piran

im nachbarhaus ist ein kommen und gehen,
mich aber hält der spindelbaum von den blicken fern.
durch den verwachsenen garten führen nur
pfade für katzen, kröten und schnecken.
laut schüttelt das meer den gestanksmantel ab.
auf meinem schreibtisch üben
erdachte personen den fehlenden dialog.
ich sitze da, wie am grund einer alten verstörung.
presse luft in die gedächtniszellen,
um sie lebendig zu halten, gehe abends
über die piazza tartini und komme
morgens mit frischen melonen vom markt.
zweimal die woche schaut frida vorbei.
warum heiraten sie nicht, ruft sie aus den sträuchern,
immer noch besser, als einsam zu sein.
heute  wird eine kröte die warzen verlieren,
weil ich sie küsse, sage ich.
da möcht` ich trauzeugin sein, liebe dichterin.
wieder fällt eine tür ins schloß.

© Maja Haderlap
From: langer transit. Gedichte
Göttingen: Wallstein Verlag, 2014
ISBN: 978-3-8353-1378-1
Audio production: 2004, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

TRAURIG

Man müsste dem Verstand verloren gehen.
Wie der Selbstmörder, wenn er rückwärts lebt.
Dem i sein Tüpfelchen wegnehmen,
aber wiedergeben, bliebe seine Stelle leer.

Besser ist es, wenn alles so bleibt wie ich es vorfand,
es war gar nicht mal so schlecht.
Das aufgewühlte Bett entmachten, auf dem Boden schlafen.
Dann wird das Gestern wieder heil.

Es war ein Geschenk. Ich höre den Aufprall
noch bevor es fällt, schon viel eher.
Ein Engel schwebt vorbei, Ordnung stellt sich ein.
Der Gegenstand entfällt dem sich lösenden Papier.

Dann ganz einfach von neuem beginnen
Wie der Selbstmörder, wenn er rückwärts lebt
Das Ganze hier vergessen
Kleine Zettel schreiben: Milch, Brot
                                Milch, Brot

Aus dem Ungarischen von Orsolya Kalász und Monika Rinck