Rosmarie Waldrop 
Translator

on Lyrikline: 23 poems translated

from: german to: english

Original

Translation

Souvenirfahrt

german | Ron Winkler

für Jan Wagner
 
 
hinter ausgiebigen Schafen lagen Premium Highlands,
die Alphalandschaft war sofort erkennbar, das adäquate Design:
tektonischer Mittelstand in seinen besten Jahren. du sprachst
von gemeinsamem mounting, einige egozentrische Pubs später
von manischer Ernte. wer weiß, diese Fremde war eine intransitive
Heimat — und daher gefährlich. man hielt Malzkühe,
die sich wie Malzkühe verhielten. jeder Tag enthielt vielleicht
zehn Kilogramm Schönheit. Sonnenaufgänge wie Monsune.
Niederschläge manchmal wie Licht, manchmal wie Substantive.
um uns herum so genannte Glenn-Gould-Vögel. seltsame Fenster.
auch sie basierten auf einer Chartersprache. und überbrückten
etwas, das fehlte. beim Abschied blicktest du
ihnen merkwürdig viktorianisch nach.

© Schöffling & Co.
from: Fragmentierte Gewässer. Gedichte
Berlin: Berlin Verlag, 2007
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2009

souvenir trip

english

for Jan Wagner

 

 

behind ample sheep lay premium highlands,

the alpha landscape immediately recognizable, the adequate

design tectonic middle class in its prime. you talked

of mounting together, a few egocentric pubs, later; of manic

harvest, who knows, these foreign parts were an intransitive

home ― hence dangerous. malt cows were bred

that acted like malt cows. every day contained approximately

ten kilogram of beauty. sunrises like monsoons,

precipitation now like light, now nouns.

around us so-called Glenn-Gould-birds. strange windows.

they too were based on a charter language and bridged

something that was lacking. on leaving you gave them

a peculiarly Victorian look.

Translated by Rosmarie Waldrop

surrounding Schnee

german | Ron Winkler

für J. S., R. H. und M. R.


wir lieben diese kalte fraktale Grammatik.

das feingliedrige Taumeln des Schnees in der Luft.

das komplexe Tänzeln des feingliedrigen Schnees
in der Atmosphäre.

das Neuland vor den white boxes unserer Augen.
das die Vereinfachung der Umgebung ist.

wir lieben diese lautlosen Hufe des Anfangs
von es liegt Schnee.

wir lieben diese komplizierten Intensivstationen
eines besonderen Klimas.

ihre unaufdringliche Kompliziertheit.

die Anschaulichkeit von spezifisches Ungleichgewicht.

wir lieben die sich selbst beweisende Turbulenz.

und die Erscheinung an sich (als Erinnerung
an diese Erscheinung).

vorsichtig lieben wir das friedliche overbombing.

und später den schleichenden Konstruktivismus
eines weißen Sanskrits auf den Dingen.

© Schöffling & Co.
from: Fragmentierte Gewässer. Gedichte
Berlin: Berlin Verlag, 2007
Audio production: 2005, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

surrounding Schnee

english

for J. S., R. H. and M. R.

 

 

we love this cold fractal grammar.

 

the fine-boned tumble of snow through the air.

 

the complex prancing of fine-boned snow

through the atmosphere.

 

the new territory in front of the white boxes of our eyes.

that simplifies the surroundings.

 

we love these soundless hooves of the beginning

of it’s snowing.

 

we love these complicated intensive care units

of this particular climate.

 

their unobtrusive complexity.

 

the vividness of specific unbalance.

 

we love the turbulence that is its own proof.

 

and the phenomenon as such (as memory

of this phenomenon).

 

cautiously we love peaceful overbombing.

 

and later the creeping constructivism

of white sanscrit on things.


Selbstgespräche sind nur Meeresrauschen

german | Elke Erb

denn das Selbst, wie wir es hatten,
das reine
- unter Gottes Eifersucht und scheinheiligem Lidschlag -
Gold,

von unseren Klondike-Klauen und sibirischen, karpatisch...
geklaubt aus schroffen Quarzen:

außerordentlich weich
und dehnbar, leicht

mechanisch zu bearbeiten, von
träger Reaktion,

Scheibenmonstranz, wie es vom Stengel nickt,

hört ja weder selbst noch sprichts,

ein Inbegriff
des innersten Gehirns -
oh Blastula, oh Gastrula, oh Gast

aus fernem Meer, gereist
mit gleichsam aufsteigenden Teichen,

Amöbe, die

im Teichohr Meeresrauschen

3.7.1994

[Hör Version
(Fett sind die Zeilen der Lese-Version)

Selbstgespräche sind nur Meeresrauschen Meeresrauschen
Selbstgespräche sind nur Meeresrauschen
denn das Selbst das Selbst das reine
denn das Selbst, wie wir es hatten, das reine Gold
- unter Gottes Eifersucht und scheinheiligem Lidschlag - Gold
denn das Selbst, wie wir es hatten unter Gottes Eifersucht und scheinheiligem Lidschlag
denn das Selbst, wie wir es hatten,
das reine
- unter Gottes Eifersucht und scheinheiligem Lidschlag -
Gold
                                           
unter Gottes Eifersucht und scheinheiligem Lidschlag
von unseren Klondike-Klauen und sibirischen, karpatisch... geklaubt aus schroffen Quarzen
denn das Selbst das reine Gold geklaubt aus schroffen Quarzen    
das reine                                                 
Gold, außerordentlich weich und dehnbar, leicht mechanisch zu bearbeiten, von träger Reaktion
denn das Selbst, von träger Reaktion, leicht mechanisch zu bearbeiten, außerordentlich weich und dehnbar,
Gold
Scheibenmonstranz, wie es vom Stengel nickt unter Gottes Eifersucht und scheinheilgem Lidschlag
Scheibenmonstranz, wie es vom Stengel nickt
Selbstgespräche sind nur Meeresrauschen
denn das Selbst, wie wir es hatten
hört ja weder hört ja weder selbst hört ja weder selbst noch sprichts noch sprichts
hört ja weder selbst noch sprichts
Selbstgespräche sind nur Meeresrauschen Meeresrauschen
denn das Selbst, das reine
ein Inbegriff des innersten Gehirns Inbegriff des innersten ein Inbegriff des innersten Gehirns
denn das Selbst wie wir es hatten ein Inbegriff des innersten Gehirns
oh Blastula, oh Gastrula, oh Gast
oh Blastula, oh Gastrula, oh Gast
aus fernem Meer das Selbst oh Gast aus fernem Meer
Oh, Blastula, oh Gastrula, oh Gast
aus fernem Meer, gereist
mit gleichsam aufsteigenden Teichen,

aus fernem Meer, gereist, das Selbst
Amöbe, die, ein Inbegriff des innersten Gehirns aus fernem Meer
Amöbe, die
aus fernem Meer, gereist mit gleichsam aufsteigenden Teichen
Amöbe, die
im Teichohr Meeresrauschen
Meeresrauschen
Selbstgespräche sind nur Meeresrauschen]

© Urs Engeler Editor Basel, Weil am Rhein und Wien 1998
from: Mensch sein, nicht
Basel, Weil am Rhein, Wien: Urs Engeler Editor, 1998
ISBN: 3-905591-04-9
Audio production: 1999 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

TALKING TO ONESELF IS JUST A ROAR FROM THE SEA

english

because the self, as we've got it,
the pure
—under God's jealous & sanctimonious blink—
gold

that our Sibirian, Carpathian and Klondike claws
scraped from rugged quartz:

extraordinarily soft
and elastic, easy

to modify mechanically, and
slow to react,

a monstrance disk it nods on its stem

neither listens nor talks itself,

an incarnation
of the innermost brain—
O blastula, O gastrula, O guest

from distant seas, traveling
in as it were rising ponds,

amoeba in

pond's ear, roar of the sea

Translated by Rosmarie Waldrop

Elke Erb: Mountains in Berlin. Poems, translated from the German by Rosmarie Waldrop. Providence (USA)

Alexandrie, Boulevard de Ramleh, 1903

german | Joachim Sartorius

Wie die Bleistiftschrift auf der alten Postkarte
déposé Nº 10 erklärt, ist Ramleh der Name eines Badeorts,
einer Hauptstraße im Ausländerviertel der Stadt
und eines Bahnhofs mit Zügen an die Küste.
Auf der Karte macht der Boulevard im rötlichen Staub
einen leichten Schwung auf den Bahnhof zu,
als müsse es jederzeit die Möglichkeit geben,
der sommerlichen Erstarrung zu entfliehen
Richtung Meer, Richtung Ramleh, Richtung Athen.
Die ganze verrottete Langeweile des Viertels,
wie sie sich Carlo Mieli, Fabrikant der kolorierten Karte,
nicht dachte, ist gegenwärtig:
eine Apathie ohne Geruch
wie eine Rose aus gewachster Seide.
Wo bleibt der Orient? Herr Mieli hat Sorge getragen.
Rechts neben die Wohnhäuser der Ausländer,
ihre weißen Markisen und Balkons,
und die Figurinen auf der Straße, zu klein,
um wirklich ausdruckslos zu sein,
ließ er eine Rotunde ein.
In diesem Kreis sieht man die Nubierin, verschleiert,
den Mann mit Fez und den promisken Knaben.
Sie posieren unter zerfransten Bananenblättern
mit fortan unbewegtem Gesicht,
unter der Lupe aufgelöst in braune Punkte,
die alles sein können, das heißt nichts,
oder nur die versprühende Wärme dieser Körper
von der Farbe und der Härte der Olive.
Doch der Blick geht immer zurück
auf diesen öden Boulevard, zu einem Strichmännchen,
europäisch gekleidet, das vor dem Bahnhof
in eine dunkle Gasse biegt zu guter Letzt,
Kavafis vielleicht, damals 40 Jahre alt,
obwohl alles dagegen spricht und alles
für die Entdeckung der Nähe des Meeres.

© 1996 by Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln
from: Keiner gefriert anders. Gedichte
Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1996
ISBN: 3-462-02560-0
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Alexandrie, Boulevard de Ramleh, 1903

english


As penciled on the old postcard
déposé No. 10, Ramleh is the name of a spa,
a major street in the city's foreign quarter,
and a station with trains to the coast.
On the card, the boulevard describes a slight curve
through reddish dust toward the station,
as if it must always be possible
to escape the sommer torpor
toward the sea, toward Ramleh, toward Athens.
The whole rotten boredom of this quarter
which Carlo Mieli, manufacturer of the colored card,
could not imagine, is present:
an apathy without smell,
like a waxed silk rose.
What about the Orient? Mr. Mieli has thought of it.
To the right of the foreign apartment buildings,
the white awnings and balconies,
the figurines on the street, too small
to be without expression,
he has inserted a rotunda.
In this circle, you see the Nubian woman, veiled,
the man with fez, the promiscuous boy.
They pose under tattered banana leaves
with, henceforward, immobile faces
that dissolve, under a lense, into brown dots
that may be anything, i.e. nothing,
or just heat spilling from these bodies
the color and hardness of olives.
Yet our eyes always come back
to the bleak boulevard, to a stick figure
in European clothes, in front of the station,
turning, finally, into a dark alley,
Cavafy perhaps, at 40,
though everything speaks against it, and everything
for noting how close the sea.

Translated by Rosmarie Waldrop

O-Ton "Automne" – Linguistikherbst

german | Oskar Pastior

O-Ton "Automne" – Linguistikherbst
Stick Harwest / Osenj / Toamna / Stick
Stick Lippstick Nota Bene – heu
was da abwest im Dümpel-Sermon:

Zero-Phonem

Der Kürbis wächst
In Eros-Hemden sensen
Tristia
Trestia
Deltageflecht

Da ist ("Kusnejtschik / Zinziwer") Synopsis
von Kolchis her ergangen:
Seerosensee / Seerosenbucht
Ost-West-Phantom
Ovids Metamorphosen
am Bösendorfer Luch

Die Semaphoren morsen:
            "noch steht es zahn / um haaresbrei
              an topf und hasen / geht es wald
              das jahr es jährt / sich horn und hin"

O Zero Osero – der See
Rien ne va plus – O Zero Stick
O Lambda Entengrütze Haarnest Fälfä
hilf Schilf 
heu Schelf
O-Ton
Automne
mir ist so rosident phantom 
Semiramis / Sorbonne / Sa-Um-Weh

© 1997 Carl Hanser Verlag München Wien
from: Das Hören des Genitivs. Gedichte
München: Carl Hanser Verlag, 1997
Audio production:

O-tone

english

O-tone “automne” — linguistic autumn
Stick harvest / Osenj / Toamna / stick
Stick lipstick nota bene — hay
All that absents itself from dumbbell sermons:

Zero-phoneme

The pumpkin grows
In eros-shirts scythe
Tristia
Trestia
Delta web

There is (“Kusneitschik/Yabigshot”) synopsis Come from Colchis:
Waterlilylake / waterlilybay
East-West-phantom
Ovid’s Metamorphoses
At the Bösendorfer Bog

Semaphors morse along:
                      “conditions they are bald / by the skin of our tee
                      we’re banging on / to save our peck
                      the year it yeareth /on till gone”

O zero Osero — the sea
Rien ne va plus — O zero stick
O lambda duck groats hair nest falfa
half shelf
hay help
O-tone
Automne
I feel so rosident phantom
Semiramis / Sorbonne / Za-Um-Brella

Translated by Rosmarie Waldrop

Oskar Pastior: Many Glove Compartments. Poems, translated from the German by Harry Mathews, Christopher Middleton, Rosmarie Waldrop, & with a guest appearance by John Yau. Providence (USA)

fachsprachen IV (9) [doing unterthänigst dienst]

german | Ulf Stolterfoht

doing unterthänigst dienst über dessen kunst-
gespinsten unschwulst zu befinden sich er-
dreisten nachzuweisen deren ausbund und tut
kund: sorge trägt für frischen schwund. diese
zeilen laufen rund. wie leicht das pfund sich
wuchern läßt scheint klar in licht als eigen-

schaft. das grelle hell bleibt zweifelhaft.
wenngleich ein ort von lebensart mit durch-
aus nassau-qualität. als seis ein teil von
weiterhin tunlichst bemüht sich wie gewöhn-
lich zu bedienen. auf daß sich endlich text
ansetzt. dann aber jena. thüringer ver-

hältnisse. am zorn zurück gebrichts dem
blick. es hatte da doch zeug gegeben: die
schlüpfrigkeit der hunde diese wasserbegehung
und ach seine wiederbewaffnung. auf lücke
gesprochen. gebrochener nie. geflexte pal-
laksch-athene-fragmente derer von unstrittig.

behauptetes dasein im sprachhub. dessen "inne-
wohnt" jedoch behaftet mit. die eitrigkeit
die diesen osterglocken "innewohnt" - schau!
schau nur wie sich die lieben weiden biegen.
am liebsten würde binsen binden. wie leicht
die sprachen sich vom knochen lösen - schau!

© Urs Engeler Editor Basel, Weil am Rhein und Wien 1998
from: fachsprachen I-IX
Basel, Weil am Rhein und Wien: Urs Engeler Editor, 1998
ISBN: 3-905591-01-4
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

JARGONS IV (9)

english

your most obedient is doing duty to consider
your art-tissue as non-bombast to presume
to prove to make it known a paragon: make
sure there a new hangars-on. these lines just run
around. how easily you turn your talent to
account seems crystal clearly characteristic of

your clout. the too bright light remains in doubt.
although a place of breeding with downright
deadbeat quality. as if it were a part of
further if at all possible attempts as usual
to help yourself. so that you finally put on some
text. but then, say, jena. thuringian con-

ditions. the back-in-anger look is lacking.
there really have been goings-on: those
slippery dogs this walk on water and
alas rearmament. spoken through gaps.
never more broken. flexed pallaksch-
athena-fragments of the lords of indisputable.

life maintained in language heft. whose “in
herent” nevertheless afflicted with. the pus
“inherent” in these easter bells — look!
look how the dear old willows sway.
i would like best to go to (grow) pot. how easily
language comes off the bone — just have a look.

Translated by Rosmarie Waldrop

dame street, dublin

german | Michael Speier

                             the wild swans at coole (w. b.yeats)

und, wildschwant morgens
bei bewleys gestöber
noch tee in den worten
noch licht in der tüte
l`ile joyeuse nicht
entzweivereint noch
umeinander gelegt

wünsche, drücke taste schlaf
morgens bei bewleys
keltischen zwielichts
knirschen uns kellner
nicht yeats ins gefieder
gehör voll wind
und fragepartikel

aber die sprache
morgens bei bewleys
die wollte die wußte
die nahm mich I`ll put
your stick in my mouth
nicht zurück soweit du
den hals bogst

© vacat verlag
from: die akribie der zärtlichkeit
Potsdam: vacat verlag, 1995
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

dame street, dublin

english

and, wild-swans the morning
at bewley's flurries
yet tea in our words
yet light in the bag
l’île joyeuse not
asunderjoined yet
intertwined

wishes, press the sleep key
mornings at bewley's
of celtic twilight
don't the waiters
crunch yeats into our feathers
ears full of wind
and question particles

but language
mornings at bewley's
it wanted it knew
it took me I’ll put
your stick in my mouth *
didn't keep me back as far as you
craned your neck

*original in English

Translated by Rosmarie Waldrop

die einschiffung nach kythera (1)

german | Michael Speier

nur einen gönner
für diesen gewaltigen sommer -
an dessen ende wir stehn
um auf die see zu blicken
die lichte unruhe kräuselt
uns aber kränkt kein bewölktsein
(im sinne von „verrauscht“)
wir leben in ausgeleuchteten räumen
aus landschaft, die macchia polstert die hänge
rasen mit frischem fassonschnitt
die halme gezupft mit der zuckerzange
hier nun die frage was willst du betonen
wenn die terrassen unterm sternbild
des kleeblatts dahinziehn
und unser leben sei wie wir es uns denken
einer sagt human flourishing
ein andrer oxytocin manche
liegen auf sofas hören musik
singen verstreute bücher papiere
jemand trinkt wein
bald aber müssen wir reisen
versorgt mit italienischen brocken die man uns
(den hyperboräischen hunden) hinwirft
während auf dem tisch der sprache
die silbernen löffel ruhn

© Aphaia Verlag
from: haupt/ stadt/ studio
Berlin: Aphaia Verlag, 2012
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2012

embarkation for cythera (1)

english

just thee to compare
to this summer day—
at whose end we stand
and look out to the sea
ruffled by slight turbulence
we, however,    do not fret at clouds
(in the sense of “blown over”)
we live in well-lit sweeps
of landscape, macchia cushions the slopes
lawns have fresh haircuts
their blades plucked with sugar tongs
now here’s the question what will you stress
when terraces are drifting under the
constellation of clover
and our life be as we may think
someone says human flourishing
another oxytocin some
lie on sofas and listen to music
chant scattered books and papers
someone drinks wine
but soon we must travel
armed with the scraps of italian
tossed to us (the hyperborean dogs)
while on the table of language
rest silver spoons

Translated by Rosmarie Waldrop

[SELBANDER: wir beide]

german | Barbara Köhler

SELBANDER: wir beide
und ein verlorenes Wort


einander verglichen
geht es mit uns fort


vonstatten die Schritte
– was kommt uns zu?


ein Ort, keine Mitte
Hand geht zur Hand


wo wir uns treffen
wächst das Selbdritte


was wir begreifen
ist schon der Rand

© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1995
from: Blue Box. Gedichte
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1995
ISBN: 3-518-40681-7
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

[SELBANDER: a twosome]

english

SELBANDER: a twosome
and a word lost

like unto like
we carry on

forward our stride
— what do we have coming?

a place, not a center
a hand lends a hand

where we meet
grows a threesome

what we grasp
is already the edge

Translated by Rosmarie Waldrop

was brauchst du

german | Friederike Mayröcker

was brauchst du? einen Baum ein Haus zu
ermessen wie groß wie klein das Leben als Mensch
wie groß wie klein wenn du aufblickst zur Krone
dich verlierst in grüner üppiger Schönheit
wie groß wie klein bedenkst du wie kurz
dein Leben vergleichst du es mit dem Leben der Bäume
du brauchst einen Baum du brauchst ein Haus
keines für dich allein nur einen Winkel ein Dach
zu sitzen zu denken zu schlafen zu träumen
zu schreiben zu schweigen zu sehen den Freund
die Gestirne das Gras die Blume den Himmel

für Heinz Lunzer

© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1992
from: Notizen auf einem Kamel. Gedichte 1991 - 1996
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1996
ISBN: 3-518-40799-6
Audio production: Der HörVerlag 1997

what do you need

english

what do you need? a tree a house to
gauge how great how small our human life
how great how small when you look up to the top of the tree
and get lost in the lush luxuriant green
how great how small when you think how short
your life compared with the life of trees
you need a tree you need a house
not all for yourself just a corner a roof
to sit to think to sleep to dream
to write to be silent to see your friend
the stars grass flower sky

Translated by Rosmarie Waldrop

Verschwunden

german | Richard Anders

Mal bist du dir voraus – mal rennst du hinter dir her und siehst deinen
mit jeder Sekunde kleiner werdenden Rücken. Die Straße führt zum
Horizont, wo die Häuser nur Punkte sind. Plötzlich bist du verschwunden,
bist unerreichbar geworden. Du drehst dich um. Jemand läuft auf dich zu.
Du! Du fliehst. Erst jetzt läufst du mit der Geschwindigkeit, mit der du dich,
als du hinter dir her warst, hättest erreichen können. Doch diesmal ist es
nicht Spiel oder Ernst. Den Augen deines Verfolgers entronnen, bist du
auch – bis auf diese lesbare heiße Spur – dir selbst abhanden gekommen.

© Druckhaus Galrev
from: Verscherzte Trümpfe
Berlin: Druckhaus Galrev, 1993
ISBN: 3-910161-31-6
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin, 2005

Disappaerance

english

Now you're ahead of, now you run after
yourself and watch your back get smaller
second by second. The street leads straight
to the horizon where houses are just dots.
Suddenly you've disappeared, clean out of sight.
You turn: somebody is running aflcr you. It's
you! You take to your heels. Only now you work
up to the speed which, while you were after
yourself, would have let you catch up. But this
time it is neither fun nor in earnest. Escaped
from the eyes of your pursuer you are also —
except for this hot legible trace — lost to
yourself.

Into American English translated by Rosmarie Waldrop

Sinn

german | Richard Anders

Von toten Buchstaben auferstanden, machst du erst Sinn, machst du erst Sinn, wenn du nicht wie Erz tönst sondern aus voller Kehle ins Blaue springst. Aber hoffe nicht, daß Engel dich fangen. Ob du steigst oder stürzt, hängt allein davon ab, ob deine toten Buchstaben zu Lebzeiten Oben oder Unten die tiefere, die höhere Bedeutung beilegten.

© Druckhaus Galrev
from: Verscherzte Trümpfe
Berlin: Druckhaus Galrev, 1993
ISBN: 3-910161-31-6
Audio production: M.Mechner / literaturWERKstatt berlin 2005

Sense

english

Resurrected out of dead letters you will
make sense only if you don't become sounding
brass, but spring straight from your barrel
chest into the blue. But don't hope for angels
to catch you. Whether you take wing or fall depends
only on this: was it to up or to down that your
dead letters in their lifetime attributed the deeper,
the higher meaning.

Into American English translated by Rosmarie Waldrop

pantum kadewe pulmon

german | Oskar Pastior

wenn die luftverbindung trennt
und die offenen grenzen schweigen
statt zu schäumen sukkulent
wann die säulenfrüchte steigen

und die offenen grenzen schweigen
noch bevor die schneise läuft
wann die säulenfrüchte steigen
bis der schwermuthopfen greift

noch bevor die schneise läuft
und die alten mieder schmurgeln
bis der schwermuthopfen greift
wo es rasselt statt zu gurgeln

und die alten mieder schmurgeln
während wenn der steiß ausbricht
wo es rasselt statt zu gurgeln
weil man alte konten schließt

während wenn der steiß ausbricht
und man kann nicht unterscheiden
weil man alte konten schließt
ob sie niesen oder schleudern

und man kann nicht unterscheiden
wenn die luftverbindung trennt
ob sie niesen oder schleudern
statt zu schäumen sukkulent

© Oskar Pastior
from: villanella & pantum
München Wien: Carl Hanser Verlag, 2000
Audio production: 1999 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

pantoum ann&hope pulmonic

english

when the air connection’s rent
and open borders are excized
instead of foaming succulent
while the pillar fruit arise

and open borders are excized
before the tail is even blazed
while the pillar fruit arise
till hops of melancholy daze

before the tail is even blazed
and the old corsages sizzle
till hops of melancholy daze
where there’s gulp instead of guzzle

and the old corsages sizzle
while who breaks into a rump
where there’s gulp instead of guzzle
because old accounts are dumped

while who breaks into a rump
and you cannot tell the difference
because old accounts are dumped
if they sneeze or only stiffen

and you cannot tell the difference
when the air connection’s rent
if they sneeze or only stiffen
instead of foaming succulent

Translated by Rosmarie Waldrop




naturbeschreibung

german | Gerhard Rühm

die wolken ziehen sich in falten
die blumen erbleichen
die wiesen wenden sich ab
die wege verkriechen sich
die steinen starren vor sich hin
die berge versinken in schweigen
die täler erschauern
ein windstoss entringt sich den lüften
die flüsse treten aus den ufern
die büsche raufen sich die blätter
die bäume schlagen die äste über den wipfeln zusammen

die erde taumelt in die nacht

© Gerhard Rühm
from: geschlechterdings. chansons romanzen gedichte.
Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag, 1990
ISBN: 3 498 05729 4
Audio production: 2001 M.Mechner, literaturWERKstatt berlin

description of nature

english

clouds frown
flowers grow pale
fields turn a cold shoulder
paths crawl into a corner
stones stare blindly
mountains sink into silence
valleys shudder
a gust of wind escapes from the air
rivers step over their banks
bushes tear their leaves
trees throw up their branches

earth totters into the night
(1979)


Translated by Rosmarie Waldrop



Gerhard Rühm: I My Feet. Poems, translated from the German by Rosmarie Waldrop. Providence (USA): http://www.burningdeck.com/dichten.html" ">Burning Deck Press

die Vogel Kutsche

german | Friederike Mayröcker

waren es Hühner Kinder Bachstelzen Buch-
staben welche an Weiher und in den Wiesen :
Wolken üppigen Wolken und Wiesen : wogend
und in welchen man sah 3 Gestalten mit strohgelben
van-Gogh-Hüten .. diese Unschuld diese Umschweife
zum See und der knisternde Blech Kübel bei verhangenem
Wetter das waren Granatäpfel nämlich Tropfen aus
einem Gewitter Himmel : aus einer Dachtraufe ein
Knattern und Nadel Instrument unerklärliches
Wetter Instrument, usw., die Lauch Gewächse und
Paraplues im Wald über den Geraniengärten wenn
man sie dem Regen überläszt dann fangen sie an
dann bluten sie nämlich der weisze Schirm wie
er in der Blumen Erde gesteckt hat : Firn– oder
Firnis Schnee auf dem Nacken, des Gebirges, an
der Kreide Tafel der griechischen Gaststätte
gegen das Tor gelehnt, stand, an der Spitze
der Speisenfolge ein Gericht wie GOTTES LAMM /
DAS LAMM GOTTES, im Kostüm des Regens und Herolds
 : ein schwarzes Ästchen war so gebeugt und geknickt
nämlich vom Baum gebrochen dasz es die
Initiale des Dichters beschrieb.

© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main
from: einem unveröffentlichten Manuskript
: , 1995
Audio production: Der HörVerlag 1997

The Bird Coach

english

for Christa Kühnholz

was it chicken children lapwings letterings
that along the pond and pastures :
clouds lush clouds and pastures : rippling
and where you saw 3 guys in straw yellow
van-Gogh-hats...this innocence this indirection
toward the lake and clattering tin bucket under overcast
weather it was pomegranates i.e. drops out of
a stormy sky : from the eaves
rattling and needle instrument inexplicable
weather instrument etc., the leek shoots and
parapluies in the woods above geranium gardens when
left in the rain they start
they bleed i.e. a white umbrella as
stuck in flowered ground : firn or
glacier snow on mountain nape,
chalked on the blackboard propped against the gate
to the Greek restaurant, the menu
starts off with some dish like GOD LAMB / LAMB
OF GOD, in a costume of rain and herolds :
1 black twig so bent and twisted
i.e. broken off the tree it formed
the poet’s initial.

what do you need? a tree a house to
weigh how great how small our human life
gauge judge understand estimate conceive  

how great how small when you look up to the tree top
and get lost in the lush luxuriant green
green lavish/luxuriant lush rank abundant beauty

how great how small when you think how short
your life compared with the life of trees
you need a tree you need a house
not all for yourself just a corner a roof
to sit to think to sleep to dream
to write to be silent to see your friend
the stars grass flower sky

Translated by Rosmarie Waldrop



die roten Schuhe

german | Gerhard Falkner

fremd bin ich aufgewacht und früh
der stecker steckte noch
eine frau, kleiner als ein pferd
reichte mir einen apfel auf englisch:
apple, she said
willst du nicht beißen
doch wer sind die roten schuhe
the red shoes
dort auf seiner saueren seite
blutig steigen sie den apfel herab
ach ich muß sterben und habe
noch gar nicht gefrühstückt

© Suhrkamp Verlag
from: Xte Person Einzahl
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1996
ISBN: 3-518-11996-6
Audio production: 1999 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

the red shoes

english

a stranger I awakened and early
the plug still plugged in
a woman, smaller than a horse
handed me an apple in English:
apple, she said
don't you want a bite
but who are the red shoes
the red shoes
there on the sour side
bloodied they climb down the apple
ah must die and have
not even had breakfast

Translated by Rosmarie Waldrop

Die Erweiterung der Geschichte

german | Peter Waterhouse

Die Sprache heißt heute: Keiner. Das Zögern weitet sich aus.
Weit ist die Welt. Das enge Obst heißt in unserem Schweigen:
Glücklicher Obstgarten. Manche Formen der Stille
schmecken im Sommer sauer. Der Name des Sauren: Zu früh
gepflückt. Das Jahr wird erst süß mit unserem Zögern
(könnte süß werden, könnte süß werden
heißt der Gang der Geschichte). O, wie schön ist es
sprachlos den Sommer in den Herbst
zu schieben. Wie schieben wir weiter?
Wer schiebt uns?

Einer sagt: Uns schiebt die Nacht in den Tag. Leider
schieben die Tage auch. Die Bewegung heißt bald Herbst
es kommen senkrecht die süßen Zeichen herab: Wir
beißen hinein. In diesem Augenblick macht
die süße Geschichte einen sprachlosen Schritt. Der Schritt heißt:
Kein Schritt. Wir einigen uns auf den Zusammenhang und
nennen ihn zögernd: Obstgarten. Wir schweigen draußen.
Das Innere heißt: Stiller Wurm
in der Nacht eines Apfels.

Wir warten. Wir warten den Wurm ab. Danach lautet der Garten
Feld, Wald, Tal, Welt. In den Zentren
bleiben die Würmer zurück. Der Wartende denkt:
Es könnte werden die Erweiterung der Geschichte.

© 1986 Rowohlt Verlag, Reinbek
from: passim. Gedichte
Reinbek: Rowohlt Verlag, 1986
ISBN: 3-498-07310-9
Audio production: 1999 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

The Widening of History

english

Today language is called: No-one. Our hesitation widens.
Wide, the world. In our silence, narrow fruit is called:
Happy fruit garden. Some forms of stillness
in summer taste sour. The name of sourness: Plucked
too soon. The year turns sweet only with our hesitation
(could turn sweet, could turn sweet
is called the course of history). O how beautiful
to push, speechless, the summer into
fall. How go on pushing?
Who pushes us?

Someone says: Night pushes us into the day. Alas,
days also push. The movement will soon be called fall.
Sweet signs descend vertically: We
take a bite. At this moment
sweet history takes a speechless step. The step is called:
No step. We agree on context and
hesitantly name it: Garden. Outside we are silent.
The inside is called: Quiet worm
in apple night.

We wait. We wait for the worm. Thereafter the garden is called
field, woods, valley, world. In the centers
are left the worms. The waiting man thinks:
This could turn into a widening of history.

On the day of narrow thoughts we change unobtrusively. Soon we turn into
the mobility in the woods, the oppressiveness in the beetle's landscape,
the other fish in the fish’s vicinity. How quickly we turn
into fish: this was unexpected.
The system of change is: Not only fish are fish. Or:
Not only the world is the world. We are the second haying,
second breathing birds, second patient cats.
Friends are welcomed with the words: Hello third haying
hello third red cat of the world. Question:
World before the change or world after the change? Answer:
We are still changing.

Hay, hay. Cat, cat. World, world.

In the nick of time (light, night, great answer of a landscape--
we are almost without light, almost without night, almost without
the great language (language hay, language cat, language
bird of the world): No good) nothing’s any good: We remain restrained
and microscopic: in the nick of time. We push grass into grass
OK. We push blackbird into blackbird
OK. World into world. OK.
In the end, we are left over. Everything has happened unobtrusively
fish swim unobtrusively as fish. Who
has changed?

Beetles. Birds. Night. Grass. World.
Beetles. Birds. Night. Grass. World.
Unobtrusively.

Translated by Rosmarie Waldrop

immer

german | Oskar Pastior

das gedicht gibt es nicht. es
gibt immer nur dies gedicht das
dich gerade liest. aber weil
du in diesem gedicht siehe oben
sagen kannst das gedicht gibt
es nicht und es gibt immer nur
dies gedicht das dich gerade
liest kann auch das gedicht das
du nicht liest dich lesen und
es dies gedicht hier nur immer
nicht geben. beide du und du
lesen das und dies. duze beide
denn sie lesen dich auch wenn
es dich nicht nur hier gibt

© 1997 Carl Hanser Verlag München Wien
from: Das Hören des Genitivs. Gedichte
München Wien: Carl Hanser Verlag, 1997
ISBN: 3-446-19126-7
Audio production: 1999 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

always

english

there’s no such thing as the poem.
there’s always only this poem that
happens to read you. but because
in this poem see above you can
say there’s no such thing as the
poem and there’s always only
this poem that happens to
read you even the poem that you
don’t read can read you and there be no
such thing as always only this
poem here. both you and you
read that and this. call both by
name: they read you even if
there’s no such thing as you only here

Translated by Rosmarie Waldrop



glaubensbekenntnis

german | Gerhard Rühm

der text wird in ableierndem sprechgesang auf einem ton
vorgetragen; nur das ‚ja‘ im zwanzigsten satz ist um einen ganzton
höher, und das ‚ko-‘ des vorletzten wortes ist um einen ganzton
tiefer zu intonieren.


ich glaube an ein kalb.
ich glaube auch an zwei kälber.
ich glaube, dass jedes kalb ein hirn hat.
ich bin überzeugt, dass man kälber schlachten kann.
ich glaube an eine henne.
ich glaube auch an zwei hennen.
ich glaube, dass jede henne aus einem ei geschlüpft ist.
ich glaube fest, dass hennen eier legen.
ich glaube auch, dass eine henne zwei eier legen kann.
ich bin überzeugt, dass es eine zwiebel gibt.
ich glaube, dass man eine zwiebel teilen kann.
ich halte es für möglich, dass man dabei weinen muss.
ich glaube an die kuh.
ich glaube, dass kühe milch haben.
ich glaube fest, dass man sie melken kann.
ich bin überzeugt, dass man durch stampfen butter
      gewinnt.
ich glaube an die zeit dabei.
ich glaube an eine menge von 3 dkg butter.
ich glaube, dass man zwei schädel spalten und ihnen
      das hirn entnehmen kann.
ich glaube, dass man die hirne wäscht, abzieht und
      hackt, ja hackt.
ich glaube an die geburt des feuers und an die eilige
      flamme, die wärmt.
ich glaube an den herd, als den geburtsort des feuers,
      und an die pfanne, die die flamme wärmt und erhitzt.
ich bin überzeugt, dass die butter darin zerinnt und die
      zwiebel in der flüssigen butter anläuft.
ich glaube fest, dass man die halbe zwiebel zuvor in
      noch kleinere stücke zerteilen konnte.
es würde mich wundern, wenn man das hirn nicht dazu-
      geben könnte, und
es würde mich wundern, wenn es dabei nicht durch-
      röstete.
ich glaube, dass sich über alles die beiden eier schlagen
      lassen.
ich glaube auch, dass man die pfanne vom feuer neh-
      men kann, wenn die eier halb gestockt sind.
ich glaube ferner, dass man das ganze mit schnittlauch
      bestreuen kann, denn
ich glaube fest, dass es den schnittlauch gibt.
ich bin überzeugt, dass ihnen das gericht bekommen
      wird.

© Gerhard Rühm
from: botschaft an die zukunft. gesammelte sprechtexte [Buch & 1 MC]
Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag, 1988
ISBN: 3-498 05718-9
Audio production: 2001 M.Mechner, literaturWERKstatt berlin

credo

english

[the text is to be cranked out in a monotonous sprechgesang on one note; only the “yes” in the twentieth sentence is to be intoned a whole note higher, and the “gree” of the penultimate word a whole tone lower.]


i believe in a calf.
i believe also in two calves.
i believe that every calf has a brain.
i am convinced that calves can be slaughtered.
i believe in a hen.
i believe also in two hens.
i believe that every hen has been hatched from an egg.
i firmly believe that hens lay eggs.
i also believe that one hen can lay two eggs.
i am convinced that there is such a thing as an onion.

i believe that one can split an onion.
i consider it possible that this will make one cry.
i believe in the cow.
i believe that cows give milk.
i firmly believe that they can be milked.
i am convinced that churning the milk yields butter.
i believe in the time spent doing this.
i believe in a quantity of 3 dkg butter.
i believe that one can split two skulls and take out the brains.
i believe that the brains are washed, skinned and chopped, yes chopped.

i believe in the birth of fire and the fast flame that is warming.
i believe in the stove as the birthplace of the fire and in the skillet warmed and heated by the flame.
i am convinced that the butter in it melts and the onion browns in the liquid butter.
i firmly believe that it was possible beforehand to split the onion halves into smaller pieces.
i would be astonished if it were not possible to add the brains and
i would be astonished if they did not fry in the process.
i believe that one can scramble the two eggs and pour them.
i also believe that one can take the skillet off the fire when the eggs are half done.
i further believe that one can strew chives on top because
i firmly believe that that there is such a thing as chives.
i am convinced that the dish will agree with you.


Translated by Rosmarie Waldrop



fortschreitender metabolismus in einer sestine

german | Oskar Pastior

hier sechs es als sich sieht
sieht hier sechs es als sich
es als sich sieht hier sechs
sich sieht hier sechs es als
als sich sieht hier sechs es
sechs es als sich sieht hier

sechs mal als sich sieht hier
hier sechs mal als sich sieht
als sich sieht hier sechs mal
sieht hier sechs mal als sich
sich sieht hier sechs mal als
mal als sich sieht hier sechs

mal wie sich sieht hier  sechs
sechs mal  wie sich sieht hier
sich sieht hier  sechs mal wie
hier  sechs mal wie sich sieht
sieht hier  sechs mal wie sich
wie sich sieht hier  sechs mal

wie mich  sieht hier sechs  mal
mal wie mich  sieht hier  sechs
sieht  hier sechs  mal wie mich
sechs mal  wie  mich sieht hier
hier  sechs mal wie mich  sieht
mich sieht  hier sechs mal  wie

mich sieht fast sechs mal  wie
wie  mich sieht fast sechs mal
fast sechs mal  wie mich sieht
mal wie mich sieht fast  sechs
sechs mal wie mich  sieht fast
sieht fast  sechs mal wie mich

faßt fast sechs mal wie  mich
mich faßt fast sechs  mal wie
sechs  mal wie mich faßt fast
wie mich  faßt fast sechs mal
mal wie mich  faßt fast sechs
fast sechs mal  wie mich faßt

sechs es als sich hier sieht
sieht hier sechs mal wie sich
sechs mal wie mich fast faßt

© 1994 Carl Hanser Verlag München Wien
from: Eine kleine Kunstmaschine. 34 Sestinen
München: Carl Hanser Verlag, 1994
ISBN: 3-446-17667-5
Audio production: 1999 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

progressive metabolism in a sestina

english

this sees said six so as
as this sees said six so
said six so as this sees
so as this sees said six
six so as this sees said
sees said six so as this

here six there in that sees
sees here six there in that
there in that sees here six
that sees here six there in
in that sees here six there
six there in that sees here

six so in that sees here
here six so in that sees
in that sees here six so
sees here six so in that
that sees here six so in
so in that sees here six

so as that sees here six
six so as that sees here
that sees here six so as
here six so as that sees
sees here six so as that
as that sees here six so

as this sees here six so
so as this sees here six
sees here six so as this
six so as this sees here
here six so as this sees
this sees here six so as

says said six so as this
this says said six so as
six so as this says said
as this says said six so
so as this says said six
said six so as this says

six there in that here sees
sees here six so as that
six so as this said says

Translated by Harry Mathews



Oskar Pastior: Many Glove Compartments. Poems, translated from the German by Harry Mathews, Christopher Middleton, Rosmarie Waldrop, & with a guest appearance by John Yau. Providence (USA): htt

fachsprachen IV (8)
[entlehnte von der allgemeinen vernunftkunst]

german | Ulf Stolterfoht

"entlehnte von der allgemeinen vernunftkunst
luchsaugen" rest palimpseste gabelsberger zu
entziffern begriffsschriftfetzen neu zu setzen
dachspratzen arg die jüngsten schichten anzu-
kratzen abzutragen "um desto scharfsichtiger
aller dinge eigenschaften zu vergleichen".

beschauliche leichen. vom wort das greifbar wird
"wenn es gewaltig nachbarschaftlich ächzt"
über die lyrik-typische klangspreizung "hybrid"
schnurstracks zu pseudo-vicos "ort vor zeit"
- erdrückende fragmente. doch irgendetwas sträubt
sich noch. der aufzug andrer saiten droht.

versuche mit mutiertem metrum. manipuliertes
metronom. zwanghaftes forte-bellen auf text-
stellen. gerade in komplexen sätzen den formen
ein bewußtsein ihrer selbst zu geben. und das
ist erst der anfang. der lautstand zur stunde:
gut. allein die klanggestalt hängt etwas nach.

ein sinn-scharmützel dauert an. verbissen wirkt
der satzverband. er winkt als letzter dankend
ab. so löst man eine stellung auf. der fremde
skalp schmückt ungemein. so stellt man eine hal-
tung bloß. die barbarei der abstraktion. dichtung
hurra! die sprache darf sich  den gesichten fügen.

© Urs Engeler Editor Basel, Weil am Rhein und Wien 1998
from: fachsprachen I-IX
Basel, Weil am Rhein und Wien: Urs Engeler Editor, 1998
ISBN: 3-905591-01-4
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

JARGONS IV (8)

english

“borrowed lynx eyes from common rhyme-and-
reason-sense” to decode rest of palimpsests in
shorthand remap concept-scraps with badger
paws and scratch off scrape down recent
coats of varnish “to compare the more
keen-sightedly the qualities of things.”

corpse in(tro)spection.  from words that become
tangible “once they mightily neighborly groan”
via a lyrico-typical strutting sound “hybrid”
straight to pseudo-vico´s “place before time”
—oppressive fragments. but something still
resists. there is a threat of other tones.

attempts in mutant meter. manipulated
metronome. compulsive forte -bark at marked
passages. especially in complex sentences let´s
give self-consciousness to form. and that´s just
the beginning. the current state of sound:
good. the tone gestalt however lags behind.

skirmishes with sense continue. the dogged look of
compound sentences. they are the last to pass
with thanks. thus you disband positions. a foreign
scalp most decorative. thus you unmask a
posture. the barbarism of abstraction. poetry
hurrah! language is allowed to obey vision.

Translated by Rosmarie Waldrop

fachsprachen IV (2)
[was von "gesanglos" übrig bleibt]

german | Ulf Stolterfoht

was von "gesanglos" übrig bleibt - "ein ernster vogel"
reißt es an. kein ernster vogel handelt ab was der
erscheinung eigen schien. er streicht sich sozusagen
durch. man schüttelt innerlich den kopf. man nickt.
siehts ein. das muß das wesen der verneinung sein.
was auf den zweiten blick verwirrt: ... KEINE X

PFERDE (... bringen einen weg) hält auf den dritten
stand und fest. kein eines pferd hält also fest.
elf pferde oder neun: sie bringen einen weg. genau
wie keine zehn. sie halten einen fest. dann aber
bitte nichts wie ran an keine null pferde - sie
abzubäumen/aufzuzäumen  was nämlich sache ist

(um letzte zweifel auszuräumen): nicht nicht zu
unterlassen. nicht zu vergessen: vergessen. zu
hungern. es schlichtweg verrichtet. nähme sich vor:
zu schneiden das brot. vergißt es. wird nun (das
brot wird immer härter) zu schneiden nennen "sägen"
sein? sei eure rede bestenfalls ja ja / nein nein!

was ähnlich schwer zu klären ist: ob es vielleicht
wahrscheinlich gibt. tendenz: vielleicht. wahrscheinlich
nicht. doch damit steht man schnell allein. kommt also
nicht umhin "unding schlechthin" als haben ding zu gelten
lassen. das brotlose des unterfangens: nicht nur nicht
nicht zu sagen / un zu tun. dann seine schönheit aber auch.

© Urs Engeler Editor Basel, Weil am Rhein und Wien 1998
from: fachsprachen I-IX
Basel, Weil am Rhein und Wien: Urs Engeler Editor, 1998
ISBN: 3-905591-01-4
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

JARGONS IV (2)

english

what still remains of “songless” — “an earnest bird”
brings up. no earnest bird discusses what
seemed essentially the fact. he as it were cancels
himself out. you mentally shake your head. you nod.
you say i see. this must the essence of negation be.
and what’s confusing at a second glance:... NO X

HORSES (... carry you away) at a third holds
up and fast. no one horse holds so fast.
eleven horses or else nine: carry
you away. just as no ten. they hold you
fast. then let’s have at it at no zero
horses — to sidle/bridle up! a matter

(to remove last lingering doubts): not not to be
neglected. not to forget: forgotten. to
hunger. simply done. resolved: to cut
the bread. forgets. is now (the bread harder
and harder) to cut to be called to “saw”?
may your speech be yea yea / nay nay!

what’s likewise hard to clarify: if probably perhaps
exists. tendency: perhaps. probably not.
but here you quickly stand alone. and can’t help make
a stand for “nonsense absolute” as having making
sense some. unprofitable enterprise: not only not
to say not / to do un. but then its beauty too.

Translated by Rosmarie Waldrop

fachsprachen IV (1) [eröffnet lebhaft]

german | Ulf Stolterfoht

eröffnet lebhaft: sätze gibt es. schließt behauptet:
wörter füllen sie auf. das sei dann auch schon alles.
im oberton ein lediglich wie was gewiß gemeinhin ist:
die gute wahrnehmung des obsts - sie mag für
manches andre stehen. die ganze wahrnehmung des
guten obsts - hier wie sie funktioniert:

wie äpfel augen und. von birnen ganz zu schweigen.
vermeint gemäß bekräftens: der apfel sieht sich
selber nicht. darin ist er dem auge gleich. dem
einen ist nicht anzusehen (die bitte dies als satz
zu sehen) daß ihn ein zweites sieht. "die bitte dies als
satz zu sehen" als gleichfalls einen satz zu sehen usw.

"will sagen" findet statt. aspekte satt. man schuldet/
dankt/vermuß. "soll heißen" legt sich quer. auch
"später mehr" gehört hierher. ein starkes glücksgefühl
durch obst. ein neueres. ein besseres. ein heiteres
vielleicht. vielleicht strukturen nur doch dafür grob
und pur. führt von bedarft zu ungefähr. das wort

vom obst im auge des betrachters. der pfahl als
balken oder splitter. der satz vom angestammten
ast. das wort vom stamm ein zwitter. mal so: das
falsche obst am rechten platz. dann so: der baum als
wort - ein guter satz. dann wenn nicht alles täuscht
der ganze baum als stärkster zweig zur linken.

© Urs Engeler Editor Basel, Weil am Rhein und Wien 1998
from: fachsprachen I-IX
Basel, Weil am Rhein und Wien: Urs Engeler Editor, 1998
ISBN: 3-905591-01-4
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

JARGONS IV (1)

english

opens brightly: sentences exist. deduces claims:
full of words. and that is all there is.
in overtones a merely as what’s surely commonly:
good perception of fruit — may well
stand for other things. complete perception of
good fruit — here’s how it functions:

like apples eyes and. not to mention pears.
presumes pending corroboration: the apple does not
see itself. in this it’s like the eye. you can’t tell from
the looks of one (please look at this as a sentence)
it’s being looked at by another. “please look at this as
a sentence” likewise to be looked at as a sentence etc.

“is to say” takes place. aspects apace. one owes/
thanks/is obliged. “is to mean” goes haywire. also
“more later” belongs here. strong feelings of happiness
through fruit. a newer. a better. a dapper
perhaps. perhaps mere structures but at least crude
and pure. leads from needy to approximate. the word

of fruit in the eye of the beholder. the post as
beam or mote. the sentence of the hereditary
branch. the word of trunk a hybrid. first: the
wrong fruit in the right place. then: the tree as
word — a good sentence. then if I’m not mistaken
the whole tree on the left as strongest branch.

Translated by Rosmarie Waldrop