autre
Et la seconde d’après
Se taire
Dire
Se pencher
Y croire
Point de suspicion
Ecarlates
La douleur
Oui
Un cri
Quel sens a cet air qui m’entoure ?

© Serge Roger

Hymne für zwei Schatten

german

I
Du wirst Salznoten auseinanderreißen um sie von ihren Schatten zu befreien
Danach wirst du in Windgeschwindigkeit im Schrei des Abwesenden laufen
Das Schweigen einer bitteren Wolke zum Verstummen bringen,
du wirst den Finger auf den Wollfaden ihrer Stimme legen
Leben, behaupten und fortgehen
Ein Atemzug erstickt das Tintenglas
Vier Ängste werden in die geräuschlose Ferne davonfliegen
Er wird seine Alkoventräume packen und einem Stern ins Ohr flüstern
Perle, Perle, Perle...
Und schau: Meine verkratzten Tränen! Die ganze Chirurgie meiner Epoche!
Vier Ängste werden wegfliegen,  in die geräuschlose Ferne...

II
Die magnetische Kraft einer Umarmung durch den Abzug von Neon(licht)
Leuchter erstickter Straßen
ein Herz das schmachtet vor Befürchtungen
die eingeschrumpften Straßenlichter aus der alten Welt
Ich werde niemals dieses andere sein
Ein Komma, ausgebleicht von einem Tropfen Blut
Der Hass, erzählt auf einer völkermordsgeschlachteten Tastatur
Telepathische Flammenwände, die nicht begreifen können
Du wirst niemals nur etwas anderes (/eine andere?) sein.

III
Auf dem Balkon...
In einem Bett...
Kurz vor der Langeweile...
Das sind vielleicht ein paar. Die Bildschirme sind dunkel oder bunt.
Erheb dich und lauf über meine Organe auf der Suche nach dunklem Ruhm
Es ist Mittag, aber Venus webt Mitternacht auf die Uhr des Vergessens
Und du, in deinem Schleier, den meine Anfälle von Blitz und Lichteinschlag erröten lassen auf den ersten Blick
Geh weg, geh, kleine Welle! Ich werde einen Kuss ablegen auf dem Wachtraum deines Epitaphs.


IV
Mein Mosaik
Das Mosaik meiner Gefühle
Nichts
weniger als nichts
Noch immer
außer Atem
dünnhäutig
Diese Nacht
Die andere
Und der Moment danach
Still sein
behaupten
sich zur Seite neigen (/sich beugen)
daran glauben
Verdachtspunkt
scharlachrot
der Schmerz
Ja
Ein Schrei
Und welchen Sinn hat diese Luft, die mich umgibt?