Am Tag des engen Gedankens

Am Tag des engen Gedankens wechseln wir unauffällig. Bald sind wir
das Bewegliche im Wald, das Erdrückende in der Landschaft der Käfer
der andere Fisch in der Nähe der Fische. Wie schnell ist man
Fisch geworden: Das war nicht zu erwarten.
Das System des Wechsels lautet: Nicht nur die Fische sind Fische. Oder:
Nicht nur die Welt ist die Welt. Wir sind das zweite liegende Heu
zweite atmende Vögel, zweite geduldige Katzen.
Freunde werden begrüßt mit den Worten: Guten Tag drittes Heu
guten Tag dritte rote Katze der Welt. Frage:
Welt vor dem Wechsel oder Welt nach dem Wechsel? Antwort:
Wir wechseln immer noch.

Heu, Heu. Katze, Katze. Welt, Welt.

Im letzten Augenblick (Licht, Nacht, große Antwort einer Landschaft
wir sind fast ohne Licht, fast ohne Nacht, fast ohne
die große Sprache (Sprache Heu, Sprache Katze, Sprache
Vogel der Welt): Es gilt nicht) es gilt nichts: So sind wir verhalten und
mikroskopisch: Im letzten Augenblick. Wir schieben Halme in Halme
gut so. Wir schieben Amsel in Amsel
gut so. Welt in Welt, gut.
Zum Schluß bleiben wir übrig. Alles ist unauffällig geschehen
die Fische schwimmen wenig auffällig als Fische. Wer
hat gewechselt?

Käfer, Vögel, Nacht, Halme, Welt.
Käfer, Vögel, Nacht, Halme, Welt.

© 1986 Rowohlt Verlag, Reinbek
From: passim. Gedichte
Reinbek: Rowohlt Verlag, 1986
ISBN: 3-498-07310-9
Audio production: 1999 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

Der Winter 2011

                        die stadt ist von oben bis unten durchgeblasen
                        sie können sie nicht mehr durchrasen

diese finsternis ist das flammen leid
doch ist eine zweite unter ihr
so hier vom stählernen piedestal
der winter schneit –
zu weißem gewölk geschichtet
über den knöchernen straßen
als ein salziger schwarzer atem
über dir und über mir

flockenrauch schneedreieck
kohlkopf sich schichtender finsternis
stecheiche, warme, innen fell außen kahl,
an den schultern der kahle glanz
halbeiche halbpelz
goldener halbkelch
des buckelnden rands
aufgekehrt von den straßen

                        die stadt ist von unten hinauf geblasen
                        und dem verkehr verwehrt

aus dem Russischen von Elke Erb