Richard Martin
Translator
on Lyrikline: 8 poems translated
from: german to: english
Original
Translation
Das Fahrwasser
german | Jürgen Nendza
DAS FAHRWASSER haben sie umgesteckt,
die Birkenstämme. Jetzt schwimmen Atemzüge
bis Buise, unterspülen Wachphasen
auf dem Promenadendeck. Sommerfrische
logiert in Badefeldern, eingefriedet,
mit dem Rücken zum Meer. Du weißt,
die Rettungswege sind freizuhalten,
Rebeckchen Mayer und Herr Levy
durften bleiben. Die Luft ist feucht.
Gleich kommt die Sonne zum Vorschein,
weckt weitere Jahre, die anlegen im Wind und
nirgends das Feste und Ganze. Die Strömung
verschiebt den Küstenverlauf. An deinem Kinn
entsteht der vollkommene Raum eines Tropfens.
from: Picknick
Leipzig: Poetenladen Verlag, 2017
Audio production: Haus für Poesie
THE BEECH TRUNKS
english
The beech trunks have changed
the channel. Breaths now swim
as far as Buise, undermine waking phases
on the promenade deck. Summer holidays
are staying on bathing fields, fenced off,
their backs to the sea. You know
the emergency paths must be kept free,
Becky Meyer and Herr Levy
were allowed to stay. The air is damp.
Soon the sun will reappear,
awaken other years that dock in the wind
and nowhere the solid and the whole. The current
shifts the coastline. On your chin
the perfect sphere of a droplet develops.
Picknick I-IX
german | Jürgen Nendza
I
WIR BREITEN UNS AUS
auf einer Decke
aus Euphonie und Zufall,
auf der wir uns näher
verbergen beim Betrachten
des Distelfalters: Masala,
sein gewürzfarbener Flug
im Aufwirbeln von Licht
und Staub. Die Luft
ist ein Kopfkissen
unter der Esche, das wir
uns teilen,wie das Flüchtige,
das uns zusammenhält,
die Picknick-Box,
das metallische Band der Straße,
der Geruch geschnittener
Gräser, unter dem wir
Empfindungen sehen,
die uns umkreisen: Tandemflüge
über dem Weiher. Körper,
die einem Meeresfisch
ähneln und verfliegen
in dem, was wir sagen,
zwecklose Prozesse,
unbehaust wie Sonne,
Tee und Gebäck.
II
KLEINIGKEITEN
picken wir auf im Mittagslicht,
das sich staut, das Gras
überzieht
mit einer Bewegung,
in der wir schwimmen
im Denken, wie das Gehirn
schwimmt in einer Flüssigkeit
in uns, weltumspannend
in eine Teezeit hinein
und sich verzweigt
mit einer gefiederten Maske:
Der Distelfink sprenkelt
dein Ohr. Dein Bild
von ihm gleicht einer Perle,
um Sand gebaut, ein Stern,
der nicht aufgehen kann
hinter den Augen,
der sich täglich nähert
im Grün, in Krümeln
und Käfern, während wir
uns versorgen und
die Apfelhälfte
nachdunkelt
in deiner Hand.
III
AUFGEFALTET
haben wir unsere Haut
zu einem Fallschirm,
zu einer geräumigen Fläche,
die sich verschiebt
in das Ausmaß deines Zopfgummis
am Handgelenk: Eine Spirale,
Sequenzen, hineingebunden
in die Welt, in eine Fallhöhe
von Augenblick und Zukunft.
Ein Abschnitt von uns
lockert die Erde
unter dem Grün,
die uns beschläft
mit ihrem Gedächtnis,
durchwächst mit einer fernen
Verbindung. Und siehst du das
Gras an, siehst du das
Unsichere, das sich aufrichten
wird mit jeder Erwartung,
die anderes sieht
als sich selbst.
IV
ESCHEGEFIEDER,
das Unsichere richtet sich
ein in der Verschiebung
von meeresfischähnlichen
Körpern, die über eine Decke
fliegen, die keinen Rand hat
außer uns. Wir essen,
trinken wie Einübungen
in eine große Euphonie,
mit Empfindungen,
die uns zerstreuen
zu einem Teelicht
unter der Sonne. Das Gras
selbst sei ein Kind,
sagst du und entfaltest
dich in eine Handbreit
Vertrauen, das sich dreht
mit der Erde, in Spiralen,
die einander umlaufen
mit Halmen am Schuh.
V
DAS MITTAGLICHT
wächst durch uns
hindurch und der Distelfalter
zieht mit seinem geräumigen
Ausmaß ins Gebirge
und Denken, das seine Fühler
ausstreckt und aufliest
einen Käfer in der Hand,
geschnittenes Gras und
Gebäck. Du weißt nicht,
sind wir wirklich
im Freien, wenn wir
uns immer näher verbergen
in dem, was wir sagen
und das Flüchtige
uns zusieht und teilt,
während die Apfelhälfte
nachdunkelt
hinter den Augen
und das metallische
Rauschen zwecklos
ein Sandkorn umkreist.
VI
UNSERE HAUT
ein Gefieder, das auffliegt
in Klarnamen,
in Stieglitz: Das Gehirn
ein schwimmender Stern,
unter dem wir
uns erheben und beugen
aufgefaltet in Teezeit,
Augenblick und Erwartung,
in Krümeln unter der Esche.
Etwas von uns
lockert die Erde,
zieht Perlen auf
eine Spirale. Dein Zopfgummi,
hineingebunden
in eine Fallhöhe ´
Hand in Hand,
in ein Bild,
das Verbindungen
verschiebt, Denken
und Gras.
VII
AUF UNSERER DECKE
geschnittenes Gras
und zufällig mit uns
verteilt unter der Sonne
schwirrt ein komplexes
Auge im metallischen
Rauschen. Wir sehen
Gefieder, teilen Geruch,
und Gebäck, das Kopfkissen
aus der Homöo-Box. Meeresfische
richten sich auf
mit dem Flimmerhaar
in deinem Nacken, Empfindungen,
die uns näher verbergen
und sammeln zu einer Handbreit
Vertrauen: Masala,
die Krümel, die Esche
und was alles als etwas
schwimmt in deinem Gehirn,
weltumspannend in Perlen
aus Licht und Staub.
.
VIII
EINE RANDLOSE
Fläche, das Gras,
auf dem wir liegen
im Sprechen, das in uns
kreist um Kleinigkeiten
und wie gemalt
hockt der Distelfink
in der Verzweigung. Umläuft
ein Kettchen seinen Fuß?
Du übst dich ein
ins Verkörpern. Wir
essen, trinken mit Käfern
am Ohr, sehen
im Denken unbehaust
das Mittagslicht,
als wäre es
ein spielendes Kind
mit Halmen an Schuh
und Spiralen und
die Maske,
die nachdunkelt
in deiner Hand,
ist ein Apfel.
IX
WIR TEILEN
die Geräumigkeit
eines Augenblicks und
das Gebäck, indem
das Flüchtige beginnt
uns zu erinnern: Die Esche,
ihr Pfeil in den Gliedern. Sequenzen,
eine Fallhöhe aus Zufall
und Sonne, die uns durchwächst
mit einem Distelfalter
hinter den Augen.
Wir brechen auf,
falten die Decke zusammen,
die keinen Rand hat
außer uns und sammeln
das Unsichere ein,
während die Welt
am Weiher sich dreht
um ein fernes Gedächtnis
und du sie hineinbindest
mit einem Zopfgummi
in dein Haar.
from: Picknick
Leipzig: Poetenladen Verlag, 2017
Audio production: Haus für Poesie
Picknick I-IX
english
I
We spread ourselves
on a blanket
of euphony and accident,
upon which we hide ourselves
closer while watching
the painted lady: masala,
its spice-coloured flight
in the whirling of light
and dust. The air
is a pillow we share
under the ash tree,
like the volatile things
that bind us together,
the picnic basket,
the metallic ribbon of the road,
the smell of mown grass,
beneath which we
see sensations
that circle around us: tandem flights
over the pond, bodies
like those of seawater fish
which vanish
in what we say,
useless processes,
homeless as sun,
tea, and biscuits.
II
Little things
we pick up in the noon light
building up, covering
grass
in one movement
in which we swim
in our thoughts, as the brain
swims in liquid
inside us covering the world
in a teatime,
and branches out
with a feathery mask.
The goldfinch sprinkles
your ear. Your picture
of it is like a pearl
built around sand, a star
that cannot rise
behind the eyes,
which daily gets nearer
in the green, in crumbs
and beetles, while we
look after ourselves and
the apple half
darkens
in your hand.
III
We've unfolded
our skin
into a parachute,
a roomy space
that shifts
to the scale of the ponytail
band round your wrist:
a spiral,
sequences tied into
the world, in a fall
of moment and future.
A segment of us
loosens the earth
beneath the green,
which makes us sleepy
with its memory,
grows through us with a distant
connection. And when you see
the grass, you see
the uncertainty, which will sit up
with every expectation
that sees things different
from itself.
IV
Ash tree plumage,
the uncertain makes itself at home
in the shifting
of saltwater fish-like
bodies flying over a blanket
which has no edge
apart from us. We eat,
drink as though practising
in a great euphony
with feelings
that disperse us
into a tea light
beneath the sun. The grass
itself is a child,
you say and unfold
yourself in a hand's breadth
of trust that revolves
with the earth, in spirals
which orbit each other
with straws on their shoes.
V
The midday light
grows through us
and the painted lady
moves with its roomy
size to mountains
and thought, which stretches
out its feelers
and picks up a beetle in its hand,
cut grass and
biscuits. You don't know
are we really
in the open when we're
hiding ourselves
ever closer in what we say,
and that which passes
watches us and splits
while the apple half
darkens
behind the eyes,
and the metallic
roar futilely circles
a grain of sand.
VI
Our skin,
plumage that flies up
in proper names,
in goldfinch: its brain
a swimming star
beneath which we
get up and bow
unfolded into teatime,
moment and expectation,
in crumbs beneath the ash.
Something of us
loosens the earth,
strings pearls
onto a spiral. Your ponytail band
bound into a fall
hand in hand
into a picture
that shifts connections,
thought
and grass.
VII
On our blanket
cut grass
and accidentally with us,
spread out in the sun,
buzzes a complex
eye in metallic
roaring. We see
plumage, share a bouquet
and biscuits, the pillow
from the homeo-box. Saltwater fish
rise up
with the flickering hair
on the nape of your neck, feelings
which hide us closer
and collect us in a hand-breadth
of trust: masala,
the crumbs, the ash tree,
and whatever it is that
swims in your brain,
covering the world in pearls
of light and dust.
VIII
A frameless
surface, the grass
on which we lie
while speaking, that in us
circles round little things,
and, as though painted,
the goldfinch perches
in the branches. Does a chain
circle its foot?
You're practising
embodiment. We
eat, drink with beetles
in our ears, see,
in thought, the homeless
midday light
as though it were
a playing child
with straws on its shoe
and spirals, and
the mask
that darkens
in your hand
is an apple.
IX
We share
the vastness
of a moment and
the biscuits, as
the transitory begins
to remind us: the ash tree,
its arrow in the limbs. Sequences,
a fall made of chance
and sun that grows through us
with a painted lady
behind our eyes.
We begin to leave,
fold up the blanket
that has no edge
but us, and collect
the uncertainty
while the world
of the pond revolves
around a distant memory,
and with a ponytail band
you bind it
into your hair.
Deine Schrittspur
german | Jürgen Nendza
DEINE SCHRITTSPUR ein Reigen
aus Augenblicksflächen. Ihr Einwässern
in fußbreite Spiegel, einbleichend
in kurze Himmelstränken,
mit Versickern belebt. Ein Spalier
aufgesprungener Muscheln, eine Möwe
im Schlichtkleid. Du gehst weiter.
Die Küste gefüttert mit Blicken,
die Schuhe in der Hand, die Bänder
wie Köder für feste Schleifen.
from: Picknick
Leipzig: Poetenladen Verlag, 2017
Audio production: Haus für Poesie
The track of your steps
english
THE TRACK OF YOUR STEPS, a round dance
of passing surfaces. Their watering
into foot-wide mirrors, bleaching
into short-lived heavenly troughs,
livened up with what is seeping away.
Sprung open shells, a guard of honour; a gull
in layered dress. You walk on.
The coast lined with glances,
shoes in your hand, the laces
like bait for firm bows.
"...sagen die Luftwurzeln"
german | Jürgen Nendza
I
Vielleicht
ist es das Erzittern,
mit dem wir beginnen und enden,
während die Augen am Himmel saugen
im Rhythmus einer Sprache
ohne persönliche Besitzanzeige:
Kupfer, Zimt, ein türkisfarbenes
Fliegengewicht, sagen die Luftwurzeln,
und wir zerstäuben im Lichtfächer
des Kolibris, im Nonstoppflug, Jetlag:
drei Gramm Flugtöne und –rausch,
Variationen in Kalliopes Stimme.
So bleiben wir stehen
in der Luft, in einer Schleife
ohne toten Umkehrpunkt, während
unter uns die Landschaft
weiterzieht.
II
Ein Fragebogen
ist deine Braue, in deinen Augen
das Gespräch der Leuchtkäfer:
Sag, wächst uns eine andere Haut,
wenn du mich so ansiehst
und wir beginnen
uns zu steigern, zu verdoppeln:
motmot, die Schwingen
des Paradieses, rotrot,
die Blüten des Flammenbaums,
und die Leuchtkäfer fragen:
Ist der Kolibri eine Metapher
für einen Schwarm um sich selbst
kreisender Fische, schillernd
im bunten Schlaf, ein Aufglühen
der Farben unter den Lidern,
wenn wir im Sprechen
rotieren: Kommkomm,
jeder bleibt für sich
in seinem Aufwachraum
halbiert.
III
Die Hitze,
eine große Hand,
gebacken aus Licht. Wir
trinken Kokoswasser, hören
den Durst, der gelöscht wird
längs der Schweißnähte
der Körper: Der eigene
Name trennt sich
auf unter den Luftwurzeln,
ist nur ein geteiltes Wort
wie Kupfer oder Zimt
ohne persönliche Besitzanzeige
und ein Vibrieren
auf dem Zungengrund
in der Rotation
der Flügel. Klangschalen
sind deine Lippen,
an deren Enden das sichtbare
Licht verschwindet,
wenn nur noch die Zeit
mit uns unterwegs ist.
IV
Der Regen
bindet seine Schnüre
zu einer klopfenden Wand:
ein grauer Dauerton
liegt über uns, dem Grün,
den Dingen: eine Haut,
unter der wir uns verlaufen.
Betäubt, als hätte
das gewaltige Alleinsein
seine Schleusen geöffnet,
faltet unser Atem
das Restlicht wie eine Tischdecke
zusammen: wir beginnen uns
aus der Erinnerung
zu begleiten, während wir reden
vom Nonstoppflug, eine erklärbare
Reihenfolge suchen, einen Handlauf
ins Dunkle und niemand
mit bloßem Auge
die Liebe erkennt.
V
Terracottafliese,
der Abdruck deines nassen Fußes.
Die Gegenwart ist ein Verdunsten
in diesem Gebäude aus Hitze
und Regen: Feine Luftwege
führen ins türkisfarbene
Fliegengewicht, durch die Kammern
der Knochen, wenn das Erzittern
uns füttert jenseits der Lichtschranken.
Reden wir also vom Kolibri,
der tausendmal schon
gesagt worden ist, vom Tisch,
der tausendmal schon
gesagt worden ist, von tausendmal:
Nie haben wir genug Hände
uns zu begreifen.
VI
Der Abend
versammelt sich
im Regenbaum. Gelb lockt
zwischen Blattpaaren
die Königin der Nacht
wie eine verlassene
Empfindung, die uns entdeckt,
wenn der Schlaf uns spricht:
Das Laken haben wir gespannt
und uns in der Umdrehung.
Kontaktschlaf, so gehen wir auf
Federfühlung, gefiedert
mit dem Radius der Entfernung,
bis wir bei Tageslicht
ermüden unter der Last
der getrennten
Körper.
VII
Ein Schwirrflug
ist das Stakkato der Fristen:
Tausendmal saugen die Augen
am Himmel, werfen wir
Luftwurzeln aus, suchen
Tiefenwärme mit einem Refrain
aus Gesagtem und Stille
am Ende der Skala
des sichtbaren Lichts. Tausendmal
wischen Wolken über alles
hinweg, sieht das Sterben
uns zu im Spiegel,
und jedes Mal noch
wölbt sich dein Atem
über dieses Bild hinaus,
spannt deine Brust
Bogen, Braue und Bucht:
Kommkomm,
sagt das Erzittern,
lass uns balancieren
auf dieser Frequenz
wo wir enden.
VIII
Vielleicht
wird uns einmal gefallen
die Art, wie Ameisen
aus unserem Schatten treten.
Einmal, wenn deine Haut
nicht mehr durchblutet ist,
wird sie weiß sein
wie das Papier, auf dem ich
schreibe, auf dem du
liest, weiß und still:
Ein abgelegtes Hochzeitskleid
wird sie sein, immer schon
mit dir beschrieben,
und wenn der Umkehrpunkt
gestorben ist, das Laken
in letzter Umdrehung verharrt
unter einer Landschaft
aus Träumen,
die über uns hinwegzieht,
dann frag ich dich:
wieviel Belichtungszeit
braucht das Glück, bevor
die Augen uns schließen.
from: Die Rotation des Kolibris
Weilerswist: Landpresse, 2008
Audio production: M.Mechner / literaturWERKstatt berlin 2005
„...say the aerial roots“ *
english
I
Perhaps
it´s the trembling
we begin and end with,
while the eyes suckle the sky
to the rhythm of a language
without any personal possessives:
copper, cinnamon, a turquoise-coloured
flyweight, say the aerial roots,
and we atomize with the hummingbird’s
fan of light in non-stop flight, jetlag:
three grammes of flight tones and ecstasy,
variations in Calliope’s voice.
And we remain standing
in the air, in a loop without
a dead turning point, while
beneath us the landscape
marches on.
II
Your eyebrow’s
a questionnaire, in your eyes
the glow-worm’s conversation:
say, do we grow another skin,
when you look at me like that
and we begin
to expand, to double:
mot mot, the pinions
of paradise, red red
the flowers of the flamboyant,
and the glow-worms ask:
is the hummingbird a metaphor
for a swarm of fish circling
around themselves, glittering
in colourful sleep, a lighting up
of the tints beneath our eyelids,
when speaking we
rotate: come come,
everyone lies alone
in his recovery room,
halved.
III
The heat
a huge hand
baked from light. We
drink coconut water, hear
the thirst that is slaked
along the welded joints
of our bodies: one’s own
name splits up
beneath the aerial roots,
is a divided word
like copper or cinnamon,
without any personal possessives,
and a vibrating
at the root of the tongue
in the rotation
of the wings. Your lips
are singing bowls
at whose edges visible
light vanishes,
when only time
travels with us.
IV
The rain
ties its strings
to a beating wall:
a grey continuous tone
lies over us, the green,
the things: a skin
beneath which we lose our way.
Stunned as though
overwhelming loneliness
had opened its sluicegates,
our breath folds up
what light is left like a tablecloth:
we begin from memory
to accompany ourselves
while we talk of the
non-stop flight, search for
an explainable sequence, a handrail
into the dark and no one
with naked eye
recognises love.
V
Terracotta tile,
the print of your wet foot.
The present is vaporized
in this building of heat
and rain: fine air passages
lead to the tourqoise-coloured
flyweight, through the chambers
of the bones, when the trembling
feeds us beyond the light barriers.
Then let’s talk about the hummingbird,
which has been said already
a thousand times, about the table,
which has been said already
a thousand times, about a thousand times:
never do we have enough hands
to grasp ourselves.
VI
The evening
gathers itself in
the rain tree. Yellow between
pairs of leaves
the queen of the night
lures like a deserted
feeling, which discovers us
when sleep speaks us:
turning over we’ve spread
the sheet and ourselves.
Contact sleep is how we attempt
the touch of wings, feathered
with the radius of distance,
until by daylight we grow
tired under the weight
of separated
bodies.
VII
The staccato of deadlines
is a buzzing flight:
a thousand times our eyes suckle
the sky, we throw out
aerial roots searching for
deep warmth with a chorus
made up of speech and the silence
at the end of the scale
of visible light. A thousand times
clouds sweep across
everything, death watches us
in the mirror
and still each time
your breath curves
beyond this image,
your breast draws
bow, brow and bay:
come come
says the trembling,
let’s balance
on this frequency
where we end.
VIII
Perhaps
one day we shall take pleasure
in the way the ants step
out from under our shadow.
One day, when your circulation
fails, your skin
will be as white
as the paper on which
I am writing, on which you
read, white and still:
it will be a cast off
wedding dress always already
inscribed by you
and when the turning point
has died, the sheet pauses
in a final turning over
beneath a landscape
made of dreams
that floats over us,
then I’ll ask you:
how long an exposure
does happiness need before
our eyes close us.
An manchen Tagen
german | Jürgen Nendza
An manchen Tagen erscheint er
wie ein Glück, der Schatten,
der durch das Zimmer wandert
über die unerledigten Dinge. Draußen
steckt das Schnittmuster der Bäume
voller Möglichkeitssinn.
Wir haben Blaubeeren gegessen
von verwilderten Gräbern
und niemand weiß, wie viel
Zeitraffer liegt in einem Wort. Das Licht
synchronisiert uns mit dem Pfifflaut
der Delphine, die Verborgenes sehen können.
Ich sehe einen Vogelschwarm
von deiner Haut auffliegen und denke mir
einen Rationalisten, der einen Sombrero trägt.
from: Apfel und Amsel
Leipzig: Poetenladen, 2012
Audio production: M.Mechner / literaturWERKstatt berlin 2003
On some days
english
ON SOME DAYS it appears
like happiness, the shadow
that wanders through the room
above unfinished matters. Outside
the dress pattern of the trees
is full of a sense of possibilities.
We've been eating blueberries
from overgrown graves,
and no-one knows how much
time lapse is contained in one word.
The light synchronizes us with the whistle
of dolphins which can see hidden things.
I can see a flock of birds flying
from your skin and imagine
a rationalist wearing a sombrero.
Dein Lippenflimmern
german | Jürgen Nendza
Dein Lippenflimmern unter dem Wachsein
der Sprache: Flügelginster, Hirtenblicke
treiben aus dem Bodenhorizont. Ein offenes
Gelände unter Schwebstoffen, die Unüberbrückbares
miteinander verbinden. Wir sind Passanten
im Wort, sagst du und beklagst, dass Zeit
in deine Seele dringt. Torf. Wir sehen die Trunkenbeere
verstrauchen und auch die Netzhaut ist eine
Anleihe an das Atmen. Ist es wirklich eine
geträumte Sommerstunde? In unserem Rücken
die Sonne wie knisterndes Backpapier.
Der Himmel faltet unsere Müdigkeit zusammen.
from: Apfel und Amsel
Leipzig: Poetenladen, 2012
Audio production: Jürgen Nendza, 2017
THE TREMBLING OF YOUR LIPS
english
THE TREMBLING OF YOUR LIPS under language's
wakefulness: winged broom, herdsman's gaze
grow out of the land at the horizon. An open
space beneath floating particles which connect
unbridgeables with each other. We are passers-by
in words, you say, and complain that time
pierces your soul. Peat. We see bog bilberry
change into bushes, and even nthe retina is on loan
to breath. Is it really a dreamt
summer hour? Behind our backs
the sun's like a rustling piece of baking paper.
The sky folds up our tiredness.
Apfel und Amsel
german | Jürgen Nendza
I
Die Wimpern knistern, dein Blick treibt unter
dünnem Eis: Das Tageslicht hockt über uns.
Wir stehen auf und niemand weiß, welches Gesicht
mit ihm erwacht. Das Fenster ist ein großer Garten,
das Stille öffnet in der Luft und Schlaf
glüht nach, ist warm, ist eingefärbt mit Äpfeln.
Der Morgen dreht sich mit der Erde und eine Amsel
hüpft durch deinen ersten Satz: So wächst Vertrauen
in die Wiederholung, die dich vergisst. Das Licht
bedeutet wir sind wach. Wir stehen auf: Die Zeit ist
unerreichbar zwischen Atemzügen. Und dieses Tasten
nach der Hand, wenn die Sätze sich verlaufen.
II
Täglich verschiebt sich der Gedächtnisrand
und was wir sagen wollten: Der Apfel weiß
nicht, dass die Zeit uns aufsagt. In unseren Händen
schwitzt ein großer See und die Welt
fängt wieder an, fein wie ein Flüstern
über dem Gartentor, wie ein Spinnweb,
das ein Zentrum in die Luft hängt, lauernd
auf Zusammenhang. Wir denken uns in Reihenfolgen,
den Tisch gedeckt, und wenn sich Stille
öffnet: Auf der Straße zum Bäcker geht Liebe
stumm wie ein Reh. Ein Frösteln zieht über
die Tapete. Das Schwierige ist jetzt die Amsel.
III
Trittschall über uns. Eine andere Geschichte läuft
über Kopf und du sortierst dich noch für eine Weile
mit Spiegel, Handtuch, Kamm. Das Wasser fließt
wie gestern, als das Wasser floss. Du drehst es ab,
im Waschbecken der Haarriss hat sich vergrößert.
Es knarzt der Toaster in der Küche, als flögen Wespen
in die Heizspirale einer Bäckerei. Das Licht liegt
puderleicht auf deinen Augen und Stille glänzt
entlang den weißen Kacheln wie ein gefrorener See,
dem Risse durch die Mitte laufen, schneller
als ein Vogel fliegt. Es riecht nach warmem Brot.
Das Eis auf deiner Haut beginnt zu singen.
IV
Ein Lächeln wartet draußen in den Zweigen,
das dich nicht kennt und sich in Bäumen
dreht. Bist du denn wach? Das Licht
hat kein Gewicht. Es zieht den Morgen
immer weiter in den Apfel, eine Wirklichkeit
ganz ohne Arme, Beine: Das Hinsehen hält dich
an ihm fest und was du sagen wolltest gestern,
vorgestern vielleicht. Zum Frühstück fallen
Regenworte ein. Wer nimmt die Wäsche ab,
wenn sich im Trommelfeuer Silben öffnen
und du dich setzt? Die Stille fällt ins Schloss.
Dein Lächeln, eine Handvoll Reis.
V
Der Apfel ist ein Wörterbuch, wenn er vom Baum
fällt. Du schlägst es auf, hältst Schmetterlinge
in den Händen, die wie Gartentore sind. Nur diese
Finger liegen an der Eingangsschwelle strikt
und wie ein Messer zwischen Leben stramm und
Tod. Das Licht zeigt sich bedenkenlos und still,
die Amsel weiß ein Lied. Wo hältst du dich jetzt auf,
so neben mir, mit deinem Apfel, aufgeschnitten?
Gleich wird es regnen. Dein Kleid tanzt
an der Wäscheleine und fließt im Wind, fließt
wie ein Fluss zum Meer. Ich tauche meine Hände
darin ein, als hätt es diese Finger nie gegeben.
VI
Blätter fallen, Federn und was sagen
die Blutkörperchen, die roten und die weißen:
Ein Zittern geht umher wie jeden Tag, immer
wird etwas gesucht. Wir lesen uns
mit Händen, öffnen, einsortiert ins Licht,
die Augen und wir schließen sie. Ich scharre
mit den Wimpern. Wir hätten schlafen können
in der Luft, im Flugschatten der Amsel, so unliniert
stand einmal der Tisch, der keiner war, im Zittern
und im Gras. Das Zimmer horcht jetzt auf,
die Stille schlägt mit Türen: Du kommst herein,
die Hände voller Seen, auf denen Blätter treiben.
VII
Das eigene Atmen steht um uns herum
an der Tür zum Garten. Wir betreten Regen,
öffnen sein Hemd, die Luft dahinter liegt
wie nackte Haut auf Zweigen. Es ist feucht und
nass, die Landschaft fädelt deine Stimme ein.
Tropfen wölben sich mit Himmel und mit See.
In jedem Wort dreht sich die Erde und du weißt nicht,
wie sie dich ansieht, unter dem Trittschall,
aus deinen Fußspuren heraus, gefüllt mit Konjunktiven
und mit Sand. Das Zentrum glitzert, das Einmaleins
geht uns voran. Ich wiederhole: Ein Mann
und eine Frau und eine Amsel sind eins.
VIII
Wir treffen uns im Apfel, erzählen uns
in seinem Haus, wo kleine Amseln reifen
und erwarten einen Baum, der sich mit der Erde
dreht, die wir aufsagen und trinken,
weil wir durstig sind: Ein ganzes Meer,
das in uns schweigt, wie das Fruchtfleisch
schweigt im Apfel, wie das Schweigen in der Stille
schweigt und anfragt und mit dem Jawort
in sich trägt sein Weiß wie eine Braut. Wir sind es,
die einkaufen im Zentrum. Nach dem Frühstück
ist das Fenster ein Regal. Wir stehen auf. Wir
räumen ein. Wir sind es. Sind es nicht.
from: Apfel und Amsel
Leipzig: Poetenladen, 2012
Audio production: M.Mechner / literaturWERKstatt berlin 2005
Apple and Blackbird
english
I
Eyelashes rustle, your look drifts beneath
thin ice. Daylight crouches above us.
We get up and neither knows which face
will waken with them. The window is a huge garden.
Silence opens in the air, and sleep
still glows, is warm, is coloured with apples.
The morning turns with the earth, and a blackbird
hops through your first sentences: that's how trust grows
in the repetition that forgets you. The light
tells us we're awake. We get up. Time
is unreachable between breaths. And this feeling
for your hand when the sentences lose the way.
II
Every Day the edge of memory shifts
and what we wanted to say: the apple
doesn't know that time recites us. In our hands
a huge lake sweats, and the world
begins again as fine as a whisper
over the garden gate, like a spider's web
that hangs up a centre in the air, lying in wait
for a connection. We think ourselves in sequences
the table laid, and when silence opens,
in the street love goes to the baker's
dumb as a deer. A shiver crosses the wallpaper.
What´s difficult now is the blackbird.
III
Footsteps above us. A different story walks
overhead and you sort yourself out for a while
with mirror, towel, comb. The water flows
the same as yesterday when the water flowed.
You turn it off, in the sink the hairline crack has grown.
In the kitchen the toaster sizzles as though wasps
were flying into a baker’s heating spiral. The light lies
powdery soft on your eyes and silence glows
along the white tiles like a frozen lake,
cracks running through its centre, faster
than a bird flies. There’s a smell of warm bread.
The ice on your skin begins to sing.
IV
A Smile waits outside in the branches
which doesn't know you, and turns
in trees. Are you awake? The light
is weightless. It pulls the morning
further and further into the apple, a reality
quite without arms and legs. To look at it holds you
tightly to it and what you wanted to say yesterday,
perhaps the day before. For breakfast rain words
drop in. Who'll take down the washing
when syllables open up under drumfire
and you sit down? The silence clicks shut.
Your smile, a handful of rice.
V
The apple is a dictionary when it falls
from the tree. You open it, and hold butterflies
in your hands which are like garden gates. Only these
fingers lie exactly on the entry threshold
and like a knife between life erect and death.
The light reveals itself heedless and still,
the blackbird knows a song. Where are you
right now, beside me, with your apple cut open?
Soon it’ll rain. Your dress dances
on the clothes line and flows in the wind, flows
like a river to the sea. I immerse my hands
in it as though these fingers had never existed.
VI
Leaves fall, feathers, and what do
the corpuscles say, the red and the white?
A shiver goes around as it does every day,
always something is being looked for. We read
ourselves with our hands, open our eyes, sorted out
in the lights, and we shut them. I scrape
with my eyelashes. We could have slept in the open,
under the shadow of the blackbird's flight, so unlined
the table once stood, which wasn't one, in shivers
and in grass. The room pricks up its ears,
silence bangs the doors; you come in, your hands
full of lakes on which leaves float.
VII
Our own Breath stands roundabout us
by the door to the garden. We step into the rain
open its shirt: the air behind lies like
naked skin on the branches. It's damp
and wet, the landscape threads your voice.
Droplets arch together with sky and lake.
In every word the earth turns, and you don't know
how it looks at you beneath the noise of your tread
from out of your footprints, filled with subjunctives
and with sand. The centre shines, the multiplication
tables march ahead of us. I repeat: a man
and a woman and a blackbird are one.
VIII
We meet inside the apple, tell each other stories
in its house where small blackbirds ripen
and wait for a tree that will turn with
the earth; which we’ll recite and drink,
because we are thirsty: a whole ocean
is silent within us like the fruit itself
is silent inside the apple, as silence in stillness
is silent and enquires; and with its yes
inside it wears white like a bride. We are the ones
who shop in the centre of town. After breakfast
the window is a shelf. We get up, we put
things away. We are the ones. We are not.
Piegaresische Fenster I-VI
german | Jürgen Nendza
I
Biegsam. Den Wegrand patrouilliert die Wilde Karde,
aber sie reicht nicht aus zum Aufkratzen des Stoffes,
damals nicht, heute nicht. Also weiter
Anfragen an die Vegetation: Immergrün, Macchia
zwischen Blüten und Wunden, aus der die Erinnerung
zu ergänzen beginnt und evakuiert
die Gegenwart im Unterholz für eine Geschichte
des Widerstands zum Beispiel, die mitläuft
durchs Vokabular, gegenüber den Hügel hinauf
zum römischen Weiler, wo wir den Tempel Dianas
sehen im Zitat und mit jedem Wort
ein Labyrinth, in dem die Zeit sich verliert,
bevor sie uns vor die Füße legt Wegwarte,
Patronen.
II
Patronen. Die Dämmerung ist wieder Schußfeld
gewesen. Doch jetzt ist das Gelände frei:
Die Hunde schlafen hinter den Steineichen,
an deren Blutstamm wir Hirschkäfer sammeln,
am Totholz Legenden vom Feuerflug. Die Hitze
schnürt ihr Korsett, staut Ginsterlicht auf,
Reisighaut, Hügel und Tal: eine Vertikalität
verlassen vom Wind. Gut organisiert
nehmen Ameisen Maß an unseren Füßen,
und wie eine Ausweichbewegung zieht deine Stimme
einen anderen Horizont. Fluchtpunkt ist die Artistik
der Vögel, die uns weiterführt zum Anblick einer
Schwalbe knapp über dem Pool: Ein Wellenmikado reflektiert
auf ihrer weißen Brust. So fliegt das Wasser davon, sagst du
mit einer Leichtigkeit, die ringsum abtauchen läßt Hügel,
Legenden.
III
Legenden. Ich denke an Wässergräben englischer
Gärten. Unbegehbar ihre eingebundene Weite,
und nur ein kleiner Schritt zu den Zwischenräumen
der Worte. Wieder sind es Motive der Entfernung,
die so nah ihre Muster aufschlagen: Der Segelfalter
legt seinen Halbmond in die Wölbung deiner Brauen,
berichtet vom Bogenschlag filigraner Lünetten. Später,
am Haus, bleibst du im Türrahmen gelehnt. Eine Figur
zwischen Kommen und Gehen, die hinunterschaut
zum versteinerten Fluß: Durchtrocknendes Licht, das ausblüht
Salz und jede Bewegung einzufärben droht ins Verharren.
Dann richten sich Fürstenhöfe ein auf den Hügeln,
arkadische Szenen, Märchenbilder, im Silber des Ölbaums
Tonwerte.
IV
Tonwerte. Längst haben sich Vannuccis Farben gelöst
von ihren Motiven, irren herum oder erforschen
den Zweifel. Wir kauen Rosmarinbrot.Du erzählst
von der Blütezeit piegaresischer Glasmacher,
als deine Worte abgleiten ins Schmirgeln
meiner Kiefer und einsetzt der Gesang der Stieglitze
vom Morgen, der scherbelnd im Halbschlaf
durch die Säulenzypressen fällt, als die Glocke
der Pfarrkirche mager zu nagen beginnt am Signalton
rangierender Baustofftransporter im Tal
und zehnmal die Zeit in der Zeit wiederholt. Wachwerden
hinter piegaresischem Glas, denke ich, als du
noch sagst: für die Domfenster verwendet, in
Orvieto.
V
Orvieto. Nachmittags im Kellersystem. Tuffgestein,
Porzellanerde, im Kühlfach der Gänge gestapelte
Fristen. Es verläuft noch etruskisches Wasser
unter den Einfluglöchern bei der Ankunft
im zehntausendfach gurrenden Vorratslager
für das Zentrum darüber, das sich ausspricht
im Blutwunder gegen Ketzer. Auf vulkanischem Fels
gehen wir an Deck. Das Schiff aus Kalkstein, Basalt,
als wäre die arabische Schönheit gekommen,
und wir bewundern Signorellis Liebe zum Detail
abgründiger Menschennatur, während
draußen auf den Bildschirmen sich fortsetzt
die Anatomie der Übergriffe: In Genua,
sehen wir, werden Gefangene gemacht
zwischen Denken und Sprechen,
Tote.
VI
Tote. Wie liegengeblieben erscheint uns die Landschaft
auf dem Rückweg. Aufgerissen neben der Fahrbahn die Erde.
Kabeltrommeln, Verbindungsgräben. Für einen Augenblick
weißt du nicht, ist es Stau oder Prozession, was die Motoren
zueinander schiebt. Wir biegen ab in die späte Sonne.
In der Anlage Zypressen, nacktsamiges Immergrün,
flammende Kronen. Dein Schatten geht dir jetzt voran.
Schweigend sein Metronom, und längs der Körperlinien
lachsfarben unsere Aufschüttung der Lust. Wir krümmen
die Nacht, den Raum, das Fenster geöffnet. Später
blenden Scheinwerfer auf vom Hügel gegenüber, häuten
die Serpentine, und wir sehen uns wieder in einer Renaissance
des Lichts, verteilt zwischen Blüten und Wunden, so
biegsam.
from: Haut und Serpentine
Weilerswist: Landpresse , 2004
Audio production: M.Mechner / literaturWERKstatt berlin 2005
Piegaran Windows*
english
I
Pliable. The card thistle patrols the side of the path,
but is unable to tease open the material,
not then, not today. So further
inquiries about the vegetation: evergreen, scrub
between flowers and wounds, from which memory
begins completion, and evacuates
the present to the undergrowth for a story
of resistance, for example, which runs
through the vocabulary, opposite the hill and up
to the Roman village, where in quotation
we see the Temple of Diana, and with each word
a labyrinth in which time loses itself
before it lays at our feet chicory,
cartridges.
II
Cartridges. The dusk has been a firing range
once more. But now the ground is free:
the dogs are sleeping behind the holm oaks,
from whose trunks we collect stag beetles,
and from dead wood legends of fiery flight. The heat
tightens its corset, obstructs gorse lights,
brushwood bark, hill and valley: a verticality
deserted by the wind. Well organized
ants take the measurement of our feet,
and your voice, like evasive action, charts
another horizon. In the vanishing point lies the artistry
of birds that leads us on to the view of a swallow
low over the pool: the play of ripples reflected
on its white breast. That´s how the water flies away,
you say lightly, sinking hills all round us,
legends.
III
Legends. I think of the moats in English
gardens. Their bound breadth impassable,
and just a short step to the spaces between
words. Once again, themes of distance
open up their patterns so close by: the swallowtail
lays its half-moon in the curve of your brows,
tells of the arched span of filigree lunettes. Later
back home, you lean in the door frame waiting. A figure
between coming and going, looking down
at the petrified river: drying light that fades
salt and threatens to tinge every movement in arrest.
Then princes set up their courts on the hilltops,
arcadian scenes, fairytale pictures in the silver of the olive´s
tonal values.
IV
Tonal values. Long ago Vannucci´s colours freed themselves
from their themes, they wander about or explore
doubt. We chew on rosemary bread. You talk about
the heyday of the Piegaran glassmakers,
while your words slip on the sanding
of my jaw, and the goldfinches begin their song
of the morning that falls fragmented, half asleep
through the cypress columns, while the church
bell begins to gnaw thinly at the signal sounds
of contractors´ reversing trucks in the valley
and repeats the time tenfold in the time. To wake up
behind Piegaran glass, I think, while you are
still saying: used for the cathedral windows at
Orvieto.
V
Orvieto. An afternoon in the catacombs. Tuff,
china clay, the passageway freezers are stacked
with deadlines. On arrival Etruscan water
still flows beneath the pigeonholes among
the ten thousands cooings of the storeroom
for the base above, which pronounces
against heretics in a miracle of blood. We go on deck
on volcanic rock. A ship of chalk, basalt,
as though the Arabian beauty had come,
and we admire Signorelli´s love of the details
of hateful human nature, while
outside on the screens is continued
the anatomy of attacks: in Genoa,
we see, prisoners are being taken
between thought and speech,
the dead.
VI
The dead. The landscape seems to have been
left behind. The earth beside the road ripped open.
Cable drums, communicating trenches. For a moment
you don´t know, if it´s a jam or a procession that´s pushed
engines together. We turn off into the late sunshine.
In the park cypresses, gymnospermous evergreens,
flaming crowns. Your shadow is walking ahead of you now.
Its metronome silent, and along the lines of the body
salmon coloured the deposit of desire. We arch
the night, the room, the window open. Later
from the hill opposite headlights full on skin the snaking
road, and we see each other again in a renaissance
of light, shared out between flowers and wounds, so
pliable.
*Piegaran Windows: Piegaro is a small town in Umbria
whose glasmakers were famous as early as the 14th century
for the quality of their work