Das Kind Kalifornien

An den Wänden die Bilder von dem Kind,
das größer geworden ist als Kalifornien.
Du siehst sein Gesicht wachsen auf
blassen Fotografien und erkennst
das Kind an seinen Ohren, dem Blick,
der Sehnsucht nach dem Ende der Enge.
Das Kind Kalifornien schrieb nie einen Brief.
Es rief keinen an. Es ging fort und blieb
in der Ferne. Von den Wänden dort,
wo du schläfst, manchmal träumst,
blickt es dich an und doch nicht dich.
Rätsel, Zweifel, wildes Wollen, wonach
sucht so ein Kind, und wonach sucht es
nicht? In jeder Regung, jeder Bewegung,
jeder Entgegnung hat das Kind ein Gesicht,
das mahnt: Trau der Festigkeit der Dinge.
Da, die Gelächterschönheit. Glaub mir,
sagt das Kind an der Wand des Hauses,
das dir Asyl gewährt. Im Zweifel Zweifelnder.
Sei selber dein Sehnen. Wenn nötig ein Land.
Wenn nötig ein fernes. Wenn nötig Kalifornien.

© Mirko Bonné
Audio production: Haus für Poesie / 2017