Ralf Meyer
TAGLIED
Ich lag beim Mädchen mit der Perlenkette,
Die sie um ihre Hüften schlang.
Ich hörte auf ein Herz, wie ichs gern hätte,
Als mich ihr großer Mund ins Kissen zwang.
Und zwischen meinen Lippen aufgehoben,
Hab ich die Perlen einzeln abgewogen.
Den starken Duft vom Holz gefällter Linden,
Von frischer Wäsche und von Sommerblau,
Den konnte ich auf keiner Reise finden,
Nur in den Achseln einer dicken Frau,
Die lauter als die Regengüsse lachte
Und mir ein Hemd von ihrer Wäsche brachte.
Eine mit blasser Haut und rotem Haar,
Die schüchtern ihren Namen zwei Mal sagte,
Drückte mich an die Haustür, und das war
Die Frau, die eine ganze Nacht nichts fragte.
Und in dem kleinen lächelnden Gesicht
Stand eine Traurigkeit, die kannte ich noch nicht.
Von den Gespenstern sind wir die, die leuchten.
Die Blätter, von Kalendern abgerissen,
Gehören denen, die das Glück verscheuchten,
Wir sind Genies, die was uns fehlt, schon wissen.
Was andern Leuten lebenslang zerschellt,
Das passt in eine Nacht, die uns gefällt.
Das Ideal trifft auf die Wirklichkeit,
Und umgekehrt, ein Sturz, jedoch mit Küssen.
Dann leben wir und fallen aus der Zeit,
Was Dichter Frauen nicht erklären müssen.
Denn wie ein Fisch an Land schnappt meine Lust ins Leere,
Wenn ich sie bloß auf dem Papier verehre.